Seelenverwandtschaft (Oneshot 8.3)
Als wir dann mit zwei Tellern und irgendwas hoffentlich essbarem am Esstisch sitzen, spricht Jan dann das entscheidende Thema an: „Die METHODE scheint also der Meinung zu sein, dass wir Seelenverwandte wären." „So sieht es aus, aber es muss ein Fehler sein.", antworte ich ihm. „Weil du nicht auf Männer stehst.", ergänzt er. „Bist du dir denn sicher nicht homosexuell zu sein? Manchmal weiß die METHODE ja mehr über einen als man selbst. Gay!" Wütend stehe ich auf: „Ich glaube schon, dass ich das wüsste! Du weißt es ja auch!" „Jetzt beruhig dich wieder, war ja nur eine Vermutung." Ich setze mich wieder, weil ich ihm irgendwie nicht länger böse sein kann. Stumm essen wir weiter. „Bah, ist das ekelhaft!" „Ist es überhaupt nicht!", verteidige unser Essen, „Klar es gibt besseres, aber es ist immerhin essbar." Wir müssen beide kurz lachen.
„Und was machen wir jetzt mit dieser Situation?", fragt Jan mich dann. „Uns beschweren?", schlage ich vor. „Aber dann sieht es ja aus, als ob wir gegen die METHODE wären und wer weiß, was dann auf uns zu kommt. Wir werden von Staat gefickt!" „Hast du einen besseren Vorschlag?", frage ich ihn. Er überlegt kurz. „Also wenn du nichts dagegen hast, dann könnten wir uns einfach mit der Situation arrangieren und es versuchen." „Ich werde dich ganz sicher nicht küssen oder sonst etwas mit dir machen!" „Das meine ich auch nicht, sondern dass wir versuchen Freunde zu werden und zusammen leben, aber du müsstest halt auf eine richtige eigene Familie verzichten."
Ich weiß nicht, wie ich darauf reagieren soll. Mir ist klar, dass es die beste Möglichkeit wäre, um keine Probleme mit der METHODE zu bekommen. Außerdem hatte ich eh nie Lust eine ernsthafte Beziehung mit einer Person, die ich nicht selber wähle einzugehen. Und wenn ich ehrlich bin, tut mir Jan auch gut, in dem er mich zum lachen bringt, aber so wirklich eingestehen will ich es mir nicht. Aber würde das nicht auch bedeuten, dass es irgendwo noch zwei andere Menschen gibt, die eigentlich zu uns gehören würde und jetzt vielleicht unglücklich werden würden. Und wie soll das mit uns funktionieren, wenn wir eben nicht Seelenverwandte sind und das Leben gemeinsam verbringen. Es hat doch einen Sinn, dass dieses System überhaupt erfunden wurde, oder?
Nach einiger Zeit, in der keiner von uns etwas gesagt hat, überwinde ich mich und frage ihn: „Glaubst du wirklich, dass es eine gute Idee wäre, so zu tun als wäre wir wirklich Seelenverwandte?" „Keine Ahnung, ob es eine gute Idee ist... Es ist super, dann kann ich dich ganz heimlich umbringen!" Ich muss lachen: „Gisela hat ja schon einen ziemlichen Hass auf mich entwickelt" „Ja, ich hasse dich, du Misset", schreit sie, während ich mit Jans Gabel bedroht werde. Reflexartig weiche ich zurück, aber das veranlasste sie nur, mich an der Schulter zu packen und zu sich zuziehen. Langsam bekomme ich tatsächlich Angst gleich eine Gabel im Körper stecken zu haben, sodass ich anfange ihn zu kitzeln. Sofort löst sich der Griff und er quiekt. „Hör auf, bitte!", fleht er mich an und ich bin gnädig und lasse von ihm ab. „Das muss ich mir merken, das ist die absolute Notlösung.", meine ich und im gleichen Moment fällt mir auf, dass es wieder so eine Sache ist, die ich normalerweise niemals machen würde: Körperkontakt zu anderen Menschen. Und jetzt habe ich auch noch damit angefangen, wenn man von seinem Tourette mal ab sieht.
„Tim, alles gut? Du schaust wieder so ernst." Ich schüttle mich und antworte: „Ich musste bloß gerade an etwas denken." „Verstehe das jetzt nicht falsch, aber ich mag es, wenn du glücklich bist.", ergänzt er etwas leiser und schaut mich vorsichtig an. Und schon wieder bin ich mit der Situation überfordert. Sonst habe ich doch auch alles im Griff! Was ist den mit Jan so anders? Vielleicht sollte ich angepisst sein, weil er mir so ein seltsames Kompliment macht und sich vielleicht doch noch in mich verliebt, aber das bin ich nicht. Im Gegenteil, ich freue mich irgendwie darüber, dass es ihn freut, wenn ich mich freue.
„So genug ernste Themen für heute", unterbricht Jan die Stille, „sollen wir noch irgendwas machen, einen Film schauen oder so?" Er räumt die Teller zusammen und stellt sie in die Spüle. Ich überlege zum ersten Mal, was ich wirklich will und nicht, was das sicherste und logischste wäre. In unserer Gesellschaft gibt es ja kaum noch Dinge, die man selbst entscheidet und wenn, dann gibt es ein richtig und ein falsch und du musst die richtige Antwort wählen. Es wird kein Risiko eingegangen und vor allem ich mache es nicht. Normalerweise. Dann spreche ich jedoch meine wirklichen Wunsch aus, weil... keine Ahnung... mit Jan ist eh alles etwas seltsam und anders. „Würdest du mir, also nur wenn du willst, vielleicht noch ein paar deine ,Tourette-Geschichten' erzählen? Die fand ich schon im Café sehr interessant und witzig...", gegen Ende werde ich immer leiser. „Ja, klar gerne mache ich das.", antwortet Jan zum Glück und deutet mir an mich auf das Sofa zu setzen. Ich mache es mir in der einen Ecke bequem und Jan lehnt sich ebenfalls an der Sofalehne an.
