Der Käufer

,,Wie viel sind diese Beiden hier?"

Ich schreckte auf, weil die Stimme so nah an meinem Ohr war.

Der grauhaarige Besitzer des Sklavenstandes eilte zu uns und rieb sich die Hände. Vor dem Pfahl von mir und Syltje stand ein etwa 40 Jähriger Mann und musterte uns von Kopf bin Fuß. Er trug die typischen Gewänder der Dunja, weite Kleidung aus buntem Tuch und kompliziert geschnürte Sandalen. Seine Haare waren schwarz und seine Haut hellbraun, deswegen schienen die blauen Augen noch durchdringender.

,,Aaah ja Wunderbar!" Sagte der Besitzer mit schleimender Stimme. ,,Sehr gute Wahl. Zwei hübsche Mädchen, jung und kräftig. Ich habe die Kaufverträge für beide hier, sie könnten sie sofort mitnehmen."

Der Interessent verzog abfällig das Gesicht. ,,Nun aber mal langsam. Erkenne ich das richtig? Ist die eine eine Nürdünaniier und gilt nur für mickrige 5 Jahre? Dann sollte das im Preis inbegriffen sein!"

,,Oh sicher sicher. Natürlich ist das ein Sonderpreis für die Blonde, nur 50 Münzen und dafür ist sie 5 Jahre euers. Die Andere kostet 130." Der Sklavenhändler hörte gar nicht mehr aufFa zu lächeln, ich bemerkte, dass er mehrere Goldzähne hatte.

,,Wie viele Zöpfe zählen die Beiden?" Fragte nun der mögliche Käufer mit starrem Gesicht.

Verwirrt sah ich zu Syltje, was sollte das heißen, wir trugen die Haare beide offen, wenn man von Syltjes einer Haarsträhne absah. Der Verkäufer schien jedoch zu wissen was gemeint war. ,,Die Blonde ist 15 Jahre alt, die Andere ein wenig älter, ich habe sie gefragt doch sie scheint unsere Sprache nicht zu verstehen. Ich schätze sie auf etwa 17 Jahre. Ein sehr schönes Alter, die regelrechte Blüte der Jugend."

Ich unterdrückte das Bedürfnis spöttisch mit der Zunge zu schnalzen, natürlich verstand ich Dunja. Ich hatte mich grade mit Syltje in eben dieser Sprache unterhalten. Nur hatte ich gestern keine Lust gehabt dem Mann mein Alter zu nennen. Wenn er auch nur ein wenig über die Leweinit wüsste, könnte er an meinem geschnitzten Amulett erkennen das ich erst 16 war. Bei meinem Volk war es üblich, dass Babys nach der Geburt eine solche Kette mit geschnitztem Anhänger umgehängt bekamen und sie bis zum Tod trugen. An den Mustern der Schnitzereien konnte man das Geburtsjahr und die Jahreszeit erkennen, bei mir war es Sommer.

Ich war froh das noch niemand versucht hatte mir mein Amulett abzunehmen, vermutlich hielten sie es nicht für besonders wertvoll, obwohl es allerbeste Handwerkskunst war. So einen Anhänger zu schnitzen dauerte teilweise Wochen.

Der Handschlag der beiden Männer holte mich aus meinen Gedanken, hatten sie den Verkauf etwa schon besiegelt? Plötzlich wurde ich angespannt.

Der neue Besitzer von mir und Syltje löste die Enden unserer Ketten vom Pfahl und verabschiedete sich mit einem Nicken vom Skavenhänder, der ehrfürchtig einen Beutel mit Münzen entgegengenommen hatte.

,,Auf Wiedersehen. Vielen Dank für das gute Geschäft, kommen sie wieder!" Rief er eifrig.

Der Mann, dem Syltje und ich jetzt gehörten, schnaubte nur verächtlich und zog uns über den Rand der Tribüne nach unten.

Nach einem etwa 10 minütigen Lauf über den Marktplatz und durch verschiedene Straßen, erreichten wir eine schmale Gasse in der ein steinernes Gebäude stand, vor dem er stehenblieb. Ich tauschte einen Blick mit Syltje, es schien so als wären wir da.

