4|Red lips and rosy cheeks
《Wildest Dreams》-Taylor Swift
Harry war sich ziemlich sicher, dass er seinen Freund in eine Zwangsjacke stecken würde, wenn dieser so weiter machte, wie die letzten zehn Minuten.
Er hatte einen anstrengenden Tag gehabt - Samstage im Fotostudio waren immer eine Belastung für die Nerven und auch, wenn seine Kollegin Sam die meisten nicht-terminierten Kunden übernommen hatte, so war auch ihm der Stress nicht erspart geblieben (spätestens bei dem jungen Mädchen, dem er mehrmals vergeblich klar zu machen versuchte, dass Bandshirts auf Bewerbungsfotos meistens weniger gut ankamen, wollte er am liebsten frontal gegen eine Wand laufen).
Gegen 17 Uhr konnte er dann endlich Feierabend machen - nur um Zuhause mit einer neuen Form von Unruhe konfrontiert zu werden. Schon im Flur stolperte er über mehrere Schuhe, die quer über den Fußboden verteilt waren und hinter der verschlossenen Schlafzimmertür konnte er leise Musik und Geraschel hören.
"Baby?", fragte er laut, während er sich die Stiefel von den Füßen zog und sie ins Regal stellte. "Lou?"
Er bekam keine Antwort. Stattdessen ertönte ein dumpfes Geräusch, gefolgt von einem leisen Fluchen und Harry, der gerade dabei gewesen war, seinen Mantel auszuziehen, hielt inne. Er runzelte die Stirn und zog sich die Jacke wieder über die Schultern, bevor er die Tür zum Schlafzimmer öffnete.
Das erste, was ihm auffiel, waren die Haufen an Kleidungsstücken, die sich unordentlich und scheinbar endlos auf dem Bett stapelten. Danach bemerkte er den Rest des verwüsteten Schlafzimmers - und seinen Freund mittendrin.
Louis drehte sich zu ihm um und grinste. "Hey Babe, wie war dein Tag?", wollte er wissen. Er nahm eines seiner Hemden aus dem offenen Kleiderschrank (Harry erinnerte sich, es vor wenigen Tagen mühevoll gebügelt zu haben, weil der untere Saum immer wieder zerknittert war), faltete es auseinander und hielt es sich vor den Oberkörper, nur um nach einem kurzen Blick in den Wandspiegel das Gesicht zu verziehen und es achtlos neben sich zwischen die Kleiderstapel zu werfen.
Und wirklich, Harry hatte genug von diesem Tag.
"Louis, was zur Hölle machst du da?", platzte es fassungslos aus ihm heraus und er fuhr sich gestresst durch die Haare.
"Ich such nach einem Outfit für nachher." Louis zog eine Schnute. "Aber ich find nichts, was passt."
"Also ich versteh unter "Outfit raussuchen" normalerweise etwas anderes, als den halben Schrank auszuräumen", kommentierte Harry trocken und ließ seinen Blick über die Kleidungsstücke auf dem Bett schweifen.
"Och Hazza!" Ein genervtes Geräusch entwich Louis. "Wir räumen das nachher schon noch auf."
Der Lockenkopf hob eine Augenbraue. "Wir?"
Sein Freund drehte sich schnaubend zu ihm um. "Als würdest du es mich allein machen lassen. Deiner Meinung nach falte ich doch jedes Shirt falsch."
Harry verdrehte kopfschüttelnd die Augen, konnte jedoch nicht verhindern, dass sich ein leises Lächeln auf seine Lippens schlich, denn natürlich hatte Louis recht. Dieser grinste nur gewinnend, bevor er seinen Platz vor dem Spiegel verließ und langsam auf Harry zu schlenderte, bis er direkt vor ihm stand. Die rechte Hand des Lockenkopfes wanderte wie von selbst an Louis' Hals und er fuhr mit den Fingerspitzen durch die Haare in seinem Nacken, was den Kleineren zum Schmunzeln brachte. Harry war zu einfach.
"Krieg ich jetzt endlich einen Begrüßungskuss von dir?", wollte Louis wissen und sah erwartungsvoll und mit schief gelegtem Kopf zu seinem Freund auf, während seine Hände ihren Platz an Harrys Taille fanden. "Oder bist du zu beleidigt, um-"
Er schaffte es nicht, seinen Satz zu beenden, denn Harry zog ihn mit einem Ruck an sich und presste seine Lippen auf die des Kleineren. Louis entwich ein überraschter Laut, bevor er seine Augen zufallen ließ und den Kuss seufzend erwiderte. Seine Finger schlüpften unter den Saum von Harrys Pullover und drückten sich sanft in die kalte Haut, während er mit der Zunge über seine Unterlippe fuhr und sie in genau dem Moment in seinen Mund gleiten lassen wollte, in dem Harry den Kopf zurückzog und ihn mit einem seltsamen Gesichtsausdruck musterte.
