13|Oh boy, you're mine

《Dear Boy》- Avicii

"Was meinst du, sind meine Mum und Gemma schon da?", fragte Harry über das Motorengeräusch ihres Taxis hinweg, als sie mit guter Geschwindigkeit über die Autobahn bretterten. Ihr Fahrer schien sich wohl zu seiner persönlichen Aufgabe gemacht zu haben, sie möglichst schnell an ihr Ziel zu bringen und Harry hoffte sehr, dass er dadurch nicht vergaß, dass Menschen bei Unfällen kaputt gehen konnten.

Es war ihm einfach nicht geheuer, sich von jemand völlig Fremden durch die Gegend kutschieren zu lassen; eigentlich hatte er auch lieber mit dem Zug nach Doncaster fahren wollen, aber Louis hatte darauf bestanden, ihnen ein Taxi zu rufen.

"Das dauert genauso lange und wir werden sogar direkt vor der Tür abgesetzt", war seine Argumentation gewesen und widerwillig seufzend hatte Harry ihm die Zügel in die Hand gedrückt.

"Hey", sagte er jetzt, als Louis nicht auf seine Frage reagierte und berührte ihn sanft an der Schulter. "Bist du okay?"

Sein Freund zuckte ein Stück zusammen und drehte seinen Kopf zu ihm. "Hi", sagte er und blinzelte mehrmals, "'Tschuldigung, ich war grad irgendwie... in Gedanken. Hast du was gesagt?"

"Nur, ob du denkst, dass Mum und Gems schon da sind. Sie sind gegen halb neun losgefahren."

Louis warf einen Blick auf seine Armbanduhr. "Wenn der Verkehr nicht zu schlimm ist, sollten sie wohl spätestens in den nächsten paar Minuten ankommen."

Er sah auf, begegnete Harrys Blick. Ein paar Sekunden sahen sie sich einfach nur an, dann wandte Louis sich ab, räusperte sich leise und zog sein Handy aus der Hosentasche, um es zu entsperren. Übrig blieb ein erzwungenes Schweigen zwischen ihnen. Harry schluckte und biss sich von Innen auf die Lippe, bevor er den Kopf drehte, um aus dem Fenster zu schauen.

Ihr Taxifahrer überholte einen PKW, der kaum langsamer fuhr, als sie selbst, dann sah er durch den Rückspiegel zu seinen Fahrgästen.

"Seid ihr irgendwie... verwandt?", wollte er wissen, offenbar um eine Konversation bemüht.

Während Harry noch überlegte, ob man eine Beziehung denn als Verwandtschaft definieren konnte und ob das Wort Lebenspartner oder Freund schöner klang, rutschte Louis auf seinem Autositz ein Stück nach oben und sagte: "Nein, wir sind Mitbewohner."

Oh.

Harry spürte sein Herz ein kleines Bisschen brechen und auch, wenn er wusste, dass seine geplante Antwort wohl tatsächlich eine etwas überstürzte Bauchentscheidung gewesen wäre (immerhin würde der Typ sie bis zur Haustür von Louis' Familie fahren, vor der er nicht geoutet war und wer wusste schon, wie redselig Taxifahrer wirklich sein konnten), so tat es nach Louis' Verhalten in den letzten Tagen doch erschreckend weh, das zu hören.

Es war ein Bisschen, wie mit einer Babykatze zu spielen: man wusste, sie meinte es nicht böse, aber ihre kleinen Krällchen bohrten sich einem trotzdem in die Hand und hinterließen unangenehme Kratzer. Diese Kratzer hatte auch Harry, hauptsächlich in seiner Brust, aber auch -und das gab er alles andere als gerne zu- ein wenig an seinem Ego.

Vielleicht war er ein Bisschen zu lange in seiner bunten Regenbogenwelt gewesen, hatte die Zeichen ein Bisschen zu falsch gedeutet und sich ein paar zu viele falsche Vorstellungen gebastelt. Vielleicht war er zu plötzlich zu glücklich gewesen, um nicht naiv zu denken, aber er hatte wirklich gedacht, dass sich irgendetwas ändern würde. Dass sie auf etwas Großes hin spielten.