Die Gasse war schmal und längst nicht so prunkvoll wie andere in dieser Hauptstadt. Die Gebäude waren teils aus Holz, teils aus Stein und wirkten sehr schlicht bis schäbig. Sie reichten so weit nach oben, dass der Himmel noch weiter entfernt schien. Im Augenwinkel sah ich eine Ratte über den geflasterten Weg huschen. Wohnte der Mann hier?

Das Gebäude, von dessem Tür er jetzt das eiserne Schloß löste, wirkte auf mich wie eine Wirtsstube. In meinem Dorf hatten wir zwei davon gehabt, wo die Leute sich trafen um zu Essen, zu trinken und sich zu unterhalten. Die Atmosphäre war stets lebhaft und freundlich gewesen und das strahlte dieses Gebäude ganz und gar nicht aus. Lag es nur daran das offensichtlich geschlossen war?

Ich bemerkte wie Syltje sich enger an mich drückte, als wir dem Mann in das Innere des Hauses folgten. Da der erste Raum keine Fenster zu besitzen schien, war es stickig und düster. Ein paar Kerzen und Öllampen, viele davon mit bunten Tüchern behangen, sorgten für schummriges Licht. Ich zuckte leicht zusammen als die Tür hinter uns ins Schloss fiel.

,,Iness" rief der Mann und eine Frau wuselte herbei. Sie war um die fünfzig und ziemlich dick. Wie die Frauen die ich auf dem Marktplatz gesehen hatte trug sie ihr Haar in mehreren Zöpfen geflochten, ich zählte fünf. ,,Herr, da sind sie ja wieder. Haben sie etwas gutes gefunden?"

Obwohl sie den Mann mit ,,Herr" ansprach, wirkte sie keineswegs unterwürfig, nichts an der Stimmung zwischen ihnen erweckte den Eindruck von unterschiedlich Rängen. Es schien eher so als wären sie befreundet.

,,Oh ich sehe schon." Rief sie aus und wobbelte auf Syltje und mich zu. ,,Wirklich schöne Mädchen. Sind sie von Bitus?! Der hat teilweise doch recht gute Qualität."

Sie strich Syltje über die hellen Haare und ich sah wie diese sich Mühe gab nicht zurück zu zucken.

,,Die da ist allerdings eine Närdäniier. Also nur 5 Jahre." Schnaufte der Mann.

,,Ach wie Schade. Aber die Andere nicht? Wie viel hast du gezahlt?" Fragte sie, während sie von Syltje abließ und sich vor mich stellte.

Stillhalten... schärfte ich mir ein.

Die Frau, Iness, griff mir in die Haare und hob mein Kinn an, während sie mich von Kopf bis Fuß musterte. Ihre Handgriffe wirkten so geübt...

,,Das sind aber zwei Schönheiten, so hübsche Sklavinnen findet man selten. Was für tolle Augen! Und lange, weiche Haare, Wunderbar!" Rief sie glöckernd über meine Schulter zu dem Mann. Er nickte nur und ein ganz kurzes Lächeln huschte über seinen schmalen Mund.

,,Ein sehr guter Kauf! Ich geh die Beiden fertig machen." Sagte Iness, wuselte zu ihm rüber und nahm ihm die Kettenenden ab. ,,Keine Sorge, ihr Hübschen. Die werdet ihr bald los."

Ich saß neben Syltje an der Wand und betrachtete das Stück Himmel, im Rahmen des winzigen Fensters, hoch oben an der Wand. Iness hatte uns mit in einen Raum genommen, wo ihr eine andere Frau zur Hilfe geeilt war. Sie hatten uns gewaschen, unsere Haare gekämmt, uns Dunja Gewänder angezogen und uns geschminkt.

Danach hatten sie uns in die winzige Kammer geführt in der wir nun ganz alleine saßen. Die alten Kleider von Syltje und mir waren in dem anderen Raum geblieben, was uns beide traurig gestimmt hatte. Das weite Kleid aus Leinen, Kaninchenfell und Federn war eine der letzten Erinnerungen an mein Zuhause gewesen und Syltje ging es mit ihren Kleidern sicher genauso.

