Parookaville (Oneshot 2)
Scheiße, Scheiße, Scheiße! Warum? Warum muss mich mein Tourette immer und immer wieder in solche beschissene Situationen bringen?!? Schon in dem Moment, in dem mein Arm sich anfing zu bewegen, wusste ich was passieren würde und habe einfach nur noch gehofft, dass es sich nicht bewahrheiten würde. Laut ertönt über uns die Durchsage: „Dies ist ein Feueralarm. Bitte verlassen Sie umgehend das Gebäude." Ich verfalle in eine Art Schockzustand und halte mir einfach nur noch die Hände vors Gesicht. Am Rande bemerke ich, dass Tim auf uns zukommt und mich irgendwas fragt, aber so wirklich kommt es nicht bei mir an. In meinem Kopf schwirren sämtliche Horror-Szenarien herum und ich bringe einfach nur noch ein „Es, es tut mir so leid" hervor. So wirklich begreifen, was passiert ist, tue ich immer noch nicht. Irgendjemand schubst mich durch die Tür und automatisch laufe ich die Treppe herunter. Unfähig irgendwas wahrzunehmen, zu entscheiden ob ich lachen oder weinen soll, auch nur auf irgendwas zu reagieren. Irgendwelche wirren Stimmen rufen „Alles gut!" und versuchen mir gut zu zureden.
Draußen atme ich einmal tief durch, aber auch das bringt nicht wirklich was. Und dann strömen auch schon die ganzen Menschen aus dem Hotel und meine Schuldgefühle steigen ins unermessliche. Plötzlich spüre ich wie sich ein Arm um mich legt und jemand mich an sich zieht. Ich lehne meinen Kopf an die Person. Und tatsächlich, der gleichmäßige Atem der Person beruhigt mich und das Chaos in meinem Gehirn ordnet sich. Ich löse mich von der Person und stelle dabei fest, dass es Tim war. Ich danke ihm kurz und entdecke dann in der Dunkelheit helle Blaulichter, die auf das Gebäude zu fahren. „Da kommt die Feuerwehr!", rufe ich erschrocken und verfalle wieder mehr und mehr in die Schockstarre. Beruhigend streicht mir Tim über die Schulter und redet mir beruhigend zu. Es wirkt zwar, aber die Situation ist und bleibt unangenehm für mich.
Als die Feuerwehr angekommen ist, gehe ich sofort auf sie zu und versuche die Sachlage zu erklären. Meine Schock führt glücklicherweise auch dazu, dass Gisela jetzt ruhig ist und ich kann einigermaßen geordnet erzählen. Durch den Lärm der aufgeregten Menschen können sie mich jedoch nur so halb verstehen. Es wird beschlossen, dass wir uns in einem separaten Raum unterhalten und auf dem Weg drückt mir Tim eine Wasserflasche in die Hand, die ich dankend annehme.
In dem kleinen Konferenzraum versammeln sich das Einsatzkommando der Feuerwehr, die eingetroffenen Polizisten, die Hotelleitung, Verantwortliche vom Festival und ein paar YouTube-Kollegen, die bei dem Vorfall direkt dabei waren. Es werden nochmal die Ereignisse kurz zusammen gefasst und alles genauestens protokolliert. Zum Glück nimmt es die Feuerwehr und Polizei relativ gelassen und weiß sofort worum es bei meiner Erkrankung geht.
Schnell ist der Vorfall geklärt, jedoch geht dann das Gesprächsthema in Richtung Festival und die Polizei spricht ihre Bedenken bezüglich eines weiteren Festivalbesuchs aus. Ziemlich schnell sind sich alle einig, dass ich lieber nicht nochmal dorthin gehe, da ich durch meine Ticks eine Massenpanik auslösen könnte und wir beugen uns der Meinung um unnötigen Diskussionen aus dem Weg zu gehen.
