chapter 53
Später, als die Sonne längst untergegangen und meine Tränen versiegt waren, lagen wir oben auf dem Dach der Ávila Bibliothek und sahen in den Sternenhimmel hinauf. Eingekuschelt in Decken und aneinander sah die Welt wieder ganz anders aus. Ellie erzählte von ihrem Date und den Nachrichten, die die beiden sich bis tief in die Nacht schrieben. Alex brachte uns auf den neusten Stand mit Jessi und wie vertraut sie inzwischen miteinander waren und Sumi erzählte von der Geheimgesellschaft, von ihren Ideen und ihre Begeisterung war ansteckend. Ich tauchte wieder ein in mein altes Leben. Und es war schön und schmerzhaft zugleich.
Wir tranken heißen Kakao mit Hafermilch, Tee und aßen all unsere Lieblingssnacks. Ich erzählte von Ale, Cael und Azael, von meiner Magie und dem kleinen Wesen, das Chimi und ich heute gerettet hatten. Wie ich vorhergesagt hatte, war Sumi begeistert von Chimi. Sie wollte alles von ihr wissen. Alex Fokus war ein anderer. They ließ sich meine Party Outfits mehrmals detailliert beschreiben und Ellie wollte unbedingt Ales Rezept für den Caramel Macchiatto und baldmöglichst der Bibliothek einen Besuch abstatten.
Mein Herz sog Kraft aus dieser Nacht, aus diesen Gesprächen und der bloßen Anwesenheit meiner Besties. Es war Ende Juli und die Nacht mild und vom Vollmond erhellt. Die Sonne würde bald schon wieder aufgehen, doch niemand von uns machte Anstalten sich zu erheben.
„Ich kann euch nicht sagen, wie sehr ich euch vermisst habe", murmelte ich.
„Wir dich auch, Vio."
„Wie vier gehören einfach zusammen und das wird sich niemals ändern." Sumis Stimme ließ keinen Raum für Zweifel.
„Ich bin so froh, dass wir uns gefunden haben." Alex drückte meine Hand. „Ich will mir nicht vorstellen, wie mein Leben ohne euch aussehen würde."
Als ich aufwachte, schien die Sonne schon ziemlich hoch am Himmel. Von unten drangen einzelne Rufe der Studierenden zu uns hoch. Vorsorglich hatten wir die Tür zum Turm wie immer hinter uns abgeschlossen. Jetzt war nur die Frage, wie wir hier unentdeckt wieder wegkamen.
„Guten Morgen." Sumi gähnte ausgiebig.
„Morgen", brummte Alex und drehte sich nochmal um.
„Können wir Morty schreiben?", fragte Ellie. So wie ich beschäftigte sie sich auch sofort mit der Frage, wie wir hier unbemerkt rauskamen. „Er könnte uns sagen, wann der Weg passierbar ist. Nicht das wir noch deiner Chefin über den Weg laufen."
„Hildegard wäre gar nicht begeistert", stimmte ich zu. Wir dachten an unsere letzte Flucht vor ihr, die gerade nochmal gut gegangen war.
„Pepper könnte uns auch helfen. Sie könnte die Drachin ablenken." Ellie nickte uns sah bei Instagram nach, ob sie Morty findet. Was ich bezweifelte. Meine Magie war seit gestern ein kleines Chaos und auch jetzt drängte sie an die Oberfläche. Zur Ablenkung bildete ich ein paar komplizierte Schilde und formte eine Waffe aus meiner Magie, was ich gerade mit Ale übte. Ich könnte auch versuchen eine Plattform zu formen, so wie Ramiel es bei der Party getan hatte und uns herunter schweben lassen. Dann müsste ich jedoch gleichzeitig auch noch ein Schild um uns legen, damit die anderen uns nicht sehen würden. Doch das war nicht so einfach. Wir befanden uns mindestens sechs Stockwerke über dem Boden und ich hatte sowas noch nie gemacht. Nicht allein und schon gar nicht mit anderen zusammen.
„Ich finde ihn nicht", teilte Ellie uns mit. Sumi und Ale hatten in der Zeit die Decken zusammen gelegt und alles wieder in unseren Rucksäcken verstaut.
