VIERZEHN
VIERZEHN
Benno und Lasse konnten den Park ohne Probleme verlassen. Vorher mussten die beiden aber Sylvain noch versprechen, bald wieder zu kommen. Sie hatten Avli eingesammelt und sich wieder auf den Heimweg gemacht. Als sie sich wieder auf dem Weg befangen, nieselte es nur noch leicht, der Himmel war zwar immer noch grau, aber ein Gewitter schien nicht mehr in Sicht. „Was ist denn los mit euch beiden?", beschwerte sich Avli. „Ihr sagt ja gar nichts. Ist jemand gestorben?"
„Nein, das nicht", antwortete Benno. „Aber..." „Aber was?", fragte Avli ungeduldig nach. „Sylvain hat so viele verwirrende Sachen gesagt", antwortete Benno. „Das muss man erst mal verstehen." „Da gibt es nicht viel zu verstehen", vermutete Lasse. „Es ergibt einfach alles keinen Sinn. Ich bin mir sicher, er hat uns auch einen Großteil angelogen."
„Sicher?", zweifelte Benno. „Sylvain erschien mir nicht so, als würde er seine Besucher anlügen. Er wirkte er ziemlich melancholisch und niedergeschlagen." „Was man unter seinen Umständen auch verstehen kann", meinte Lasse.
„Wollt ihr mir nicht mal alles erzählen, was passiert ist?", fragte Avli wütend. „Ihr beiden Insider schließt mich kleinen Drachen ja komplett aus. Ich will auch wissen, was passiert ist!"Avlis Quengelei führte dazu, dass schließlich drei verwirrte Personen auf dem Weg in Richtung Schloss entlang liefen. Auch der Drachen konnte sich keinen Reim auf die Sache machen.
„Wir werden einfach noch mal hingehen, wenn wir Zeit haben", beschloss Benno. „Vielleicht werden wir dann mehr heraus finden!" Der Himmel über ihnen wurde dunkel, doch es lag wahrscheinlich eher daran, dass es Nacht wurde. „Wir sollten uns beeilen! Ludmilla fragt sich bestimmt schon, wo wir bleiben."
***
Sie rannte so schnell sie ihre Füße trugen. Die Tränen rannen ihr über das Gesicht, nahmen ihrem Gesicht die aufgemalte Schönheit. Es war ihr alles egal. Egal, wie sie aussah, egal, was die anderen von ihr dachten, egal, was aus ihr wurde. Alles was sie wusste, was ihr nicht egal war, dass sie nicht dort bleiben wollte.
Nicht bei ihnen. Nicht bei ihm. Wozu war der ganze Aufriss gut gewesen? Der heutige Tag hatte zu einem der schönsten Tage im ganzen Reich werden sollen! Und was war daraus geworden? Chaos, ein einziges Chaos. Man würde ihr sicherlich die Schuld daran geben. Sie war ja immer diejenige gewesen, die sich aufgezwungen hatte, obwohl sie nur versucht hatte, ihr bestes zu geben. Die Menschen hatten sie nie wirklich gemocht.
Die Freundlichkeit und Hilfsbereitschaft, die man ihr entgegen gebracht hatte, war doch bloß gespielt und falsch gewesen. Warum hatte sie das erst jetzt mitbekommen? Warum waren ihr die komischen Wesen nicht schon früher komisch erschienen? Sie hatte sie einfach so akzeptiert und alles so hingenommen, wie es gekommen war. Das war ihr jetzt zum Verhängnis geworden. Die Königin würde sie bestimmt köpfen lassen!
Um ihr zu entkommen, rannte sie einfach weiter. Die Schuhe hatte sie schon lange fortgeworfen und war barfuß weiter gelaufen. Es war schon später Abend, der Himmel ein einziges Farbenspiel im Sonnenuntergang.
Doch sie selbst konnte ihre Situation mit einer einzigen Farbe beschreiben: schwarz. War es Ironie, dass ihr Kleid dieselbe Farbe trug? Das bodenlange Stück mit dem meterlangen Schleier und die Schleppe waren schwarz wie die Nacht. Die Schleppe wehte im Wind hinter ihr her, selbst die aufgestickten Rosen waren schwarz.
Hätte sie nur nie diesen blöden Traum geträumt. Mit dem Korridor voller Türen, hinter denen sich die unterschiedlichsten Welten verbargen. Sie hatte natürlich die nehmen müssen, hinter der sich ein scheinbar heiles Schlaraffenland befand, was sich für sie als Hölle auf Erden entpuppte. Doch befand sich das wirklich auf Erden?
Warum träumte sie jede Nacht ihre Träume der letzten Nacht weiter? Als wären sie eine Serie im Fernsehen, die jeden Tag fortgesetzt wurde. War das menschliche Gehirn zu einer solchen Leistung fähig? Sie drehte sich um und verlangsamte ihre Schritte wie von selbst. Die Schleppe sank langsam zu Boden, jetzt, da kein Wind sie mehr aufblähte.
Warum verfolgte sie niemand? Hastig sah sie sich nach allen Seiten um. Sie hörte nur die Vögel zwitschern, aber keine schweren Schritte von Rittern, die mit ihren metallischen Rüstungen meilenweit zu hören waren. Aber es war alles ruhig. Das klamme Gefühl war verschwunden. Alles was sie jetzt fühlte, war ihre Erschöpfung. Ihr Atem ging schnell und flach und sie musste sich zwingen, sich zu beruhigen.
Sie war ihnen entkommen. Nur, wo sollte sie jetzt hin? Man würde sie sicherlich nicht ungestraft davonkommen lassen. Jetzt ließ man sie laufen, verfolgte sie nicht, weil man dachte, sie würde sich in Sicherheit wägen. Sich irgendwo verstecken, wo man sie dann überraschen konnte. Sie überlegte. Wenn sie sich verstecken wollte, dann musste sie ein Versteck finden, an der man sie niemals finden würde.
Doch so eines gab es nicht. Man würde sie überall aufspüren, nur wann war die Frage. Sie konnte sich für ein paar Stunden verstecken, aber auch für ein paar Tage. Doch etwas Langfristiges, wo sie dem Wahnsinn für immer entkam, gab es nicht. Plötzlich hörte sie Schritte und sah auf. Einige Meter vor ihr standen zwei Jungen, sie sie erstaunt anblickten.
Benno und Lasse dachten sich an dieser Stelle wohl noch nicht, was diese Begegnung für die nächsten Tage bedeuten sollte.
Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top