Der Abend, der zur Nacht wurde
Höhö Ich weiß der Titel ist bisschen dumm. Gefällt euch die Geschichte bis jetzt?
Seine Stimme war ruhig gewesen, beinahe entspannt. Die drei Männer jubelten und klopften ihm auf die Schulter. Ich bekam Angst.
,,Iness!" Rief der Älteste und winkte sie zu uns an den Tisch. Es musste nicht sein erstes Mal hier sein wenn er Iness bei Namen kannte.
Sie eilte heran und grinste breit. ,,Derlonius. Wunderbar! Dieses Mädchen? Es ist ihr erster Abend hier, deshalb ist sie etwas teurer. Hast du einen Wunsch für den Raum?"
Er schüttelte den Kopf und nickte zu Kailan. ,,Ist nicht für mich, für ihn."
Iness sah zu dem Jungen und fing sofort an zu kichern. Schnell ordnete sie ihre Zöpfe. ,,Warum sollte ein so gutaussehender junger Mann unsere Dienste in Anspruch nehmen müssen?! Aber gut, gut. Wir haben wohl Glück."
Die Art wie sie auf Kailan schielte wiederte mich an. Er konnte nicht viel älter als 17 oder 18 sein. Andererseits war der Raum voll mit alten Männern und die älteste der Frauen an den ringsrum liegenden Tischen war villeicht ende zwanzig.
,,Kann ich dann wieder für die Frau vom letzten Mal zahlen? Diese Dunkelhaarige?" Fragte Derlonius.
,,Natürlich, aber Sie ist erst in einer Stunde wieder frei. Wenn du nicht so lange warten möchtest kannst du dich gerne nach jemand anderem umschauen.'' Antwortete sie in zuvorkommendem Tonfall.
,,Nun aber Eines nach dem Anderen. Der Preis für eine Nacht bei diesem Mädchen wäre 100 Münzen." Sie deutete mit der Hand auf mich ohne Kailan aus den Augen zu lassen. ,,Für die Dunkelhaarige wären es die üblichen 85 Münzen."
Irgendein winziger Teil von mir war noch nicht völlig taub, so dass sich schwaches Erstaunen in mir regte. Hundert Münzen für eine Nacht mit mir. 85 als der ,,übliche" Preis. Dass das sehr teuer war, war mir klar, auch wenn ich nicht viel über Geschäfte mit Geld wusste. Da wo ich herkam, war eher der Tauschhandel üblich. Trotzdem hatte der Mann von heute Morgen sehr viel weniger für Syltje bezahlt. Iness und wer immer sonst noch hier arbeitete, musste viel Geld an diesem Geschäft verdienen.
Während Derlonius sofort begann mit Iness über den Preis zu feilschen, legte Kailan schlicht einen ledernen Beutel auf den Tisch und zählte noch ein paar Geldstücke aus der Tasche seines Gewandes hinzu. Die Münzen mit denen die Dunja zahlten waren aus Blech und hauchdünn. Ich hatte mich früher öfter gefragt wie diese Münzen in Mode gekommen waren. Wer hatte denn angefangen zu denken das wertlose runde Blechstücke ein guter Gegenwert für Güter aller Art waren?
Früher... als ich mir noch solche Fragen stellen konnte, anstatt darüber nachzudenken wie ich fliehen konnte. Damals hatte ich ein friedliches Leben geführt, in dem Wissen das ich in Sicherheit war und geliebt wurde. Und jetzt...
Ängstlich sah ich zu wie Iness verzückt das Geld kassierte und Kailan und mir bedeutete aufzustehen. Mir war als sähe ich mich von außen, wie ich meinen Stuhl wieder an den Tisch schob und den Tisch umrundete. Die Männer gratulierten Kailan und machten anzügliche Bemerkungen. Ich wusste was sie meinten, konnte mir aber nicht genau vorstellen was auf mich zukommen würde. Meine Eltern hatten mich zwar aufgeklärt, aber waren nie ins Detail gegangen und ich hatte es nicht gewagt ihnen Fragen zu stellen. Mein Dorf war klein gewesen, es hatte nur wenige Jungen in meinem Alter gegeben und mit über der Hälfte von ihnen war ich verwandt. Obwohl ich im heiratsfähigen Alter war, hatte ich nie diese Art von Erfahrungen gesammelt.