"Hey", sagte Louis leise und lehnte sich ihm soweit entgegen, wie der Gurt zuließ. "Ist bei dir alles gut?"

"Ja", log Harry und wandte sich -bevor sein Freund noch weiter nachfragen konnte- mit der Frage, wie weit es noch war, an den Fahrer.

"Noch so um die zehn Minuten", war die Antwort.

Harry bedankte sich, dann gähnte er ein Bisschen offensichtlicher, als eigentlich nötig gewesen wäre und lehnte sich zurück, um wieder aus dem Autofenster zu schauen. Neben ihm seufzte Louis leise und tat es ihm gleich - er hatte wohl verstanden, dass seinem Freund gerade nicht nach Reden war.

Die restliche Autofahrt verlief schweigend und erst, als sie in die Straße einbogen, in der Louis' Elternhaus stand, regte Harry sich wieder und sah nach vorne. Ihr Taxifahrer parkte wenige Meter davon entfernt am Straßenrand und zog die Handbremse an, ehe er sich zu ihnen umdrehte und grinste.

"So, da wären wir", sagte er, "Ich hole euch noch eure Tasche aus dem Kofferraum und dann können wir das gleich mit der Bezahlung klären, ja?"

Er stieg aus und ging nach hinten, um die schwere Reisetasche herauszuholen, die Louis vor ihrer Fahrt noch nach Draußen geschleppt hatte. Sie beinhaltete nichts als Weihnachtsgeschenke und war das einziges Gepäckstück, das er mit nach Doncaster genommen hatte. Er hatte weder einen Koffer, noch einen Rucksack oder irgendeine andere Tasche gepackt, hatte nur gesagt, er wolle die Geschenke wenigstens schon einmal im Haus seiner Eltern haben, damit er sie nicht kurz vor Weihnachten noch mitnehmen musste - es war Harry sowieso ein Rätsel, warum Louis noch einmal nach Hause in ihre Wohnung fahren wollte, wo er doch zu seinem Geburtstag in wenigen Tagen wieder hier in Doncaster sein würde, aber er hatte nichts gesagt. Louis würde schon wissen, was er tat.

Aus dem Augenwinkel sah Harry nun, wie sich ihr Fahrer eine Zigarette ansteckte und keinerlei Anstalten machte, den Kofferraum überhaupt zu öffnen, weshalb er gerade aussteigen wollte, um das selbst zu übernehmen, da hielt Louis ihn mit einer Hand an seinem Arm auf.

"Hey", sagte er leise. Eine unausgesprochene Bitte an Harry, ihm einen Moment lang zuzuhören. "Ich weiß, dass dich das vorhin verletzt hat und es tut mir leid, dass ich das so gesagt habe."

Harry zuckte mit den Schultern und lächelte schwach. "Ich weiß, warum du es getan hast."

"Trotzdem. Es war blöd." Louis schüttelte seufzend den Kopf. "Du hast dir wahrscheinlich eine andere Antwort vorgestellt."

"Du musst dich nicht entschuldigen", sagte Harry aufrichtig und entschied sich damit dazu, seine verletzten Gefühle nicht den Tag ruinieren zu lassen (er war ein erwachsener Mann, verdammt!). "Es ist dein Recht, zu entscheiden, wie viel du jemandem erzählst - selbst, wenn ich mir eine andere Antwort vorstelle."

Louis nickte, dann holte er tief Luft. "Ich will trotzdem, dass du weißt, dass ich was anderes gesagt hätte, wenn er bei der Ankunft nicht meiner Familie über den Weg laufen könnte."

"Ich weiß, Lou."

"Ich will nicht, dass sie es zwischen Tür und Angel erfahren, so kurz vor der Chance, es richtig zu machen, verstehst du?"

Harry legte ihm eine Hand auf das Knie. "Natürlich, Babe."

