chapter 58

Die gläserne Theke. Flackernde bunte Lichter. Und Drinks in allen Farben des Regenbogens. So gut wie alle Anwesenden trugen bunten, glitzernden Lidschatten. Funkelnde Kleider, durchsichtige metallisch schimmernde Oberteile, kurze glänzende Hosen oder Röcke.

Ein leichter Schweißfilm bedeckte meine Haut. Ich hatte vergessen, wie es sich anfühlte hier zu sein. Zu tanzen. Ich fühlte mich so frei, leicht berauscht und so unbeschwert, wie lange nicht mehr.

„Ale, deine Dämonin. Wow. Ich glaube, ich bin verliebt", brüllte ich ihr ins Ohr.
„Lass das Ramiel bloß nicht hören", lachte sie und stieß mit mir an.
„Ich glaube, ich habe noch nie was Schöneres gesehen." Ellie hatte sich zu uns gelehnt, den Arm um meine Taille gelegt, sah sie zu Ale hoch.

Und Ale, die eiskalte Kriegerin und mächtige Dämonin, die vor nichts zurückschreckte, wurde rot. Ich unterdrückte mein Grinsen, leerte mein Glas und zog mich unauffällig zurück. Ein warmes Prickeln strich flüchtig über meinen Arm, dann hatte ich einen neuen Cocktail in der Hand.

Ich entdeckte Sumi und Alex. Beide tanzten als würde es kein Morgen geben. Sobald sie mich entdeckt hatten, zogen sie mich zu sich. „Schau dir die Lichter an, Vio." Sumi seufzte verträumt. „Sowas habe ich noch nie gesehen." Ich folgte ihrem Blick. Die Decke aus Onyx funkelte und warf tausende bunte Lichtsplitter auf uns. Sie hatte etwas unbeschreiblich Magisches an sich. Die Musik war sinnlich, eindringlich. Der Bass wummerte in meinen Ohren, die Leute um mich herum und ich bewegten uns im selben Takt. Wir wurden zu einem Meer aus Körpern. Schwerelos und federleicht. Sorglos und frei.

„Lang nicht mehr gesehen." Ich drehte mich zu der vertrauten Stimme um.
„Layken? Hey." Er umarmte mich und ich lachte, als er mich hochhob und einmal drehte. Besonders viele Menschen waren hier nicht unterwegs, aber dennoch entdeckte ich immer mal wieder welche, sodass es mich nicht wunderte ihn hier zu sehen. Er wusste schon immer, wo die besten Partys stattfanden.

„Wie geht's dir?" Ich lehnte mich vor, um ihn besser zu verstehen. „Ich habe gestern erst wieder an dich gedacht. Morgen ist ein Gastauftritt von Emilie Roig. Ich habe gedacht, das könnte dich interessieren."

„Oh wow!" Ich dachte sofort an Ellie und wie gerne ich dort mit ihr hingehen würde. Wir beide hatten gerade erst ihr neues Buch gelesen. „Danke, dass du es mir gesagt hast. Ich mag ihre Bücher sehr gerne."
Layken grinste. Er trug ein kurzes, schwarzes Pailettenoberteil und wie ich blauen Lidschatten.

„Dann auf Emilie Roig." Er reichte mir grinsend einen neuen Drink. „Oder möchtest du lieber den hier?" Seiner war pink, während meiner in einem sanften grün schimmerte. Ich schüttelte den Kopf und stieß mit ihm an. Sumi und Alex machten Platz, damit Layken bei uns tanzen konnte. Mein Glas war leer und nur ein bittersüßer Nachgeschmack blieb zurück. Meine Arme wanderten unwillkürlich wieder über meinen Kopf. Meine Lider senkten sich flatternd und ich verlor mich erneut in der Musik, in dem Zusammensein mit meinen Besties, in diesem Moment in dieser Nacht.

„Hey." Ich öffnete die Augen. Meine Lider waren schwer und ein Rauschen in meinen Ohren hatte die Musik ersetzt. Layken stand hinter mir. „Ist das nicht einer der Austauschstudenten?"

„Hä?", machte ich. Er hob mein Kinn und deutete auf die Empore vor der VIP-Lounge. Es dauerte, bis ich seinem Finger folgen konnte und dann dauerte es, bis meine Augen fokussiert hatten und ich erkannte, auf wen er zeigte. Dort oben stand Ramiel. Und neben ihm eine dunkelhaarige Frau mit spitzen Ohren. Sie hatte den Arm um ihn gelegt und Ramiel machte keine Anstalten sich von ihr zu lösen.

„Das ist glaube ich seine Freundin. Auf jeden Fall habe ich die beiden schon öfter hier rummachen gesehen." Layken lachte leise. „Die sind so heiß. Echt ein krasses Paar." Die Drinks in meinem Bauch wurden zu einem harten Klumpen. Mein Mund war staubtrocken, meine Muskeln plötzlich erschöpft. Wie lange tanzte ich schon? Wie lange stand Ramiel schon da oben? Mit ihr?

