D R E I.S E C H S

"Wenn wir hier entlanglaufen, kommen wir schneller zum Parkhaus", erklärte Dorothea. Inzwischen trug auch Benno ein paar Tüten, die Coupons von Ludmilla waren aufgebraucht. "Da können wir ja froh sein, dass du so gnädig bist und uns diese Abkürzung jetzt zeigst, wo wir schwerbepackt sind", meinte Lasse ironisch. "Beschwert euch nicht. Einen Drachen in der Tasche zu transportieren ist auch keine leichte Angelegenheit", erwiderte Dorothea. Aus der Tasche protestierte es wütend.

"Mit einem hohen Marmor-Anteil und einem Herz aus Gold kann man ja auch nicht wenig wiegen", erklärte Avli. "Fehlen nur noch die Nerven aus Draht, aber die haben wohl eher wir", stimmte Benno zu. Die anderen lachten. "Zum Glück sieht hier keiner, dass wir mit einer sprechenden Handtasche reden", meinte Dorothea. In der Gasse waren, im Gegensatz zur Fußgängerzone, nur ein paar Passanten unterwegs.

Ein Radfahrer kam ihnen entgegen und Benno fiel ein Schild ins Auge. "Schaut euch das mal an", sagte er und zeigte es den anderen. "Psychologe Dr. Huffington", stellte Dorothea überrascht fest. "Ob das wirklich der ist, der auch die Herzkönigin und ihre Wachen im Gespräch hatte?" "Oder ob das wirklich der ist, der sein Nebeneinkommen als Architekt verdient?", fragte Lasse und warf Dorothea einen stichelnden Blick zu. "Komisch, auf dem Schild stehen gar keine Sprechzeiten", stellte Benno fest.

Das Schild war direkt neben einer Tür angebracht und irgendwas ließ den Jungen vermuten, dass hier etwas nicht stimmte. In der oberen Etage öffnete sich ein Fenster. Eine Frau streckte den Kopf nach draußen und sah die Jugendlichen an. "Kann ich euch helfen?", fragte sie freundlich. "Habt ihr euch verlaufen?" "Nein, alles gut", versicherte Dorothea. "Aber sagen Sie mal: ist das wirklich die Praxis von dem Dr. Huffington, der in den letzten Tagen so oft in der Zeitung war? Sie wissen schon, wegen den komisch verkleideten Menschen." Schlagartig wich die Freundlichkeit aus dem Gesicht der Frau.

"Ihr seid also auch bloß Gaffer?", fragte sie. "Nein, sind wir nicht, wir wollten nur mal fragen...", erwiderte Lasse. "Spart euch euer Gequatsche. Ich weiß doch, wie das läuft, wäre nicht das erste Mal, dass das vorkommt", erklärte die Frau giftig. "Journalisten schicken kleine, unschuldige Kinder zu uns, weil sie sich ja ach so sehr für die Arbeit des Doktors mit den Spinnern interessieren. Und ehe man sich versieht, steht es am nächsten Tag in der Zeitung."

"Trauen Sie uns sowas zu?", fragte Dorothea entrüstet. "Klar. Heutzutage kann man doch keinem mehr trauen", antwortete die Frau gereizt. "Der Doktor hätte sich diese Spinner nie ins Haus holen dürfen. Denn mit den Spinnern kamen die Presse-Fuzzis und die Gaffer." "Dann haben Sie unsere Frage auch so schon beantwortet", erklärte Lasse. "Vielen Dank!" An die anderen gewandt, sagte er leiser: "Lasst uns weitergehen." Oben knallte die Frau wütend das Fenster zu. "Was war das denn?", fragte Quintessa erschrocken. "Eine ziemlich genervte Helferin eines Psychologen", antwortete Benno.

"Normal war das doch nicht", fand Lasse. "Einen schlechten Tag kann jeder mal haben, aber wenn ich die Patienten eines Psychologen als Spinner bezeichne, dann läuft doch was falsch." Die anderen stimmten ihm zu. "Sollte man als Assistentin nicht etwas einfühlsamer sein?", fragte Dorothea. "Da braucht man sich nicht wundern, falls es den Patienten nicht besser geht." "Jetzt haben wir allerdings einen Grund mehr, der uns vermuten lässt, dass mit dem Psychologen etwas nicht in Ordnung ist", tönte es aus der Tasche. Avli streckte den Kopf heraus. "Puh, endlich frische Luft!"

"Was willst du uns damit sagen?", fragte Benno. "Wir haben die Ähnlichkeiten zwischen dem Architekten, dem Psychologen und dem Mann in der Welt dazwischen, eine versteckte Praxis mit einer äußerst charmanten Helferin", zählte Avli auf. "Wenn ihr mich fragt, dann ist da aber mehr als nur ein bisschen im Argen."