"Haz...", protestierte Louis und schmollte. Er wollte doch nur mit seinem Freund knutschen, war das zu viel verlangt?
Harry reagierte kein Bisschen darauf. Stattdessen hob er die Hand an Louis' Gesicht und fuhr mit den Fingern über die Bartstoppeln an seinem Kinn, bevor er die Stirn runzelte. "Wolltest du dich nicht rasieren?", fragte er.
Der Kleinere verdrehte die Augen. "Mach ich ja noch!"
"...heute Morgen schon?" Harry sah ihn mit einem Blick an, der wohl bedeuten sollte "Du hattest den gesamten Tag Zeit und hast es bis jetzt nicht geschafft, die eine Sache zu machen, die du dir vorgenommen hattest. Wow.".
"Dir ist klar, dass wir uns in weniger als zwei Stunden mit Niall treffen wollen und ich auch noch ins Bad muss, um mich fertig zu machen?", wollte er wissen und hob eine Augenbraue. "Und das Schlafzimmer sollten wir vorher auch noch aufräumen."
Ein genervtes Geräusch entwich Louis' Kehle und er löste seine Hände von Harrys Taille, um einen Schritt rückwärts zu machen. "Zwei Stunden sind doch genug Zeit", sagte er und rollte erneut mit den Augen.
Harry schüttelte seufzend den Kopf. "Du weißt genauso gut wie ich, dass wir uns am Ende wieder abhetzen. Wir müssen den Bus erwischen und ich will einfach einmal ohne Stress das Haus verlassen, Lou."
"Ist ja gut." Der Angesprochene stöhnte auf und griff unmotiviert nach einem der vielen Oberteile auf dem Bett, um es auf einen Kleiderbügel zu ziehen und in den Schrank zu hängen.
Die Stirn in Falten gelegt beobachtete Harry ihn in seinem Tun. Er ließ seinen Blick erneut durch das Zimmer schweifen, über den Kleiderhaufen, die offenen Schranktüren und leergeräumten Schubladen, bis hin zu seinem Freund, der in Jogginghose und einem schmutzigen T-Shirt mehrere Kleidungsstücke zusammen raffte und dabei alles andere als entspannt wirkte.
Es war offensichtlich, dass irgendwas nicht stimmte. Ja, Louis war unordentlich und hibbelig, aber nicht... so. Und Harry hatte eine Ahnung, was der Grund für dieses ganze Chaos war.
"Lou...", begann er sanft, was seinen Freund dazu brachte, innezuhalten. "Was ist los, Baby? Und sag jetzt nicht "Nichts", ich kenn dich."
Der Teppich schien innerhalb von einer Sekunde extrem spannend zu werden, denn Louis senkte fast blitzartig den Kopf und starrte angestrengt auf den Fußboden, während er mit den Handflächen seine nackten Oberarme auf- und abfuhr. Schließlich ließ er die Schultern fallen und sah doch nach oben.
"Ich-" Louis brach ab und räusperte sich. "Ich bin nervös", gab er dann leise zu.
Der Lockenkopf seufzte. Ja, das hatte er sich gedacht. Dates, fremde Menschen, öffentliches Händchenhalten - all das war für Louis auch nach fast drei Jahren noch schwierig.
"Komm her", bat er und streckte einen Arm nach seinem Freund aus. Louis ließ sich an seine Brust ziehen und schlang seine Arme um Harrys Torso.
"Tut mir leid", murmelte er und drückte sein Gesicht gegen die Schulter seines Freundes. "Ich weiß, du wolltest nur ein normales Date mit mir, und ich muss es mal wieder kaputt machen..."
"Hey." Harry fuhr mit einer Hand über Louis' Rücken. "Sag sowas nicht, bitte. Du hast gar nichts kaputt gemacht und auch, wenn du heute lieber hier bleiben willst-"
Sofort schüttelte der Kleinere vehement den Kopf. "Nein. Ich will nicht, dass du absagen musst, nur weil ich..." Er schluckte. "Nur weil ich Schiss hab. Und außerdem kann ich mich nicht ewig verstecken, richtig?"
