Kapitel 3: Die perfekte Musik ist nur eine Illusion
Die ersten Töne, die Louis spielt, klingen noch unsicher und zögerlich. Er konzentriert sich zu sehr auf die Noten und auf die Tatsache, dass Liam und Zayn ihn beobachten. Jedoch kann man mit jedem Akkord, den Louis spielt, hören, wie er selbstbewusster wird. Wie jedes Mal, scheint ihm die Musik einen sicheren Hafen zu bieten. Irgendwann ist Louis so in seinem Spielen vertieft, dass es fast so scheint, als würde er seine Beobachter gar nicht mehr wahrnehmen.
Zayn hört dem Jüngeren fasziniert zu. Er spielt durch seinen Beruf als Komponist selbst Gitarre und hat bereits viele begnadete Gitarristen kennenlernen dürfen. Aber Louis spielen zu sehen, berührt ihn auf eine andere Art und Weise, als es bis jetzt je jemand vermocht hatte. Der Kleinere ist fest in seinem Element gefangen und die völlige Hingabe, die er dabei ausstrahlt, fasziniert den Schwarzhaarigen einfach. Als Louis die letzten Akkorde ausklingen lässt und langsam die Augen wieder öffnet, die er irgendwann geschlossen hat, um seine eigene Melodie weiterzuspielen, kann sich Zayn nicht zurückhalten. „Louis, das war wunderschön, ich finde es atemberaubend, wie du dir das selbst beigebracht hast."
„Danke Zayn." Der Jüngste weiß nicht so recht, wie er mit dem Lob umgehen soll, er weiß, wie viele Musiker Zayn durch seinen Beruf kennt und daher fällt es ihm irgendwie schwer ihm zu glauben. Eine kleine Stimme in seinem Kopf versucht ihn davon zu überzeugen, dass Zayn das Gesagte nicht ernst meint. Dennoch wird er etwas rot und es fällt ihm schwer, seinen Blick von seinen Fingern zu nehmen, die die Gitarre fest im Griff haben.
Schüchtern lenkt Louis seinen Blick zu seinem Bruder, er möchte wissen, was dieser dazu sagt, allerdings lächelt sein Bruder ihn nur an und nickt sanft, ganz nach dem Motto: Ich habe dir schon so oft gesagt, wie gut du spielst, glaubst du mir jetzt? Dieser Blick gibt ihm heute zum zweiten Mal die Kraft, seine Zweifel, die ihm versuchen einzureden, dass Zayns Lob nur höflichkeitshalber gefallen ist, beiseite zu schieben und den Komponisten vorsichtig anzuschauen. „Meinst du das ernst?" Die Worte kommen nur schwer aus dem Mund des Blauäugigen und sind so leise, dass Zayn Schwierigkeiten hat, diese zu verstehen.
„Ja Louis, du hast etwas Besonderes an dir, das vielen Musikern da draußen fehlt. Du spielst nicht einfach nur die Noten, sondern du fühlst, was du spielst. Du spielst die Musik deines Herzens. Das ist ein Talent, das nicht viele haben." Zayn lächelt leicht, er versucht so seinen Worten mehr Ausdruckskraft zu vermitteln und Louis davon zu überzeugen.
Leicht schüttelt Louis seinen Kopf, er kann noch nicht so ganz begreifen, was Zayn da zu ihm sagt. „Aber ich spiele doch gar nicht perfekt, ich treffe manchmal nicht die richtigen Töne, wie kann da etwas Besonderes an meinem Spiel sein?"
„Musik ist nicht perfekt. Gute Musik ist ein Ausdruck der Gefühlswelt, von demjenigen, von dem sie kommt. Die perfekte Musik ist nur eine Illusion, hinter der manche Menschen herjagen. Es gibt sie nicht. Aber es muss sie auch gar nicht geben. Du spielst mit deinem Herzen Louis, du gibst deinen ganzen Emotionen freien Lauf, wenn du jetzt versuchst perfekt zu spielen, dann verlierst du deine Ehrlichkeit dahinter." Zayn versucht ruhig zu bleiben, als er seine Meinung erklärt, er hofft, dass Louis versteht, was er gerade gesagt hat.
Zögerlich mischt sich jetzt auch Liam ein, der sich bis dato herausgehalten hat, er rutscht etwas näher zu seinem Bruder. „Du kannst Zayn glauben, er hat recht. Ich habe selber auch lange gedacht, dass meine Arbeit immer fehlerfrei und perfekt sein muss. Aber weißt du, was ich in meinem Beruf recht schnell gelernt habe?"
Verwirrt schüttelt Louis seinen Kopf, er weiß nicht so recht, was er gerade denken soll.
„Je mehr du dich darauf konzentrierst perfekt zu sein, desto mehr hast du Angst davor, eben nicht perfekt zu sein und dann blockierst du dich selber. Ich habe dich schon so oft spielen hören, du spielst nicht, um perfekt zu klingen, sondern weil du deine Geschichte, deine Gefühle ausdrücken möchtest. Es ist deine Art, etwas mitzuteilen. Und wenn du mal einen Ton nicht richtig triffst, dann ist das nicht wichtig, viel wichtiger ist, dass du deiner Leidenschaft folgst und das macht dein Spielen so besonders."
