Tinder-Katze (Oneshot 13.8)
Etwas bewegt sich neben mir. Dann hebt sich die Matratze und leise Schritte sind zu hören. Ein leichter Windzug kommt durch die nun offen stehende Schlafzimmertür. Die Gedanken an gestern Abend erzeugen ein wohliges Kribbeln in mir.
Nach dem Abendessen hatten wir uns zu einem Film wieder auf die Couch gekuschelt. Tim war völlig fasziniert davon, dass er meine Tics mit Küssen noch schneller unterbrechen kann als mit Kitzeln, was er dann natürlich auch ausgiebig gemacht hat. Da wir beide nicht in der Stimmung waren und zu verabschieden, haben wir spontan beschlossen, dass Tim auch einfach übernachten könnte und gegen einen Gute-Nacht-Kuss hat doch niemand was.
Wir haben gestern nicht mehr darüber gesprochen, welche Gefühle wir haben, aber uns war beiden auch so klar, dass es nicht ein einmaliger Abend zum „testen" war sonder mehr. Jetzt freue ich mich einfach auf diesen Tag, den ich hoffentlich mit Tim und unsere neu gefundenen Zweisamkeit verbringen kann. Und dann können wir vielleicht später auch noch über unseren Beziehungsstatus reden.
Tim taucht im Türrahmen auf. Er sieht völlig aufgelöst aus und sofort bin ich in Alarmbereitschaft. Bevor ich fragen kann, was los ist, sagt er mit zitternder Stimme: „Sag mir bitte, dass das nicht wahr ist." Zu meiner Sorge paart sich Verwirrung und schnell springe ich von meinem Bett auf um zu ihm zu gehen, aber er geht bloß wieder ein paar Schritte in den Flur zurück. Verletzt bleibe ich stehen. „Was nicht wahr ist?", frage ich vorsichtig. Ich entdecke mein Smartphone in seiner Hand und auf dem leuchtenden Display sehe ich mehrere Nachrichten.
Er muss nicht weiter erklären, was er meint, mir wird es in diesem Moment auch so klar. Ich wusste, dass diese ganze Tinder-Geschichte nicht gut enden wird und dass Tim irgendwann davon erfahren würde. Aber dass dieser Zeitpunkt schon jetzt, wenige Stunden nachdem wir unsere Gefühle klar geworden sind, kommt, war nicht geplant. Keine Ahnung, was ich überhaupt geplant hatte, denn das Tim diese Information nicht einfach schulterzuckend annehmen würde, was doch von Anfang an klar.
„Tim...", versuche ich irgendwas zu sagen, aber er unterbricht mich sofort. „Es stimmt also...", hat er jetzt auch verstanden. Tränen sind in seinem Gesicht und automatisch möchte ich auf ihn zugehen und sie wegwischen, aber er weicht nur noch weiter nach hinten aus. „Tim, ich wollte das nicht", beginne ich ein zweites Mal mit einer Erklärung, aber er lässt mich wieder nicht ausreden und drückt mir wütend mein Smartphone in die Hand. „Spar's dir! Ich will es nicht hören. Ich dachte, du wärst mein bester Freund!" Er geht ein paar Schritte weiter zur Garderobe. „Stattdessen lügst du mich seit einer Woche an. Tust so als wüsstest du nichts von meiner Sexualität, als ich mich endlich getraut habe bei dir zu outen!" Er schlüpft in seine Sneaker, die neben der Tür stehen. Ich will irgendwas sagen, aber ich wüsste nicht was, ohne es noch schlimmer zu machen. „Aber das Schlimmste ist, dass du mich gestern geküsst hast, obwohl du wusstest welche Gefühle ich für dich habe! War das irgendeine kranke Mitleidsnummer von dir? Oder wolltest du dir einfach nur beweisen, dass dein hetero Kumpel für dich schwul wird?" Ich schüttle stumm den Kopf, aber Tim scheint nichts davon zu bemerken, während er ins Wohnzimmer stürmt und seinen Rucksack holt. „Herzlichen Glückwunsch! Ist dir gelungen! Ich bin auf dich reingefallen!", schreit er mir ins Gesicht, bevor er leiser fortfährt: „Und ich dachte wirklich du würdest auch etwas für mich empfinden. Aber ich war wohl mal wieder zu naiv. Ich bin immer zu naiv. Wie unwahrscheinlich ist es auch, dass du nach jahrelanger Freundschaft plötzlich auch tiefere Gefühle hast. Es hätte mir von Anfang an suspekt vor kommen müssen, aber ich dachte ja, dass mein bester Freund sowas nie machen würde!" Er öffnet die Wohnungstür. „Tim, lass es mich bitte erklären!", versuche ich es ein letztes Mal, aber er ignoriert mich einfach uns tritt aus der Wohnung. „Ich will nichts mehr von dir wissen!" Ich folge ihm raus ins Treppenhaus. Auf dem ersten Treppenabsatz macht er halt und dreht sich nochmal um. Kurz habe ich Hoffnung, die sofort zerstört wird als er giftig sagt: „Und schöne Grüße an deine WhatsApp-Gruppe, ihr habt jetzt sicherlich viel neuen Gossip zu bereden!"
Ich bleibe vor meiner Wohnung stehen bis die eiligen Schritte nach unten verstummen und ich die schwere Haustüre ins Schloss fallen höre. Seinen filmreifen Abgang noch nicht realisiert, schließe ich die Wohnungstür hinter mir und lasse mich an ihr auf den Boden gleiten. Es ist wie die unheimliche Ruhe, die nach einem schweren Unwetter die Gegend überschattet. Unfähig sich zu bewegen sitzt man da. Man sollte bereits beginnen die Schäden zu reparieren, aber das Ausmaß ist noch gar nicht im Gehirn angekommen. Man spürt bloß tief in einem drinnen, dass das eigene Leben jetzt erstmal eine einzige Katastrophe sein wird. Es ist einfach dieses eine bestimmte, schlimme und erdrückende Gefühl, welches ich auch jetzt in diesem Moment empfinde.
Durch das offene Fenster höre ich den Straßenlärm. Irgendwo startet ein Auto. Vielleicht ist es Tim. Vielleicht ist es auch einfach der Postbote. Ich würde gerne weinen, aber es kommen keine Tränen. Ich kann es nicht. Ich bin schuld daran, dass Tim mich jetzt wahrscheinlich hasst. Ich habe nichts gesagt, seine Beschuldigungen einfach über mich ergehen lassen, mich nicht mal entschuldigt. Er hat vielleicht recht, ich bin kein guter bester Freund für ihn. Nicht die Person, die er verdient hätte.
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Sagt nichts, ich weiß ich meinte das sei der letzte Teil... Offensichtlich ist es nicht so...
Das nächste Kapitel wird es dann aber wirklich, zur Not wird es einfach ein sehr langes Kapitel weil "Oneshot 13.10" sich einfach absolut beschissen anhört.
Btw ihr wisst gar nicht wie viel Spaß es macht solche Streitszenen zu schreiben 😂
Liebe Grüße vom letzten Urlaubstag
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