Harry küsste ihn. "Ich liebe dich", sagte er, "Und ich weiß, was sich dein hübscher Kopf immer zusammen spinnt, aber du kannst mir glauben wenn ich dir sage, dass ich bei dir bleibe - ganz egal, wie viel Zeit du brauchst."
Natürlich hatte er gemerkt, dass hinter Louis' Antwort mehr steckte, als er sich anmerken ließ; es war die unterschwellig brodelnde Panik, dass Harry irgendwann genug vom Warten hatte und ihn verließ, um sich jemanden zu suchen, der kein Problem damit hatte, ihre Beziehung in der Öffentlichkeit zu zeigen.
"Womit hab ich dich verdient?", seufzte Louis und lehnte seine Stirn gegen Harrys Wange.
"Hmm, Gegenfrage:" Der Lockenkopf lächelte auf seinen Freund herunter. "Womit hab ich es verdient, dass du jeden Monat ein paar Liebeslieder über mich schreibst und so tust, als wäre das keine große Sache?"
Louis biss sich auf die Lippe um ein Lächeln zu verstecken, aber seine roten Wangen verrieten, dass er geschmeichelt war. "Es ist keine große Sache", versuchte er es trotzdem.
"Für mich schon", erwiderte Harry simpel und zuckte mit den Schultern. "Und jetzt Schluss mit der Sentimentalität! Wir haben beide noch was zu erledigen und Niall und seine Freundin sollen nicht ewig auf uns warten müssen."
Die Augen verdrehend löste sich Louis von ihm. "Du bist ein verdammter Pünktlichkeitsfreak", sagte er, aber seine Mundwinkel zuckten. "Und nebenbei: ich bin mir ziemlich sicher, dass die beiden eine Beschäftigung finden würden."
Amüsiert beobachtete er, wie Harry angestrengt versuchte, nicht zu lachen, ehe er nachgab und grinsend den Kopf schüttelte.
"Du bist ein Spinner", meinte er lächelnd. "Los, geh dich rasieren. Und wenn das Essen im Ofen ist, können wir hier aufräumen."
Er machte eine Handbewegung, als würde er Louis verscheuchen wollen, während dieser nur schmunzelte und ihm einen Kussmund zuwarf, bevor er in Richtung Badezimmer verschwand.
Auch Harry verließ das Schlafzimmer, zog sich im Flur endlich die Jacke aus und ging in die Küche, wo er sich die Hände wusch und begann, Gemüse klein zu schneiden. Er wollte nichts großes kochen, nur einen simplen Auflauf, da sie sicherlich auf dem Date noch einiges essen würden. Er warf die bereits zerkleinerte Paprika in eine Auflaufform und griff gerade nach einer Knoblauchzehe, als Louis' Stimme hinter ihm ertönte.
"Wenn du unser Abendessen mit Knobi versaust, küss ich dich bis morgen Mittag nicht mehr!", warnte er und empört drehte Harry sich um.
Sein Freund hatte sich tatsächlich seine gesamte Gesichtsbehaarung abrasiert, was ihn ein ganzes Stück jünger aussehen ließ und für einen kurzen Moment war Harry abgelenkt. Dann fiel ihm wieder ein, was Louis gerade gesagt hatte und er zog einen Flunsch.
"Nope, schau mich nicht so an", blockte der Kleinere ab, bevor Harry überhaupt etwas sagen konnte. "Du weißt, dass ich kein Fan von dem Zeug bin. Außerdem lernen wir die potenzielle Zukünftige von deinem besten Freund kennen. Kein Knoblauch, Harold."
Der Lockenkopf schmollte, aber Louis ließ sich nicht erweichen, sodass der Auflauf schlussendlich noch simpler ausfiel, als ursprünglich geplant war. Harry hatte kaum das Essen in den Backofen geschoben, da legten sich zwei Arme von hinten um ihn und Schmetterlingsküsse wurden auf seinem Hals verteilt.
"Hörst du auf, beleidigt zu sein, wenn ich verspreche, dass ich dir nachher eine Waffel kaufe?", fragte Louis an seinem Ohr.
"Hmm, muss ich mir noch überlegen", erwiderte Harry (obwohl ihnen beiden natürlich klar war, dass er schon längst überzeugt war). Er drehte sich in Louis' Armen um, küsste ihn flüchtig auf die weichen Lippen und wand sich aus der Umarmung, um einen Timer für das Abendbrot zu stellen.
