II. Aufzug, 1. Szene
Der Tag verging schnell. Viel zu schnell, für Bennos Begriffe. Sie hätten noch lange im Park verbringen könnten aber irgendwann wurde ihnen bewusst, dass man sie im Schloss vermissen würde. Um unangenehmen Nachfragen aus dem Weg zu gehen, verabschiedeten sie sich irgendwann gegen Abend von Sylvain und liefen zum Schloss zurück. "Warum gibt es sowas in unserer Welt nicht?", fragte Quintessa. "Damit wäre es bei uns wesentlich spannender."
"Dann musst du dich bei jemand anderem beschweren, nicht bei uns!", entgegnete Avli. "Vielleicht lässt sich ja bei dir auch etwas machen", schlug Xenia. Benno war sich nicht sicher, ob sich eine Achterbahn oder ein Riesenrad so gut in dem riesigen Ballsaal gemacht hätte. Am Anfang wollte Quintessa immer verzichten und vor den Fahrgeschäften auf die anderen warten. Benno zog sie schließlich mit und irgendwann krallte sich Quintessa auch nicht mehr so sehr an ihm fest. "Ich kann es immer noch nicht fassen, dass es funktioniert hat", freute sich Dorothea.
Nachdem sie den ganzen Morgen geschwiegen hatte, war sie wieder gesprächiger worden und schien, was auch immer sie beschäftigt haben mochte, überwunden oder zumindest für den Moment vergessen zu haben. "Dann ist das wirklich die Lösung all unserer Probleme!", stimmte Avli zu. "Darauf sollten wir im Schloss anstoßen." "Mit was denn?", fragte Lasse. "Mit Erdnüssen natürlich!", antwortete Avli. "Sehen wir den verpatzten ersten Versuch mal als Startschwierigkeit an", meinte Xenia. "Ansonsten könnten wir damit wirklich all den Buchfiguren helfen."
"Am besten stürzen wir uns gleich wieder in die Arbeit", schlug Quintessa vor. "Ich glaube nicht, dass wir uns an Ludmilla vorbeischleichen können", entgegnete Benno. "Wo wir doch den ganzen Tag unterwegs waren, wird sie erst einmal alle im Speisesaal versammeln." "Ich hätte nichts dagegen einzuwenden", meinte Quintessa. "Ludmilla kocht wirklich gut!"
"Lasst uns gefälligst was übrig", forderte Avli ein. "Wir können ja schließlich nie mitkommen." "Darum bemitleide ich dich nicht", stichelte Dorothea und der Drache streckte ihr nur die Zunge raus.
"Ich habe großartige Neuigkeiten", verkündete Matthias beim Abendessen. Ludmilla hatte, wie erwartet, alle zusammengetrommelt und das Essen serviert. Nun saß sie mit den anderen am Tisch. Louis versuchte die ganze Zeit, Dorothea auszufragen, was sie den ganzen Tag gemacht hätten, aber das Mädchen gab ihm keine Antworten, mit denen er sich zufrieden gab. Er blickte während des ganzen Abendessens zwischen Lasse und Dorothea hin und her, als würde er etwas ahnen.
"Die da wäre?", fragte Giorgio. "Die Renovierungsarbeiten gehen bald los. Also nicht nur bald, sondern morgen", verkündete Mattse freudestrahlend. Ludmilla fiel vor Schreck der Löffel aus der Hand. "Morgen?", fragte sie. "Morgen schon?" "Ja, ist das nicht toll?", fragte Matthias. "Ja", antwortete Ludmilla. "Nein." "Iche glaube, iche weiß, was Ludmilla meint", überlegte Giorgio. "Wenn abe morgen hier Handwerker rumlaufe, sie ganz viel hat zu koche." "Das hätte ich wirklich gerne vorher gewusst", meinte Ludmilla vorwurfsvoll. "Da muss ich ja morgen noch einmal Großeinkauf machen.
Es geht doch nicht, dass die armen Handwerker hier schwere Arbeit verrichten und nicht mal ein ordentliches Essen kriegen könnten." "Es hat sich erst kurzfristig ergeben", erklärte Mattse entschuldigend. "Trotzdem solltest du wissen, dass ich hier nur arbeite", stellte Ludmilla trotzig fest. "Womit fangen die Handwerker denn an?", wollte Louis wissen. "Oder ist die Nachricht, dass es ein Konzept für die Nutzung des Schlosses gibt, total an mir vorbei gegangen?" "Es wird mit dem Hauptflügel angefangen, der gerade bewohnt wird", erklärte Matthias. "Die Elektrik wird gemacht, neue Fußböden, eigentlich alles, was dazugehört."
"Klingt danach, als müssten wir unsere Zimmer bald räumen", stellte Dorothea fest. "Es kann sein, dass es in den nächsten Wochen etwas chaotisch hier wird, aber damit sollten wir fertigwerden", meinte Matthias. "Wenn du schon Chaos und wir werden damit fertig erwähnst", meinte Ludmilla trocken, "bin ich froh, doch noch nicht hier zu wohnen." Sie stand auf und begann, die Teller abzuräumen. "Sag, Matthias, wo haste du das Geld her?", fragte Giorgio. "Ich dachte bishere, dass das Geld nichte reicht."
