Las Vegas, Nevada, The Colosseum at Ceasars Palace, backstage

Der Zuschauerraum füllte sich langsam, dennoch waren immer noch einige Reihen frei. Doch sie wusste, dass die heutige Veranstaltung ausverkauft sein würde. Alle 4062 Plätze besetzt, bis in die letzte Reihe, bis auf den letzten Rang, bis unter das Dach. Vergleichsweise war es aber dennoch ein überschaubares Publikum. Letzte Woche, als sie in Los Angeles gastiert hatten, waren sie vor mehr als zehntausend Menschen aufgetreten, im berühmten Forum im Stadtteil Inglewood. Dieses Theater hier war genauso berühmt. Seit Jahren traten Weltstars wie Celine Dion oder Elton John regelmäßig auf. Nun hatten sie die Bühne geräumt, um für die Theaterproduktion Platz zu machen, an der sie beteiligt war. Sie spielte die Königin. Nicht nur ihre Rolle, auch die Schauspielerin selbst stach aus der Masse der anderen Darsteller heraus. Sie war eine der wenigen, die bereits eine sechs als vordere Ziffer der Altersangabe zählte. In wenigen Wochen würde diese Ziffer durch eine sieben ersetzt, aber sie dachte noch nicht daran, die Bühne aufzugeben. Ihr Vertrag verbot es ihr auch, immerhin hatte sie versprochen, bis zum Ende der Tournee die Rolle zu spielen. Nach dem Gastspiel in Las Vegas, das vier Auftritte umfasste, sollte es weitergehen nach San Francisco, Chicago, Kansas City, Atlanta, Toronto. Quer durch die Vereinigten Staaten und Kanada würde sie der letzte Teil der Tournee führen. Südamerika, Afrika, Asien und Ozeanien hatten sie bereits hinter sich. Auf allen Kontinenten hatte sie die Rolle der Königin gespielt, am Ende wären es 277 Mal. Sie zählte sowohl die Auftritte, die hinter ihr lagen, als auch die, die noch vor ihr lagen. In diesem Fall wären es noch 85, die Reise würde erst in neun Monaten ein Ende in Hartford, Connecticut, finden. Keinen einzigen Auftritt hatte sie ausfallen lassen müssen. Nur während die Tournee für mehrere Dutzend Konzerte in Europa gastierte, hielt sie eine Stimmbandentzündung in Melbourne fest. Insgeheim war sie froh, den Kontinent zu meiden. Keine Frage, sie sah die schönsten Städte der Welt und das ganze ohne die Kosten tragen zu müssen. Auch Städte wie Stockholm, Turin, Lyon oder Liverpool hätte sie sich gern angesehen, aber sie hatte sich in ihrer Wohnung in Victoria erholen müssen. Somit hatte sie auch nicht in Belfast auf der Bühne stehen können, wo sie drei Konzerte gespielt hatten. Insgesamt achtzehntausend Zuschauer in Belfasts größter Multifunktionshalle, der Odyssey Arena. Sie war sich sicher, dass ein bestimmter Mensch nicht unter den Achtzehntausend war. Er hätte sich garantiert kein Theaterstück angeguckt, schon gar keines, das man in großen Arenen vorführte. Eigentlich hätte es ihr egal sein müssen, aber dennoch machte sie sich ihre Gedanken darüber. Sie sagte sich, dass sie jetzt auf andere Gedanken kommen musste, sich auf die Show konzentrieren musste. Die Bühne stand bereits seit heute Vormittag, der Soundcheck war absolviert und sie trug bereits das erste Kostüm. Im Saal gingen die Lichter aus, das Publikum begann aufgeregt zu jubeln. Sie wusste, dass bei keiner Show etwas schief gehen durfte. Fehler passierten, aber man konnte sie weites gehend vermeiden. In Städten wie Las Vegas war das eine Notwendigkeit. Hier gab es so viele Theater, wie andere Metropolen der Welt nicht einmal zusammen aufweisen konnten. Jeden Abend waren sie mit Menschen gefüllt, die viel Geld gezahlt hatten, um eine der Shows zu sehen. Wenn etwas schief ging, würde man es am nächsten Tag garantiert in der Zeitung lesen können. Das war keine gute Werbung für die Produktion. Wenn auch so viele Auftritte geplant waren, in vielen Städten sogar mehrere, gab es doch für viele Shows noch Tickets zu kaufen und nicht selten blieben auch einige Plätze leer. Negative Schlagzeilen durften sie sich da nicht erlauben. Inzwischen waren die ersten Darsteller auf der Bühne und spielten. Ihr Auftritt begann erst beim fünften Lied, dennoch gab ihr ein Regisseur über den In-Ear Stecker die Anweisung, ihre Position einzunehmen. Bis jetzt hatte sie neben der Bühne gestanden, konnte aus dem Backstage-Bereich der Show zusehen. Die Bühne veränderte sich mehrmals im Laufe der Show. Für den Teil der Königin wurde ein Palast angedeutet, mit Hilfe von gewaltigen Kronleuchtern und einer großen Treppe. Ihr Auftritt begann damit, dass eine Plattform sie vom Bühnenboden aus auf den obersten Treppenabsatz hob. Sie blieb an diesem Teil der Bühne stehen. Die Lichter auf der Bühne wurden gedämmt, das Orchester, das hinter den Aufbauten der Bühne saß, spielte ein Interlude. Bühnenmitarbeiter bauten die schnell die Bühne um. Dann nahmen die Darsteller ihre Position ein, sie stelle sich auf die Plattform. In Sekundenschnelle hob sie sie auf die Bühne. Jetzt konnte die Show beginnen...