"Und wenn wir dich nicht fragen würden?", wollte Lasse wissen. "Dann würde ich das trotzdem behaupten", stelle Avli klar. "Und ihr würdet mir zustimmen müssen, weil ich nämlich recht habe." Damit verschwand der Drache wieder in der Tasche und die anderen mussten dem Drachen wirklich zustimmen. Mit dem Psychologen stimmte tatsächlich etwas nicht! So gingen sie schweigend zum Parkhaus zurück und fuhren ins Verlagshaus. Als sie das gläserne Foyer betraten, fühlten sie sich etwas fehl am Platz. Ein Mann, gekleidet in Smoking mit einem Namensschild auf Brusthöhe, empfing sie freundlich. "Wie kann ich euch weiterhelfen?", fragte er. Benno erklärte, warum sie dort waren. Adam tippte etwas in seinen Computer ein.

"Tatsächlich, hier steht's", bestätigte er. "Ihr müsst euch einen Moment gedulden, Mr. Sullivan ist gerade noch in einem Gespräch." Er deutete auf die Umschläge, die Dorothea inzwischen aus ihrer Tasche genommen hatte. Avli hatte sich bereit erklärt, zu warten und auf das Auto und auf die Einkäufe aufzupassen. "Darf ich die Umschläge mal sehen?", fragte er freundlich. Dorothea reichte sie ihm über den Tresen. "Ich möchte sie mir nur einmal ansehen", erklärte Adam. "Sicherheitskontrolle, ihr kennt es bestimmt. Reine Routine."

Die Jugendlichen wussten nicht, was sie erwidern sollten und nickten deswegen einfach. Adam öffnete die Briefumschläge und nahm die Manuskripte heraus. "Ah, der Graf, der Bücher schreibt", sagte er, als er den Namen des Autors sah. "Schade, dass er jetzt gestorben ist. Er hat immer so tolle Bücher geschrieben." "Sie kennen die Bücher?", fragte Benno. "Natürlich", antwortete Adam. "Wenn man hier arbeitet, muss man wissen, welche Autoren hier ihre Bücher verlegen lassen.

Außerdem hat meine Mutter mir früher immer daraus vorgelesen, bevor ich selbst lesen konnte. Am liebsten habe ich ja die Bücher über den Zauberer und die Agenten gelesen, die um die ganze Welt gereist sind, um irgendwelche Schätze zu finden." Die Jugendlichen grinsten, woraufhin Adam fragte: "Kennt ihr sie auch? Ich finde es schade, dass die Reihe nie beendet wurde. Wenn ich hier etwas mehr Einfluss hätte als nur am Empfang zu sitzen, würde ich dafür sorgen, dass die Bücher wieder aufgelegt und das letzte Buch veröffentlicht wird." "Das ist wirklich schade", stimmte Benno zu. "Wir haben sogar eines der Originalmanuskripte gefunden."

Adam sah sie überrascht an. "Wisst ihr denn auch, was im letzten Buch passieren wird?" Noch ehe jemand antworten konnte, klingelte das Telefon. Als Adam wieder auflegte, sagte er, dass sie jetzt zu Mr. Sullivan gehen können, er würde sie hinbringen. So gingen sie vom Foyer aus einen Flur entlang, fuhren mit dem Fahrstuhl nach oben und Adam führte sie schließlich zum Büro des Verlegers. "Eigentlich wollten wir die Manuskripte ja nur abgeben", meinte Benno zu Lasse, als Adam an die Tür klopfte. "Mr. Sullivan möchte sie persönlich annehmen", erklärte Adam, der die Frage gehört hatte. "Ihr könnt reingehen. Findet ihr den Weg alleine zurück?"

Dorothea nickte und dann betraten sie das Büro. Mr. Sullivan war einer der Hauptverleger. Er entschied mit, welche Bücher ins Programm aufgenommen wurden. Der ältere Mann freute sich sehr, dass es geklappt hatte, noch an Manuskripte des Grafen zu kommen. Er fragte auch, ob es möglich wäre, in Zukunft noch andere Bücher zu veröffentlichen. Benno erklärte ausweichend, dass sie die Manuskripte eigentlich nur überbringen sollten und sonst nichts damit zu tun hätten. Er versprach aber, dass sie es Matthias ausrichten würden. Dann machten sie sich auf den Rückweg, verabschiedeten sich von Adam, der ihnen fröhlich zuwinkte. Sie fuhren zurück zum Schloss.

"Tragt die Tüten erst mal ins Büro, das sortieren wir dann später", sagte Dorothea zu Benno und Lasse, die murrend taten, wie ihnen geheißen. "Gewöhn' dir das ja nicht an, dich wie eine Prinzessin behandeln zu lassen", sagte Lasse zu ihr. "Wieso? Im Schloss wohne ich doch schon", erwiderte Dorothea grinsend und da konnte Lasse ihr auch nicht länger böse sein. Benno öffnete die Tür zum Büro und ließ im nächsten Moment erschrocken die Tüten fallen. "Was ist denn hier passiert?", fragte er erschrocken und konnte seinen Augen nicht trauen. "Ich... ich weiß auch nicht", stotterte Xenia verlegen. Das Drachenmädchen war heute früh nicht aufgetaucht, weswegen sie nicht hatte mitfahren können. "Das... das war auf einmal alles da!"

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