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„Nein, ich will dich einladen, zu einem Interview.″
Die Liege knarzt als Harvey aufsteht und sich vor Hazel stellt, so nah, dass sie ihren Kopf in den Nacken legen muss. „In der Mappe findest du alle Informationen und Anweisungen. Bis heute Abend.″ Seine Stimme ist leise als er das sagt und seine Hände schüttelt, mit denen er sich gerade noch auf der Liege abgestützt hat. Verrückt, ist das einzige Wort, an das sie denken kann, als sie alleine in ihrem Behandlungszimmer zurückbleibt. Automatisch greift sie nach ihrem Handy, will wie versprochen Bescheid geben, dass Harvey ihr einen Besuch abgestattet hat, als sich die Tür abermals öffnet und Harry, einer ihrer Patienten, den Raum betritt.
Schnell legt sie die Mappe bei Seite und erwidert seine undeutliche Begrüßung. Das Handy steckt Hazel wieder in die Jackentasche, mit dem Versprechen Runa anzurufen so bald sie fertig ist.
Ihr Versprechen einlösen kann sie erst einige Stunden später, als das, von der Wettervorhersage angekündigte, Gewitter schon längst über Ottawa zieht. Es klingelt siebenmal, bevor Runa abhebt und sie ihre, für eine Frau tiefe, Stumme hört.
„War er da?″ Ihre Stimme ist leicht verzerrt, aber trotzdem verständlich genug damit Hazel nicht nachfragen muss.
„Ja, vor zwei Stunden, er hat mir eine Mappe gegeben und mich eingeladen″
„Eingeladen?″
„Zu einem Interview."
Ein Rascheln ist am anderen Ende der Leitung zu hören, bevor Runa ihr antwortet. „Das ist nicht gut, hat er dir gedroht?" „Ja, das Interview findet in drei Stunden bei den SNC Studios statt, kannst du davor zu mir kommen? Dann kann ich dir die Mappe zeigen.″
„Bin schon unterwegs."
Wieso Hazel ihr vertraut, kann sie selbst nicht sagen, sie hat einfach das Gefühl das Richtige zu tun. Andere Freunde oder ihre Familie will sie nicht in Schwierigkeiten bringen, also bleiben ihr nicht viele Alternativen übrig. Außer das ganze Harvey Thema alleine durchzustehen oder die Polizei zu rufen, was beides nach hinten losgehen könnte. Das könnte das Vertrauen in Runa auch, aber Hazel sieht hier höhere Erfolgschancen. In der Mappe ist ein ganzes Skript vorhanden, in dem Alles steht, was sie sagen soll, allerdings fehlen darin Harveys Worte und ohne die kann sie den Sinn hinter dem Ganzen nicht entschlüsseln. Hoffentlich weiß Runa mehr, sonst ist sie aufgeschmissen.
„Das sieht nicht gut aus. Du wirst das Interview machen müssen, alles andere wäre Selbstmord.″ Fassungslos starrt sie auf die vielen Blätter und Bilder, die alle darauf deuten, dass Hazel die vielen Frauen und Männer getötet habe. Angefangen von einem Blatt Papier, dass er ihr im Gefängnis in ihr Notizbuch geschoben hat, Bildern von ihrem Treffen und anscheinend DNA von Hazel an Tatorten.
Das Letzte bezweifelt sie, die Polizei hätte solche Spuren gefunden und sie ins Visier genommen, falls es stimmen sollte. Außer Harvey hat ihre DNA nachträglich dort präpariert, aber das wäre wahrscheinlich leicht wieder aufzudecken. „Das mit den DNA Spuren ergibt keinen Sinn, wären wirklich DNA Spuren von mir vorhanden, hätte die Polizei diese schon längst gefunden. Wer würde ihm so etwas glauben?″ Runa wirft einen Blick auf die Unterlagen, bevor sie wieder mich ansieht und ihr Gesicht erblasst. „Es geht nicht um DNA Spuren am Tatort, deine DNA befand sich in den Opfern.″ Verwirrt sieht Hazel sie an. „In den Opfern?″
„Wenn du dir das Bild hier ansiehst, siehst du durch die Markierung, dass die Opfer eine Art Virus in sich tragen. Der Virus enthält deine DNA, was bei deiner DNA Gelb markiert wurde, ist hier in Rot markiert. Es ist nicht genau deine DNA, nur Teile davon.″
Das hört sich alles so absurd an, dass Hazels Gehirn das Gehörte gar nicht verarbeiten will, sondern dem Ganzen mit Kopfschmerzen ausweicht. Es sind noch zwei Stunden, heißt ihnen bleibt kaum noch Zeit sich etwas zu überlegen. „Mir bleibt nichts anderes übrig, als dieses Interview zu geben, oder?″ Hazels Stimme hört sich kratzig an, als sie das fragt, ob es an der trockenen Luft oder an dem betroffenen Blick ihres Gegenübers liegt, weiß sie selbst nicht. Runa überlegt eine Weile, bevor sie anfängt zu sprechen. „Nicht wirklich. Du wirst das durchstehen müssen.″ Hazels Innere zieht sich zusammen als sie das hört, das erste Mal ein Interview zu geben ist aufregend genug, wenn man dann noch zusätzlich keine Ahnung hat was genau passieren wird, wird die Vorstellung zum absoluten Albtraum.
Runa kann sie nur bis zum Eingang, des vierzenstöckigen Gebäudes begleiten, an dem Hazel schon so oft vorbeigefahren ist, dann trennen sich ihre Wege. Alleine ist sie deshalb noch lange nicht, gleich zwei Securitys haben Hazel in ihre Mitte genommen und führen sie immer weiter hinein, in die tickende Zeitbombe. Ihr Puls ist schneller als sonst, was das leichte Zittern ihrer Hände verstärkt, als der Flur immer heller zu werden scheint und sich langsam mit Menschen füllt. Manche kommen ihr bekannt vor, als hätte Hazel sie in einen der vielen Serien oder Filmen gesehen, aber sicher ist sie sich bei keinem von ihnen, außer bei einer. Die Frau, die vor ihr steht, kann sie direkt einem Namen und einer Show zuordnen. Luna Waight, die seit Jahren die Moderatorin und Interviewerin der Show Early ist. Die besonders langen glatten schwarzen Haare und die große Lücke zwischen ihren Augen, sind nur zwei ihrer vielen Auffälligkeiten. Erst nach einigen Sekunden des Starrens kann Hazel ihren Blick von der kleinen Frau losreißen.
Bevor es losgeht, muss sie in einen der Vorbereitungsräume, in dem ihre glatten blonden Haare zu Wellen aufgedreht werden und ihr Gesicht ab gepudert wird. Ihr leichtes Make-up wird vollständig entfernt und durch ein Neues, aufdringlicheres und wesentlich auffallenderes, ersetzt. Während der Prozedur, wird ihr der genaue Ablauf erklärt und wie sie sich verhalten soll, dabei vergisst sie die Hälfte sofort wieder.
Ihr Handy muss sie im Vorbereitungszimmer lassen, zusammen mit ihrer Tasche und ihrer Jacke legt sie alles auf einen der vielen schwarzen, glatten Tische. Im Studio laufen schon jede Menge Techniker herum, von Zuschauern, Kameraleuten und Luna Waight fehlt allerdings jede Spur. Der Raum scheint ihr auch so schon zu klein zu sein, was an dem Mann liegt, der auf einen der Stühle sitzt. Eine seiner Fersen hebt er kurz ab, bevor er sie wieder absetzt, immer wieder, bis es zu einem Zucken wird.
„Bereit für die Show?″
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