Singst du für mich? (Oneshot 12.6)

Ich kann mich nicht wirklich auf die Bildschirmoberfläche meines Smartphones konzentrieren, wenn Jan so dicht neben mir steht. Das Bedürfnis, einfach meine Arme um ihn zu legen und ihn an mich zu ziehen, wächst in mir und ich versuche verzweifelt dem Drang nicht nachzugeben. Ich habe ihn gerade mal ein paar Minuten zurück, dass will ich nicht durch solche seltsamen unüberlegten Aktionen kaputt machen. Vielleicht ergibt sich ja eine Umarmung zur Verabschiedung.

Wir schaffen es irgendwann doch ein Rezept rauszusuchen und machen uns an die Arbeit. Anfangs weiß ich nicht so wirklich, was ich sagen soll, weil es so viele Themen gibt, die irgendwie in die falsche Richtung kippen könnten, doch spätestens als Gisela die erste Tomate mit voller Wucht gegen die Küchenwand schleudert, finden sich das Gespräch von ganz alleine und ich erfahre, was so die letzten zwei Jahre bei ihm abgegangen ist. Ab und zu hängen wir auch gemeinsam in irgendwelchen Erinnerungen, die wir gemeinsam erlebt haben.

Einmal reiche ich ihm das Messer rüber und für einen kleinen Augenblick berühren sich unsere Finger. Es kling völlig kitschig, aber ich hoffe, dass nicht nur ich diese kleinen Funken gespürt habe. Ehrlich gesagt weiß ich nicht, wie ich eine Umarmung überleben soll, wenn so ein kurzen Kontakt mich schon dermaßen aus dem Konzept bringt.

Aus Gewohnheit, dass ist nach zwei Jahren wahrscheinlich etwas anmaßend zusagen, will ich mich immer wieder an ihm festhalten, wenn ich um ihn herum nach etwas greife. Jedesmal muss ich mich bewusst daran erinnern, dass wir quasi Fremde sind und ich nicht einfach da weiter machen kann wo, wir vor 2 Jahren stehen geblieben sind, bevor mich die Panik überrollt hat.

Irgendwann steht die Pfanne auf dem Herd und Jan schaut immer wieder danach, während ich den kleinen Tisch decke. Da er gerade mit Abschmecken beschäftigt ist, erlaube ich mir für einen Augenblick ihn einfach zu beobachten. Er sieht gut aus, wie er hier am Herd steht und uns essen zaubert... also, nein...ich meine, ich könnte mich an diesen Anblick gewöhnen... nein, also... egal. Ich sollte mich auf das hier und jetzt konzentrieren.

Wir setzen uns und beginnen zu essen. Ich bin erstaunt, dass Gemüse so gut schmecken kann, aber vor allem bin ich irgendwie stolz darauf, dass wir es geschafft haben jetzt hier zu sitzen, normal zu reden, und etwas essbares auf dem Teller zu haben.

Mit dem Essen wird mir jedoch auch wieder bewusst, dass Jan nicht ewig hier bleiben kann. Offiziell sind wir nur zum Kochen und anschließendem Abendessen verabredet. Ich hoffe zwar, dass er die Zeit gerade genauso genießt wie ich, aber ich kann mir nicht sicher sein.

Ich bin gerade dabei, dass gespülte Geschirr wieder an seinen Platz im Schrank zu sortieren, als unser Gespräch verebbt und Stille ein kehrt. Aus dem Augenwinkel erkenne ich, dass Jan auf sein Handy schaut und irgendwas tippt. Wahrscheinlich beantwortet er irgendwelche Nachrichten. Theoretisch könnten wir noch einen Film schauen, dann wäre er noch mindestens anderthalb Stunden hier. „Musst du schon los oder sollen wir noch einen Film schauen oder so?", frage ich so beiläufig wie möglich und konzentriere mich auf das Schneidebrett in meinen Händen. Jan steckt schnell sein Handy wieder weg und meint dann: „Kommt darauf an welchen Film wir schauen..." „Du darfst aussuchen?" „Dann habe ich sehr wohl noch Zeit", antwortet er grinsend und auch ich kann nicht verhindern, dass meine Mundwinkel wiedermal nach obern wandern.

Schnell ist auch noch das restliche Geschirr verräumt und Jan folgt mir ins Wohnzimmer. Wie selbstverständlich schnappt er sich die Fernbedienung, als er sich für meinen Geschmack viel zu weit weg von mir auf das Sofa fallen lässt. Schnell hat er sich für einen Horrorfilm entschieden, den er anscheinend schon länger mal sehen wollte. Mir ist das eigentlich relativ egal, da ich weiß, dass ich mich wahrscheinlich sowieso nicht großartig auf den Film konzentrieren werde. Egal wie sehr ich es versuchen werde.