"Haz, sei nicht so!", protestierte der Kleinere direkt und brachte seinen Freund damit leise zum lachen.
"Ich liebe dich", erklärte Harry mit einem Lächeln im Gesicht. "Aber du lenkst mich ab und wir müssen noch aufräumen. Und ich bin mir ziemlich sicher, dass du dir noch nichts zum Anziehen rausgesucht hast, also müssen wir dafür nochmal eine Viertelstunde einplanen."
"Hey!" Nun war Louis derjenige, der beleidigt guckte. "So lange brauch ich auch nicht! Außerdem hatte ich gehofft, dass du mich beim Outfit-planen unterstützt, damit du dich am Ende nicht beschweren kannst, dass ich overdressed bin."
"Hmm." Harrys Blick wanderte einmal über die Figur seines Freundes, während er sich auf die Lippe biss. "Zieh Skinnyjeans und den blauen Pullover an", sagte er dann und grinste. "Du siehst sexy darin aus."
***
Nialls Date war ein knapp 1,60 m großer Sonnenschein mit hellbrauner Haut, dunklen Korkenzieherlocken und einem strahlenden Lächeln.
"Hi, ich bin Marjani", sagte sie und streckte ihnen ihre Hand entgegen, die in fingerlosen Handschuhen steckte. Ihr Händedruck war fest und warm und Harry fand sie auf Anhieb sympathisch.
"Ist okay, ihr braucht mich nicht zu begrüßen", scherzte Niall von der Seite und drehte sich gespielt beleidigt weg.
"Immer so dramatisch." Harry verdrehte lachend die Augen und zog seinen besten Freund in eine Umarmung. "Komm schon her, du Spinner. Warum genau sind wir nochmal befreundet?"
"Uhm, weil du ohne mich nicht kannst?", schlug der Ire vor und grinste. Seine Ohren und Wangen waren schon ganz rot und Harry war sich nicht sicher, ob es an der Kälte oder an Marjanis Anwesenheit lag, weshalb er beschloss, es unkommentiert zu lassen.
"Also, habt ihr irgendwelche besonderen Vorstellungen?", fragte Niall in die Runde. "Es gibt Fressbuden, ein kleines Riesenrad, einen Schießstand... "
"Lou hat mir eine Waffel versprochen", sagte Harry und sah verliebt auf seinen Freund hinunter, der schüchtern zurück lächelte.
"Ich kenn einen coolen Waffelstand hier." Marjani grinste begeistert. "Wenn ihr wollt, können wir da hingehen und uns auf dem Weg ein bisschen umschauen."
"Klingt gut", meinte Harry und auch die anderen stimmten zu, sodass sie sich in Bewegung setzten und zu viert durch die Menschenscharen rund um die kleinen Buden und Verkaufsstände schlenderten. Die Sonne war schon eine ganze Weile untergegangen -es war immerhin Mitte November-, aber an jeder der kleinen Holzhütten funkelten Lichterketten, Sterne und anderer Leuchtschmuck, sodass es alles andere als dunkel war.
Weder Niall und Marjani, noch Harry und Louis hielten sich an den Händen, trotzdem war Harry sich sicher, dass die besondere Verbindung zwischen ihnen spürbar war.
"Danke übrigens, dass das mit 19 Uhr geklappt hat", meldete sich die junge Frau zu seiner Rechten wieder zu Wort.
"Natürlich." Der Lockenkopf warf ihr ein Lächeln zu. Niall hatte ihn gestern Abend noch gefragt, ob sie sich vielleicht schon etwas früher treffen konnten, da Marjani nicht allzu lange bleiben konnte, das Doppeldate aber nicht absagen wollte. Harry hatte gewusst, dass es möglicherweise knapp werden würde, hatte aber ohne zu zögern zugesagt, denn auch er war gespannt gewesen, wer seinem besten Freund so den Kopf verdreht hatte.
"Hast du denn noch was vor, heute?", wollte er wissen und hoffte, dass die Frage nicht zu persönlich war, doch Marjani schien sich nicht daran zu stören.
"Heute nicht mehr, aber meine Mum hat morgen Geburtstag und meine Mamma und ich kochen ihr als Überraschung ein afrikanisches Familienrezept, das unendlich viel Zeit in Anspruch nimmt. Das heißt also, früh aufstehen." Sie lachte.
Auch Harry schmunzelte, während er aus dem linken Augenwinkel wahrnahm, dass Louis seinen Kopf zu ihnen gedreht hatte und dem Gespräch lauschte.
