Seelenverwandtschaft (Oneshot 8.1)
Seelenverwandtschaft. Was für ein Schwachsinn! Als ob das funktioniert... Natürlich gibt es Menschen, die dadurch den Partner fürs Leben gefunden haben, aber so viele sind auch unglücklich geworden, wollen beziehungsweise können sich aber nicht trennen, denn dass würde ihre Zweifel am System offenbaren. Und wer nicht dafür ist, muss ja zwangsläufig dagegen sein. Und gegen die METHODE zu sein, wie sich unser System nennt, hat schwerwiegende Folgen. Welche genau weiß keiner, denn es ist noch nie jemand zurück gekehrt.
Im Prinzip habe ich ja auch nichts gegen die METHODE. Sie baut auf Verstand und Logik auf und will nur das beste für die menschen. Uns geht es auch gut, wir sind gesund, haben ein festes einkommen, den perfekten Job, Freunde und Familie. Die METHODE ist tolerant und weltoffen. Das Problem sind viel mehr die Menschen. Die Menschen, die sich nicht zufrieden geben mit dem, was sie haben, die egoistisch sind, lügen und betrügen. Das ist das Problem, aber es wird totgeschwiegen, denn die METHODE hat keine Fehler. Das zweite Problem ist, dass Menschen sich verändern und Emotionen haben, diese aber nur bis zu einem bestimmten Grad kontrollierbar sind.
Kontrolle, ein gutes Stichwort! Morgen ist mein 21. Geburtstag, heißt ich darf, besser gesagt, muss morgen zum Arzt um meinen Fragebogen auszufüllen. Irgendwie ist es schon sinnlos 200 Fragen über sich selbst zu beantworten, wenn die METHODE eigentlich sowieso schon alles über einen weiß und einen besser kennt als man sich selbst. Wahrscheinlich wird dadurch das Selbstbild registriert. Keine Ahnung, ehrlich gesagt interessiert es mich auch gar nicht, weil ich es nicht machen möchte. Aber Pflicht ist Pflicht und ich habe auch keinen Bock eine Strafe zu bekommen. Meine einzige Hoffnung ist, dass meine „Seelenverwandte" erst in 2 Jahren 21 wird, denn nach dem eigenen Geburtstag gibt s eine zwei Jahresfrist in der man irgendwann eine Person zugeteilt bekommt. Ich kann nur hoffen, dass das System keinen Fehler macht.
Wie heißen sie?Wie alt sind sie?
...
Vielen Dank für Ihre Zeit, wie melden uns in Kürze!
Geschafft! Nach 3 Stunden verlasse ich das kalte, graue Gebäude. Aber statt nach Hause zu laufen, gehe ich in den kleinen Park neben an. Ich setze mich auf eine Bank und lasse meinen Blick über die Wiese schweifen. Paare halten Händchen, Kinder toben herum. Es sind auch viele Jugendliche da, die Party machen. Einige wenige haben das Glück jetzt schon den Partner fürs Leben gefunden zu haben. Ja, es ist möglich, aber am 21. Geburtstag wird diese Beziehung dann überprüft und muss genehmigt werden. Ich hatte das nicht, dafür war ich zu wenig unter Menschen. Auf einer Picknickdecke etwas entfernt sitzt ein Pärchen, was meine Aufmerksamkeit erlangt, da der Mann die ganze Zeit seltsame Bewegungen macht und Grimassen zieht. Ich beobachte die beiden eine Weile bevor ich mich auf den Heimweg mache.
Mein Glück alleine zu sein hält leider nicht sehr lange an. Eine Woche später liegt der Brief vom Amt vor mir. Nervös reiße ich den Umschlag auf. Nach ausgiebigem lesen, weiß ich trotzdem nur, dass ich morgen um 12 Uhr am Park sein soll. Ich hatte gehofft, dass ich einen Namen oder zumindest eine Nummer bekomme, aber nichts dergleichen. Auch bei diesen Briefen passt sich die METHODE an und gibt nur die Informationen die nötig sind. Meine Eltern zum Beispiel haben beide eine Telefonnummer bekommen über die sie sich kennengelernt haben. Und obwohl ich immer noch nicht an dieses Verkupplungszeug glaube, steigt in mir etwas Nervosität auf, schließlich ist das die Person, mit der ich mein restliches Leben verbringen werde.