Louis sah ihn mit einem seltsamen Blick an und Harry legte fragend den Kopf schief, ehe er die eben gesagten Worte noch einmal in seinem Kopf wiederholte und es Klick machte.

"Oh mein Gott", entfuhr es ihm leise und er sah seinen Freund mit weit geöffneten Augen an. "Du willst... willst du es ihnen heute sagen?"

"Ich... hab darüber nachgedacht", bestätigte Louis, "Aber ich möchte dir nichts versprechen, bei dem ich mir selbst nicht hundertprozentig sicher bin."

"Nein, ja, nein", stotterte Harry, "Das verstehe ich. Es ist nur... wow." Er lachte einmal kurz auf.

Louis lächelte schief, aber seine Augenbrauen waren besorgt ein Stück zusammengezogen. "Mach dir nicht so viele Hoffnungen, ja?", bat er und schluckte. "Es ist mehr ein Gedanke, als ein wirklicher Plan."

Harry sah ihm ernst in die Augen und nickte. "Das ist okay. Ich bin bei dir, ganz egal, wie der Tag verläuft. Versprochen." Er drückte Louis' Bein. "Setz dich nicht selbst unter Druck, ja?"

Seinem Freund entwich ein leises Schnauben. "Ich versuche es." Sein Mund war zu einem halben Lächeln verzogen und er biss sich nervös auf die Unterlippe, ehe er seine Hand kurz auf Harrys legte und dann die Autotür öffnete.

"Du müsstest mir gleich mal helfen, die Tasche rein zu tragen", sagte er und blinzelte seinen Freund lieblich an. "Die vielen Geschenke sind so schwer."

Harry schnaubte einen Lacher heraus. "Dafür bin ich also gut genug?", fragte er scherzend und öffnete seine eigene Tür.

Louis zuckte bloß mit den Schultern und grinste. "Wenn du es so siehst..." Er stieg aus und ging nach hinten, wo ihr Fahrer gerade seine Zigarette austrat und endlich den Kofferraum öffnete. Harry folgte ihm etwas langsamer.

"Habt ihr da Steine drin?", wollte der Taxifahrer ächzend wissen, als er die Reisetasche aus dem Auto hob.

Louis lachte. "Nur Weihnachtsgeschenke für vier kleine Schwestern."

"Die nehm ich", sagte Harry und streckte seine Hand nach der Tasche aus, ehe er sich an seinen Freund wandte. "Willst du noch bezahlen? Dann geh ich schonmal rein."

"Ist okay." Louis schenkte ihm ein Lächeln. "Hast du alles?"

Harry nickte. Er hatte die zwei Tage vor ihrer Fahrt bestimmt zwanzig Mal nachgefragt, ob er nicht doch etwas zum Brunch mitbringen sollte -irgendeinen Dip oder Sandwiches vielleicht?-, aber Johannah hatte standhaft abgelehnt und gemeint, sie würde das schon alles mit den Mädchen machen.

Deshalb stand Harry nun, nachdem er sich von ihren Fahrer verabschiedet hatte, mit nur einer Tasche, die ihm nicht gehörte, vor dem Einfamilienhaus der Tomlinsons und drückte auf die Klingel. Es dauerte gar nicht lange, bis er laute Schritte hörte und die Tür mit Schwung aufgerissen wurde.

"Harry!", hörte er nur, ehe er beinahe von der doppelten Umarmung der Zwillinge umgerissen wurde und die Tasche gerade noch davon abhalten konnte, von seiner Schulter zu rutschen.

"Hey", sagte er lachend, "Ich hoffe, ihr freut euch genauso, wenn ihr Louis gleich seht."

Daisy ließ ihn los (was dabei half, ihn nicht mehr glauben zu lassen, in der nächsten Sekunde umzufallen) und hibbelte auf der Stelle herum. "Nöö, Louis ist uncool!"

Harry sah sie mit hochgezogenen Augenbrauen an. "Und ich bin cooler?"

Die Elfjährige grinste frech. "Du bist zumindest nicht so uralt, wie er."