Er wollte gerade zu einer Antwort ansetzen (und dabei unauffällig einbringen, dass er mal in einer Bäckerei gejobbt hatte), da machte es in Nialls Kopf anscheinend Klick.
"Warte...", sagte er verdutzt, "Du hast zwei Mütter?"
Harry musste für einen Moment die Augen schließen, um dem Drang zu widerstehen, über Marjanis Kopf zu greifen und seinem Freund einen Schlag auf den Hinterkopf zu geben.
Die junge Frau jedoch reagierte mit einem gelassenen "Japp." und Harry war sich nicht sicher, wie viel toller sie noch werden konnte.
Im gleichen Moment schien Niall aufzugehen, dass seine Reaktion nicht die Idealste gewesen war, denn Panik war in seinem Blick zu erkennen. "Oh Gott, das war nicht- Ich meinte nicht-", versuchte er hastig, sich zu erklären, "Ich meine, das ist cool. Mums sind cool. Zwei sind noch besser."
Hilfesuchend sah er zu Harry, doch das war gar nicht nötig, denn Marjani prustete plötzlich los und bekam sich eine ganze Weile nicht mehr ein, während Niall neben ihr stand und nicht zu wissen schien, wie er reagieren sollte. Harry und Louis dagegen schafften es nur mit Mühe, ihr Lachen zu unterdrücken. Irgendwann ebbte das Gekicher schließlich ab und Marjani richtete sich wieder auf, atmete ein paar Mal tief durch und fuhr sich mit den Händen über das Gesicht, um die Lachtränen wegzuwischen.
"Tut mir leid", behauptete sie und versuchte, ihre Mundwinkel unter Kontrolle zu bekommen. "Du bist in kein Fettnäpfchen getreten, keine Angst. Es war nur einfach..." Sie zuckte mit den Schultern und lächelte. "Witzig. Aber ja, zwei Mums können ziemlich cool sein."
"Es ist vor allem cool, weil Niall Schiss vor Vätern hat." Harry feixte.
Empört klappte Nialls Mund auf. "Ihr verschwört euch gegen mich!", rief er aus, was zu einem erneuten Lachanfall führte.
Mitten in diesem Tumult schob sich eine kleine, kalte Hand in Harrys eigene und verschränkte schon fast vorsichtig ihre Finger miteinander. Ein Schwarm Schmetterlinge stob in seinem Bauch auf und er musste sich auf die Lippe beißen, um nicht wie ein verknallter Vollidiot zu grinsen. Trotz allem zwang er sich, seinen Fokus auf dem Paar zu seiner Rechten zu behalten, da er nicht mehr Aufmerksamkeit auf ihre verflochtenen Hände leiten wollte, als für Louis okay war. Er beschränkte sich deshalb darauf, die Finger seines Freundes sanft zu drücken; ein stummes Danke, ich liebe dich.
Harry wusste nicht, woher Louis' Entscheidung kam, ob es an der gelockerten Stimmung lag, an Marjanis Familienkonstellation, dem Schutz der Dunkelheit und der Menschenmengen oder an etwas ganz anderem, aber es war egal. Das Warum spielte keine Rolle, was zählte, war Louis' Hand in seiner.
Sie bahnten sich weiter ihren Weg durch Gruppen von Teenagern, Rentnerpärchen und jungen Familien, bis Marjani in Richtung einer der Buden nickte und stolz verkündete: „Jimmys Waffelhütte. Da wären wir."
Die Waffelhütte war, obwohl sie eine der kleinsten auf dem ganzen Platz sein musste, nicht zu übersehen. Der vordere Teil des Holzverschlages war mit einer offensichtlich provisorisch angebrachten Lichterkette umrandet, die wie wild in allen Regenbogenfarben blinkte und einen ganz schwindelig machte, wenn man zu lange hinsah. Harry liebte es.
„Schaut mal, da drüben ist noch ein Stehtisch frei", meinte Niall und deutete mit dem Finger in eine Richtung.
Sie einigten sich darauf, dass Harry besagten Tisch besetzte, während Louis sich zusammen mit Marjani am Waffelstand anstellte und Niall verschwand, um Punsch und Glühwein für sie alle aufzutreiben. Keine Viertelstunde später standen die zur Hälfte geleerten Gläser vor ihnen auf der Tischplatte, während sie sich angeregt über die buntesten Dinge unterhielten und sich gegenseitig besser kennen lernten. Marjani stellte zu Harrys Erleichterung keine Fragen zu ihrer Beziehung, sodass Louis mit jeder Minute sichtlich lockerer wurde und sogar einen Arm durch Harrys Ellenbeuge schob, um ihm näher zu sein.