Louis versucht das Gehörte zu verstehen, schüchtern lächelt er erst seinen Bruder und dann Zayn an. „Ich glaube, ich verstehe, was ihr meint." Er möchte nicht weiter darauf eingehen, dass alles so zu hören und darüber nachzudenken, ist anstrengend für den Jüngeren. Vorsichtig legt er seine Finger wieder auf die Saiten und schließt seine Augen, während er einfach darauf los klimpert. Er versucht den ganzen Tag zu verarbeiten. Er vergisst für den Moment, dass er nicht alleine im Wohnzimmer sitzt und bemerkt gar nicht, wie sich Zayn und Liam leise unterhalten, während sie ihn beim Spielen beobachten.
Eine ganze Weile sitzen sie so da, die Sonne steht mittlerweile schon hoch am Himmel und durchflutet das Wohnzimmer mit einer angenehmen Wärme. Das Klingeln von Liams Telefon reißt alle drei aus ihren eigenen Gedanken, es schneidet schrill durch den Raum. Louis hört augenblicklich auf zu spielen und Liam steht hastig auf, um sein Telefon vom Esszimmertisch aufzulesen. Entschuldigend blickt Liam die beiden an, bevor er den Anruf entgegennimmt.
„Hallo Niall, was gibt's?" Lachend schüttelt er den Kopf und fährt sich anschließend immer noch grinsend durch seine Haare. „Du kannst doch nicht einfach davon ausgehen das ich ja sage!" Wieder kann sich Liam das Schmunzeln nicht verkneifen. „Alles klar, Niall. Bis gleich." Er legt das Handy auf dem Tisch ab und läuft zur Couch, um sich wieder auf seinen Platz fallen zu lassen.
„Niall kommt gleich mit Buddy vorbei. Er möchte nächsten Monat einen Motto-Abend in seiner Bar veranstalten, er geht davon aus das ich ihm dabei helfen werde." Liam kann nur den Kopf über seinen Freund schütteln, den gebürtigen Iren hatte er kurz nach dessen Umzug nach London kennengelernt. Niall war schon immer sehr spontan, daher wundert ihn diese Aktion auch nicht wirklich, dennoch hatte er sich heute einen ruhigeren Tag erhofft, vor allem für seinen Bruder.
Auch Zayn muss schmunzeln, er hatte Niall durch Liam kennengelernt und verbrachte seitdem viele Abende gemeinsam mit diesem in der Bar. „Klingt nach einer typischen Niall-Aktion", bemerkt er grinsend, „hat er noch irgendwas Genaueres erwähnt?"
„Nein, er hat nur ganz euphorisch davon erzählt das er gerade unter der Dusche stand, als ihm die Idee gekommen ist. Ich bin mir ziemlich sicher, dass er sich noch nicht mal angezogen hatte, bevor er anrief. Ich bin gespannt, was er uns gleich erzählt."
Louis versucht sich noch etwas mehr in die Kissen zu drücken, nachdem er die Gitarre zwischen sich und Liam auf die Couch gelegt hat. Es lässt ihn etwas unwohl fühlen, dass Niall auch noch dazu kommt. Er mag den blonden Iren, aber meistens war er ihm immer etwas zu aufgedreht. Der Blonde war immer voller Energie, eine Energie, die ihm selber oft fehlt und seine oft unüberlegten Handlungen überforderten ihn.
Liam bemerkt die Unruhe seines Bruders und versucht ihn etwas zu beruhigen. „Mach dir nicht so vielen Gedanken, du kannst dich jederzeit aus der Situation herausnehmen, wenn es dir zu viel wird. Niall kennt und versteht das. Er versucht sich zurückzunehmen, wenn du dabei bist, aber es ist halt Niall. Er ist einfach so."
Die nächste halbe Stunde, während sie auf Niall warteten, verbringen die drei Freunde damit, zu überlegen, welches Motto sich Niall wohl ausgedacht haben mag. Wobei, eigentlich nur Liam und Zayn. Louis überlegt fieberhaft, ob er nicht doch einfach in sein Zimmer gehen soll. Er hat heute schon einen so großen Schritt nach vorne gemacht und hat etwas Bedenken, dass Niall heute einfach zu viel für ihn ist. „Ich weiß, aber ich möchte meinen Fortschritt heute nicht kaputt machen."
„Das wirst du nicht, es ist okay, wenn du Zeit brauchst, um alles zu verarbeiten."
Louis nickt die Worte seines Bruders nur schwach ab, die nächsten Minuten kommen ihm schier unendlich vor. Als es dann endlich an der Tür klingelt, kann er ein erleichtertes Seufzen nur gerade so noch unterdrücken.
Liam wirft noch einen fragenden Blick zu seinem Bruder, bevor er sich von der Couch erhebt und zum zweiten Mal an diesem Tag zur Tür läuft. Er schaut erneut auf das kleine, unscharfe Bild der Gegensprechanlage. Relativ schnell erkennt er seinen blonden Freund und dessen schwarzen Mischlingsrüden Buddy, nur die zweite Person, die neben ihm steht, ist ihm auf den ersten Blick, völlig unbekannt.
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