"Hey, sei nicht schon wieder so fies!" Unbemerkt war Fizzy, die zweitälteste von Louis' Schwestern im Türrahmen aufgetaucht und sah die beiden Mädchen streng an. "Pheebs, lass Harry los, er muss doch erstmal ankommen." Sie lächelte ihren Gast an und verdrehte die Augen. "Hi, komm doch rein."

Lächelnd kam Harry ihrer Bitte nach und betrat den Vorraum des Hauses, wo er erstmal die Tasche abstellte und seine Jacke auszog. "Ich hab gehört, du hast jetzt einen Freund?", wandte er sich dann an den Teenager und grinste, als sie errötete.

"Jaah, wir sind zusammen in der Kunst-AG", sagte sie, "Er mochte den Schokokuchen, den du uns vor einer Weile mal mitgebracht hast - danke dafür."

Harry lachte. "Das freut mich."

Fizzy lächelte ihn an. "Geh ruhig schon mal rein -die müssten alle hinten im Wintergarten sein-, ich warte noch auf Lou."

Das Haus der Tomlinsons war nicht unbedingt groß (zumindest nicht für eine siebenköpfige Familie), aber durch mehrere Anbauten ziemlich verschachtelt und bei seinen ersten Besuchen hatte Harry sich häufiger verlaufen, als er an beiden Händen abzählen konnte. Mittlerweile jedoch wusste er, wo all die Türen, Treppen und Gänge hinführten, sodass er sein Ziel relativ schnell erreicht hatte.

Der Wintergarten war der neueste Anbau vor etwas mehr als zwei Jahren gewesen und befand sich im hintersten Teil des Hauses. Hin kam man über eine kleine Treppe hinter dem Wohnzimmer, einen gefliesten Flur, in dem sich auch eine Tür zu einem großen Badezimmer befand, eine Kurve, sowie eine weitere kleine Treppe und eine Glastür an dessen Ende.

Diese Tür stand bereits offen, als Harry die letzten Stufen herunter stieg und den Wintergarten betrat, in dem bereits Louis' Familie, sowie seine Mum und Gemma an einem langen Esstisch saßen.

Die Zwillinge hatten wohl schon angekündigt, dass er da war, denn sie alle hatten sich zum Eingang gedreht und lächelten ihm zu. Als erstes begrüßte er Johannah mit einer Umarmung, die für ihn extra aufgestanden war, dann gab er Dan die Hand und seiner Mutter einen Kuss auf die Wange, ehe er weiter zu Lottie und seiner Schwester ging, die an der anderen Tischseite saßen.

Gemma begrüßte ihn mit einem freundschaftlichen Schlag gegen die Brust und einem spaßigen "Lange nicht gesehen!", aber Lottie stand auf.

"Hey", sagte sie lächelnd, keine Spur von negativen Gefühlen in ihrem Auftreten, und so hoben sich auch Harrys Mundwinkel automatisch an.

"Hi", meinte auch er und umarmte sie. "Wie geht's dir?"

Lottie strahlte. "Gut", sagte sie, "Wirklich gut." Sie beugte sich ein Stückchen vor, um ihm ins Ohr zu flüstern: "Ich hab jemanden kennen gelernt, aber sag's noch nicht meinen Eltern, ja? Sie würden gleich wieder alle Details wissen wollen."

Harry lachte. "Ist gut", versprach er, ehe er sich auf den Stuhl neben Gemma setzte.

Im gleichen Moment betrat Louis mit Fizzy den Wintergarten und eine neue Begrüßungsrunde startete, dann jedoch fand jeder seinen Platz (Louis saß mehrere Plätze von Harry entfernt zwischen Fizzy und Daisy - scheinbar fand sie ihn doch wieder irgendwie cool) und nach einer kurzen "Schön, dass ihr kommen konntet"-Ansprache, fingen sie an zu essen.