Ich konnte nicht leugnen, dass sie vertraut aussahen. Ihre Bewegungen, ihr Gestikulieren und wie sie miteinander sprachen. Die beiden kannten einander. So viel war eindeutig.
„Vio?" Layken schob sich vor mich und versperrte mir die Sicht auf Ramiel.

Ich räusperte mich. „Ja." Ich senkte den Blick und wich seinem Blick aus. Er fiel auf die Kette, die Layken um den Hals trug. Es war ein splitterförmiger Anhänger, der die Lichter genauso reflektierte wie der Onyx an der Decke. Er erinnerte mich an einen Spiegel. Ich nahm einen großen Schluck von meinem Getränk. Keine voreiligen Schlüsse ziehen, warnte ich mich und lugte dann an Layken vorbei.

Mein Herz blieb stehen, das Glas fiel mir aus der Hand. Ramiel küsste sie. Kein kurzer Schmatzer. Nicht auf die Wange. Nein. Er küsste sie richtig. So wie er mich küsste. Innig, vertraut, die Arme um sie geschlungen. Die Frau nahm seine Hand und zog ihn zu einer versteckten Tür, die ich bisher noch nicht bemerkt hatte. Ich machte Anstalten mir einen Weg zur Treppe zu bahnen, als sie den Reißverschluss von ihrem Kleid öffnete und es demonstrativ an die Türklinge hängte. Ich rieb mir die Augen, blinzelte, doch es blieb dasselbe Bild. Ramiel folgte der Frau in Unterwäsche dem Separee und sie drehte sich nochmal um. Ihre fliederfarbenen Augen schienen mich direkt anzusehen, bevor sie die Tür schloss. Mir war schlecht. Jeder Herzschlag schmerzte und ich taumelte. Was war da gerade passiert?

„Vio? Geht's dir gut? Sollen wir an die frische Luft gehen?" Layken hielt mich fest. Um mich herum drehte sich alles. Das Rauschen in meinen Ohren wurde lauter. Die Farben verschwammen.

„Alles wird gut, Vio." Laykens Atem traf meine Haut. Seine Lippen berührten beim Sprechen mein Ohr. Ich sah mich um. Die Konturen der Tanzenden um mich herum waren undeutlich. „Ich bin da." Er hob mein Kinn mit dem Zeigefinger an. Layken war schön. Richtig schön. Ich hatte es gewusst, immerhin war ich mit ihm im Bett gewesen, aber heute lag ein Schimmern auf ihm. Er schien zu strahlen. Er legte sich meine Arme um den Hals und seine um meine Taille. Dann hob er ein Glas an meine Lippen und ich trank ein paar Schlucke. Derselbe Drink, derselbe eigenartige Nachgeschmack.

Sein Anhänger baumelte auf Augenhöhe vor mir und ich konzentrierte mich auf die tanzenden Lichter in ihm. Wie die Decke hatte auch dieser Anhänger etwas Magisches, sodass man nicht mehr wegsehen konnte. Langsam kam ich wieder zu Atem. Erst jetzt bemerkte ich, wie sehr meine Lunge gebrannt hatten. Ich sah zu Sumi und Alex, doch sie tanzten und bemerkten mich nicht. Bemerkten nicht, dass ich gerade zerbrach. Genau neben ihnen.

Ich ließ zu, dass Layken näherkam. Der Köperkontakt fühlte sich gut an. Er war das Einzige, was mich davon abhielt zusammenzubrechen. Er gab mir Halt, während der Schmerz mich zu Boden drücken wollte. Stattdessen konzentrierte ich mich auf den Spiegelsplitter. Der Anhänger faszinierte mich. Die Reflektionen schillerten in allen erdenklichen Nuancen. Grün, blau, orange, rot, gelb. Die Farben wechselten sich ab. Türkis, rosa, lila, violett, purpur.

„Tanz mit mir." Die Stimme kam von weit weg. Die Hände an meinem Körper bewegten sich, meine verkrampften Muskeln entspannten sich langsam. Der Schmerz verging, verblasste mit jedem weiteren Atemzug. Ich kämpfte nicht länger gegen das Rauschen an, sondern ergab mich ihm. In meinem Hinterkopf schrillte eine Sirene, aber es war leicht sie zu ignorieren.

„Ich habe lange auf diesen Moment gewartet, Vio." Laykens Stimme fand ihren Weg durch das Rauschen zu mir. Er lehnte seine Stirn an meine und ich schloss die Augen. „Noch ist die Verlobung nicht vollzogen. Du willst nicht ihm gehören. Er betrügt dich gerade jetzt. In diesem Augenblick. Er küsst sie so, wie er dich letzte Nacht geküsst hat, berührt sie an denselben Stellen." Bilder begannen durch mein Hirn zu rasen. Nackte, entblößte Haut. Innige Küsse. Hände. Münder. Zungen. Lachen. Sie sah ihn herausfordernd an, während er sich die Hose auszog. Sie grinste, als er zu ihr ins Bett stieg und sich zu ihrem Hals beugte. Und sie sah hoch – zu mir – und grinste bevor sie zu stöhnen begann.