"Der Verlag hat mir zugesichert, finanzielle Unterstützung zu leisten. Über den Betrag möchte ich nicht sprechen. Auch die Stadtverwaltung hat Mittel zugesichert, da eh geplant ist, das Villenviertel in den nächsten Jahren wieder herzurichten. Wenn wir den Anfang machen, sind sie gerne bereit, sich an dem Projekt zu beteiligen", erzählte Matthias. "Da kommt ja ganz schön was auf uns zu", fand Louis. "Ob das auch alles so klappt?"
"Ich habe mit dem Architekten gesprochen. Wenn wir von Grund auf neu sanieren und nicht nur die Risse verspachteln, sollte es keine weiteren Probleme geben", antwortete Matthias. "Der Architekt, der schon ein paarmal hier war?", fragte Benno. "Genau der", lautete die Antwort. "Es ist alles abgesprochen. Und ich finde, irgendwo muss man mal anfangen. Wenn man immer nur redet, wird es auch nicht besser, im Gegenteil." "Da haste du Recht", stimmte Giorgio zu. "Wir werden sehen, wase sich alles ergibt."
"Wenn ihr wollt, können wir nachher noch einmal durch das Schloss gehen und ich erkläre euch, was alles verändert werden soll", schlug Matthias vor. Benno, Lasse, Dorothea und Quintessa überlegten kurz, dann stimmten sie zu. Wo sie jetzt die Lösung ihrer Probleme gefunden hatten, bestand kein Grund zur Eile mehr, fand Benno. Außerdem war es bestimmt spannend zu erfahren, was sich alles ändern sollte. "Dann helfen wir schnell Ludmilla noch etwas und dann können wir losgehen", bestimmte Dorothea. "So machen wir es", stimmte Matthias zu.
"Das kann ja Jahre dauern, bis das fertig ist", vermutete Lasse. "Ihr wollt ja wirklich keinen Stein auf dem anderen lassen." "Ein paar bestimmt", lachte Matthias. "Jetzt, wo sie schon so viele Jahre zusammen sind, möchte ich sie nicht auseinanderreißen." "Wenn das Gemäuer depressiv wird, weil es von seinen Liebsten getrennt wurde, kann das ja nichts werden", fand Dorothea. "Was willst du dann später mit dem restlichen Teil des Schlosses machen?", fragte Benno. "Ich dachte an ein Hotel", antwortete Matthias. "Das ist das naheliegend. Allerdings sollen die Zimmer bestimmte Themen bekommen, sie sollen nach Vorbild der Geschichten von meinem Vater gestaltet werden."
"Das würde sicherlich mehr Gäste anziehen als nur ein normales Hotel", überlegte Dorothea. "Immerhin war der Graph kein Unbekannter." "Ein Erlebnishotel sozusagen", schlussfolgerte Lasse. "Hört sich nicht schlecht an." "Den Rittersaal können wir dann vermieten", erklärte Matthias. "Für Hochzeiten, Bankette und Kongresse bietet er ausreichend Platz. Unter bestimmten Umständen sogar für kleinere Konzerte." "Wahnsinn", murmelte Dorothea. "Und ich kann dann sagen, dass ich hier wohne." "Bis dahin wird es noch ein paar Jahre dauern", bremste Matthias sie. "Allerdings haben wir die Sache jetzt angefangen und müssen sie nun durchziehen. Es soll möglichst keine Großbaustelle werden, die jahrelang nicht fertig wird."
"Können wir uns den Rittersaal mal angucken?", fragte Quintessa. "Ich kann mir irgendwie nicht vorstellen, dass da drin Konzerte stattfinden sollen." Benno war sich nicht sicher, ob Quintessa wirklich wusste, was ein Konzert war, schließlich kannte sie nur den Rittersaal in ihrer Welt. Ein Handy klingelte. "Ich muss mal eben telefonieren", stellte Matthias fest. "Guckt euch einfach alleine um. All genug seid ihr ja."
Er zog sein Handy hervor, nahm das Gespräch an und meldete sich. Mit den Worten "Nein, Sie stören nicht. So spät ist es doch noch gar nicht" ging er zurück zum Treppenhaus und war kurz darauf verschwunden. Die anderen liefen zum Rittersaal. "Beim letzten Mal waren wir auf einmal in deiner Welt", erinnerte sich Benno. "Seltsam, dass es so ruhig ist." Quintessa nickte. "Jedes Mal, wenn ich hierher komme, ist eigentlich Lärm", sagte sie. "Es ist beängstigend." "Wir sind ja da", meinte Lasse. "Obwohl ich wenig Wert darauf lege, Sybille wieder über den Weg zu laufen." Doch sie waren allein in dem Rittersaal. Die letzten Sonnenstrahlen fielen herein, die Bäume des Parks hielten das meiste Licht jedoch ab.
"Stellt euch mal vor, wenn hier hunderte Menschen einem Sänger zujubeln", überlegte Dorothea. "Große Bühne, LED-Screens, Scheinwerfer, Konfetti, Nebelmaschinen... So gesehen kann ich es eigentlich kaum erwarten, bis alles fertig ist." Das Mädchen wartete auf eine Reaktion der anderen, aber diese blieb aus. "Was ist los?", fragte sie und drehte sich zu den anderen rum.
Dann sah sie das, was die anderen schon entdeckt hatten. Eine der Holztafeln in der Wand war zur Seite geschoben, dahinter führte ein schmaler Gang nach unten. "Der Geheimgang", stellte Lasse fest.
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