Seelenverwandtschaft (Oneshot 8.6)

Erstarrt bleibe ich sitze und versuche auch nur irgendwas zu begreifen, aber in meinem Kopf herrscht absolute Sendepause. Nach einiger Zeit fällt mir wieder ein, dass ich ins Bad gehen wollte, was ich jetzt auch mache da ich mich dringen selbst mal ein bisschen wach rütteln und von dem Gedanke ihn wieder zu küssen wegkommen muss.

Das kalte Wasser ist angenehm in meinem heißen Gesicht und bringt mich zurück auf den Boden der Tatsachen. Ich trockne mir das Gesicht ab und setze mich dann auf den geschlossenen Klodeckel. Mein Gesicht stütze ich auf meinen Händen ab und atme einmal tief durch. Dann mache ich in meinem Kopf eine Liste der neuesten Erkenntnisse:

1. Jan scheint nichts dagegen zu haben mich zu küssen.

2. Ich habe auch nichts dagegen zu küssen im Gegenteil

3. Mir gefallen unsere Küsse sehr und ich würde gerne mehr davon haben#

4. Ich bin wahrscheinlich doch nicht so hetero, wie ich dachte

5. Jan ist einfach das beste, was mir passieren konnte, egal wohin das alles führen wird

6. Ich sollte dringend herausfinden wohin es führen wird

Danach stehe ich wieder auf und verlasse das Badezimmer. Jan sitzt wieder am Esstisch. Als er mich entdeckt, lächelt er mich an und ich kann nicht anders als zu erwidern. Ich setze mich ebenfalls und esse den nun erkalteten Rest meiner Pizza auf. Wir reden nicht, aber es ist okay, weil ich so noch ein bisschen dem Gefühl von seinen Lippen auf meinen nachhängen kann, auch wenn es langsam verblasst. Stumm räumen wir das benutzte Geschirr in die Spüle und stehen dann etwas unschlüssig im Raum.

„Sollen wir noch irgendwas machen oder schon schlafen?", fragt er mich irgendwann. „Wie du willst", antworte ich, da ich selber nicht so ganz weiß, was ich eigentlich will. „Ich habe aber dich gefragt? Mir ist es nämlich egal. Ich würde dich ja gerne foltern, aber das darf ich ja leider nicht!" „Seit wann hält sich Gisela an Regeln?", bin ich erstaunt. „Keine Ahnung, sie ist vielleicht auch etwas verwirrt.", gibt er zu. Auch? Bedeutet das, dass er ihm genauso geht wie mir, außer, dass er schon wusste, dass er auf Männer steht?

„Und was machen wir jetzt?", fragt er ein zweites Mal. „Mir ist es wirklich egal." „Mir doch auch." „So kommen wir nicht weiter.", stelle ich leise lachend fest. Wieder ist es für einige Minuten Still um uns und jeder hängt seinem eigenen Gedankenchaos nach. „Lass uns schlafen gehen, weil wenn wir uns jetzt noch für einen Film entscheiden müssen, dann stehen wir morgen noch hier.", entscheidet Jan für uns.

Wir machen uns schlaf-fertig und ich lasse mich rückwärts auf das weiche Bett fallen. Alle Viere von mir gestreckt liege ich jetzt ziemlich mittig. Müde schließe ich meine Augen und gähne einmal. Als ich die Augen wieder öffne, steht Jan neben dem Bett und brachte mich verträumt. Dann reißt er sich von seinem Gedanken los und meint: „Rutsch mal! Ich will mich auch hinlegen können." Ich setze meinen Hundeblick auf und sage: „Aber es ist gerade so bequem..." „Gleich nicht mehr, weil ich mich auf dich drauf lege, wenn du keinen Platz machst." Provozierend bewege ich mich keinen Zentimeter und schließe demonstrativ meine Augen. Kurz darauf geht das Licht aus und ich spüre, wie sich das Bett auf der einen Seite senkt.

Und plötzlich liegt er mit vollem Gewicht quer über mir. „Und das soll jetzt irgendwie bequem sein?", frage ich ihn, weil ich mir nicht vorstellen kann, dass er so gut schlafen kann. „Nein, aber du wolltest es ja so.", antwortet er. Ich gebe nach und versuche etwas zu rutschen, aber mit ihm auf mir ist das kaum möglich. Also beginnt er sich auch zu bewegen. Schlussendlich liegt er nicht mehr komplett auf mir sondern benutzt mich nur noch als Kopfkissen. Mein Arm liegt etwas seltsam neben mir und zögerlich lege ich ihn auf Jan. Dieser kuschelt sich näher an mich, was ich als sein Einverständnis deute. Mit dem Gedanken daran, dass wir gerne häufiger so im Bett liegen können schlafe ich ein.

„Scheiße! Wir haben verschlafen!", werde ich aus meinem wunderschönen Traum mit Jan gerissen. „Tim, wir müssen aufstehen es ist schon halb neun!" „Was?", schrecke ich hoch und bin mit einem Schlag wach. Wir beide springen aus dem Bett und stürmen ins Bad. Das Frühstück muss ausfallen und bereits fünfzehn Minuten später verlassen wir die Wohnung. Auf dem Weg holen wir uns bei einem Bäcker noch zwei Brötchen auf die Hand.

An der Kreuzung, an der sich unsere Wege trennen, bleiben wir stehen. Ich weiß nicht so recht, ob ich ihn nur umarmen oder vielleicht doch küssen sollte. Zweitens wäre wesentlich schöner, aber vielleicht auch ein Risiko. Ich beschließe einen Kompromiss. Ich wünsche ihm einen schönen Tag und hauche ihm anschließen einen Kuss auf die Wange. Dann verabschiede ich mich und gehe glücklich weiter.