Ich zitterte und riss die Augen wieder auf. Meine Welt drehte sich und stürzte auf die Seite. „Ich habe dich. Keine Angst. Es ist noch nicht zu spät." Ich wollte laufen. Ich wollte meine Beine bewegen und wegrennen. Aber ich war völlig bewegungsunfähig, wie gelähmt. Layken hatte seine Arme um mich geschlossen, er hielt mich, während mein Körper mich im Stich ließ. An der Stelle in mir, wo meine Magie brannte und wärmte, herrschte eisige, leere Dunkelheit. Auch sie war verloren, gebrochen.

„Du kannst es noch aufhalten, Vio. Verstehst du das?" Ich hatte bereits Schmerz gefühlt. Körperlich. Seelisch. Doch, das, was gerade in mir tobte, fühlte sich an wie der Tod. Es fühlte sich nach endloser Qual an, nach Feuer, das mich verbrannte. Immer weiter und weiter. Immer mehr und mehr. Und es fraß mich von innen auf. Es zerstörte alles in mir. Es nahm das von mir, was ich liebte, und hinterließ rohen Schmerz, pure Verzweiflung.

„Du musst es aufhalten." Laykens Stimme hatte sich verändert. Er klang plötzlich besorgt. Dann waren seine Lippen auf meinem Mund, was mich zurückzucken ließ. „Du musst es jetzt tun. Sonst ist es zu spät." Er hielt seinen Finger hoch, an der Spitze einen Blutstropfen. „Nimm ihn und das alles hat ein Ende. Der Schmerz. Die Angst. Du kannst alles hinter dir lassen." Ich taumelte nur noch. Meine Seele war kurz davor zu zerreißen. Ich taumelte am Abgrund, sah über die Kante in endlose Finsternis und dachte, dass alles besser wäre als das, was ich gerade empfand. Ich beugte mich vor.

Dann war da plötzlich ein Reißen. Etwas spritzte auf mein Kleid. Layken wurde von mir gerissen. Ich taumelte wieder, fiel und landete an einer harten Brust. Orange und Winterminze. Meine Lider schlossen sich flatternd. Stumme Tränen liefen über mein Gesicht.

„Schau zu mir." Layken lag auf dem Boden. Der Anhänger an seinem Hals pulsierte wild. Zog mich zu sich. Meine Beine gaben unter mir nach, auf den Knien wurde ich nach vorne gerissen. Ein Keuchen war hinter mir zu hören. Es kostete mich alles, was von mir noch übrig war, um den Kopf zu drehen. Ramiels Blick war schmerzerfüllt. Er wanderte ungläubig zwischen Layken und mir hin und her. Mein Sternum strahle einen astralischen Schmerz aus. Überirdisch, unwirklich.

Ich robbte auf Layken zu und sah verschwommen, wie er zu Ramiel hochgrinste. Dunkelrotes Blut lief ihm aus dem Mundwinkel. „Hey, meine Schöne." Ich war bei ihm angekommen. Der Schmerz überstrahlte alles andere. Das Funkeln des Anhängers war das Einzige, was mich noch bei Bewusstsein hielt. Er ließ alles andere in den Hintergrund rücken.

Ich wusste nicht genau, was passierte. Aber ich wollte ihn. Ich brauchte ihn. Er rief nach mir. Layken hob mir seinen Mund entgegen. Seine Lippe war aufgeplatzt und das frische Blut leuchtete in einem verlockenden rubinrot. „Ein Tropfen reicht und es hört auf", versprach er.

Er begann zu flimmern, so wie Ale es tat, bevor sie sich teleportierte. Er griff nach mir und ich spürte, wie die Teleportation auch auf mich überging. „Wir brauchen dringend Zeit zu zweit, Süße. Du hast einiges wieder gut zu machen." Layken grinste mich an. Da war etwas Fremdes in seinen Zügen. Etwas dämonisches. Die Sirene in meinem Kopf kreischte. Hier lief etwas falsch. Ganz ganz falsch. Seine Hand berührte meine. Er zog mich zu sich, bis ich auf ihm lag. Sein Blick war auf meinen Mund gerichtet.

Endlich fanden meine Finger ihr Ziel. Ich berührte den Anhänger und schlagartig verließ mich dieser tranceartige, benebelte Zustand. Ich riss an dem Anhänger und Laykens Augen wurden groß. Die Teleportation zerrte an mir, doch ich widersetzte mich. Ich durfte nicht mit ihm gehen. Auf keinen Fall durfte ich diese Teleportation zulassen. Die Kette riss und ich flog zurück. Ich hatte nicht bemerkt, wie viel Kraft ich angewendet hatte. Mein Kopf knallte auf den Boden. Sterne und Dunkelheit tanzten durch mein Blickfeld. Der Schmerz war immer noch da. Er war endlos.

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