Der Mörder

Kailan zitierte mit schief gelegten Kopf etwas, was ich für einen Vers hielt.

,,Mit Freude habe ich ihre Stimme vernommen,
meine schöne Geliebte ist zu mir gekommen.
Sie hat Kohl um ihre Augen,
deren Blicke mir Schlaf und Atem rauben."

Verlegen blickte ich in meinen Becher, auf die glatte, dunkle Oberfläche des Weines.

Er fuhr fort. ,,Ach, wie schmerzt mein Herz bei ihrem Anblick, als müsste es vor Sehnsucht verblassen.
Noch nie habe ich dergleichen gefühlt, ich kann das lieben nicht lassen."

Er hatte seinen ersten Becher bereits geleert und langsam schien der Wein Wirkung zu zeigen. Ich hatte meist nur so getan, als würde ich an meinem Becher nippen. In Wirklichkeit hatte ich kaum einen Schluck getrunken. Ob ich es schon wagen konnte ihm eine Frage zu stellen?

,,Tialda, du trinkst ja kaum etwas." Kailan beugte sich zu mir. Der Wein hatte seine Zunge schwer werden lassen, die Worte klangen undeutlich. Seine Wangen waren schon leicht gerötet, sicher wären sie warm, wenn man die Hand an sie legte.

,,Der Wein ist mir zu bitter." Abwesend sah ich durch den Raum. Überallhin, nur nicht in Kailans Gesicht. Er lachte sein leises Lachen. ,,Glaub mir, Irgendwann lernst du diese Bitterkeit zu lieben."
,,Mag schon sein, doch jetzt liebe ich sie noch nicht." Ich nahm seinen leeren Becher, goß meinen Wein in ihn und schob ihn wieder über den Tisch.

Kailan sah mich mit leicht verengten Augen an, als wäre er fasziniert. ,,Was für ein Déjà vu, findest du nicht? Du sitzt mir gegenüber, mit geschminktem Gesicht, so wie jetzt. Es ist später Abend. Es wird Wein getrunken und du gibst mir den deinen anstatt ihn selber zu trinken." Ich lachte, unbehaglich unter seinem Blick. ,,Ich entsinne mich nur zu gut. Unsere erste Begegnung. Wie könnte ich sie vergessen."

Er hob den Becher an die Lippen und nahm einen Schluck. ,,Und noch mehr ist gleich. Du bist unbehaglich. Du wärest jetzt lieber woanders. Dein Lachen ist nicht echt. Dein Lächeln auch nicht. Wieder umklammerst du die Tischkante. Und..." Kailan stellte den Becher ab und ließ die Finger seiner Hand leicht auf die Tischplatte trommeln. ,,Damals waren wir einander fremd, jetzt sind wir es nicht mehr. Doch wieder betrachtest du mich, als wäre ich ein Fremder."

Unbehaglich lachte ich. ,,Was redest du da? Natürlich bist du kein Fremder. Komm, trinke deinen Wein aus." Eifrig goß ich ihm noch mehr Wein ein. Sobald er betrunken genug war, würde er aufhören solch kluge Sachen zu sagen.

Zwei Becher Wein später schien mir Kailan betrunken genug. Jedes Wort das er sprach war undeutlich und seine Bewegungen fahrig. Seine Augen waren leer. Es tat mir weh in so zu sehen, mein schlechtes Gewissen zwickte mich, doch ich schob es zur Seite. Jetzt galt es auf meinen Verstand zu hören, nicht auf mein Herz.

Vorsichtig hielt ich meinen Zeigefinger dicht vor seine Augen und bewegte ihn hin und her. Er hatte sehr große Schwierigkeiten der Bewegung zu folgen. ,,Kailan..." sagte ich.
,,Mmh?"
,,Hast du etwas mit dem Tod deiner Stiefmutter zu tun?"

Er murmelte etwas Unverständliches und ließ den Kopf auf die Brust sinken. Ich beugte mich über den Tisch und wiederholte die Frage. ,,Kailan?"

,,Ja habe ich."

Urplötzlich griff er nach meinem Arm und presste mich zurück auf meinen Sitzplatz. Ich war so überrascht, dass ich nicht einmal versuchte mich zu wehren. ,,Was...?" Stotterte ich. Er grinste ein Grinsen so scharf, wie ein Messer. Was war los? Er war doch betrunken?

