chapter 50

Am Abend war der Auftrag erfüllt. Eine Woche später waren die ersten fünf Namen von der Liste gestrichen.

Die Tage gingen in Kampftraining, Muskelkater, Sachbüchern und den Phiolen mit der bläulich gefüllten Essenz über, die ich Ramiel nach meinen Aufträgen überreichte. Er war immer derjenige, der mich instruierte und mir beim Anlegen meiner Rüstung half. Aber eine Intimität wie vor meinem ersten Auftrag kam nicht nochmal zustande. Er war distanzierter, auf eine gewisse Weise freundlich und aufmerksam, aber eben als Kronprinz. Mit einem Ziel, bei dessen Erfüllung ich hilfreich war. Inzwischen gab er mir kleinere Mengen Lichtkegel, damit sich meine Magie schneller wieder erholte. Noch immer brannte das Elixier wie Hölle, aber wenigstens war die Dosis so niedrig, dass ich danach nicht mehr drei Tage bewusstlos in der Ecke lag.

Cael, Nakir und Henna waren aus den Kerkern entlassen. Aber bis auf den ersten Tag, wo ich sie begrüßen durfte, hatte Ramiel mich nicht nochmal zu ihnen gelassen. Er separierte uns. Nur Ale sah ich nahezu täglich und auch außerhalb unserer Einsätze.

Nach dem nächsten erfüllten Auftrag durfte ich endlich zu meinen Besties. Ramiel war heute noch distanzierter gewesen als die letzten Tage. Meine Zielperson hieß Zekiel und er war spät dran. Ich lag flach auf dem Dach einer Lagerhalle und inzwischen war ich durchgefroren. Ale hatte sich hinter der nächsten Halle positioniert, falls der Engel die Flucht ergreifen würde. Zekiel gehörte nicht zu den Kommandanten des Himmels. Er war eher unwichtig, aber dennoch für seine Grausamkeit bekannt. Die Bilder, die Ramiel mir gezeigt haben, verursachten noch immer Übelkeit in mir.

Mein Nacken schmerzte und der Griff um meinen Dolch ließ immer mal wieder nach. Bisher waren Ramiels Informationen immer zuverlässig gewesen. Meine Gedanken glitten zum morgigen Tag. Ich würde meine Besties wiedersehen und auch meine Oma besuchen und mich hoffentlich endlich mal wieder wie ich selbst fühlen.

Ich robbte näher an den Rand, als ich das Flimmern eines Schutzschildes zu erkennen meinte. Ale war nicht zu sehen, da traf mich ein Stiefel in die Seite und stieß mich gefährlich nah an die Kante. Ich wirbelte herum und versuchte aufzustehen, knallte jedoch nur gegen eine unsichtbare Mauer. Mein Schild müsste intakt sein. Gegen die Person vor mir allerdings schien es nicht zu wirken. Sie und ihr Schild drängten mich weiter Richtung Abgrund. Meine Dolche waren wertlos und meine Magie wegen des Lichtkegels geschwächt. Ich sah das Blitzen einer Klinge und traf eine Entscheidung.

Fluchend segelte ich durch die Luft und drehte mich, damit meine Füße zuerst aufkamen. Mit der Magie, die ich hatte, verlangsamte ich meinen Sturz, sodass ich mir beim Landen wenigstens nichts brach.

„Ale, hau ab", rief ich in ihre Richtung und dann sah ich drei Gestalten auf mich zukommen. Es war neblig und ich konnte nur ihre Umrisse erkennen. Fuck. Das war eine Falle. Von Ale sah und hörte ich nichts. Ich zog zwei Dolche, kampflos würde das hier nicht über die Bühne gehen. Die Person, die mir am nächsten stand, war plötzlich in einen rotglühenden Schimmer getaucht. Ich sah, wie sie ihren Arm ausstreckte und etwas baumeln ließ.