Der restliche Vormittag verlief entspannt und positiv. Nachdem sie von der ersten Runde satt waren, begannen sie, die Plätze durchzutauschen und Harry unterhielt sich eine ganze Weile mit Jay und seiner Mum, während Dan zusammen mit Fizzy das Geschirr in die Küche brachte und Louis abseits einige Minuten leise mit Lottie sprach - vermutlich erzählte sie ihm gerade von ihrem neuen Freund.

Irgendwann drückte der ganze Kaffee, den er getrunken hatte, auf Harrys Blase und er entschuldigte sich, um auf die Toilette zu gehen. Als er wieder aus dem großen Badezimmer in den Flur trat, lief er fast in Louis hinein, der direkt davor stand.

"Oops, sorry", sagte der Lockenkopf lächelnd und umfasste sanft die Oberarme seines Freundes. Kurz schaute er sich um, bevor er ihm einen flüchtigen Kuss gab. "Alles okay?"

Der Kleinere nickte, wirkte aber etwas neben sich stehend.

Besorgt legte Harry seine Hände an Louis' Wangen und musterte sein Gesicht. "Bist du sicher? Du siehst blass aus."

Wieder nickte Louis, während er tief durchatmete.

"Ich will es ihnen sagen." Sein unsicherer Blick traf Harry. "Jetzt."

Überrascht zog Harry die Augenbrauen hoch. "Jetzt... gleich?"

Louis nickte ein drittes Mal und griff in den Stoff von Harrys Pullover. "Bleibst du dabei bitte bei mir?"

Der Jüngere schob seine Hände in Louis' Nacken und strich beruhigend über die weiche Haut. "Natürlich, Lou", murmelte er und zog seinen Freund an den Schultern näher zu sich.

Dieser ließ es geschehen und drückte sein Gesicht in Harrys Halsbeuge, während er seine Arme um dessen Torso schlang. Ein paar Sekunden standen sie einfach da, hielten einander fest und atmeten den vertrauten Geruch des jeweils anderen ein.

"Ich muss pinkeln", nuschelte Louis irgendwann gegen Harrys Haut und brachte sie beide damit zum lachen. "Ich bin so nervös, dass meine Blase die ganze Zeit voll ist."

"Dann geh auf Klo!"

Sie lösten die Umarmung und Harry gab seinem Freund einen leichten Klaps auf den Po.

"Hey!", beschwerte sich dieser, musste dabei aber grinsen.

"Soll ich auf dich warten oder schon mal alle in den Wintergarten holen?", wollte Harry wissen.

Louis lächelte ihn an, während er sich an den Türrahmen lehnte. "Du kannst schon mal alle versammeln."

Er machte sich Gedanken, das sah man ihm an. Seine Hände kneteten nervös seinen Hoodie, sein Lächeln war ängstlich, seine Haltung unruhig und sein Kiefer angespannt.

"Hey." Harry machte einen Schritt auf den Kleineren zu. "Es wird alles gut gehen, ok? Und ich liebe dich."

Er strich über Louis' Wange und beugte sich vor, um seine Lippen sanft auf die seines Gegenübers zu legen.

Dieser seufzte in den süßen Kuss und lehnte sich Harry ein Stück entgegen, bevor sie sich nach wenigen Sekunden wieder trennten.

"Ich liebe dich, Harry", sagte Louis leise.

Sein Freund sah ihn liebevoll an. "Ich dich auch, Lou. Immer."

Ein letztes Mal küssten sie sich kurz, bevor Louis die Badezimmertür schloss und Harry sich auf den Weg in den Wintergarten machte. Zu seinem Glück befanden sich alle Anwesenden im Raum, sodass er sich wieder mit an den Tisch setzte, wartete und ab und zu etwas zu den Gesprächen hinzufügte.

Louis blieb länger weg, als Harry angenommen hatte, doch irgendwann stand er im Türrahmen und sah von Person zu Person. Als sich ihre Blicke trafen, legte Harry fragend den Kopf schief.

Bist du dir ganz sicher?, sollte das bedeuten.

Louis straffte die Schultern und deutete ein Nicken an.