„Dann auf die altmodische Art." Sumi grinste mich an. „Inzwischen schaffst du es bestimmt uns vier unsichtbar zu machen. Wir werden einfach an ihnen vorbei gehen."
Alex lachte. „Auja!"
Ellie und ich grinsten uns an. „Na dann mal los." Ich legte ein Schild um uns. Wir stiegen die schmale Treppe runter. Alex öffnete unten leise die Tür und winkte uns durch, als niemand zu sehen war. They schloss sie hinter uns wieder ab.
„Okay, das habe ich mir deutlich schwieriger vorgestellt", sagte Sumi. Denn auf unserer Etage war niemand zu sehen. Nur unten im Foyer waren einige Studierende, die zu uns hochsehen konnten. Jetzt mussten wir uns nur irgendwo unbemerkbar wieder sichtbar machen. In dem Moment hörte ich eine schneidende Stimme und wir zuckten kollektiv zusammen. Die Tür zum Vorlesungsraum neben uns war geschlossen, doch die gegenüberliegende Tür öffnete sich jetzt.
„Ich habe den Dienstplan geändert. Hast du heute morgen noch nicht drauf geschaut, wie es deine Pflicht ist?" Morty trat durch die Tür, Hildegard wie immer komplett in lila und Pepper hinter ihm.
Oh. Oh. Pepper blieb stehen, schnüffelte kurz und raste los. So viel zu Pepper als unsere Gehilfin. Ich zog Alex und Ellie am Arm und wir stürmten auf die Treppe zu. An dem Wasserspeier vorbei und die Stufen hinab. Hildegards bohrender Blick schien mich zu verfolgen. Pepper nahm unsere Spur auf. Wir rannten am Fanshop der Ávila vorbei und zu den hohen Flügeltüren, die zur Bibliothek führten und offen standen. Am lila Sofa und dem Tresen vorbei, führte ich uns in einen leeren Gang und nachdem ich mich überzeugt hatte, dass uns niemand sah, machte ich uns wieder sichtbar. Sumi und Ellie schnappten sich sofort das erstbeste Buch aus den Regalen, während Alex und ich so taten, als würden wir diskutieren, welches Buch wir ausleihen würden. Und das gerade noch rechtzeitig.
„Interessante Wahl." Pepper war hechelnd bei uns angekommen. Morty und Hildegard hinter ihr. Hildegard hatte die Hände in die Hüfte gestützt und sah mit gehobenen Augenbrauen zu uns herab, obwohl sie kleiner ist als wir. Ihr prüfender Blick war auf mich gerichtet.
„Hallo Hildegard", begrüßte ich sie. „Hey Morty, hey Pepper." Schwanzwedelnd kam sie auf mich zu und ließ sich ausgiebig kraulen.
„Hey Viona, lang nicht mehr gesehen." Morty hob die Hand und ich lächelte ihn an.
„Wir müssen jetzt leider los." Sumi griff sich meinen Arm und zog mich um die Ecke. Draußen angekommen, brachen wir alle in lautes Gelächter aus.
„Kam es euch auch so vor, als hätte die Drachin uns mit ihrem Blick verfolgt, obwohl wir noch unsichtbar waren?", keuchte Ellie und beugte sich nach vorne.
„Auf jeden Fall." Alex hakte sich bei mir unter und wir schlenderten langsam zurück zu unserem Wohnheim.
Als wir alle wieder zu Atem gekommen waren, hielt Sumi uns an. „Also es ist schon mittags. Wir haben Vorbereitungen zu treffen und nur begrenzt Zeit dafür."
Alex fuhr fort. „Ich wäre dafür zuerst unsere Kleiderschränke nach etwas Passendem zu durchsuchen und dann nochmal schnell in die Stadt zu fahren, um Fehlendes zu kaufen. Etwas essen müssen wir noch und dann machen wir uns fertig." Ellie nickte zustimmend. Ich sah sie fragend an, aber sie bemerkte es nicht, weil sie grinsend auf ihr Handy schaute.
„Ich frage Mama, ob wir ihr Auto nehmen können. Dann lasst uns doch zuerst hier schauen, dann bei Alex und dann zu mir." Sumi klatschte in die Hände und scheuchte uns wieder los.
„Klingt nach einem Plan." Alex Stimme war euphorisch.