Er erzählt von Feueralarmen, Beleidigungen, Problemen bei dem Formular für die Seelenverwandtschaft, weil Gisela das anscheinend ausfüllen wollte und vielem mehr. Wir lachen viel zusammen, was seinem Tourette ziemlich missfällt, weshalb ich schon bestimmt die zehnte Morddrohung bekommen habe. Während ich ihm zuhöre, beobachte ich ihn von der Seite. Es ist interessant, wie krass der Kontrast zwischen der Gisela-Fratze und seinem sonst hübschen Gesicht ist. Mir fällt auch das Funkeln in seinen Augen, wenn er lacht, auf. Das klingt jetzt, als ob ich auf ihn stehen würde, aber man darf ja wohl sagen, dass er schön und attraktiv ist. Ich find ja auch meine Mutter schön und will nicht mit ihr ins Bett!
Der Geruch von Kaffee reißt mich aus meinem traumlosen Schlaf. Ich taste nach meinem Nachttisch, aber da ist nichts. Verwirrt öffne ich die Augen und stelle fest, dass ich nicht in meinem Bett liege, sondern auf der Couch in Jans Wohnzimmer. In der Küche steht eben dieser und macht sich einen Kaffee. Schnell schaue ich auf die Uhr: 8 Uhr. Fuck, ich habe jetzt nicht ernsthaft ungefragt bei einem Mann den ich erst dreimal gesehen habe übernachtet. Er denkt jetzt wahrscheinlich auch weiß Gott was von mir. Ich lasse mich wieder nach hinten in das Sofa fallen. Wohl etwas zu schwungvoll. „Na auch mal wach? Bei dir hilft nicht mal der Schönheitsschlaf weiter, du bist und bleibst hässlich!", fragt Jan mich. „Guten Morgen", nuschle ich müde. „Willst du auch irgendwas zum Frühstück?" Ich zwinge mich aufzurichten und aufzustehen. „Oh man, ich glaube ich sollte lieber gehen, jetzt habe ich hier schon ungefragt übernachtet, da will ich nicht noch mehr Umstände machen." Ich tausche das T-Shirt von Jan wieder gegen mein eigenes. „Du machst keine Umstände, frühstücken muss ich jetzt sowieso. Nein du bekommst nicht, du willst schließlich nicht noch dicker werden! Und es war okay, dass du hier gepennt hast. Du bist gestern einfach mitten im Gespräch eingeschlafen. Hätte ich nicht gewollt, dass du hier bleibst, hätte ich dich geweckt. Also mach dir keine Gedanken darüber."
Unschlüssig bleibe ich stehen und weiß nicht ob es besser wäre zu gehen oder zu bleiben. Um 9 Uhr fängt meine heutige Schicht an. Wenn ich jetzt noch nach Hause gehe, könnte es knapp werden, andererseits will ich nicht Jan weiter nerven. „Jetzt mach es nicht so kompliziert!", unterbricht Jan meine Gedankengänge, „setz dich hin, hier hast du eine Brotscheibe, irgendwo müsste ich auch noch ein bisschen Marmelade haben... hier bitte... und willst du irgendetwas trinken?" Ich höre wohl besser auf zu zählen, wie oft ich überfordert oder verwirrt von mir selbst bin, wenn ich in Jans Nähe bin. Ich bekomme schlussendlich ein Wasser und Jan setzt sich zu mir an den Tisch.
Mein Nachrichtenton ertönt. Ich schaue kurz nach. Meine Mutter... Sie weiß von diesem ganzen Schlamassel noch gar nichts und ich weiß auch noch nicht wie ich es ihr am besten beibringen soll. „Schlechte Nachrichten, oder warum schaust du so." „Nur meine Mutter, die wissen wollte, wo ich die Nacht war." „Das ist der Vorteil, wenn man alleine wohnt... Ich kann bumsen wen ich will!"
Nach dem Frühstück verlassen wir gemeinsam die Wohnung und laufen sogar ein Stück in die gleiche Richtung, bevor er in eine Seitenstraße einbiegen muss. „Also wir sehen uns, jetzt habe ich ja auch deine Nummer und kann dich anschreiben. Und wegen unserem Problem und meinem Vorschlag: überleg es dir einfach mal in Ruhe." Dann beigt er ab, aber ich kann mich noch nicht sofort rühren. Dann reiße ich mich los. Gott, ich hoffe, dass niemand gesehen hat, dass ich ihm hinterher gestarrt habe...
Meine Schicht ist zwar anstrengend, vergeht jedoch wie im Flug, da meine Gedanken hauptsächlich um Jan kreisen. Also nicht in diesem verliebten Sinn, sondern weil ich über das nachdenke, was er gesagt hat. Auf dem Heimweg fällt mir nach 15 Minuten auf, dass ich völlig falsch gelaufen bin. Denn statt vor meiner Haustüre befinde ich mich vor Jans. Auf der Stelle wende ich, damit er es nicht bemerkt. Manchmal bin ich echt ein wenig verpeilt und erst recht, wenn er mich so verwirrt.
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Dieses Ding hat langsam echt nicht mehr die Berechtigung sich Oneshot zu nennen...
Ideen gerne in die Kommentare, weil ich den noch nicht weiter geschrieben habe, bin ich noch beeinflussbar 😂😉
Vielleicht schaffe ich heute noch ein Teil, aber könnte schwierig werden, mal sehen
Liebe Grüße
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