Nach langem hin und her überlegen, habe ich mich dazu entschlossen mit meinem normalen Alltagslook zum Treffen zu gehen. Ich bin schon etwas zu spät dran, aber ich habe auch keine Lust mich zu beeilen. Ich komme immer zu spät, das darf die Person gleich mal erfahren. „Tim? Musst du nicht los? Es ist schon 5 vor 12!", ruft meine Mutter nach mir. Langsam trotte ich die Treppe runter. „Ich mach mich jetzt auch auf den Weg!"; sage ich. „Beeil dich mal ein bisschen! Deine Herzensdame soll doch keinen schlechten Eindruck von meinem Sohn bekommen!" „Ja, Mama." „Und mach umbedingt ein Bild von ihr!" „Ja, mal sehen" „Viel Spaß dir!" „Bis später!"
Zehn Minuten zu spät komme ich im Park an. Ich lehne mich an die Mauer und beobachte die Menschen, die an mir vorbei strömen. Die meisten scheinen mich nicht zu bemerken und laufen einfach an mir vorbei. Ich frage mich langsam schon, ob es wirklich sein kann, dass meine zukünftiger Frau noch unpünktlicher als ich bin, oder ob sie einfach wieder gegangen ist, als ich nicht sofort da war.
Ich bemerke in einige Entfernung den Mann der letztens schon mit seiner Freundin da war und so seltsame Bewegungen gemacht hat. Diesmal ist er jedoch alleine. Er ist schon irgendwie seltsam. Er scheint meinen Blick bemerkt zu haben und schaut zu mir rüber. Ich wende mich ab und beschließe genug gewartet zu haben. Ich kann ja schließlich nichts dafür, wenn sie nicht auftaucht, hätte man uns halt mehr Informationen geben müssen.
Ich möchte gerade den Park verlassen, als mich jemand von hinten als Arschloch beschimpft. Ich drehe mich, um herauszufinden, wem ich jetzt erstmal meine Meinung sagen werde. Vor mir steht jedoch nur der Typ von vorhin. „Sorry, das war mein Tourette.", erklärt er sich sofort. So grob weiß ich was Tourette ist und akzeptiere diese Ausrede. Ich möchte weiter gehen, als er sagt: „Hey jetzt warte doch mal! Der Fetti kann eh nicht wegrennen!" Genervt schaue ich ihn wieder an und frage ihn: „Was ist?" „Du sahst gerade eben so aus, als ob du auf jemanden warten würdest und da habe ich mich gefragt, ob wir nicht vielleicht aus dem selben Grund da waren? Dich will eh keiner!" „Ja wow, wir haben beide auf jemanden gewartet, weil wir damit auch die einzigen auf der Welt sind. Ich würde jetzt gerne heim gehen." „Nein! Sorry für die Frage! Ich dachte bloß, weil ich eben den Brief bekommen habe, um 12 Uhr am Park zu sein und du kurz danach auch dort ankamst, dass wir beide uns dort treffen sollten." Ich bin verwirrt, warum wir beide den selben Brief bekommen, wenn es ja wohl eindeutig ist, dass wir nicht zusammen gehören, alleine schon weil ich auf Frauen stehe. Es ist schon maximal blöd von der METHODE zwei Dates am selben Ort zu machen. „Ja sorry, da musst du wohl noch ein bisschen warten. Aber ich bin nicht dein Seelenverwandter. Ich bin nicht homosexuell." Mit diesem Satz überquere ich die Straße und mache mich auf den Heimweg.
„Tim, du bist schon wieder da? Das ging aber schnell. Wie war es denn?", werde ich zuhause von meiner Mutter in Empfang genommen. „Sie ist nicht gekommen.", erzähle ich nüchtern. „Ja wahrscheinlich hast du sie zu lange warten lassen!", wirft sie mir vor und ich zucke desinteressiert mit den Schultern, kann mir ja auch egal sein. Denk jetzt aber bitte daran, um eine neue Kennenlernmöglichkeit zu bitten!", erinnert sie mich bevor ich mich wieder in mein Zimmer verkrieche und meine eigene Sachen mache.
Ich habe auch eine Woche noch nichts der METHODE gemeldet, aber das kann ja auch meine Seelenverwandte machen. Und tatsächlich hat sie es auch gemacht, denn ein paar Tage später bekomme ich erneut einen Brief. Leider ist die erwartete Handynummer nicht enthalten, sondern nur wieder die gleichen Informationen. Ein Treffen morgen um 12 Uhr am Park. Super. Ich freue mich ja so darauf, dass es wieder nicht klappt. Es ist doch einfach nur Zeitverschwendung.