„Leute." Ich blieb stehen, damit die anderen anhielten. „Wovon redet ihr?"
Sumi sah mich entgeistert an. „Von der Party, Vio. Wovon sonst? Du weißt schon... die Party."
„Du hast gestern doch erzählt wie begeistert Ale davon gesprochen hat", erinnerte mich Ellie. „Als ihr gestern auf dem Weg zu ihrem Zimmer wart, bevor Cael und Azael dazu kamen."
„Nein, ich habe gesagt, sie hat begeistert von irgendeiner Party gesprochen. Ich habe auch gesagt, ich konnte ihr nicht einmal bei der Hälfte von dem, was sie gesagt hat, folgen."
„Wir haben gedacht..." Ellie sah betreten zu Sumi und Alex. Der Blick bereitete mir Unbehagen. „Du weißt, doch worum es geht, oder?"
„Wir dachten du willst einfach nicht darüber reden." Sumi sah mich unsicher an. „Vio, weißt du, was der Grund für diese Party ist und warum Ramiel uns eingeladen hat?" Alle drei waren erstarrt. Ich sah Sumi an, dass sie hoffte, ich machte Witze.
„Nein." Ich schüttelte den Kopf. „Ich weiß gar nichts. Ich habe gerade eben erst von euch erfahren, dass heute Abend eine Party gefeiert wird."
Sumi fiel die Kinnlade runter. „Was?" Ellie fluchte leise. „Du solltest dringend mit Ramiel reden. Wie kann das sein?" Sie sah ungläubig zu Alex.
„Jetzt sagt es doch." Panik erfüllte mich. Was war jetzt wieder passiert? Wer war gestorben? Wie viele Menschen würden auf dieser Party ihr Leben verlieren? Ich richtete mich auf und holte Luft. „Sagt es."
„Vio, Ramiel hat uns gestern gesagt, dass ihr verlobt seid. Das heute eure Verlobungsparty stattfindet."
Ich brach in Gelächter aus. Ich lachte, bis mir Tränen über die Wangen liefen. „Wow, ja klar." Ich schnappte nach Luft. „Er hat euch verarscht. Keine Ahnung, warum er euch das erzählt hat, aber das ist Bullshit." Ich wischte mir über die Wangen und hielt die Tür zum Wohnheim auf.
„Aber was ist mit dem Ring?" Alex griff nach meiner Hand.
„Sein Siegelring? Den trage ich schon länger. Ale, Cael und Azael tragen den auch." Ich winkte ab und fächelte mir Luft zu. Mein Gesicht war rot angelaufen und mir war unfassbar warm. „Lange nicht mehr so gelacht. Los jetzt", forderte ich die anderen auf und wir stiegen die Treppen hoch.
„Ich mache uns einen Kaffee", sagte Ellie, als wir an unserer Wohnheimküche vorbeikamen.
„Ich gehe kurz zum Bäcker und hole uns was zum Frühstück. Wir treffen uns gleich bei uns im Zimmer." Bevor die anderen reagieren konnte, hatte ich kehrt gemacht und sprintete die Treppen wieder runter. Beim Aufwachen hatte ich gemerkt, dass meine Magie unruhig war, jetzt war sie außer sich. Ich teleportierte zum Übungsplatz in die Hölle. Ohne mich warm zu machen und noch immer in der Montur, die ich seit gestern trug und in der ich geschlafen hatte, begann ich auf den Boxsack einzuschlagen. Da niemand ihn festhielt, musste ich warten, bis er zurückgeschwenkt kam. Es war unbefriedigend.
„Soll ich?" Azael stand vor mir. Zwei Pratzen an den Händen. Ein vorsichtiges Lächeln auf den Lippen.
Mein schlechtes Gewissen meldete sich sofort. „Azael, tut mir leid, dass ich gestern so schnell verschwunden war."
„Alles gut, Vi. Komm jetzt." Er hielt seine Hände mit den Polstern in Position und ich nahm die Grundhaltung ein. „Sicher, dass du keine Bandagen oder Handschuhe tragen willst?"
„Ganz sicher. Ich habe nicht viel Zeit. Bist du bereit?" Ich wollte die anderen nicht warten lassen, aber ich hatte ein bisschen zu viel Energie, die ich dringend loswerden musste.