Ein Lächeln schlich sich auf Harrys Lippen. Vor ein paar Minuten noch hatte er Bedenken gehabt, ob Louis es wirklich durchziehen würde - es war immerhin kein kleines Thema und sein Freund hatte sich lange damit schwer getan. Doch nun, wo er seine entschlossene Miene sah, hatte er keine Zweifel mehr. Louis würde sich outen. Hier und jetzt.

Harry merkte, wie aufgeregt er selbst war, als er aufstand. Sein Herz klopfte schnell und seine Hände waren etwas feucht, weswegen er sie an seiner Hose abwischte. Louis war noch blasser als vorher bei der Toilette, doch er nickte ein weiteres Mal, wie um Harry zu bestätigen, dass es ihm gut ging.

"Ich weiß nicht, wie ich anfangen soll", flüsterte er, als sein Freund neben ihm stand. Harry konnte sehen, dass seine Hände zitterten, als er mit ihnen an seinem Pullover herum zupfte. "Kannst du bitte irgendwas sagen?"

Der Jüngere nickte, strich Louis unauffällig über den Arm und wandte sich den am Tisch sitzenden Menschen zu. Seine Mum, Gemma und Fizzy sahen sie bereits an, der Rest saß mit dem Rücken zu ihnen.

Harry räusperte sich laut. Die Gespräche verstummten und die restlichen Familienmitglieder drehten sich fragend zu ihnen um.

"Wir möchten uns gerne bei euch bedanken. Jay und Mum wollten unbedingt feiern, dass Louis und ich vor genau drei Jahren offiziell zusammen in unsere Wohnung gezogen sind und ich muss sagen, ich hätte nicht gedacht, dass eine so kitschige Idee doch so schön werden kann." Die beiden Mütter lachten. Harry war locker in das Thema "gemeinsame Wohnung" eingestiegen und hoffte, Louis damit etwas zu entspannen.

"Eine Menge hat sich seitdem verändert", fuhr er fort, "Vieles davon habt ihr mitbekommen, aber es gibt eine Sache, die die meisten von euch nicht wissen."

Er drehte den Kopf zu Louis, der seinen Blick erwiderte, ihm ein weiteres Mal zunickte und seine Finger zwischen Harrys schob.

Dieser hatte das Gefühl, sein Herz würde gleich explodieren, so schnell wie es schlug. Sein Magen glich einem brodelnden Vulkan und als er das Schmunzeln seiner Schwester bemerkte, musste er sich auf die Lippe beißen, um nicht selbst wie ein Vollidiot zu grinsen.

Louis' drückte seine Hand fester, bevor er kurz durchatmete und zu den am Tisch sitzenden Personen schaute.

"Ich bin nicht an Mädchen interessiert", sagte er, "War ich noch nie. Ellie war für mich immer nur eine Freundin. Und ich bin mit Harry zusammen. Seit fast drei Jahren."

Stille. Acht Augenpaare sahen sie an. Das Ticken der Uhr und sein eigener Atem wirkten unnatürlich laut in Harrys Ohren. Der Druck von Louis Hand verstärkte sich.

Dann: "Oh Boo!"

Jay schluchzte laut auf und schlug sich die Hände vor den Mund. Innerhalb einer Sekunde war sie aufgesprungen, hatte den Raum durchquert und zog sie beide in eine feste Umarmung.

Etwas überrumpelt blieben sie erstmal stocksteif stehen, bis bei Louis anscheinend ankam, was das bedeutete. Er ließ Harrys Hand los, schlang beide Arme um seine Mutter und drückte sein Gesicht in ihre Schulter. Sein Körper zitterte und Harry wusste, dass er gerade versuchte, gegen die Tränen anzukämpfen, die sich nicht unterdrücken ließen.

Johannahs Finger krümmten sich an Harrys Hüfte und zogen ihn mit sanftem Druck näher, bis er seine Arme zögerlich um Louis und dessen Mutter legte. Er hatte Angst, in diese private Situation einzudringen und etwas kaputt zu machen, was gerade erst angefangen hatte, aber Jay hielt ihn fest und auch sein Freund schüttelte ihn nicht ab, weshalb er sein Gesicht vorsichtig in Louis' Haare schob und mit geschlossenen Augen seinen Kopf küsste.