Kailan schien meine Gedanken zu erraten. Er deutete auf den Weinkrug. ,,Wundert es dich nicht, dass der Krug noch so voll ist? Nachdem du mir schon etwa vier Becher Wein eingegossen hast?"

Mir wurde klar, er musste den Wein in seinem Becher jedes Mal aufs Neue zurückgegoßen haben. Wie hatte ich das nicht bemerken können? Mir wurde heiß und kalt zugleich. Sollte ich versuchen einfach aus der Tür zu rennen? Aber Kailan hielt mich fest.

,,Warum bist du hier, Tialda? Sicher nicht weil du mich so vermisst hast." Trotzig sah ich ihn an. ,,Ich bin hier weil ich die Wahrheit wissen will. Würdest du bitte meinen Arm loslassen?"
,,Ach, damit du aus der Tür rennen kannst? Ich habe gesehen wie du eben zu ihr geguckt hast."

Ich gab auf. Kailan fuhr fort mit sanfter Stimme zu mir zu sprechen, als ich keine Anstalten machte etwas zu sagen. ,,Du bist früher gekommen, als ich dachte. Hast du meine Worte schon so schnell deuten können, oder wurde dir etwas gesagt?"

Ich begann zu zittern. ,,Kailan, sag mir was du mit dem Tod von der anderen Rondra zu tuen hast." Er ließ meinen Arm los und lehnte sich zurück, verschränkte die Arme hinter dem Kopf. ,,Was ich mit ihrem Tod zu tuen habe? Das ist einfach, ich war es der sie ermordet hat."

Er sprach ohne eine Spur von Reue. Sein schönes Gesicht war so starr, das man es für eine Büste hätte halten können. Ich erkannte ihn nicht wieder. Wer war dieser junge Mann? Kailan legte den Kopf schief und fixierte mich mit seinen schwarzen Augen. ,,Hast du jetzt Angst vor mir?"

Hatte ich Angst? Es war beinahe Mitternacht, der Rest des Hauses schlief. Die Nacht verging und ich saß hier in diesem Raum, alleine mit einem Mörder. Einen Mörder, den ich geglaubt hatte zu kennen. Ein wenig Unwohl war mir schon zumute. Doch das war nichts gegen das Gefühl der Enttäuschung.

,,Nein. Ich habe keine Angst. Sag mir, Warum hast du das getan?"
,,Die Antwort darauf hast du schon. Ich habe es dir bereits gesagt."

Ich überlegte. ,,Ach, sicher. Die blauen Blumen mit ihrem Gift. Du hast dich verteidigt?" Aus meiner Stimme triefte der Spott. ,,Weil sie dich geschlagen hat, hast du sie getötet? Falls das überhaupt wahr ist. Wenn sie dir soviele Verletzungen zugefügt hat, wie kommt es dann, dass ich keine sehe und auch niemand sonst?"

Ich sah ihn an und bereute sofort was ich gesagt hatte. Der starre Ausdruck war von seinem Gesicht gefallen. Mir war als betrachtete ich eine Vase, durch die sich vor meinen Augen Sprünge und Risse zu ziehen begannen, bis man sah wie gebrochen sie wirklich war.

Mir wurde klar was ich getan hatte. Einst hatte Kailan seinem Vater anvertraut, was seine Stiefmutter ihm antat und ihm war nicht geglaubt worden. Nun, nach langer Zeit hatte er erneut den Mut aufgebracht es jemandem zu sagen. Mir. Und ich zweifelte nun ebenfalls an der Wahrheit seiner Aussagen. Hatte ihm unterstellt, es wären Lügen um einen Mord zu rechtfertigen.

Doch bevor ich etwas sagen konnte schob sich die Maske mit dem unbeteiligten Ausdruck wieder über sein Gesicht. ,,Glaub was du willst." Sagte er heiser und wandte mir den Rücken zu. Ehe ich begriff was er überhaupt tat, hatte er sein Obergewand abgelegt und ließ sich sein weißes Untergewand von den Schultern gleiten. Sein ganzer Rücken war übersäht von weißlichen Narben, die auf der goldbraunen Haut noch heller wirkten. ,,Die blauen Flecken und die Knochenbrüche sind verheilt, nur die Narben nicht. Sie war nicht dumm, sie wusste das es selbst meinem Vater irgendwann auffallen würde, wenn ich voller Wunden wäre. Deswegen stellte sie sicher, die langlebigen Verletzungen an meinem Oberkörper oder Rücken zu machen. Von den Kleidern stets verdeckt." Er drehte sich wieder zu mir und hob seine Hand auf die Höhe seines Gesichtes. ,,Was meinen Finger hier angeht, er ist zwar wieder zusammengewachsen, doch immer noch steif. Falls mein Vater fragt, so sollte ich ihm damals sagen, dass es eines der Pferde war, das ausgetreten hat. Doch er hat bis heute nicht gefragt."