Was sie wohl damit machten? Ich war sehr froh das mir wenigstens mein Amulett geblieben war.

,,Was geht hier bloß vor?" Fragte ich Syltje ratlos.

Ich verstand nicht was das hier sollte. Wir hatten noch keine einzige Arbeit erledigen müssen. Warum hatte man uns umgezogen und gewaschen?

Syltje zuckte mit den Schultern. ,,Ich weiß es nicht. Aber es scheint als könnten wir fürs erste nichts tuen außer warten."

Ich wandte dem Blick wieder zum Fenster, wo sich der Himmel nun langsam orange färbte. Das Fenster war zu hoch oben und zu klein, als das man hätte hinausklettern können, ich hatte es vorhin versucht. Wir saßen hier sicher schon seit Stunden. Jetzt, wo ich stillsaß sickerte mir die Erschöpfung der letzten Tage in die Glieder.

Ich lehnte den Kopf gegen die kühle Steinwand und merkte langsam wie ich einen leichten Schlaf glitt.

,,Tialda."

Jemand rüttelte meine Schulter. Ich schlug die Augen auf, vor mir stand die Frau von eben, Iness. Neben mir kniete Syltje, die sich halb erhoben hatte und nun von meiner Schulter abließ.

Ich rappelte mich hoch und bemerkte die Steifheit meiner Gelenke. Iness sah ungeduldig zu uns, die Öllampe, die sie in der Hand hielt, war die einzige Lichtquelle im Raum. Es musste bereits Nacht sein.

,,Kommt jetzt!" Befahl sie uns und verließ mit schnellen Schritten den Raum. Syltje und ich folgten ihr. Wir gingen einen Gang entlang, an dem mehrere Türen waren, vereinzelt hingen Öllampen und Fackeln in Halterungen an der Wand. Der Gang endete in einer leichten Kurve und ich blieb überrascht stehen, als ich sah das er in dem Eingangsbereich mündete.

Erst jetzt fiel mir auf, wie groß der Raum eigentlich war, vorhin hatte ich ihn kaum wahrgenommen. Die Kerzen und Lampen schienen zahlreicher geworden zu sein, sie tauchten den Raum in Licht und sorgten für einen rauchigen Geruch.

Noch etwas war anders als vorhin, der Raum war voller Männer, die alleine oder in kleinen Gruppen an Tischen saßen. Der Mann der uns gekauft hatte, stand hinterm Tresen und füllte grade Krüge mit Wein. Ich sah auch Frauen, die in ihren bunten Gewändern vereinzelt an den Tischen saßen und mit den Männern redeten und tranken. Lärm und Musik drang zu uns in den Gang.

Iness drehte sich zu mir und Syltje um. Sie sprach langsam und deutlich. ,,Die Arbeit geht los. Ihr beide werdet jetzt in den Raum gehen und euch mit den Männern unterhalten. Wenn sie euch anfassen lasst ihr es zu. Nach einer Weile wird es sicher Interessenten für euch geben, das regeln dann ich oder der Herr. Wir führen euch in diesem Falle in einen der Räume und lassen euch dort alleine. Ihr werdet stillhalten und tun was man von euch verlangt. Ist das verstanden?"

Ohne auf eine Erwiderung unsererseits zu warten, lief sie los und betrat den Raum. Syltje und ich folgten ihr zögerlich.

Vor Angst schmerzten meine Eingeweide und ich drückte die Fingernägel in meine Handteller. Alles in mir sträubte sich dagegen diese Halle zu betreten und das zu tuen was Iness mir befohlen hatte.

In diesem Moment wurde mir klar das ich von hier fliehen musste. Und zwar so bald wie möglich. Dieses Schicksal war der blanke Horror. Jetzt war mir klar warum sie uns aufgehübscht und den Tag über in Ruhe gelassen hatten.

Wir waren nichts als ein Vergnügen für zahlende Männer.

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