"Ich bin so stolz auf dich, Lou", flüsterte er.

So lange hatte er darauf gewartet, dass sein Freund diesen Schritt machte, sich selbst und ihre Beziehung nicht mehr versteckte und endlich ganz zu seiner Sexualität stand. Und nun -hier und jetzt- war es Realität, sie waren out und sie waren frei.

Harry lächelte gegen Louis' Kopf und konnte nicht verhindern, dass sich ein paar Tränen aus seinen Augen lösten. "Ich liebe dich", murmelte er und fühlte, wie sein Freund nun doch anfing, zu weinen - vor Erleichterung, vor Glück, und vor lauter anderen Gefühlen, die er vermutlich gar nicht benennen konnte.

"Es tut mir leid", sagte er heiser und so leise, dass man es fast nicht hörte. "Ich wollte es euch sagen, aber-"

"Hey", unterbrach Johannah ihn sanft und schloss ihre Hände um sein Gesicht. Auch in ihren Augen schwammen Tränen. "Du musst dich für gar nichts entschuldigen oder rechtfertigen, hörst du? Ich bin so froh, dass du es uns gesagt hast und ich bin so, so stolz auf dich, Lou!" Jay wischte sich über die Augen, ehe sie Louis erneut fest umarmte.

"Hey, Mum." Fizzy stand mit verschränkten Armen hinter ihr und sah lächelnd auf die Szene vor sich. "Ihr seid ja echt süß, aber hier sind noch ein paar mehr Leute, die Louis gerne mal drücken würden."

Eine etwas seltsame Mischung aus Lachen und Schluchzen entwich Louis und er löste sich sanft von seiner Mutter, um von seinen restlichen Familienmitgliedern, sowie Anne und Gemma umarmt zu werden, während Jay sich an Harry wandte.

"Es macht mich wirklich glücklich, dass er dich hat", sagte sie und schniefte schon wieder. "Ich denke, ich habe es euch nicht immer einfacher gemacht -keiner von uns- und dafür möchte ich mich entschuldigen."

Harry musste schlucken. Sie hatte nicht unrecht, aber das hieß keinesfalls, dass es auch ihre Schuld war, dass es nicht einfach gewesen war - weder das Zusammensein, noch das Verstecken ihrer Beziehung. Wer Schuld war, war eine heteronormative Welt, die sich auf jede einzelne Person übertrug, die in ihr umher wanderte; ganz egal, welche Sexualität man hatte; ganz egal, wie offen man war.

Er hoffte, dass die Welt es irgendwann verstehen würde. Aber jetzt gerade, in diesem Moment, war seine ganze Welt in diesem Wintergarten, weshalb er nichts davon sagte, nur das, was gerade wichtig war: "Danke, Jay. Das bedeutet mir sehr viel."

Sie umarmte ihn. "Ich danke dir, Harry", sagte sie und hielt ihn, bis Louis neben sie trat.

Es war mehr als deutlich, dass er eben noch geweint hatte, denn seine Augen waren gerötet und seine Wangen fleckig, aber er sah glücklich aus und griff ohne zu zögern nach Harrys Händen, um sie fest in seinen zu halten. Mehrere Sekunden sahen sie sich in die Augen, dann nickte Louis sich selbst kurz zu und räusperte sich leise.

"Okay", sagte er und holte tief Luft, "Eine Sache wäre da noch..."

Und dann sank er vor Harry auf die Knie. 

Hab ich geheult, als ich das Outing geschrieben habe? Gut möglich. Hab ich deswegen so lange gebraucht, das Kapitel zu beenden? Ähmm vielleicht...?

Anyways: nur noch ein Update und dann ist TWCB beendet, ist das nicht krass? 

(Das letzte Kapitel kommt dann am Sonntag... I'm so not ready)

Love, Irishkween

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