chapter 26
Es war warm, als ich aufwachte. Die Sonne schien mir ins Gesicht, wärmte meine Haut. Hinter mir brummelte Cael und vor mir wachte Ramiel blinzelnd auf. Unsere Blicke trafen sich und einen Augenblick war seiner leer. Dann lächelte er und zog mich näher.
„Hey Vio", murmelte er mit rauer Stimme. Dann küsste er mich und ich küsste ihn, hielt ihn fest und beschloss ihn nie wieder loszulassen.
„Nehmt euch ein gottverdammtes Zimmer", stöhnte Azael vom anderen Sofa und rieb sich die Augen.
„Du fluchst aber früh am Morgen", grummelte Cael hinter mir. Irgendwie hatten wir es geschafft zu dritt auf dem Sofa zu schlafen. Azael, Ale und Varaine lagen auf dem anderen. Der Hexenmeister schien noch zu schlafen. Azael löste sich vorsichtiger aus seiner Umarmung.
Ramiel grinste nur und zog mich auf seinen Schoß. Seine Hände wanderten über meinen Rücken, meinen Schultern, strichen über meinen Nacken und fuhren mein Schlüsselbein entlang.
„Mir gefällt das Blau sehr", murmelte er so leise, das nur ich es hören konnte und griff nach einer blauen Strähne.
„Ja?", fragte ich lächelnd.
„Und wie." Seine Lippen ersetzten seine Hände, strichen über die Kuhle an meinem Hals, hoch zu meinen Ohren. Ich erschauderte und vergrub meine Finger in seinen weichen Haaren.
Azael stöhnte und Ale lachte leise.
„War es ein Alptraum oder habe ich diesem Schönling tatsächlich gesagt, dass ich ihn vermisst habe?", brummte Azael auch schon nach einem winzigen Moment der Ruhe. Varaine sagte etwas, anscheinend war auch er aufgewacht, aber Ramiels Mund hielt mich davon ab, ihm weiter Beachtung zu schenken. Ich hob sein Kinn und küsste ihn, küsste ihn ewig. Bis mir etwas einfiel.
Ich löste mich etwas von Ramiel und warf einen verstohlenen Blick hinter mich. Cael saß bereits mit den anderen am gedeckten Tisch. Ramiel hob bei meinem besorgten Ausdruck fragend eine Augenbraue, die ich sogleich nachfuhr.
„Später", sagte ich lautlos und küsste ihn nochmal, bevor wir aufstanden, um uns zu den anderen zu gesellen.
Azael belagerte Varaine mit Fragen zu seiner Magie. „Wie hast du das mit dem Frühstück gemacht? Ist das ein magisches Haus oder hast du magische Helferlein? Elfen vielleicht oder Kobolde?"
Varaine lachte und ein seltener zärtlicher Ausdruck huschte über sein Gesicht. „Darf ich vorstellen? Die Magie dieses Hauses." In der Tür erschien eine Frau mit sanften braunen Augen und einem offenen Lächeln. Sie deutete eine Verbeugung an, bevor sie wieder verschwand. „Das war Meda. Greift zu", forderte der Hexenmeister und belud seinen Teller mit allerhand kleinen Croissants und Zimtgebäck.
„Ist das Speck?" Azaels Augen leuchteten und er lud sich eine riesige Portion auf den Teller.
„Kurze Info. Meda ist die gute Seele des Hauses, aber wenn nicht aufgegessen wird, ist mit ihr nicht gut Kirschen essen." Azaels Eifer ließ etwas nach und er beäugte den Speck kritisch. War ihm aufgefallen, dass Varaine seine Frage unbeantwortet gelassen hatte?
Ich nippte an meinem Kaffee, bevor ich meinen Teller mit Mango und Erdbeeren belud und mit Pancakes und Ahornsirup, bis er überzulaufen drohte. Nach einem Seitenblick auf Ramiel, den die Szenerie anscheinend völlig gefangen nahm, belud ich einen weiteren Teller mit Brötchen, Würstchen und Speck und stellte ihn vor ihm ab. Ale goss ihm ein Glas Orangensaft ein und reichte mir eins mit Apfelsaft. Azael hatte seinen Speck inzwischen fast vollständig verputzt. Ich lächelte Ale dankbar an, bevor ich mir einen Speckstreifen nahm und abbiss.
„Vio!" Azael hielt völlig entsetzt und mit offenem Mund inne. „Das ist Fleisch und du bist doch..."
Ich kaute völlig ungerührt genüsslich weiter. „Hm?", machte ich, schluckte und biss erneut ab.
Ale verbarg ihr Grinsen hinter ihrer Kaffeetasse und ich spürte Ramiels amüsiertes Schmunzeln.