Fast eineinhalb Stunden nach dem Vorfall löst sich die Gruppe auf und wir können endlich in unser Hotelzimmer gehen. Erschöpft setze ich mich auf die Bettkante und vergrabe mein Gesicht in meinen Händen. Wieder beginnt in meinem Kopf ein Durcheinander. Ich muss mich auf irgendwas konzentrieren bevor mich meine Gedankenkarrussel noch umbringt. Tim. Er hat mich doch schon vorher beruhigt und schafft es eigentlich in jeder Situation mich abzulenken. Eventuell könnte es auch daran liegen, dass ich schon länger nicht mehr nur einen besten Freund in ihm sehe. Jetzt gerade bin ich ihm aber einfach nur unendlich dankbar, dass er die komplette Zeit bei mir geblieben ist und ich nicht alleine war.
Tim, der gerade eben noch etwas in einer der Taschen verstaut hat, dreht sich zu mir um und setzt sich neben mich. „Und wieder etwas runtergekommen?", fragt er mich. „Ja, es geht wieder einigermaßen." Ich merke, dass in mir plötzlich wieder völlig andere Gefühle hoch komme. Gefühle die nur Tim bei mir auslösen kann. „Ich wollte dir noch danke sagen, dass du vorhin die ganze Zeit bei mir geblieben bist." „Ist doch selbstverständlich und außerdem konnte ich dich so noch vor weiteren Katastrophen wie einer Panikattacke abhalten." „Trotzdem danke, ohne dich wäre ich echt oft aufgeschmissen." „Und mein Leben wäre ohne dich wahrscheinlich nur halb so ereignisreich!", stellt Tim lachend fest und lehnt sich dabei wie so oft an meine Schulter. Aber statt nach ein paar Sekunden sich wieder auf zusetzten, bleibt er einfach in dieser Position. Ein wohliger Schauer fährt mir bei seiner Berührung über den Rücken und muss lächeln. In diesen Situationen wünsche ich mir immer, dass er meine Gefühle erwidern würde, dass wir ein Paar wären, aber es ist aussichtslos zu mal er ja nicht mal homosexuell ist.
„Ich habe das übrigens zufällig vorhin alles gefilmt.", sagt Tim in die Stille, „Aber du musst dir das mal anschauen, ob wir das auch veröffentlichen sollen, weil du echt überfordert und traurig gewirkt hast." „Es hat mich auch überfordert und ich fühle mich auch jetzt noch irgendwie schuldig, weil ich solche Umstände gemacht habe. Nicht nur, dass Unmengen an Rettungskräften da waren, sondern auch all die anderen Hotelbesucher, die ich aus ihren Betten geholt habe. Und das alles nur wegen einem dummen Tick von mir. Der auch noch so vorhersehbar war." Tim unterbricht mich in meinem Monolog, in den ich mich immer weiter reingesteigert habe. „Hey, mach dir mal nicht so viele Gedanken. Es ist eine Krankheit, du kannst da nichts für und das weißt du genauso gut wie ich und auch alle anderen hier. Es wurde alles aufgeklärt und es ist nichts schlimmes passiert." „Ja, trotzdem ist es einfach nur scheiße. Und dann noch, dass ich nicht mehr weiter auf das Festival gehen darf. Ich verstehe ja ihren Standpunkt, aber es is auch irgendwo übertrieben." „Es ist übertrieben und macht keinen Sinn. Nur weil du jetzt hier im Hotel einen Feueralarm ausgelöst hast, wo bei wohlgemerkt keine weiteren Probleme aufgetaucht sind, heißt das noch lange nicht, dass du auf dem Festivalgelände eine Massenpanik auslöst. Da ist die Musik so laut, selbst wenn du dort sowas wie Bombe oder Attentat rufst, hört das nicht mal irgendjemand. Ich weiß nicht was deren Problem ist. Die haben einfach nur Angst und kennen dabei die Krankheit kaum." Es bringt mich zum Grinsen, dass Tim sich so über die Behörden aufregt und irgendwie finde ich ihn dadurch noch süßer. „Du findest mich also süß?", fragt mich Tim plötzlich. Fuck, habe ich gerade wirklich laut gedacht? Das kann jetzt nicht mein Ernst sein. Wie viel unangenehmes