SIEBENUNDZWANZIG

SIEBENUNDZWANZIG

Das Wetter hielt. Vom Waldrand aus hatten die drei einen guten Blick auf den Park, doch viel mehr als die Gewitterfront sahen sie nicht. Es blieb alles ruhig. Benno wusste nicht, wie viel Zeit inzwischen vergangen war. Sowohl seine Uhr als auch sein Handy lagen noch im Schloss.

Auch mit Lasse und Dorothea hatte er nicht sehr viele Worte gewechselt. Wahrscheinlich versuchte jeder drei dreien sich seine eigenen Erklärungen zu machen. Der Junge wollte es immer noch nicht so richtig glauben. Wie konnte es möglich sein, dass das, was der Graf in einer Geschichte beschrieb, plötzlich in der realen Welt auftauchte?

Er war sich nicht sicher, ob man diese Welt als reale bezeichnen konnte. Wer weiß. vielleicht gab es ja wirklich andere Dimensionen und Parallelwelten und die seine war nur eine davon? Das waren dennoch nur bloße Vermutungen und keine konnte wirklich erklären, warum der Freizeitpark plötzlich aufgetaucht war. Oder der Ball. Oder was es mit Dorotheas Traumwelt auf sich hatte.

Die Geschichte, die sie gefunden hatten, trug nur dazu bei, dass es noch verwirrender wurde. Alles, was sie bisher versucht hatten herauszufinden, war letztendlich daraus hinaus gelaufen, dass sie noch mehr unerklärliche Dinge entdeckt hatten, die sich nicht so recht zu einem Ganzen zusammen fügen ließen. Es raschelte.

Die drei Jugendlichen sahen auf. Die Grashalme teilten sich und plötzlich stand Avli wieder vor ihnen. Der kleine dicke Drachen war ganz außer Atem. "Was hast du heraus gefunden?", fragte Dorothea. "Ich freue mich auch, dich wiederzusehen", erwiderte Avli, immer noch schwer keuchend. "Nun tu nicht so. So lange warst du nicht weg", protestierte das Mädchen ungeduldig. "Aber wo ich war. Ich habe mich in ganz schöne Gefahr begeben, um euch die Informationen zu beschaffen", erklärte der Drache. "Bist du jetzt neuerdings bei einem Geheimdienst? Du tust gerade so, als wäre es eine ganz große Sache", fragte Lasse.

"Vielleicht ist es das auch. Jetzt lasst ihn doch mal zu Wort kommen", mischte sich Benno ein. "Wenigstens einer, der noch Manieren hat. Da will man etwas erzählen und dann kommt man gar nicht dazu, weil sich alle anderen schon auf einen stürzen", beschwerte sich Avli. "Würdest du die Liebeswürdigkeit besitzen, uns von deinen Entdeckungen zu erzählen?", fragte Dorothea. Ihre Stimme verriet, dass sie angespannt war. Mit einem Seitenblick auf Lasse fügte sie hinzu: "Wir sind auch alle ruhig."

"Also...", begann Avli. "Ich bin erst einmal wieder zum Eingang gelaufen, aber da war wirklich keine Chance, in den Park hinein zu kommen. Da habe ich es auf der rechten Seite vom Eingang probiert und bin dort auf eine kleine Gittertür gestoßen. Sie war abgeschlossen, also musste ich drüber klettern. Als ich dann endlich auf der anderen Seite wieder auf den Boden geplumpst bin, was übrigens sehr weh getan hat, musste ich mich erst einmal orientieren. In der Ecke vom Freizeitpark waren wir nämlich beim ersten Mal gar nicht.

Irgendwann habe ich dann einen weiteren Mann in Schwarz gesehen und bin ihm gefolgt, unauffällig versteht sich. Er ging zu einem dieser kleinen Häuschen, die versteckt stehen, damit die Besucher es nicht sehen. Als er hinein ging, bin ich dann schnell hinterher gehuscht. Anscheinend war es eine Art Wohnung für die Mitarbeiter des Parks. Auf einmal saßen da in einem Zimmer ganz viele von diesen schwarz gekleideten Männern. Sie haben sich unterhalten, was sie mit ihren Geiseln machen."

"Sie haben Geiseln?", fragte Dorothea erschrocken. "Ja, Sylvain und die anderen Mitarbeiter", antwortete Avli und berichtete weiter. "Sie haben sich auch darüber unterhalten, was sie machen, wenn sie ihren Auftrag nicht erfüllen können, weil die Geiseln ihnen keine Auskunft geben. Ich habe aber nicht erfahren, was für eine Auskunft die Männer in Schwarz haben wollen. Von Sylvain und den anderen war nichts zu sehen.

