Kapitel 2: Neue Noten für Louis
Als Louis am nächsten Morgen langsam aufwacht, nimmt er die vertrauten Geräusche aus der Küche wahr. Das leise Klirren von Geschirr, das Blubbern des Wasserkochers und das dumpfe Rauschen, das der Kühlschrank immer von sich gibt, wenn er offensteht. Blinzelnd öffnet er die Augen, während das Morgenlicht ihn blendet. Der Blauäugige braucht einen Moment um wach zu werden und wieder im hier und jetzt anzukommen. Fest schlingt er die Decke um sich, als er immer mehr aus seiner eigenen Welt, in der er gestern gefangen war, ausbricht.
Langsam setzt er sich auf und blickt zu seinem großen Bruder, der an der offenen Küche vor dem Herd steht und die Pfanne etwas hin und her schwenkt. Der Geruch von Kaffee weht aus der Küche hinüber und legt sich in seine Nase. „Guten Morgen Liam" murmelt er und reibt sich mit der einen Hand über sein Gesicht, während er mit der anderen, die Decke weiter fest um sich schlingt.
Ein Lächeln legt sich auf Liams Gesicht, als er die ruhige leise Stimme seines Bruders hört. Er löst seinen Blick von der Pfanne in seiner Hand und blickt in Richtung Couch. Als er in die Augen seines Bruders blickt und darin nichts als Ruhe wahrnimmt, beschließt er für sich, dass heute ein guter Tag ist, auch wenn er damit vielleicht etwas voreilig war. „Guten Morgen Lou, ich habe uns Frühstück gemacht."
Während also Liam noch den Tisch deckt und die Küche wieder etwas aufräumt, verschwindet Louis kurz im Bad. Im Spiegel betrachtet er sich kurz und muss feststellen, dass er heute zufrieden aussieht, innerlich kommt ihm die Frage ob heute vielleicht ein schöner Tag werden könnte. Nur wenige Augenblicke später, setzt er sich in frischen Klamotten, an den bereits gedeckten Tisch. Ein Lächeln legt sich auf sein Gesicht als er sieht, dass Liam Frühlingszwiebel mit in die Rühreier gegeben hat, obwohl der Ältere diese eigentlich nicht so wirklich mochte.
Über Liams Gesicht huscht ebenfalls ein Lächeln als er die Reaktion seines Bruders bemerkt. Er hatte gehofft, mit dieser kleinen Geste, Louis noch etwas mehr aus seiner eigenen Welt heraus holen zu können. Still fangen die beiden an das Frühstück zu genießen, das Radio läuft dabei leise im Hintergrund. „Es ist schön dich nach gestern wieder lächeln zu sehen" rutscht es Liam über die Lippen und kurz bereut er es, nicht vorher über seine Worte nach gedacht zu haben. Er wollte nicht das sich sein Bruder mit dieser Aussage unwohl fühlte.
Doch Louis scheint sich daran nicht zu stören, das sanfte Lächeln bleibt auf seinen Lippen, als er nach der Teetasse greift und einen kleinen Schluck daraus nimmt, ehe er antwortet „Ich weiß nicht, ich fühle mich heute irgendwie gut. Es fühlt sich an, als hätte ich das Tief der letzten Tage überstanden. Es fühlt sich so normal an, mit dir hier zu sitzen."
Liams Lächeln wird etwas breiter, diese Worte von seinem Bruder zu hören, lassen sein Herz etwas leichter werden. Es ist eine kleine Bestätigung, dass er gestern nicht falsch gehandelt hat. Das er die letzten Jahre doch irgendetwas richtig gemacht hat. „Das freut mich Lou, wirklich." Liam nimmt einen Schluck von seinem Kaffee und es legt sich erneut eine entspannte Stille über die beiden, während sie gemeinsam essen.
Die angenehme Ruhe wird durch das plötzliche Klingeln der Tür unterbrochen. Die beiden Brüder schauen beide auf und ihre Blicke treffen sich. Liams Blick zeigt die Überraschung, die er empfindet, da die beiden niemanden erwarten. In Louis Augen spiegelt sich die Unsicherheit wider, die ihn bei unerwarteten Situationen so oft heimsucht.
„Wer könnte das sein? Hast du Niall oder Zayn eingeladen?" unterbricht Louis zaghafte Stimme, Liam dabei aufzustehen. „Ich weiß es nicht. Ich geh mal eben nachschauen", erwidert der Ältere als er sich von seinem Stuhl erhebt und versucht Louis einen beruhigenden Blick zu zuwerfen, da er die Anspannung des Jüngeren deutlich spüren kann.