kann man den Bitteschön an einem Abend erleben? Hoffentlich habe ich nicht schon häufiger meine Gedanken ausgesprochen und es nicht mitbekommen. Tim löst sich von mir und betrachtet mich von der Seite. Ich starre stur auf den Teppichboden des Zimmers und hoffe, dass er dadurch vergisst, was er eben gehört hat. „Ist irgendwas Jan?", hakt Tim weiter nach und ich habe das Gefühl jetzt die Wahrheit sagen zu müssen, da ich mich sonst in einem Netz aus Ausreden verfangen würde. Und eigentlich ist auch nicht dabei, wenn ich Tim sage, dass ich mehr für ihn empfinde, weil ich mich schon lange damit abgefunden habe, dass es aussichtslos ist und weil er mein bester Freund ist, dem ich wirklich alles anvertrauen kann. Ich überwinde meinen inneren Schweinehund und beginne zu sprechen: „Tim, ich muss dir was sagen. Es beschäftigt mich schon länger und irgendwie hat es sich nie ergeben, dass ich es dir sage." Gespannt schaut mich Tim an. Nervös knete ich meine Finger. „Also ich glaube, ich mag dich... mehr als ich sollte. Aber ich weiß, dass du nicht auf Männer stehst und ich will auch nicht das sich zwischen uns irgendwas ändert. Ich wollte es dir nur mal gesagt haben und irgendwann werde ich auch wieder darüber hinweg sein." Erwartungsvoll schaue ich Tim an. In seinem Gesicht blitzen verschiedene Emotionen auf, aber alle sind zu schnell wieder weg und ich schaffe es nicht sie zu erkennen. „Und was ist, wenn ich nicht will, dass du irgendwann darüber hinweg bist?", fragt Tim leise und schaut fast schon schüchtern auf den Boden. Ich erkenne ihn kaum wieder und verstehe auch seine Frage nicht so ganz. „Hä, warum solltest du das wollen?" „Naja, weil... weil ich dich auch mag...?" Jetzt blicke ich so gar nicht mehr durch. Er meint doch sicherlich freundschaftlich, oder? Schon zum zweiten Mal heute Abend bin ich komplett überfordert mit der Situation und würde einfach nur gerne im Erdboden verschwinden. „Und ich meine das nicht freundschaftlich, falls du das jetzt denkst. Ich habe mich vielleicht etwas missverständlich ausgedrückt, was ich meine ist, dass ich mich auch in dich verliebt habe.", klärt mich Tim auf und mich durchfährt bei seinen Worten ein unendliches Gefühl der Leichtigkeit. „Aber du bist doch heterosexuell?", muss ich mich nochmal vergewissern, dass ich ihn wirklich richtig verstanden habe. „Anscheinend nicht, aber ich weiß selber nicht so wirklich was ich bin. Wo ich mir sicher bin, ist allerdings, dass ich Gefühle für dich habe." Ich glaube, wenn ich es wirklich darauf anlegen würde, könnte ich jetzt fliegen, zumindest fühlt es sich so an. Ich bin einfach nur überglücklich, weil ich niemals in meinem Leben gedacht habe, dass Tim mal sowas zu mir sagt. Dass er genauso fühlt wie ich. Erleichtert falle ich ihm um den Hals und schmeiße ihn dabei um, sodass wir auf dem Bett liegen. Ich stütze mich etwas auf, damit ich in sein ebenfalls strahlendes Gesicht schauen kann. Und ganz langsam kommen unsere Gesichter uns immer näher, bis ich seinen warmen Atem an meinen Lippen spüre. Und schlussendlich überwinden wir auch diesen Abstand und küssen uns. Ich weiß nicht wie oft ich mir schon vorgestellt habe ihn zu küssen, aber es jetzt wirklich zu tun übertrifft sämtliche Träume.
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Irgendwie hat mich das heutige Video mega inspiriert einen Oneshot zu schreiben, was ich auch gleich umgesetzt habe..😁
Was ist eigentlich eure Meinung dazu, dass Jan im Prinzip von Festival geschmissen wurde? Berechtigte Bedenken oder Kurzschlussreaktion der Behörden?
Liebe Grüße
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