Einer der Männer sagte dann, dass er sie schon zum Reden bringen wird. Was anderes bliebe ihnen wohl auch nicht übrig, hat ein anderer darauf erwidert. Da ist dieser Mann wieder nach draußen gegangen und ich folgte ihm zu einem anderen dieser Häuser. Leider war ich zu langsam, sodass ich warten musste, bis der Mann wieder hinaus kam. Da bin ich dann schnell hinein gehuscht. Sylvain und die anderen lagen gefesselt in einem Raum, aber sie waren unbewacht." "Wie waren sie gefesselt?", fragte Lasse. "Konntest du mit ihnen reden?"

"Die Männer in Schwarz hatten sie nur an den Beinen und an den Armen zusammen gebunden. Sie wurden nicht bewacht, aber sie waren auch so nicht fähig, sich zu bewegen." "Warum das denn?", wollte Dorothea wissen. Die Farbe wich ihr aus dem Gesicht. "Waren sie etwa ohnmächtig?" "Nein, das waren sie zum Glück nicht", konnte die der Drache beruhigen. "Sie waren aber so in Gedanken versunken, dass sie mich nicht mitbekommen haben. Nur Sylvain hat mich bemerkt. Er war froh mich zu sehen, was natürlich verständlich ist."

Als keiner der drei Jugendlichen Anstalten machte, zu lachen oder ihm zuzustimmen, fuhr er fort. "Er hat mir erzählt, dass die Männer in Schwarz kurz nachdem wir den Park verlassen hatten, kamen. Sie wollten sich zuerst nur freundlich nach etwas erkundigen, aber als sie nicht die gewünschten Informationen bekamen, haben sie wohl die Mitarbeiter bedroht und gefesselt. Sie mussten alle in dieses kleine Wohnhaus und dürfen es nicht verlassen. Jetzt sind sie schon seit Tagen gefesselt." "Das ist ja schrecklich! Was wollen diese Männer in Schwarz denn? Anscheinend ja Informationen, die ihnen die Parkmitarbeiter nicht geben können", meinte Lasse.

"Sylvain sagte zu mir, dass sie nach einer goldenen Ritterrüstung suchen, die unheimlich wertvoll sein soll", antwortete Avli. "Aber keiner der Mitarbeiter hat je von einer goldenen Ritterrüstung gehört. Keiner von ihnen weiß etwas davon, geschweige denn, warum die Männer in Schwarz sie ausgerechnet im Park vermuten. Allerdings haben diese auch gesagt, dass sie den Park kurz und klein hauen, um die Rüstung zu finden."

"Dass das die Mitarbeiter traurig macht, ist ja mehr als verständlich." Dorothea war immer noch blass. Benno und Lasse war ebenfalls etwas flau im Magen. "Was kann man denn da machen?", fragte Lasse. "Sylvain sagte, wir sollen uns keine Sorgen machen. Das kriegen sie schon alleine hin", erklärte Avli.

"Wir könnten eh nicht viel ausrichten, weil uns der Park genauso wenig vertraut ist", überlegte Benno. "Sylvains Fesseln waren ziemlich lasch, ich konnte sie lösen", erzählte der Drache stolz. "Allerdings kam in diesem Moment noch einmal ein Mann in Schwarz hinein, aber Sylvain hat sich nichts anmerken lassen. Dann waren wir wieder allein, anscheinend bewachen sie ihre Geiseln nicht rund um die Uhr, sondern sehen nur ab und zu nach dem rechten. Sylvain wollte dann, dass ich gehe. Wenn er frei ist, könnte er die Fesseln der anderen lösen und dann könnten sie sich schon selbst weiterhelfen."

Erleichtert seufzte Dorothea. "Ich bin mir sicher, dass sie das hinkriegen. Sie kennen den Park wie ihre Westentasche, jeder einzelne von ihnen. Wenn sie es geschickt anstellen, könnten sie den Männern in Schwarz eines auswischen", vermutete Benno. "Ich verwette Avli darauf, dass das klappt", meinte Lasse. Avli fauchte empört. "Da nehme ich so eine Gefahr auf mich, und dann soll ich als Wetteinsatz dienen!"

Dorothea beugte sich zu dem kleinen Drachen hinunter. "Das hast du ganz toll gemacht. Du warst ein richtig mutiger, kleiner Drache", sagte sie zu ihm. "Und das meine ich ehrlich." "Wenigstens einer, der die Taten von Sherlock Avli noch zu schätzen weiß", freute sich dieser. "Was sollen wir jetzt tun?", fragte Lasse in die Runde. "Wir können zwar sicher sein, dass die Parkbewohner sich selbst helfen können, aber das Problem mit den Männern in Schwarz ist deswegen trotzdem noch nicht aus der Welt."

"Da hast du leider Recht", stimmte ihm Dorothea zu. Sie sah noch einmal zum Park zurück. "Wir sollten wieder ins Schloss gehen. Ich bin mir sicher, dass wir dort noch mehr finden, was uns vielleicht weiterhilft." "Oder noch mehr Fragen aufwirft", vermutete Benno.

Ganz so sollte es dann nun doch nicht sein...

Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top