Liam läuft zur Tür und wirft einen kurzen Blick auf die Gegensprechanlage. Etwas erleichtert atmet er aus, als er die schwarzhaarige Gestalt, unscharf auf dem kleinen Bildschirm erkennen kann, die ungeduldig vor dem Gartentor wartet. Er drückt auf den grünen Knopf der Anlage und mit einem leisen Surren beobachtet er, wie Zayn das Gartentor öffnet und mit großen Schritten zur Haustür läuft.
Als er die Haustür öffnet, steht Zayn bereits mit einem schiefen Lächeln vor ihm. „Morgen Liam, ich hoffe ich störe nicht?" Zayn Stimme klingt ruhig und gelassen, während sein Blick Liam tiefgründig beobachtet.
Liam schüttelt den Kopf und ein leichtes Lächeln der Freude, über diesen Spontanen Besuch, umspielt seine Lippen. „Nein, du störst nicht. Wir sind gerade am Frühstücken, du kannst dich gerne dazu setzen." Liam hat seinen Satz noch nicht ganz beendet, da schlüpft der Schwarzhaarige bereits an ihm vorbei in den Flur. Er hängt seine abgetragene schwarze Lederjacke an die Garderobe und schiebt sich die Sneakers von den Füßen, ehe er sockig in den offenen Wohnraum marschiert.
Zayns spontane Art, lässt Liam ihm nur schmunzelnd hinterher schauen. So ist Zayn nun mal, er tauchte gerne mal unerwartet auf, aber es passte zu dem tätowierten Mann, es machte ihn irgendwie angenehm.
Louis sitzt noch immer auf seinem Stuhl am Esstisch, seine Beine schützend an seinen Körper gezogen und die Arme fest um seine Kniee geschlungen und schaut nervös in die Richtung, in der der kleine Flur liegt, er konnte mit Überraschungen nicht besonders gut umgehen, als er allerdings Zayn erkennt, fällt ein Teil der Anspannung von ihm ab. Zayn kam sie öfters besuchen und Louis fand, dass er eine angenehme Gesellschaft sei. Sie teilten beide eine große Leidenschaft für die Musik.
Leise wird er von dem schwarzhaarigen begrüßt, der sich wie selbstverständlich auf eine der Stühle niederlässt, die braune Umhängetasche die er mitgebracht hat, lässt er neben sich auf den Boden gleiten. „Hey Louis" Louis Augen haben ihn nicht aus den Augen gelassen, während er sich durch den Raum bewegt hat und als er den Gruß erwidert bemerkt auch Zayn, dass sich Louis irgendwie entspannter anhört als sonst. „Ich habe etwas für dich," sagt Zayn, während er sich bereits runter zu seiner Tasche gebeugt hat und in dieser herumwühlt.
Liam beobachtet das geschehen von der Küchenzeile aus, er ist gerade dabei einen Kaffee für Zayn zu machen und wartete nun darauf, dass dieser vollständig durch den Vollautomaten läuft. Er konnte sehen, wie sein Bruder Zayn neugierig beobachtet, er meint sogar ein kleines Funkeln der Freude in seinen Augen erkennen zu können.
Mit der nun vollen Tasse läuft er zum Tisch und lässt sich auf seinen Stuhl nieder, nachdem er die gelbe Tasse vor Zayn abgestellt hat. Dieser bedankt sich flüchtig und zieht anschließend mit einem großen Grinsen im Gesicht, ein dünnes Heft aus seiner Tasche hervor, welches er an Louis weitergibt.
Skeptisch nimmt der Jüngste das bereits leicht vergilbte und verblätterte Heft, entgegen. Die Titelseite war bereits so beschädigt, dass man nicht erkennen kann, worum es in dem kleinen Heft überhaupt geht. Vorsichtig legt er es vor sich auf dem Tisch ab, nachdem er seinen Teller beiseitegeschoben hat. Zaghaft schlägt er die erste Seite auf und seine Augen werden ganz groß, als er die mit Hand geschriebenen Noten erkennt. „Danke Zayn."
Louis war von dem kleinen Geschenk mehr als begeistert. Seine Finger fahren zaghaft über das Papier, während er die Noten liest. Als er durch das Heftchen blättert, stellt er fest, dass das ein oder andere Lied, durchaus eine Herausforderung für ihn werden könnte und er freute sich, diese Herausforderung vielleicht später noch anzugehen.
