59. Kapitel

"Entschuldigung, kann ich mich hierhin setzten?", fragte in dem Moment jemand rechts von mir. Ruckartig richtete ich mich auf, das Herz im Magen, und drehte mich in die Richtung um.

Sooyun Pov:

Ein ältere Mann lächelte uns freundlich zu und deutete auf den freien Platz auf unsere Bank. Es war die einzige, die so nah am Wasser stand, aber davon abgesehen gab es genügend andere Bänke in nähere Umgebung, auf der niemand saß. Für einen winzige  Augenblick, bevor die stimme zu mir durchgedrungen war, hatte ich eine Szene wie aus einem K-Drama vor Augen, in der Felix plötzlich neben uns stand. Ich schüttelte den Kopf, um sie zu vertreiben.

"Setzen Sie sich ruhig, wir wollte ohnehin gerade gehen", sagte ich und bohrte Mijin meinen Ellenbogen in die Taille, um sie von der Bank zu schubsen. Widerwillig stand sie auf. Ich hakte meinen Arm bei ihr unter und zog sie mit mir zurück den Han River hinunter.

"Warum genau rennen wir jetzt weg, als hätte er gefragt, ob er uns unsere Seelen aussaugen kann?", fragte Mijin.

"Mir ist kalt", antwortete ich ausweichend. "Aha" Sie glaubte mir kein Wort. Nicht dass ich es ihr verübeln konnte. "Eventuell habe ich für eine Millisekunde gedacht, dass der alte Mann Felix ist", gab ich schließlich zu.

Sie verrenkte sich beinahe, um einen Blick zurück zur Bank zu werfen. "Oh wow. Wie viele Jahre sind vergangen, seit ich ihn das letzte mal gesehen hab?" Ich schlug sie auf den Arm. "Ich sagte auch >für eine Millisekunde<."

"Trotzdem." Sie rieb sich die Stelle, an der ichsie erwischt hatte. "Was glaubst du denn, was unser Leben ist? Eine Szene aus einer zweitklassigen Romkom?"

"Ja, ja, mach dich nur über mich lustig." ein Funkeln trat in ihre Augen. "Du solltest wissen, dass ich keine halben Sachen mache."
"Keine halben Sachen bei was?"

Mijin stöhnte gespielt verzweifelt auf. "Oh Mann, okay. Ich muss an meinen Fähigkeiten als gute Fee noch arbeiten. Der alte Mann war nicht Felix, weil der am Riesenrad steht und sich wahrscheinlich gerade alles abfriert, was ihm wichtig ist."

Abrupt blieb ich stehen und starrte meine Schwester sprachlos an. "Was?" Sie zog und schob mich mit aller Kraft in Richtung des Riesenrads, bis ich neben dem kleinen Kassenhäuschen, das im Augenblick geschlossen war, eine sehr, sehr vertraute Gestalt erkannte.

Ich träumte gerade, oder? Ich war ausgerutscht und auf den Kopf gefallen und war, wie Mijin sagte, in einer zweitklassigen romantischen Komödie aufgewacht. Anders konnte ich mir nicht erklären, warum mich unter der schwarzen Kapuze einer Jacke dunkle Augen anlächelten.

Mijin gab mir einen Schubs, und ich stolperte die letzten Meter auf ihn zu. Sie boxte mir gegen den Oberarm und ging mit einem "Gern geschehen!" an uns vorbei, als würde ich nicht gerade von einer Kriese in die nächste fallen.

Mit offenem Mund starrte ich ihr hinterher. "Was ist gerade passiert?"

"Zu meiner Verteidigung", griff Felix meinen Gedanken auf. "ich hatte mir einen trockeneren Ort gewünscht. Das hier war nicht meine Idee. Sie hat mich hier her zitiert."

