VI. Aufzug, 4. Szene

"Bist du aufgeregt?", fragte Quintessa. "Da fragst du noch?", antwortete Avli an Dorotheas Stelle, die vor Aufregung nicht sprechen konnte. "Ich hoffe einfach, dass alles klappt", brachte sie dann doch etwas hervor. "Wie sieht dieses 'klappen' für dich aus?", fragte Xenia fast ebenso aufgeregt nach. Schließlich hatte sie die gesamte Szene bereits geschrieben, es stand also theoretisch schon fest, was passieren würde.

"Emilias wird ja wohl oder übel mich wieder auserwählen", erklärte Dorothea und hörte sich dabei nicht besonders glücklich an, wie nicht nur Benno bemerkte. "Ach, ist ja auch egal. Solange alles so schnell wie möglich vorbei ist." "Magst du Emilias wohl nicht?", fragte Quintessa weiter nach. Dorothea ließ sich Zeit mit ihrer Antwort. Sie versuchte, unauffällig zu Lasse herüber zu schielen, doch der sah abwesend aus dem Fenster. Wenn er an der Antwort interessiert war, verbarg er es ziemlich gut.

"Eigentlich ja schon", meinte das Mädchen schließlich. "Aber bisher habe ich es ja immer nur geträumt. Da war es wie im Fernsehen. Es war nicht real." "Und jetzt ist es das", schlussfolgerte Quintessa und Dorothea nickte bestätigend. "Ich möchte ihn aber auch nicht verletzen. Immerhin wählt er mich ja nicht ohne Grund aus." Benno verstand, was Dorothea meinte und wusste, wie schwer es für sie war, die Sache jetzt durchzuziehen.

"Können wir dann los?", fragte Lasse und stand auf. "Worauf warten wir eigentlich noch? Besseres Wetter wird eh nicht." Dorothea warf ihm einen finsteren Blick zu, doch Lasse blickte nur ausdruckslos zurück. Avli verdrehte genervt die Augen. Mit dem Wetter hatte Lasse jedoch recht. Die Vorhersage war eingetroffen: noch einmal heiße Temperaturen, in den Abendstunden heftige Unwetter mit Gewittern und allem was dazu gehörte.

Es sollte jedoch das letzte vorerst sein, danach würden sich die Temperaturen deutlich abkühlen und eher zu dem Wetter passen, das man hier in Nordirland gewöhnt war. Benno hoffte, dass dieses letzte Unwetter bedeutete, dass heute endlich alles ein gutes Ende finden würde. Mit den Gewittern hatte es angefangen und da passte es doch nur, wenn es auch damit aufhörte. Somit traten sie aus dem angenehmen Schloss hinaus in die drückende Hitze, in der bereits deutlicher Gewittergeruch lag. Benno atmete tief durch und versuchte, die aufkommende Aufregung zu unterdrücken. Sie gingen ohne Umwege in Richtung der Villa.

Heute mussten sie keinen Umweg machen, sie waren offiziell Teil des Festes. Die Wachen musterten sie zwar wieder, gewährten ihnen aber dieses Mal widerstandslos Zutritt. Ein Diener forderte Dorothea zum Mitkommen auf, sie sollte für die Zeremonie eingekleidet werden. Dorothea rang sichtlich mit ihr, nicht doch wieder fortzulaufen und Quintessa sicherte ihr zu, dass sie bei ihr bleiben würde.

"Suchen wir uns schon einmal einen Platz im Saal?", fragte Benno. Lasse zuckte nur mit den Schultern, das ausdruckslose Gesicht schien erstarrt. "Das bleibt so", warnte ihn Benno, doch Lasse schien das egal zu sein. Der Junge warf Avli einen genervten Blick zu, als er den Drachen auf den Arm nahm. "Da ist wohl jemand eifersüchtig", wisperte er ihm zu. Lasse lief voraus in den Saal. Ein anderer Diener erkannte die Gäste, die nicht zu den Untertanen zählten und begrüßte sie persönlich im Namen der Herzkönigin. Er brachte sie zu ihrem Platz, einem kleinen Tisch in der Ecke. Für vier Personen war Platz, Quintessa und Sarah würden später noch dazu kommen. Sie saßen ziemlich abgeschieden in dieser Ecke, hatten aber alles im Blick. Benno sah sich im Saal. Xenia und Avli ließen sich auf den Tisch heben.

"Da hast du dir wirklich Mühe gegeben", lobte er die Dekoration des Saales. "Sag es nicht so laut", erwiderte Xenia unsicher. "Ich weiß nicht, ob alles klappt." "Dr. Huffington kann uns vorerst nicht dazwischen grätschen", überlegte Benno. "Der dürfte beschäftigt sein." Zur Sicherheit ließen sie den Blick über die Menschen schweifen. Der Saal füllte sich allmählich, doch Dr. Huffington war nicht dabei, auch von der Herzkönigin war nichts zu sehen. Soweit funktionierte bisher wirklich alles. Das war schon einmal eine gute Voraussetzung! Lasse betrachtete gedankenlos die Rosenblüten auf dem Tisch. Nach einer gefühlten Ewigkeit kam Quintessa wieder

. "Es geht bald los", verkündete sie, während sie sich neben Benno setzte. "Wer auch immer diese Kleider gemacht hat, er hat Geschmack", verkündete sie und grinste Xenia zu. Das Drachenmädchen grinste schüchtern zurück. Schließlich kam ein Diener zu ihnen und fragte, was sie zu speisen und zu trinken wünschten. Er zählte auf, was die Küche vorbereitet hatte und lobte den Koch in den höchsten Tönen.

