Fliegen lernen (Oneshot 5.3)
Am Abend beschlossen Jan und Tim dann noch einmal raus an die frische Luft zu gehen und sich irgendwo etwas zu essen zu holen. Für mehr war keiner der beiden in der Lage. Vor allem Jan spürte wie schlecht es Tim immer noch ging, einfach daran, wie er sich verhielt. Immer wenn Tim emotional angeschlagen war, suchte er den Körperkontakt und so liefen sie eben nicht wie zwei normale Menschen mit einem normalen Abstand nebeneinander her, sondern so, dass sich ihre Arme fast durchgängig berührten und sie nur vergessen hätten ihre Hände auch noch miteinander zu verschränken.
Jans Herz warnte ihn zwar davor, aber er genoss diese Nähe zu Tim, auch wenn er sich gleichzeitig egoistisch fühlte, weil er Tims Lage in gewisser Weise ausnutzte. Er beruhigte sich damit, dass es ja Tim war, der den Kontakt suchte und er es nur duldete.
Sie holten sich zwei Pizzen und setzten sich gemeinsam auf eine der Liegen am oberen Ende des Strandes. Bewusst setzte sich Tim wieder so nah an Jan, dass sie sich berührten. Er brauchte das jetzt einfach. Einerseits, weil er sich dadurch vergewisserte, dass sie noch existierten und andererseits war da dieses angenehme kribbeln, bei dem er nicht wusste ob es wirklich da war, oder er es sich nur einbildetet, weil da immer noch diese Stimme in seinem Kopf war.
Diese Stimme wollte auch umbedingt, dass er Jan auf diesen Satz anspricht, aber er wusste nicht so richtig wie. Stattdessen versuchte er einfach die Situation zu genießen. Den Strand, das Meer, die Sonne, die alles in ein schönes Abendrot tauchte, die Pizza, der bevorstehende Urlaub, Jan.
„Schon irgendwie romantisch hier...", brachte Tim völlig zusammenhangslos hervor und durchbrach damit die Stille. Jan wusste nicht, wie er darauf reagieren sollte. Viel zu sehr musste er sich zusammen reißen, um seine Hand nicht auf Tims zu legen, die so verlockend da lag. Er wollte zwar diese Nähe, die zwischen ihnen war, aber nicht aus diesen Gründen. „Ich geh mal noch runter zum Wasser", meinte er schnell und floh Richtung Ufer.
Bis zu den Knöcheln stand er im kalten Wasser, gepaart mit dem gleichmäßigen Rauschen der Wellen, merkte er wie sein Herzschlag, der seit Stunden nicht mehr normal war, sich wieder beruhigte. Wie sollte er bloß diese Woche au der Insel überstehen? Ihm war klar, dass der einzige Ausweg ein klärendes Gespräch mit Tim wäre, aber das ging nicht.
Gleichzeitig war Tim auf der Liege wieder komplett der Stimme in seinem Kopf ausgeliefert, der Stimme, die ihm weiß machen wollte, dass er in Jan verliebt wäre, aber das konnte doch gar nicht sein, sie waren doch beste Freunde. Er versuchte die Stimme auszublenden und lieber auf sein Herz zu hören, so wie Mama es ihm immer erklärt hatte. Aber er musste feststellen, dass diese Stimme überall war. Egal ob er auf sein Kopf, Herz oder auch kleinen Zeh hörte, da war diese Stimme. Und mit jeder Minute mehr, die er ihr zuhören musste, wurde er mehr überredet Jan zumindest auf sein Geständnis anzusprechen.
Als Jan wieder zurück vom Wasser war, machten sie sich auf den Weg zurück zum Hotel. Die Sonne war mittlerweile untergegangen und zwischen den beiden herrschte ein seltsame Stille. Plötzlich blieb Tim stehen und begann zu sprechen: „Hast du das eigentlich ernst gemeint im Flugzeug?" Er traute sich nicht Jan anzuschauen und betrachtete stattdessen den Kieshaufen zwischen seinen Füßen, den er aus Nervosität zusammen gescharrt hatte. Jan wusste sofort, was er meinte und fragte dennoch, vielleicht auch aus Reflex: „Was?" Auch er schaute nur auf den Kies. „Ja, also... dass du mich liebst...", nuschelte Tim unverständlich hervor. Kurz schaute er auf und erkannte sofort, dass es Jan mindestens genauso unangenehm war wie ihm selbst. Da keine Antwort kam, begann Tim wieder weiter zu laufen.