Mich auch, wollte ich sagen, fragte stattdessen aber ungläubig: "wann habt ihr eure Nummern ausgetauscht?" Felix wollte sich nervös durch die Haare fahren, bis er sich an die Kapuze erinnerte, von der Wasser tropfte. "Eigentlich gar nicht, also nicht persönlich. Sie hat Innie gefragt, weil sich die beiden sehr nahe stehen. Dies endete allerdings erstmal in einem Ehestreit, weil sich unser Jüngste hintergangen gefühlt hat. Die beiden haben es geschafft, 2 Tage nicht miteinander zu reden, aber am dritten Tag war plötzlich alles wieder gut. Versteh mal einer, die beiden."

"Also hat Innie ihr deine Nummer gegeben, damit sie dir den Ort sagen kann, an dem wir uns treffen", fuhr ich fort. Er nickte. "Ich bin verwirrt.", gab ich zu.

Felix schob die Hände in seine Jackentaschen und zog sie im nächsten Moment wieder heraus. Er war nervös. "Unser Comeback wurde heute angekündigt." "Ja, Mom hat mir vorhin einen Link zu der Pressemeldung geschickt. Sie sagte auch etwas davon, dass ihr eure Verträge nachverhandelt habt?"

"Haben wir", bestätigte er. "Ich weiß nicht genau, warum, aber nachdem wir ihnen mitgeteilt hatten, dass wir uns dafür entscheiden, uns zu trennen, waren sie ziemlich schnell dabei, es uns ausreden zu wollen." Er grinste etwas. "Vermutlich ist ihnen klar geworden, dass wir es wirklich ernst meinten. Oder sie habe an das ganze Geld gedacht, dass sie ohne uns nicht mehr einnehmen würden."

"Was bedeutet das?", fragte ich. Ich wollte keinen Hoffnungsschimmer in meine Stimme lassen, bevor ich nicht wusste, weswegen er vor mir stand. "Das bedeutet, dass wir einige Klauseln abgeändert haben", erklärte er. "So wie die für unseren Urlaub. Oder das Verbot, in einer Beziehung zu sein."

Mir stand der Mund offen, als ich ihn anstarrte. "Ganz plötzlich stimmen sie euren Bedingungen zu?" "Ich würde nicht sagen, dass es 'ganz plötzlich' ist." Er zuckte mit den Schultern. "Aber ja, tun sie."

"Das heißt..." Gott, was... was hieß es? Wo sollte ich anfangen? "Bist du deswegen hier?" Bildete ich es mir nur ein, oder waren seine Wangen ein wenig rot? "In Filmen und Büchern sprechen die Leute immer von ganz großen Gesten, wenn sie etwas aus ganzem Herzen wollen." Er sah sich auf dem Steg um, der menschenleer war. Alle waren vor dem Regen geflüchtet, der langsam meine Schuhe durchnässte. Überall hatten sich Pfützen gebildet, der Stoff meiner Hose klebte unangenehm an meinen Beinen, und der stetige Wind trieb eine Gänsehaut auf meine Arme.

Felix seufzen holte mich in die Realität zurück. Er sah zu Boden, mied meinen Blick. "Wenn ich gekonnt hätte und das Wetter besser wäre, hätte ich überall Blumen aufgestellt und das Riesenrad gemietet. Ich hätte so viel Schokolade mitgebracht, wie ich nur tragen hätte können, und dich irgendwie davon zu überzeugen versucht, dass das hier" -er deutete auf uns beide- "es wert ist, egal, wie kompliziert es noch wird."

Wärme breitete sich trotz des Regend in meiner Brust aus. "Und jetzt?"

Er ließ die Arme an seine Seiten sinken. Seine Augen waren so erst, als er sie vom Boden löste und auf mich richtete. "Jetzt hoffe ich, dass ich genug bin." Mein Herz tat weh.

"Statt der großen Geste habe ich eine halbe Stunde hier im Regen gewartet und mich jedes Mal halb hinter dem Kassenhäuschen versteckt, wenn jemand vorbeigekommen ist", erklärte er. Meine Lippen verzogen sich zu einem Lächeln. "Mitten in der Öffentlichkeit im Regen zu warten ist an sich schon eine ziemlich große Geste, findest du nicht?"