Sie sagten schließlich, er solle bringen, was er für empfehlenswert hielt. Keiner von ihnen hatte wirklich Hunger, aus den verschiedensten Gründen und das Essen sollte heute nur Nebensache sein. Schließlich betrat ein Mann das Podest am Ende des Saals. Die Gäste bemerkten ihn und unterbrachen ihre Gespräche. "Werte Untertanen", sprach er. "Wir haben uns heute zu diesem Feste zusammengefunden, um die Hochzeit unseres Prinzen Emilias zu feiern. Er wird seine rechtmäßige Braut auswählen und noch in dieser Nacht wird das Paar zum König und zur Königin gekrönt."

Die Gäste applaudierten artig, Benno und Avli taten es ihnen gleich. "Des Weiteren freue ich mich unsere Gäste aus der fremden Welt begrüßen zu dürfen." Alle wussten, wer gemeint war, doch wenn man seine Gäste in der hintersten Ecke platzierte, war das ein Zeichen dafür, dass sie wirklich zur "fremden" Welt gehörten. "Sobald das Fest vorbei ist, hoffen wir, dass wir in unsere eigene Welt zurückkehren können, was wir unseren Gästen zu verdanken haben." Wieder applaudierten alle artig, einige blickten sogar neugierig zu ihnen. Benno wurde nervös. Wo blieb Sarah? "Und nun begrüßen wir unsere Königin!"

Die Untertanen erhoben sich von ihren Plätzen, auch Benno, Quintessa, Avli und Xenia standen auf. Lasse tat es mit einem genervten Seufzer schließlich gleich. Die Flügeltüren des Saals wurden geöffnet und die Herzkönigin schritt herein. Xenia hatte ihr ein rot-weißes Kleid zugeschrieben, passend zu der Karte des Spiels, nach der sie benannt war. Nicht alle applaudierten, als die Königin zum Podest schritt. Sie schien sehr aufgeregt zu sein, die geröteten Wangen konnte auch der Puder nicht überdecken. Auf dem Podest wirkte sie unsicher, als fühle sie sich sehr unwohl. Sie mochte es, dass sie warten musste, bis der Applaus verklungen war. Doch dann musste auch sie etwas sagen.

"Meine lieben Untertanen", begrüßte auch sie den Teil des Volkes, der an diesem Abend zum Fest gekommen war. "Zum zweiten Mal haben wir uns zu diesem Anlass eingefunden. Trotz der erschwerten Bedingungen und der ungewohnten Umgebung hoffe ich, dass wir alle ein schönes Fest feiern können und dass alles ohne Zwischenfälle abläuft." Ansätze von einem Lächeln breiteten sich in ihrem Gesicht aus. "Ich wünsche mir, dass alles gut wird", sagte sie schließlich und setzte sich auf ihren Thron, der hinten auf dem Podest stand. Nicht nur sie wünschte sich, dass alles gut wird, dachte Benno.

"Lassen wir nun die Zeremonie beginnen", verkündete der Mann. "Wer ist dieser Mann?", fragte er Xenia leise. "Der Hofkapellmeister. Er ist laut den Gesetzen für die Zeremonie verantwortlich. Er muss dafür sorgen, dass alles reibungslos abläuft. Er hat das Programm festgelegt", erklärte Xenia. "Das warst doch in diesem Fall eher du, oder?", korrigierte Quintessa sie. Der Hofkapellmeister kündigte ein Stück des Orchesters an, es war die Hymne des Königreiches. Man hatte es links und rechts des Podestes platziert und es hatte fast Ähnlichkeiten mit dem aus dem Rittersaal. Schließlich trat eine Sängerin aus den Reihen des Orchester hervor und begann zu singen. Die Gäste blieben stehen und sangen leise, aber andächtig mit.

Als der letzte Ton verklungen war, spendeten sie den bisher lautesten Applaus des Abends. Benno wurde bewusst, wie viele nicht mehr mit der Herzkönigin als Herrscherin einverstanden waren, wenn ein Orchester mehr Applaus bekam als die Königin selbst. Die Gäste nahmen Platz. Der Hofkapellmeister kündigte den Prinzen an, der schnellen Schrittes und ohne einen Blick nach rechts oder links zu werfen, zum Podest lief und sich auf einen kleinen Thron neben der seiner Mutter setzte. Plötzlich sah er in ihre Richtung und schien noch mehr in sich zusammen zu fallen. Benno hatte das Gefühl, er würde im Saum des Throns versinken wollen. Wobei er zugeben musste, dass es ihm genauso gegangen wäre, wenn Lasse ihn so finster angestarrt hätte. Schließlich wurde es ernst.

Der Hofkapellmeister wartete wieder, bis der Applaus verklungen war und verkündete, dass nun die zwölf Anwärterinnen einzeln hereinkommen würden. Alle drehten neugierig die Köpfe zur Tür und das Orchester setze zu einer feierlichen Polonaise an. Benno und Quintessa wechselten einen nervösen Blick und ehe ihm bewusst war, was er tat, nahm er Quintessas Hand und drückte sie. Um sie zu beruhigen, um sich selbst zu beruhigen oder als Zeichen, dass alles gut werden würde- er wusste es auch nicht. Quintessa schien es jedoch nicht zu stören, sie wartete genau wie alle anderen gespannt auf den Einmarsch der Anwärterinnen.

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