Jan haderte mit sich selbst, eigentlich wäre es der beste Zeitpunkt, er müsste einfach nur ,Ja' sagen. Still schweigend liefen sie ein paar Meter weiter, als Jan sich doch noch überwinden konnte. „Ja, hab ich", bringt er schnell hervor und bereut es im gleichen Moment wieder, weil Tim ihn ungläubig anschaut. Das ist nicht eine der Reaktionen, mit denen er gerechnet hatte. Er hätte verstanden, wenn Tim wütend geworden wäre oder sonst was. Am liebsten hätte er es natürlich gehabt, wenn er dann auch seine Liebe gesteht, aber das war von vorne herein schon unwahrscheinlich. Aber dieser Blick sagte ihm gar nichts. Dann drehte Tim sich wieder nach vorne und lief weiter.
Jetzt war Tim komplett durcheinander. Er hatte das Gefühl nichts zu wissen und gleichzeitig so viel. Und da war Jan und er, irgendwo mittendrin. Stumm liefen sie weiter, bis plötzlich Tim stehen blieb. Jan wusste nicht wie er sich fühlen sollte, ob er einfach beleidigt weiterlaufen sollte, oder einfach so zu tun, als ob er Tim nicht gerade seine Liebe gestanden hatte. „Danke, Jan", sagte Tim und zog ihn in eine Umarmung. „Wofür?", fragte Jan verunsichert. „Einfach alles" Jan legte ebenfalls seine Arme um Tim. Dieser Abend verlief so anders als in all seinen Vorstellungen. Nach einigen Sekunden löste sich Tim wieder und sie machten sich auf den restlichen Heimweg.
Etwas später im Hotelzimmer saß Tim immer noch etwas aufgewühlt am Kopfende des Bettes und lehnte sich an die Wand. In seinem Kopf war so viel verschiedene gleichzeitig los, dass er so ziemlich sicher nicht einschlafen würde. Jan schaltete das Licht aus und legte sich auf seine Seite. Von draußen schien das dumpfe Licht einer Straßenlaterne in das Zimmer. „Was ist los Tim?", fragte Jan leise während er etwas hochrutschte um sich im Schleudersitz neben Tim zu setzen. Dieser lehnte sich erschöpft an ihm an und begann zu reden. Über alles, was ihm seit heute morgen widerfahren war. So offen wie noch nie sprach er über seine Ängste und seine Gefühle. Jan sagte gar nicht, sondern hörte einfach nur zu.
„Ja und jetzt sitzen wir hier auf diesem Bett und ich schütte dir mein Herz aus, dabei hast du... hast du auch noch Gefühle für mich..." Leise lachte Jan über die skurrile Situation, wurde aber sofort wieder ernst als Tim ihn fragte: „Was soll ich denn jetzt machen?" Kurz war es still, dann hörte Tim, wie Jan antwortete: „Hör einfach auf dein Herz. Was sagt es dir?" Langsam richtete Tim sich auf und betrachtete Jan von der Seite, welcher konzentriert mit den Fingern den unteren Saum seines T-Shirts entlang fuhr.
Tim wusste ganz genau, was sein Herz sagte. Schon seit einigen Minuten schrie es regelrecht danach. Die Frage war bloß, ob er es auch wirklich machen könnte. Vorsichtig drehte Tim sich vollständig zu Jan und meinte dann ehrlich: „Mein Herz sagt, dass ich dich küssen sollte." Nervös blickte er Jan an welcher in seiner Bewegung innegehalten hat. „Dann weißt du doch, was du machen solltest..." Immer noch blickte Jan nach unten. „Du hast mir schon zugehört, oder?", fragte Tim verunsichert nach. Plötzlich schaute Jan ihn an und er hatte, das Gefühl, Jan könnte bis auf den Grund seiner Seele blicken, so wie er es auch bei ihm auf einmal konnte.
„Ich hab dir zugehört. Und meinte, dass du es doch einfach tun sollst, was dir dein Herz sagt.", erklärte Jan, während er nach Tims Hand griff und diese mit seiner umschloss. Tim wusste nicht so richtig was er jetzt sagen oder machen sollte. Er konnte doch nicht einfach so seinen besten Freund küssen, auch wenn dieser einverstanden war und sie beide es wollten. Vorsichtig fragte er: „Können wir das vielleicht doch erst morgen machen? Mein Kopf ist noch zu überlastet von dem heutigen Tag..." Jan antwortete nichts, sondern zog ihn stattdessen in seine Arme und fest aneinander gekuschelt legten sie sich hin.
Kurz bevor Tim einschlief, hörte er Jan leise flüstern: „Ich liebe dich"
Ich glaube, ich liebe dich auch.
Dann schlief er endlich ein.
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Alle die einen Kuss erwartet hatten, ich hatte es auch, aber ich hab keine Version gefunden, wie es nicht richtig seltsam geworden wäre, deshalb habe ich es einfach gelassen.
Das war jetzt auch endgültig der letzte Teil dieses Oneshots, falls sich aber jemand berufen fühlt eine Fortsetzung zu schreiben, immer gerne! (Ich verlinke euch dann auch hier)
Auch noch danke an meeee321 für deine Idee, wie du siehst hat sie mich wirklich weitergebracht. 😂
Liebe Grüße
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