,,Kailan, es tut mir so Leid." Flüsterte ich heiser. Ohne ein Wort zog er sich wieder an und schenkte mir ein knappes Lächeln. ,,Du willst sicher wissen was genau an jenem Tag vor etwa sieben Monaten passiert ist. Ich nickte und er begann ohne Umschweife zu erzählen. ,,Nun, es begann ein paar Tage zuvor. Ich war grade siebzehn geworden, mein Vater setzte mich auf der Arbeit oft dazu ein, mich unters Volk zu mischen. Kriminellen Gruppen beizutreten, Freundschaften mit Dieben zu suchen, um sie dann an meinen Vater auszuliefern, Schenken und Bordelle aufzusuchen, in denen gegen das Gesetz verstoßen wurde. Solche Aufgaben hatte ich."

Er machte eine Pause und nippte an dem Wein. ,,Für einen gewissen Dieb entwickelte ich tatsächlich so etwas wie freundschaftliche Gefühle. Und eines Tages fiel ihm auf, dass ich hinkte. Meine Stiefmutter hatte mir am Abend vorher mit einem Stock auf das Bein geschlagen, immer wieder. Er plagte mich mit Fragen und schließlich erzählte ich ihm davon, er meinte ich müsse mich doch wehren, schließlich wäre ich kein kleiner Junge mehr. Ich habe damals nur gelacht, aber der Gedanke hat sich in meinem Kopf eingepflanzt. Am darauffolgenden Abend erzählte ich Schotiji was er gesagt hatte und fragte sie ob sie eine Idee hätte wie ich mich wehren könnte. Du musst verstehen, jedesmal wenn ich versuchte mich zu wehren nützte es nichts. Wenn ich mehr Kraft angewendet und sie tatsächlich verletzt hätte, würde sie es meinem Vater erzählen und ich hätte mir einen Schlafplatz auf der Straße suchen können." Er lachte freudlos.

,,Das wusste Schotiji auch. Sie schlug etwas vor und zwar diese Frau zu töten. Damals dachte ich sie hätte nichts als mein Wohlergehen im Sinn, doch jetzt weiß ich, dass sie mich nur benutzt hat. Mir war immer klar wie sehr sie ihre Herrin hasste, aber niemals hätte ich mir träumen lassen, dass sie Gefühle für meinen Vater hegt. Dabei habe ich jahrelang ihre Kammer geteilt. Es scheint als beherrschest du mein Handwerk besser als ich." Er sah mich an und lächelte, sein Lächeln war so bitter wie der Wein, der auf dem Tisch stand.

,,Ich lachte das erste Mal nur. Sie hatte schon öfter darüber gewitzelt der Herrin ihr Essen zu vergiften oder dergleichen. Doch sie meinte es diesmal wirklich ernst und ehe ich mich versah hatte sie einen Plan ausgearbeitet, den sie mir präsentierte. So hatte meine Stiefmutter oft darüber geredet an einem nahen Feiertag ihre Mutter zu besuchen. Schotiji meinte es wäre am besten sie dann auf dem Rückweg zu entführen und Lösegeld zu fordern, um es aussehen zu lassen als wären es Straßenräuber. Außerdem würde sie sich von dem Geld freikaufen, plante aber trotzdem hier weiterzuarbeiten, nur eben als freie Bürgerin. Meinen Freund, den Dieb banden wir auch ein, er könnte zum Dank ebenfalls einen Teil des Lösegeldes kriegen, so dachten wir. Wer hätte auch ahnen können, dass mein Vater für seine Geliebte nicht zahlen würde? " Kailan seufzte und nahm noch einen Schluck Wein. Die Bitterkeit ließ ihn den Mund verziehen.