Tina zwingt mich jedoch dazu diesmal pünktlicher da zu sein. Sie freut sich wahrscheinlich mehr bald eine Schwiegertochter zu haben als ich. Unmotiviert mache ich mich zum zweiten Mal auf den Weg und komme tatsächlich nur eine Minute zu spät. Genau wie das letzte mal steht der komische Typ wieder da rum. Langsam begegnen wir uns etwas zu häufig für meinen Geschmack. Aber kann nicht mein Seelenverwandter sein, außerdem dachte ich ja, dass er eine Freundin hätte.
Als er mich entdeckt streckt mir sein Tourette erst einmal den Mittelfinger entgegen. Dann schaut er mich fragen an und macht sich dann auf den Weg zu mir rüber. „Siehst du, keiner will dich! Bist du auch immer noch auf der Suche?", fragt er mich freundlich und ich verwerfe meinen Plan, ihn zu ignorieren. „Jap, aber du ja anscheinend auch noch." Es tut mir irgendwie leid so unfreundlich zu sein, aber ich habe einfach gar keine Lust auf Smalltalk. „Ja sieht so aus." Er zuckt etwas herum. Als dann in einiger Entfernung laute Partymusik aufgedreht wird, fängt er wegen seinem Tourette plötzlich an sehr eigenartige Tanzbewegungen zu machen. Ich kann mir ein leichtes Grinsen nicht verkneifen. Als er dann noch den Baum hinter uns antanzt und irgendwas in Richtung, wie geil er ja sein, brüllt, muss ich anfangen laut los zu lachen. Einige Leute schauen uns seltsam an, aber als er wieder er selbst ist steigt er in mein Lachen ein und kümmern uns nicht mehr darum, was andere Leute denken könnten. „Du solltest häufiger lachen. Das steht dir.", meint er irgendwann und mir fällt erst jetzt auf, wie unbeschwert ich die letzten Minuten war. Sofort verdunkelt sich mein Gesicht wieder. „So gerade nicht. Kein Wunder, dass du niemanden triffst, man traut sich ja kaum dich anzusprechen, wenn du so schaust." Ich zucke mit den Schultern und will mich wieder auf den eigentlichen Grund, warum ich hier bin, konzentrieren. Er bleibt einfach neben mir stehen und hält ebenfalls Ausschau. Einige Zeit des Schweigens vergeht, aber niemand weiteres bleibt am Eingang stehen und hält Ausschau. „Ich glaube da kommt niemand mehr.", stellt er irgendwann resigniert fest und ich nicke zu stimmend. „Ich geh dann mal wieder heim. Bei unserem Glück sehen wir uns eh bestimmt bald wieder.", verabschiede ich mich. „Ich will dich aber nicht sehen!" Ich muss schmunzeln. „Warte mal kurz! Hält er mich auf. Jetzt wo unser Treffen anscheinend geplatzt sind, können wir doch noch ein bisschen Zeit mit einander verbringen?", schlägt er vor. „Nein danke, ich lerne keine neuen Leute kennen und erstrecht nicht auf der Straße.", lehne ich sein Angebot ab. „Dann wäre doch jetzt der beste Zeitpunkt damit anzufangen. Komme ich lade dich auf einen Kaffee ein. Als ob ich für dich Geld ausgebe! Bist du bescheuert!" „Ich trinke keinen Kaffee", erwidere ich trocken und muss innerlich über sein Tourette schmunzeln. „Von mir aus auch etwas anderes! Komm einfach mit, ich zeige dir mein Lieblingscafé!" Damit scheint die Entscheidung gefallen und er macht sich auf den Weg. Und tatsächlich gehe ich mit.
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1. Ich habe das Gefühl mich in Oneshots nicht mehr kurz halten zu können, sodass es immer mehrere Teile werden
2. Ich wollte eigentlich was anderes hochladen war aber mega unzufrieden
3. An diesem Oneshot arbeite ich schon über 3 Monate, weil ich... keine Ahnung... wurde halt nie fertig
4. Schreibt mir mal eure Meinung zu der Storyline, ist ja mal ein bisschen was anderes
5. Ideen wie es weitergehen könnte?
6. Die Idee kommt teilweise von einer Tian-FF die nach einem oder zwei Kapitel abgebrochen wurde und aus dem Buch Corpus Delicti. Sehr zu empfehlen, vor allem in der aktuellen Corona Situation
7. Ich glaube das war alles, was ich sagen wollte 😂
Liebe Grüße
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