„Was...", stotterte ich. Meine Dolche fielen klirrend zu Boden. Ich konnte mich nicht mehr bewegen. Musste zusehen, wie sie näherkamen und mit ihnen dieses unheimliche, rotglühende Leuchten. Meine Magie war unerreichbar. Ich konnte nicht einmal meinen kleinen Finger bewegen und dann hüllte mich das Leuchten ein. Ich spürte, wie eine Klinge in meinen Bauch stach und senkte den Blick, konnte aber nichts sehen. Eine weitere in den Rücken. Oberschenkel. Mein Oberarmmuskel wurde durchtrennt. Meine Beine gaben nach und ich sank auf die Knie. Die nächste Klinge strich über meinen Nacken. Gleichzeitig bediente sich dieses Instrument meiner größten Ängste. Ich sah meine Besties sterben, sah wie Ellie die Kehle aufgeschlitzt wurde. Wie Azael seinen Verletzungen erlag. Sah Varaines Leiche von der Decke baumeln. Ale wurde lebendig gehäutet. Cael verbrannt. Und Ramiel saß auf dem Thron seines Vaters. Dunkelheit um ihn herum und ein triumphales Grinsen auf den Lippen. Der Himmel war gefallen und es herrschte Krieg auf der Erde.

Ich hörte ein sirrendes Geräusch und einen Augenblick später schlug eine der drei Personen dumpf auf dem Boden auf. Die anderen beiden wendeten sich der neuen Gefahr zu und das rötliche Licht wurde von mir geschwenkt. Die Schmerzen blieben. Ich war wie betäubt von den Versionen und sah benommen auf das Blut um mich herum. Ich schaffte es weg zu kriechen. War aber viel zu langsam. Sie würden meine Spur ohne Probleme verfolgen können. Ich musste mich teleportieren. Da hörte ich ein Wimmern, das mir nur allzu bekannt vorkam. Ale.

Ich zog einen neuen Dolch aus meinem Holster und warf. Er sirrte eine Handbreit an der Person mit dem ausgestreckten Arm vorbei. Sie wandte sich wieder mir zu. In dem roten Licht hörte ich Ellies Schreie, die Qualen versprachen, die mir bisher unvorstellbar erschienen waren. Verzweifelt sammelte ich meine Magie zusammen. Ale war zu Boden gegangen, regte sich jetzt aber wieder, wo das Licht sie nicht mehr fesselte. Ich beobachtete, wie der rote Lichtkegel näherkam und musste fast grinsen, als mir die Ironie bewusst wurde. Der Name für die magieunterdrückende Pflanze bekam plötzlich eine ganz neue Bedeutung.

Ich hatte nicht genug Magie. Ich würde es nicht in die Hölle schaffen und nicht weit genug weg, um in Sicherheit zu sein. Aber woher sollten die das wissen?

Mein Blutverlust erreichte einen kritischen Punkt. Vor mir tanzten schwarze Punkte, die mein Blickfeld einschränkten. Ich nahm die wenigen Fäden an Magie, die ich zusammengesammelt hatte und teleportierte mich.

Ich war wieder oben auf dem Dach, meine Beine und meine Hüfte hingen über dem Abgrund. Meine Hände suchten verzweifelt nach etwas, woran ich mich festhalten konnte. Aus dem Augenwinkel sah ich, dass Ale sich aus dem Staub machte. Ein Glück.

Dann hörte ich zum ersten Mal die Stimmen meiner Angreiferinnen.

„Er muss sie geholt haben." Sie waren nicht zornig oder hasserfüllt. Die Stimmen waren gefühllos. Neutral, wie eine Durchsage an einem Bahnhof. Monoton. Nahezu mechanisch.
„Aber woher sollte er das wissen?"

Endlich gelang es mir den Rest meines Körpers vom Abgrund wegzuziehen.
„Wir haben bekommen, weshalb wir geschickt wurden", verkündete die erste Stimme und ich sah, wie das rötliche Glühen nachließ und dann verschwand. „Wenn wir Glück haben, wird sie den Einfluss des Amuletts sowieso nicht überleben." Die beiden Personen lösten sich in Luft auf und ließen nur eine dunkle Rauchwolke zurück. Auch die zu Boden gegangene Angreiferin war weg. Ich atmete auf und rollte mich auf den Rücken.

Der Sternenhimmel verschwamm vor meinen Augen. Ich wollte meine Blutungen stoppen, aber da waren zu viele Wunden. Das Bild von Ramiel gefesselt und misshandelt in seiner Zelle. Dann Varaines gebrochene Finger. Cael, Nakir und Henna blutend am Boden seines Kerkers. Reale Bilder gingen in die über, die mir das Amulett gezeigt hatte. Sie verschwammen und wurden Eins. Immer schneller und schneller. Bis all tot waren und Ramiel verloren.