Der Film ist dann aber doch ganz spannend sodass ich nur die Hälfte der Zeit damit verbringe darüber nachzudenken, wie ich unauffällig rüber rutschen könnte, damit wir vielleicht kuscheln können, wie wir es früher immer gemacht haben. Lieder komme ich auf kein Ergebnis, sodass ich irgendwann nach der Decke neben mir greife. Gerade als ich mich endlich zufriedenstellend eingedeckt habe, blickt mich Jan an. „Kann ich auch ein Stück Decke haben?"

Ohne darüber nachzudenken hebe ich die eine Seite der Decke an und deute ihm an rüber zu kommen und sich neben mich zu legen. Erst als er umständlich rüber kommt, wird mir klar, dass wir jetzt quasi kuscheln, wenn wir nicht wie zwei Stöcke unter der viel zu kleinen Decke liegen wollen.

Möglichst unauffällig versuche ich meinen Arm auf der Sofalehne hinter ihm zu platzieren. Ich merke wie er einen Augenblick zögert bevor er sich an mir anlehnt. Augenblicklich dreht mein Herz komplett durch und ich schicke ein Stoßgebet ab, dass Jan meinen rasenden Herzschlag nicht bemerken soll. Ich bezweifle jedoch, dass es wirkt. Zum Glück sagt er nichts weiter dazu und scheint schnell wieder in den Film vertieft zu sein.

Mit der Zeit fange ich an die Situation zu genießen. Im Gegensatz zu damals, weiß ich heute, dass diese ganzen Empfindung bei mir nicht nur Freundschaft sind. Ich weiß, dass ich immer noch etwas für ihn empfinde, bloß nicht was genau, schließlich ist viel Zeit vergangen und wir haben uns beide verändert. Außerdem müssten meine Gefühle auf Gegenseitigkeit beruhen, damit daraus auch nur irgendwas anderes als reine Freundschaft werden kann, weshalb ich das alles wohl einfach auf mich zu kommen lassen muss.

Während ich meinen Gedanken nachhänge, ist mein Arm etwas runtergerutscht, sodass ich jetzt sinnlose kleine Muster auf seinen Arm zeichne. Ein angenehmes Kribbeln geht von meinen Fingerspitzen aus und ich bin für den Augenblick wunschlos glücklich.

Als der Film zu Ende ist, startet Jan einfach kommentarlos die Fortsetzung. Auch wenn ich den zweiten Teil eines Films meistens nicht mal Ansatzweise so gut wie den ersten Teil finde, habe ich diesmal absolut kein Problem damit. Während des Films bilde ich mir ein, dass Jan sich noch etwas mehr an mich kuschelt und ich gebe es einfach auf, den Film verfolgen zu wollen.

Nach dem auch der zweiter Teil irgendwann zu Ende ist, steht Jan auf, um ins Bad zu gehen. Zögerlich erhebe ich mich ebenfalls vom Sofa. Ein Blick auf die Uhr verrät mir, dass gleich Mitternacht ist. Jan erscheint wieder im Türrahmen.

„Ich würde dann langsam mal heim gehen", spricht er das unausweichliche an. Ich nicke zustimmend, auch wenn ich nicht will, dass der Abend endet. Gemeinsam gehen wir zu meiner provisorischen Garderobe.

„Soll ich dich eigentlich fahren?", frage ich ihn spontan, „bevor du nachher am Bahnhof stehst und keine Bahn mehr fährt." „Wenn es dir nichts ausmacht gerne", nimmt er mein Angebot zum Glück an. Schnell ziehe ich mir ebenfalls meine Jacke an und schnappe mir meinen Autoschlüssel. 


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Heute ist euer Glückstag und es kommt tatsächlich noch ein dritter Teil!!

Ich sollte übrigens aufhören über diese Geschichten Oneshot zuschreiben wenn sie am Ende 6 Teile lang mit insgesamt 6000 Wörtern werden. Es ist einfach ein Lüge 😂

Können wir uns irgendeinen anderen Begriff dafür einfallen lassen?

Das war heute aber wahrscheinlich wirklich der letzte Teil, deshalb wünsche ich euch noch einn schönen Abend und bis morgen oder halt wann ich fertig bin...

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