Abends freue ich mich schon darauf wieder nach Hause zu kommen. Vielleicht kuscheln wir ja, oder auch mehr. Wie gerne ich nochmal dieses berauschende Gefühl von seinen Küssen erleben würde. Auf dem Heimweg gehe ich beim Döner vorbei und besorge unser Abendessen. Ich glaube ein weiterer Kochversuch ist sinnlos. Auch wenn er eventuell dazu führt, dass wir uns küssen. Als ich unsere Wohnung betrete, rufe ich laut: „Bin wieder da und habe Essen mitgebracht!" Jan kommt in den Flur. „Danke, dass ist genau das, was ich jetzt brauche." „Das ich wieder da bin oder das Essen?" „Beides", antwortet er selbstbewusst und ich glaube meinen Puls könnte jetzt jede Laie fühlen so stark, wie er plötzlich geht. „Als ob ich mich freue dich zu sehe! Wovon träumst du Nachts? Du bist bloß mein Butler!", weist mit Gisela meinen Platz zu. Ich reiche Jan die Papiertüte mit dem Essen, um mich auszuziehen. Also nur die Jacke und die Schuhe. Gott, der hohe Puls lässt mich eindeutig mit dem falschen Körperteil denken.

Während dem Essen erzählt mir Jan von seinem anstrengenden Tag und worüber er sich jetzt schon wieder alles aufregen könnte. „Das klingt echt beschissen. Gibt es irgendwas, dass ich dich noch ein bisschen aufmuntern kann?", frage ich ihn irgendwann, weil er wirklich etwas gereizt ist und ich nicht noch der Gefahr laufen möchte, das Fass zum überlaufen zu bringen. „Es geht schon... wobei, wenn du mich schon so fragst, dann würde ich dich gerne bumsen! Nein also dann würde ich gerne nachher noch ein bisschen kuscheln. Also nur wenn das für dich okay ist." Mit aller Macht versuche ich zu verstecken, dass ich mich wie ein Kind über seinen Wunsch freue und erwidere, dass ich einverstanden bin.

Wir beschließen uns schon ins Bett zu legen, auch wenn es echt noch früh ist, aber dort liegt man einfach am besten. Wie letzten Abend legt er sich mit dem Oberkörper auf mich und ich lege einen Arm um ihn. „Und besser?" „Viel besser!", antwortet er. Wir beginnen ein gespräch über Gott und die Welt und ich genieße diese Situation in vollen Zügen. Irgendwann kommen wir auch auf die METHODE zu sprechen.

„Glaubst du eigentlich noch, dass es ein Fehler war, dass wir beide als Seelenverwandte zusammengebracht worden sind?", fragt er mich nachdenklich. „Keine Ahnung, ich würde schon sagen das die ‚Chemie' zwischen uns stimmt, aber woher sollten sie wissen, dass ich nicht hetero bin, wenn ich es selbst bis vor kurzem nicht wusste?" „Man sagt, dass die METHODE einen manchmal besser kennt als man sich selbst..." „Ich bin jedenfalls froh, dich kennengelernt zu haben", gestehe ich ihm ehrlich. Er drückt sich bestätigend enger an mich. Am liebsten würde ich nie wieder aus dieser Situation weg.

Nach ein paar Minuten des Schweigens fragt er plötzlich leise: „Bist du eigentlich verliebt?" Die Frage ist direkter als ich dachte und ich bin wie so oft überfordert, aber dann übergibt mein Kopf meinem Herzen die Führung und ich antworte genauso leise: „Vielleicht ein bisschen." Es ist wieder einen Moment ruhig und ich höre mein rasendes Herz. „Das ist gut, weil ich auch ein wenig verliebt bin."

Langsam hebt mein Taxi zu Wolke sieben ab und die rosaroten Fensterscheiben lassen die Sicht verschwimmen. „Das passt ja.", erwidere ich, weil ich nicht weiß, was ich sagen soll, aber auch nicht nichts sagen möchte. Die Stadt unter uns wird immer kleiner und ist bald nur noch ein Lichtermeer. Eine schöne Beleuchtung für den Hintergrund, den in meinem Fokus steht einzig und alleine Jan.

Dieser richtet sich etwas auf und stützt sich auf seine Arme, um mir in die Augen schauen zu können. „Darf ich dich küssen?", stellt er die Frage, die ich schon die ganze Zeit stellen möchte. Ich lege meine zweite Hand in seinen Nacken und ziehe in sanft runter zu mir. Kurz bevor unsere Gesichte sich berühren, hauche ich heißer mein Einverständnis. Dann legt er seine Lippen auf meine und küsst mich. Vorsichtig und sanft, als ob ich jeder Zeit zerbrechen könnte.

Es ist einfach das schönste Gefühl der Welt, wie er mich immer wieder küsst und wir nicht genug von einander bekommen können. Und währenddessen kommt legt das Taxi an der rosa Wolke sieben an und wir betreten Hand in Hand unser neues Leben.


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Pünktlich zu GUMO und nach sechs sehr langen Kapiteln nimmt dieser Oneshot ein Ende. Ich hoffe ihr seit zufrieden mit dem Ende.

Der ganze Oneshot hat einfach 9140 Wörter... Das sind normalerweise über 10 Kapitel 😂 

Und ich habe das einfach in drei-vier Tagen geschrieben... Warum war ich so motiviert?

Jetzt werde ich mal noch versuchen meine Hauptstory weiter zuschreiben, außer hier hat jemand Wünsche, die erfülle ich natürlich immer gerne (aber eine Teil 7 von Seelenverwandtschaft wird es nicht geben!)

Ich habe übrigens mittlerweile das Gefühl, dass sich meine Geschichten immer sehr ähneln. Wie seht ihr das und findet ihr das schlimm?

Liebe Grüße

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