Tatsächlich fühlte sich das gesamte Treffen fast so an, als wären sie vier alte Freunde, die sich eine lange Zeit nicht gesehen hatten und nun versuchten, alles Verpasste aufzuholen. Sie erfuhren, dass Marjani genau wie Niall Psychologie studierte, im Gegensatz zu dem Iren aber (dessen Traum es war, Kinder und Jugendliche zu therapieren) größeres Interesse an der Arbeit der Kriminalpolizei hatte und sich später auf die Rechtspsychologie spezialisieren wollte.
Irgendwann zwischendrin begann es zu nieseln, aber keiner von ihnen achtete groß darauf, sie waren immerhin in England groß geworden.
Harry erzählte von seiner Ausbildung als Fotograf und seinem Job im Fotostudio. Louis sprach zögernd von seiner Arbeit als Songwriter und natürlich konnte Harry es sich nicht verkneifen, von dem bisher größten Deal seines Freundes zu schwärmen.
„Zwölf Tage London!", sagte er begeistert, „So gut finden sie ihn."
„Es waren auch eine Menge Glück und die richtigen Kontakte dabei", warf Louis ein, lächelte aber.
„Montag fährst du, richtig?", wollte Niall wissen und sie beide nickten.
„Was, Übermorgen schon?" Marjani sah sie mit großen Augen an. Sie trug mittlerweile Nialls Schal und wärmte ihre Finger an seiner Tasse.
„Ja." Harrys Lächeln fiel minimal bei dem Gedanken daran, seinen Freund fast zwei Wochen lang nicht zu sehen, aber das war die Chance für Louis und Harry würde einen Teufel tun und ihm zu seiner Nervosität auch noch ein schlechtes Gewissen bereiten.
Niall und Marjani schienen den Stimmungsumschwung bemerkt zu haben, denn sie wechselten einen Blick und ließen unauffällig einfließen, dass sie gerne nochmal die Eislaufbahn besuchen wollten, die in der Nähe aufgebaut war.
„Danke, aber ohne mich", lehnte Harry lachend ab. „Mir reicht eine Erfahrung mit einem gebrochenen Arm."
Nach einer weiteren Erzählrunde (da Marjani natürlich unbedingt die Geschichte dazu hören wollte), verabschiedeten sich die Pärchen schließlich voneinander. Während die andern beiden sich auf den Weg zu einem -hoffentlich romantischen- Abschluss ihres Dates machten, liefen Harry und Louis langsam zwischen den beleuchteten Hütten hindurch, hielten sich an den Händen und lächelten glücklich vor sich hin, während sie den Regen ignorierten.
Möglicherweise hatte die Wirkung der gewissen Zahl an Punschgläsern eingesetzt, die Niall noch ein paar Mal hatte nachfüllen lassen, denn Harry wusste verblüffend ungenau, wie es dazu gekommen war, dass er von Louis gegen die Rückwand einer Holzhütte gedrückt und um den Verstand geküsst wurde. Glücklicherweise war ihm das egal, denn Louis schmeckte nach Waffeln und Puderzucker und Harry erwischte sich bei dem Gedanken, für immer so bleiben zu wollen. Mit nassen Socken, kalten Gesichtern und Mund an Mund, bis die Welt um sie herum untergehen würde. Bis ihnen die Luft ausging.
Uff, es fühlt sich weird an, wieder "on the road" zu sein... aber ich bin auch wirklich wirklich happy, endlich wieder etwas zu hochzuladen!
Bevor ich jetzt über alles andere rede, möchte ich mich bei all den Leuten bedanken, die TWCB bis hier gelesen und über ein halbes Jahr auf ein neues Kapitel gewartet haben. Ihr seid absolut wundervoll! ❤
Um wieder etwas den Überblick über das Geschehen zu bekommen, würde ich evtl empfehlen, die vorherigen Kapitel nochmal zu überfliegen (*hust* sind ja nur 3), aber natürlich bleibt das euch überlassen :)
Und zum Abschluss: Lasst mich doch gerne wissen, wie euch das Kapitel gefallen hat und ob ihr Marjani genauso cool findet, wie ich.
(Ich bin noch dabei, einen Update-Rhythmus auszuklügeln, aber ich tendiere zu vorerst einmal die Woche)
Love, Irishkween
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