,,Nun, ich hätte es wohl ahnen sollen. Mein Vater ist stolz und er bildet sich viel auf sein Handwerk ein. Sich von Halunken sagen zu lassen, dass er ihnen Geld zahlen soll? Niemals! Es sah ihm ähnlich stattdessen seine Frau suchen zu gehen, bereit ihre und seine Ehre bei den Halunken zu rächen. Ich hätte es wohl genauso gemacht..." Vor sich hin sinierend sah er in das Licht, das der auf dem Tisch stehende Kerzenleuchter verbreitete.

,,Wie dem auch sei. Ich lauschte den Gesprächen von meinem Vater und seiner Frau am Essenstisch, so fand ich heraus, dass sie vorhatte in der Sänfte zu reisen. Als wäre alles nur darauf bedacht zu helfen den Mord in die Tat umzusetzen, brach sich meine Stiefmutter auch noch das Bein. Erst später erfuhr ich, dass Ail sich einen Streich erlaubt hatte und das Pferd erschreckte, so dass es sie abwarf."

,,Wie hat er das getan?"

,,Ail legte einen Krug mit einer Schlange drin an den Rand der Koppel. Den Tag über war es heiß und die Schlange schlief zusammengerollt in dem kühlen Tongefäß. Als es abkühlte und die Frau schon fast fertig war mit reiten, kroch die Schlange hervor und das Pferd bekam panische Angst und warf seine Reiterin ab. Ein schöner, junger Fuchshengst war es. Sie orderte dem Herrn an mir zu befehlen ihn zum Schlachthof zu bringen und ein neues Pferd zu kaufen. Ich verkaufte das Pferd stattdessen dem Markt und brachte Nisem mit, das ist der eine Rappe. Die Münzen die ich für den Fuchs bekommen hatte, ich hatte ihn weit unter seinem Wert verkauft, ließ ich meinem Freund, dem Dieb, zukommen. Er benutzte es um einen Esel samt Karren für ein paar Tage zu mieten."

Ich nickte. Er erzählte weiter.

,,Dann kam der Tag. Der Feiertag. Mein Freund und ich warteten stundenlang mit dem gemieteten Eselkarren in der Straße, bis die Sänfte sie auf dem Rückweg durchquerte. Wir trugen beide Masken, als wir erst Ail und dann sie niederschlugen. Ail ließen wir in der Sänfte und banden Wiol an, während wir sie unter eine Decke in den Eselkarren verluden und uns auf dem Weg zu einer Hütte außerhalb der Stadtmauern machten."

,,Was war das für eine Hütte?"

,,Einer der Unterschlüpfe meines Freundes. Er bot sie mir für den Plan an. Und dort habe ich sie getötet." Er hatte ganz ruhig gesprochen, mir schauderte es.

,,Wir hatten sie gefesselt und geknebelt. Mein Freund sagte mir ich solle sie jetzt töten und mich dann auf den Weg zurück zu meinem Vater machen. Ihm hatte ich erzählt, ich würde den Tag über weiterarbeiten und versuchen in dem Netzwerk aus Halunken und Dieben noch einen weiteren schuldig zu bekennen. Er dachte sich nichts dabei, an dieser Art von Aufgaben hatte ich auch schon vorher bei Feiertagen weitergearbeitet. Schließlich sollte ja keiner vermuten, dass es für mich Arbeit wäre. Und dann jedenfalls kam der Moment..." Er blickte auf seine Hände.

,,Ich hatte es mir schon so oft vorgestellt, in den Nächten wenn ich durch die Schmerzen, die sie mir zugefügt hatte, nicht einschlafen konnte. Ich hatte mir vorgestellt wie es wäre mich zu rächen. Für all die Jahre angefüllt mit Leid und Schmerz. Und dann war es soweit. Sie war vor mir, vollkommen wehrlos und voller Angst. Und ich legte die Hände um ihren Hals und drückte zu. Ich sah wie sich ihre Augen weiteten. Diese hellen, honigfarbenen Augen, die mir so verhasst waren. Und dann starb sie. Aber ich fühlte nichts, als ich auf ihren toten Körper blickte. Nicht Reue, nicht Mitleid, nicht einmal Triumph."

Ich sah auf seinen Kopf, den er gesenkt hielt. Die schwarzen Haare fielen ihm über die Stirn und schimmerten im Kerzenschein. ,,Warum erzählst du mir das Alles, Kailan?"