Iness strich mir süßlich lächelnd eine Haarsträhne hinters Ohr und umgriff mit ihren dicken Fingern mein Handgelenk. Dann zog sie mich mit sich, Kailan folgte uns. Jetzt da er stand fiel mir auf, dass er Kleidung trug die in schlichten Farben gehalten war. Weiß und blassgrün, statt der bunten Pracht, die die Anderen hier trugen. Seine Sandalen waren ganz normal braun und mit Lederbändern bis zu den Waden geschnürt.
Iness blieb vor einem Raum in dem Gang, durch den wir zur Halle gekommen waren, stehen. Sie öffnete die Tür und geleitete uns hinein.
Endlich ließ sie mein Handgelenk los, aber mir war als fühlte ich ihren harten Griff immernoch. Er hatte mich an die Ketten erinnert, die mir heute Vormittag abgenommen worden waren. Und plötzlich wurde mir klar das ich immer noch diese Ketten trug, auch wenn man sie nicht sah. Aber das hieß nicht das ich kein Mensch mehr war oder keinen Stolz mehr besaß.
Ich fasste einen Entschluss. Das was von mir verlangt wurde wollte ich auf den Tod nicht tuen, deswegen würde ich es nicht zulassen. Was hatte ich zu verlieren wenn ich mich wehrte? Sie könnten mich schlagen, sicher. Aber was waren Schläge, Ich hatte doch bereits alles verloren.
Grade wollte ich nach Kailan den Raum betreten, als Iness wieder nach meinem Handgelenk griff und mich zurückhielt. ,,Du wirst doch keinen Ärger machen?" Flüsterte sie mir ins Ohr. Ich schüttelte den Kopf.
,,Gut." Sie ließ mich los und schob mich durch die Tür, die sie von außen zuschloß.
Ich atmete aus, jetzt musste ich schnell sein. Waffen hatte ich keine, Kailan war größer und kräftiger als ich, meine Kampferfahrung bestand einzig und allein aus Raufereien mit meinem Bruder. Der Raum war klein, mit einem Fenster und einer gepolsterten Liege, an der Wand hing aus irgendeinem Grund eine Glocke. Villeicht könnte ich seinen Kopf gegen die Glocke stoßen damit er das Bewusstsein verlor?
Kailan stand mit dem Rücken zu mir. Ich setzte einen Fuß vor den Andern bis ich direkt hinter ihm stand und mit einem Arm seine Seite umschlang.
,,Nun denn. Lass uns anfangen." Flüsterte ich.
Dann sprang ich mit den Füßen vom Boden ab und legte ihm meinen anderen Arm von hinten um die Kehle. Eigentlich hatte ich geplant ihn dadurch umzustoßen, doch er verlor nicht einmal kurz das Gleichgewicht. Weil er größer war als ich musste ich auf den Zehenspitzen banancieren um ihn in diesem Würgegriff halten zu können, anders als bei meinem Bruder den vier Jahre von meinem Alter trennten, weshalb er stets kleiner gewesen war als ich.
Kailan gab einen spöttischen Laut von sich. ,,Das ist nicht ganz mein Geschmack fürs Vorspiel, eigentlich mag ich es lieber ein wenig sanfter. Aber wenn es dir so gut gefällt kann ich mich gerne darauf einlassen..."
Mir blieb die Luft weg und ihm hoffentlich auch, denn ich verstärkte den Griff um seinen Hals. Wie konnte er es wagen mich zu verspotten! Es machte mir Sorgen das er offensichtlich in der Lage war normal zu sprechen. Wenn er jetzt nach Hilfe schrie würde ihn sicher jemand hören. ,,Wage es nicht zu schreien." Sagte ich grob.
Er lachte nur. ,,Keine Sorge, ich wüsste nicht warum. Davon abgesehen würde wegen einem bloßen Schrei niemand kommen, siehst du die Glocke dort? In jedem Raum ist so eine. Nur wenn man diese läutet ist es ein Signal, was mehrere muskulöse Angestellte zu uns ruft."
Ärgerlich presste ich die Lippen aufeinander. Warum wusste er das? Vermutlich wurde es den Gästen erzählt, damit sie wussten wie sie Hilfe verlangen konnten. Ich war sicher nicht das erste Mädchen das sich wehrte.
,,Wenn du auch nur die Hand nach dieser Glocke ausstrecktst, breche ich sie dir." Knurrte ich.