***

„Hab dich, Süße." Orange und Winterminze hielten mich in den Armen. „Bist du wach?" Ich murmelte etwas Unverständliches. „Alles klar." Ein leises Lachen folgte. „Über die Hälfte deines Blutes verloren, aber natürlich nicht ausgeknockt. Azalee geht es gut, falls du dich das fragst." Seine Stimme klang amüsiert, aber ich hörte die Sorge, die darunter lag. „Ich werde dafür sorgen, dass das in Zukunft nicht nochmal geschehen wird." Andere Stimmen erklangen und er fuhr leiser fort. „Das verspreche ich dir."

Ich wurde vorsichtig auf etwas weiches gelegt. Dann erklang eine mir vertraute Stimme und ich erstarrte. Das konnte nicht sein. Das war ein Trick. „Ganz ruhig, Süße. Das sind Varaine und zwei Heilerinnen. Sie werden sich um deine Verletzungen kümmern." Etwas in mir sperrte sich bei diesem Gedanken. Varaine war doch tot.

„Hey Viona." Meine Kampfmontur wurde aufgeschnitten. Und plötzlich erstarrten alle im Raum. Ich spürte, wie sich die Atmosphäre änderte, spürte das gerade etwas Schreckliches geschehen war. „Das kann nicht sein." Entsetzen lähmte Varaines Stimme.

Ramiel neben mir war angespannt und still. „Das darf diesen Raum nicht verlassen."

„Ich gebe dir etwas, damit du Schlafen kannst, Viona." Wieder wandte ich mich und drehte den Kopf weg. Was höllisch wehtat. Meine Wunden schienen in Flammen zu stehen. Vor Allem der Schnitt an meinem Nacken brannte wie Feuer.

„Nimm es, bitte", flüsterte Ramiel. „Kein Lichtkegel mehr." Wieder erstarrte Varaine. Ich wehrte mich nicht mehr und fragte mich, was wohl Schreckliches passiert sein musste, da Ramiel mich um etwas gebeten hat. Und obwohl ich wegdämmerte, erinnerte ich mich sehr gut daran, dass er mir sogar etwas versprochen hatte.

Als ich zu mir kam, war ich genervt. So oft wurde ich in letzter Zeit ausgeknockt und verletzt. Es war einfach zu anstrengend. Immer dieses Gefühl der Orientierungslosigkeit. Wenigstens war mein Hirn dieses Mal kein Matsch, sondern einsatzbereit Ich erinnerte mich sofort an die Falle und dieses rotglühende Leuchten, an meine gerade noch gelungene Teleportation und das Gespräch, was ich mit angehört hatte.

Ich zog mir eine Jeans und ein T-Shirt an und machte mich mit energischen Schritten auf den Weg zu Ramiels Gemächern. Wir hatten viel zu besprechen. Noch bevor ich die Tür erreicht hatte, wurde sie geöffnet und eine sehr aufgeregte Chimi kam auf mich zugeflogen. Sie schlängelte sich im Affenzahn um mich herum, bis ich das Gleichgewicht verlor und auf dem Boden landete.

„Hey meine Süße." Sie schlängelte sich um meinen Oberkörper und meinen Hals und zischelte mich an. „Sei nicht sauer auf mich." Ich strich über ihre weiche Haut. „Ich verspreche, ich mache das nie wieder." Sie senkte versöhnlich den Kopf und ihre Zunge strich warm über meine Wange. Für einen Moment schloss ich die Augen und genoss Chimis Umarmung.

Ramiel räusperte sich. Er stand mit dem Rücken zu uns. Mit Chimi stand ich auf und schloss die Tür hinter uns.

„Können wir reden?", fragte ich und Chimi drückte mich ermutigend. Ich trat näher als er nicht antwortete. „Ramiel?"

Er drehte sich um und ich erstarrte. In seinen Augen stand Chaos. Da waren schwarze und silberne Schwaden in dem saphirgrün. Er kam näher und drängte mich zurück. Chimi, die eigentlich eine Barriere zwischen uns bildete, umschlängelte jetzt uns beide. Ramiel strich meine Haare zurück und sein Blick war auf etwas hinter mir gerichtet. Seine kühlen Fingerspitzen strichen über meinen Nacken. Ich warf einen Blick zurück. Dort, wo der Dolch mich gestrichen hatte, verlief eine rote Linie. Kurzerhand krempelte ich meinen Pullover hoch und suchte meinen Bauch nach ähnlichen Mustern ab. Da war nichts.

„Hm." Schulterzuckend strich ich meine Haare zurück und ging auf Abstand.

„Ja", sagte er schließlich. „Lass uns reden."

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