Er sah langsam auf. In seinen Augen schimmerten Tränen. ,,Weil ich will, dass du es weißt. Warum sonst hätte ich auch das mit den Blumen gesagt? Ich wollte, dass du es weißt. Jede Einzelheit." Er seufzte leise und fuhr sich über die Augen. ,,Ich möchte nicht, dass es so wirkt als hätte Schotiji mich manipuliert es zu tuen, oder als wäre es die Schuld meines damaligen Freundes gewesen, der mir diesen giftigen Gedanken in den Kopf gesetzt hat. Ich war es. Ich habe sie getötet. Wenn du noch Irgendetwas wissen willst, dann frage."

Ich überlegte. Irgendwas an der Atmosphäre, oder an mir, sorgte dafür, dass ich ruhig und gelassen blieb. ,,Was geschah mit diesem Freund von dir?"

,,Er wurde vor zwei Monaten erwischt und von meinem Vater gerichtet. Man fand heraus, dass ihm die Hütte gehört hatte und er wohl deshalb an dem Mord beteiligt war. Auch wegen einigen anderen seiner Taten befand man ihn schuldig. Er ist immer noch im Kerker und hat immer noch mit keinem Wort erwähnt, dass ich der Mörder bin. Mein Vater glaubt auch nicht, dass er über die Identität des Mörders Bescheid weiß. Er denkt mein Freund ist nichts als ein Halunke, der bereit war jemandem für Geld einen seiner Unterschlüpfe anzubieten und keine Fragen über das zu stellen was jener dort tuen wird."

Ich suchte nach Worten für die Frage die mich beschäftigte. ,,Warum... Du warst es doch der mir von dem Mord erzählt hat... Warum würdest du? Und du hast sogar gesagt, wir würden gemeinsam den Mörder suchen, dabei warst du es doch die ganze Zeit?!"

,,Es ist ganz einfach, ich wusste nicht wie ich es vor dir verstecken sollte. Und ich hatte von Anfang an geplant es dir eines Tages zu sagen. Ich wusste nur nicht wie."

Mein Kopf schwirrte wegen all dieser neuen Gedanken. Kailan war ein Mörder. Aber die Frau, die er ermordet hatte, hatte ihm furchtbares angetan. Schotiji und ein ehemaliger Freund von Kailan hatten ebenfalls etwas mit dem Mord zu schaffen. Der Reitunfall der Frau war ein Streich gewesen, den Ail sich erlaubt hatte. Und Kailan war ein Mörder. Die Gewissheit darüber schockte mich nicht. Es machte mich weder wütend noch traurig. Ich verstand warum Kailan so gehandelt hatte, wie er es tat, aber einfach darüber hinwegsehen, dass seine Hände eine Frau erwürgt hatten, konnte ich auch nicht. Ich fühlte mich, als wäre ich innerhalb dieser Nacht um mindestens fünf Jahre gealtert und sah mit einer Art Wehmut auf das Mädchen vor ein paar Tagen zurück, was glücklich verliebt im Regen getanzt hatte.

Wie in Trance stand ich auf. ,,Tialda." Flehte Kailan und sah mich bittend an. ,,Ich weiß, dass du jetzt nachdenken musst, aber bitte..."

Er beendete den Satz nicht. Ich drehte mich zu ihm um und musterte sein Gesicht. Einen Moment lang war mir, als sähe ich den kleinen Jungen, der er gewesen sein musste. Der traurige kleine Junge mit dem rabenschwarzem Haar und ebensolch schwarzen Augen. Der niemals wirklich geliebt worden war. Der verloren gegangen war, in dem Netz aus Gewalt, das eine Person gespinnt hatte, die ihn eigentlich hätte lieben und beschützen sollen. Der schließlich gewachsen war und so verzweifelt wurde, dass er keinen anderen Ausweg gesehen hatte, als der, den ihm seine einzigen Vertrauenspersonen dargelegt hatten.

Ich trat über die Schwelle, fühlte den beheizten Boden unter meinen nackten Füßen. Kailan blieb am Tisch zurück, das Gesicht in den Händen vergraben.

,,Ich liebe dich." Flüsterte er. Und dann noch einmal. ,,Ich liebe dich."

Ich ließ die Tür hinter mir ins Schloss fallen. Die Dunkelheit der Halle umfing mich, ich hatte vorhin schon alle Lampen gelöscht. Eine Träne rann meine Wange hinunter, ich schmeckte das Salz auf der Zunge.

,,Ich dich auch."

Wisperte ich in die Dunkelheit.

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