Er seufzte. ,,Jetzt bin ich fast versucht es zu tuen, einfach um das zu erleben. Wie solltest du es denn fertig bringen mir einen Knochen zu brechen? Ich bitte dich, denkst du ernsthaft deine Umklammerung richtet irgendetwas aus?"
Sein Fuß schlug nach hinten und trat meinen weg. Ich verlor das Gleichgewicht und ehe ich mich versah lag ich auf dem Boden. Er kniete sich über mich und presste links und rechts meine Oberarme gegen den Boden. Ich versuchte mit den Beinen zu schlagen, wie ein Fisch auf dem Trockenen, aber ich konnte ihn nicht erreichen und das knöchellange Gewand erschwerte die Bewegungen.
Hatte ich mir nur eingebildet ihn abwehren zu können? War ich so schwach? Was würde jetzt passieren?
Ich hatte gedacht, dass es mir inzwischen gleichgültig geworden war was mit mir passierte, ob ich lebte oder starb, doch jetzt wurde mir klar, dass ich trotz allem was ich verloren hatte, noch zu sehr an meinem Leben hing.
Ich war noch nicht so taub geworden, wie ich gedacht hatte. Was auch immer jetzt passieren würde, ich würde es bei vollem Bewusstsein mitbekommen. Vor Angst begann ich zu zittern. Die Tränen stiegen mir in die Augen.
Er schien es zu bemerken, denn sein Griff um meine Arme ließ nach. Ich nutzte den Moment beinahe automatisch. Ballte meine rechte Hand zur Faust, hob mit aller Kraft meinen Arm und versuchte mitten in sein schönes Gesicht zu schlagen.
Ohne Anstrengung wich er aus und drückte meinen Arm wieder nach unten.
Er hatte die Zähne fest zusammengebissenen, seine dunklen Augen wurden schmal. ,,Ich habe nicht vor dich mir aufzudrängen! Der Ausdruck in deinem Gesicht würde jedem Mann den Appetit verderben, so hübsch es auch ist. Also hör auf mit dem Versuch mir Gewalt anzutun. Du kannst sowieso nichts ausrichten."
Er würde mir nichts tun? Langsam löste ich meine Faust.
,,Geht doch." Sein Griff wurde wieder erträglich. Er blickte auf mich herunter und hob die geschwungenen Brauen. ,,Also, Warum würde ein junges Mädchen wie du hier Arbeiten wollen? Haben sie dir nicht gesagt was dich erwartet?"
Ungläubig sah ich ihm in die Augen. ,,Ich bin hier gelandet weil mich der Mann, der vorhin hinter der Theke stand, auf dem Sklavenmarkt gekauft hat. Wirke ich so als würde ich aus freiem Wille hier sein? Hätte ich sonst versucht dich zu überwältigen?"
Ein Ausdruck der Überraschung huschte über sein Gesicht. ,,Du bist eine Sklavin?"
Ich nickte mit verzerrter Miene. ,,Aus dem Volk der Leweinit, nordwestlich von Dunja. Eure Soldaten haben mein Dorf überfallen, geplündert, gemordet und Sklaven genommen." Der Hass in meinem Tonfall schien so dickflüssig, dass er meine Lippen vergiftete.
Langsam ließ Kailan von mir ab. ,,Sind alle der Frauen hier Sklavinnen?"
,,Ich vermute es ist so. Eine auf jeden Fall. Die Blonde mit den hellen Augen. Wir wurden zusammen gekauft."
Gedankenverloren runzelte er die Stirn. Ich wurde neugierig. ,,Wurde etwa gesagt wir wären freie Bürgerinnen?"
,,Ja, wurde es. Und wenn die Wahrheit bekannt wäre, wären die Preise nur halb so Hoch und die Kunden nur halb so viele." Ich setzte mich auf. Als er sah das ich keine Anstalten machte ihn erneut zu schlagen, ließ er es zu.
Wie merkwürdig, dachte ich, dass die Männer bereit sind soviel für freie Bürgerinnen zu zahlen, aber nicht denselben Preis für Sklavinnen. Dabei waren es doch die gleichen Mädchen?!
Einen Moment lang sagte keiner von uns Beiden ein Wort. Erst jetzt drang die Erkenntnis das er mir nichts tuen würde vollends zu mir durch. Erleichterung durchflutete mich.
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