„Los geht's." Als Azael mein Zögern bemerkte, holte er aus und verpasste mir eine. „Komm schon, Vi. Zeig mir, was du draufhast."
Zehn Minute später war ich erledigt. Die Haut an meinen Knöcheln war aufgeplatzt. Meine Lunge und meine Muskeln brannten. Azael schnallte die Pratzen ab. „Geht's dir jetzt besser?"
„Nicht wirklich." Meine Magie war etwas besänftigt. Sie war damit beschäftigt meine Wunden zu heilen und mein Energielevel wieder hochzufahren. „Aber danke."
„Jederzeit."
Ich teleportierte mich zurück, holte Muffins, Laugenbrezeln und Franzbrötchen in der Bäckerei und joggte zu unserem Wohnheim. In den Waschräumen wusch ich mir das getrocknete Blut von meinen inzwischen geheilten Knöcheln. Dann öffnete ich vorsichtig die angelehnte Tür zu unserem Zimmer und betete kein Deja-Vu erleben zu müssen.
„Da bist du ja." Ellie wollte mir einen Kaffee reichen. „Du siehst aus, als würdest du erstmal Wasser bauchen." Brauchte ich nicht, meine Magie hatte meinen Körper wieder regeneriert, aber ich trank trotzdem ein Glas. Mein Handy lag auf dem Nachttisch und ich schnappte es mir, während die anderen Ellies Kleiderschrank durchgingen. Die meisten Nachrichten waren alt und unbedeutend, aber da war auch eine neue von Ale.
Kommst du gegen 5 zu mir? Muss mit dir reden.
Ich ließ mich zurück auf mein Bett sinken. Das Gefühl, dass mir alles zu entgleiten schien, war übermächtig. Wenig später klopfte es. Alex wühlte sich gerade durch meinen Schrank und sah immer wieder kopfschüttelnd zu mir. „Du brauchst eine neue Garderobe, Vio."
Ellie riss die Tür auf. „Oh hey." Sie strich ihre Haare zurück und sah an ihrem Outfit runter.
„Das wäre für heute Abend auf jeden Fall angemessen." Ales Stimme ließ mich aufhorchen. „Hey zusammen. Ich habe was für euch." Sie zog einen Kleiderständer hinter sich her. Alex verfiel in ehrfürchtiges Starren, Sumi begutachtet jedes einzelne Outfit eingehend und Ellie war damit beschäftigt Ale anzusehen.
„Vi." Ale legte sich zu mir und ich umarmte sie. „Das ist wahrscheinlich das letzte, was du hören willst, aber du musst mit Ramiel reden." Ich verbarg den Kopf im Kissen und stöhnte. „Ich weiß", sagte sie leise. Irgendwann zwischen meinem Lachanfall und jetzt hatte ich mir eingestehen müssen, dass Ramiel es ernst zu meinen schien. Selbst in der Arena gestern, hatten sie mich als seine Verlobte vorgestellt. Alex, Sumis und Ellies Begeisterung war unüberhörbar. Sie liebten die Outfits.
„Ale, ich glaube..." Ich wusste nicht, wie ich mein Gefühl in Worte packen sollte. Da war zu viel, was keinen Sinn ergab, zu viel, dass nicht zusammenpasste oder wo uns noch Informationen fehlten. Alles lief aus dem Ruder. „Wie können wir es rückgängig machen? Wie können wir seine Seele zurückholen?" Ich hatte den anderen gegenüber mit keinem Wort erwähnt, dass Ramiel seine Seele an den Teufel verloren hatte. Allein der Gedanke war zu schmerzhaft. „Gestern..." Ich dachte an den Kuss. An alles, was ich in seinem Blick gesehen hatte. Die Angst, dass er den Kuss nur zugelassen hat, um meine Besties davon zu überzeugen, dass alles gut war, war enorm. Gestern war ich so sicher gewesen, dass es echt war, dass er dasselbe gefühlt hatte, aber je mehr Zeit verging, desto größer wurden meine Zweifel.
„Rede mit ihm, ja?"
Ich wusste nicht, ob ich das konnte. Mein Herz, meine Brust tat weh. Darüber hatte auch das Training nicht hinweg täuschen können. Es fühlte sich nicht richtig an. Nichts fühlte sich mehr richtig an.
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