Zayn hingegen freut sich darüber, dass sein Geschenk so gut anzukommen scheint, innerlich hat er gehofft, so das Vertrauen, des kleinen Bruders seines besten Freundes, etwas mehr gewinnen zu können. Er trinkt noch einen Schuck seines Kaffees bevor er zu sprechen beginnt. „Ich war in Camden unterwegs, als ich das Notenheft gesehen habe, ich hatte gehofft, dass es dir vielleicht gefallen könnte."
„Ja, es ist toll, vielen Dank", etwas verlegen klingt seine Stimme, als er sich erneut bedankt.
Liam beobachtet diesen kostbaren Moment mit einem kleinen Lächeln und war in diesem Moment, so unsagbar von einem inneren Frieden erfüllt. Er wusste, wie sehr Louis die Musik liebte. Seit Louis seine Gitarre vor nicht ganz vier Jahren entdeckt hatte, hat er sich das Spielen zu großen Teilen selbst beigebracht. Die Musik hatte seinem Bruder in vielen Momenten geholfen. Oft beobachtet Liam ihn einfach nur beim Spielen, egal ob es nur, wie zu Beginn, ein zimperliches anschlagen der verschiedenen Töne war, oder aber ganze Melodien. Für Liam macht es immer den Anschein, als ob die Musik für Louis eine Form der Therapie sei, um mit seinen ganzen Ängsten und Emotionen umzugehen.
Liam bricht aus seinen eigenen Gedanken aus und sein Blick landet wieder auf den vor Freude glänzenden Augen seines Bruders. „Soll ich deine Gitarre holen? Wir könnten uns alle auf die Couch setzten und du spielst uns etwas vor?" Er weiß nicht, ob die Frage vielleicht zu voreilig war und er seinen Bruder damit vielleicht zu viel Abverlangt. Die letzten 4 Jahre waren für Liam wie eine Gradwanderung, ob das was er gesagt oder gemacht hatte nicht doch vielleicht zu viel oder zu früh für Louis war. Immerhin hat er keinen Therapeutischen Hintergrund, lediglich seinen gesunden Menschenverstand. Er weiß das Louis viel Zeit braucht, um aus sich herauszukommen, manchmal gingen sie ein Schritt vorwärts, nur um dann am nächsten Tag wieder 10 Schritte zurück zu rennen. Liam war kurz davor seine Frage wieder zurück zu nehmen, als er sieht, dass Louis seine vor Unsicherheit und Zweifel triefenden Augen schließt und entschlossen schauend öffnet.
Louis nimmt noch einen tiefen Atemzug, bevor er nickt und seine Stimme versucht entschlossen wirken zu lassen, um so sich selbst den nötigen Mut zu geben. „Okay." Als er seinen Blick, zu seinem Bruder gleiten lässt, sieht er, wie dieser Überrascht die Augen aufreißt, zu strahlen beginnt und dann hastig von seinem Stuhl aufsteht. Dabei ist er so in Eile, dass der Stuhl quietschend über den Boden fährt und fast umkippt. Wieder etwas bedachter, verlässt der Älteste den Raum, in dem er die Treppe neben der Couch nach oben geht, um die Gitarre zu holen.
Selbst der Schwarzhaarige Gast, der zwei Brüder, welcher die Szene, die sich ihm gerade geboten hat, aufmerksam verfolgt hat, hat gemerkt, was für ein Schritt das für Louis sein muss. Zayn hatte den jüngeren noch nie Gitarre spielen sehen, hatte ihn aber schon das ein oder andre Mal hören dürfen. Dadurch wusste der schwarzhaarige Komponist durchaus, dass Louis das Instrument sehr gut beherrscht.
Wenig später sitzt Louis auf der Couch, hat sich dabei möglichst weit in die Ecke gedrückt und seine Beine in den Schneidersitz gebracht. Die Gitarre liegt auf seinem Schoß und vorsichtig blättert er in dem Notenheft herum. Liam sitzt mit etwas Abstand zu seinem Bruder ebenfalls auf der Couch, während Zayn sich in einen der Sessel platziert hat, um Louis etwas mehr Freiraum zu geben, beide beobachten den Jüngsten stumm.
Die Sonne, die dabei durch das Fenster scheint, umrahmt Louis, fast so, als würde sie ihn ins Rampenlicht stellen und als dann nach einigen Minuten die ersten Akkorde erklingen, scheint sich dies auch zu bestätigen.
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