"Ein bisschen zu nass vielleicht", meinte er. "Ich kann nicht behaupten, dass ich großartig auf den Wetterbericht geachtet hab, als ich hierhin aufgebrochen bin." Sein Blick wanderte an seinem Körper runter.

"Als du gesagt hast, ich soll mich für das Label entscheiden, dass ich glücklich sein würde, Sooyun. Aber mein Gott, tu das bitte nie wieder. Ich wäre früher gekommen, wenn wir nicht nebenbei mit unserm Label oder unseren Anwälten zutun gehabt hätten." Er schüttelte den Kopf. "Ich weiß nicht was dich auf die Idee gebracht hat, es wäre besser für mich, die Band zu wählen statt dich."

ich war stumm. Sprachlos. Völlig überfordert mit der Tatsache, dass er plötzlich vor mir stand. Und von dem, was er mir gerade erzählte.

"Sprich mit mir", bat er -gerade laut genug, um über das Plätschern des Regens gehört zu werden. "ich habe nicht erwartet dich zu sehen." Für einen Moment erstarrte er. 

"Hätte ich besser nicht kommen sollen? Ich hab die letzten Wochen an nichts anderes gedacht als daran, wie ich dich vom Gegenteil überzeugen kann. Ich hab das Gefühl, meinen Tag nur halb zu leben, wenn ich ihn nicht mit dir teilen kann. Und dann hab ich die Nachricht von deiner Schwester bekommen und dachte dass..." Er schüttelte den Kopf. "Um ehrlich zu sein, hab ich gar nicht nachgedacht, sondern sie einfach angetippt, und jetzt... bin ich hier."

Er redete sich um Kopf und Kragen. Er stolperte über seine Worte, rieb sich frustriert über die Stirn, wenn er sich nicht sofort an ein koreanisches Wort erinnern konnte.  Ich betrachtete ihn die ganze Zeit, und mein Herz wurde von Sekunde zu Sekunde voller. Größer. Ich war mir sicher, es würde platzen, wenn er noch länger weiterredete.

"Es tut mir leid, Sooyun", beendete er seinen kleinen Monolog schließlich. "Es tut mit leid, dass ich dir nicht mehr geben kann, als das hier."

"Warum entschuldigst du dich dafür?", fragte ich leise. "ich war es doch, die dir gesagt hat, du sollst dich für deine Band entscheiden. Weil ich es nicht ertragen könnte, wenn du wegen mir auf etwas verzichten müsstest."

Ich hatte kaum zu Ende gesprochen, da legten sich starke Arme um meine Taille. Meine Wange traf auf den nassen Stoff von Felix Jacke, aber es war mir egal. Durch meinen Körper strömte eine Wärme, die das Wetter in den Hintergrund rücken ließ. Die Gänsehaut auf meinen Armen stammte nicht länger von der Kälte, sondern von der Nähe zu Felix.

Er löste sich wenige Zentimeter von mir. Seine Augen strichen über mein Gesicht, dicht gefolgt von seinen Lippen. Sie hinterließen ein Kribbeln, als sie meine Schläfe berührten, meine Wangenknochen, den Mundwinkel. Über meinen Lippen hielt er inne.

"Kannst du es einmal laut aussprechen?", fragte er. "Nur damit ich meinem Puls sagen kann, dass hundertachtzig Schläge in der Minute nicht nötig sind?"

Ich sah ihn an, die langen, dunklen Wimpern, sein Augen, in denen ich mich verlor und spürte die Worte auf meiner Zunge, noch bevor ich sie aussprach. "Ich liebe dich", sagte ich. Und hatte das Gefühl, dabei zu leuchten.

1585 Wörter

Heute ein Doppelupdate mit insgesamt 2850 Wörtern.

Generell kommt nur noch der Epilog, und dann ich die Geschichte auch schon wieder vorbei...

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