Ich griff mir noch ein Würstchen, in das ich ebenfalls demonstrativ biss. Varaine seufzte und beschloss anscheinend Azael aus seiner Starre zu befreien. Wir hatten bisher noch nicht zusammen gegessen, deshalb war es ihm wohl nicht aufgefallen.
„Azael, ich bin ein Hexenmeister und fühle mich der Natur, der Erde und ihren Lebewesen sehr verbunden. Ich unterstützte weder Ausbeutung noch Tod von Tieren, nur damit ich kurzweilig deren Fleisch oder Produkte genießen kann. Für mich ist das Wohl der Tiere wichtiger als mein Geschmack. Deshalb ist absolut alles, was du bisher hier gegessen hast, pflanzenbasiert."
Azaels Kinnlade stand noch immer offen. Er sah von Varaine zu mir, zu dem letzten Speckstreifen auf seinem Teller. Und dann wieder zurück. „Die wenigstens Hexen essen Tiere oder irgendetwas von Tieren", fuhr Varaine fort und genoss ebenso demonstrativ wie ich etwas von dem Rührei.
„Das zum Beispiel, ist Tofu, die Zubereitung dauert für Geübte nur ungefähr zehn Minuten und es schmeckt bombastisch." Ich grinste Azael an. Ale prustete los und Azael versuchte die Fassung wiederzuerlangen.
Er murmelte etwas von „Kein Fleisch, kein echtes Fleisch", bevor er den letzten Speckstreifen mit etwas widerwilliger Miene aß.
„Ich dachte, es würde an der Zubereitung liegen, dass das Essen hier ein bisschen anders schmeckt." Er kaute und zuckte dann mit den Schultern. „Ist immer noch lecker." Dann schnappte er sich kurzerhand die letzten Würstchen, eins rettete ich noch vor seinem gierigen Schlund und aß es schnell, bevor er es mir wieder klaute.
„Mit welchem nicht-magischen-Tier identifizierst du dich eigentlich?", fragte Cael und musterte seinen Bruder grinsend und sah dann auffordernd in die Runde.
„Hm, gute Frage." Azael aß weiter. „Tig.."
„Vielfraß", kam es von Ale und Varaine. „Eindeutig", bekräftigte Ramiel.
„Raupe Nimmersatt", verkündete ich zwischen zwei Bissen.
„Raupe was?" Azael hatte die Stirn gerunzelt und überging seine Vielfraß-Betitelung.
„Kennt ihr nicht...?" Ich sah in vollkommen ahnungslose Gesichter. Ich hatte vergessen, mit wem ich hier zusammensaß. „Das ist ein Kinderbuch." Ich seufzte. „Die Raupe frisst und frisst sich durch alle möglichen Lebensmittel", versuchte ich zu erklären. „Erwachsene benutzten es manchmal scherzhaft, um zu verdeutlichen, dass Kinder gerade nicht satt zu kriegen sind." Meine Eltern hatten mich oft so genannt. Vor Allem am Pfannkuchen-Sonntag.
Nach dem Frühstück besprachen wir einen groben Plan für den Tag. Heute war Tys Geburtstag und so schwer es mir fiel Ramiel zurückzulassen, würde ich Ellie heute nicht im Stich lassen. Sie brauchte mich heute.
„Wir haben gestern nicht weiter drüber geredet, aber es wurde ein weiter Engel ermordet. Es ist noch nicht bekannt, um wen es sich handelt. Aber die Engel sind am Austicken. Der Himmel steht in Flammen, im biblischen Sinne." Ale war eindeutig besorgt und ich verkniff es mir Varaine anzusehen. Das Risiko, dass einer von den mächtigen Dämonen um uns herum das mitkriegen würde, war zu hoch.
Wir hatten gestern noch über den Ausbruch des Zorns geredet, der uns alle erfasst hatte. Aber auch davon wusste Ramiel nichts. Es war Fluch und Segen zugleich. Er konnte keine Fragen beantworten, aber er blieb vor den quälenden Erinnerungen geschützt. Jedenfalls hoffte ich das. Ich bemerkte, wie sein Blick manchmal leer wurde, wie seine Gedanken abdrifteten und hoffte, dass die Nachwirkungen nicht in seinem Kopf herumschwirrten, ohne dass er die Ursache kannte.
„Wir dürfen das nicht auf die leichte Schulter nehmen. Die Schuldigen werden im Zirkel landen. Es wird kein Prozess geben." Ich erschauderte und Ramiel neben mir versteifte sich. Schnell riss ich meinen physischen Schild noch höher. Die Erwähnung des Zirkels ließ das Frühstück in meinem Bauch bleischwer wiegen. Den anderen schien es nicht anders zu gehen.
Ale fuhr fort. „Die Bedrohung ist real. Die Angst vor dem Ende, dem Tod, der für uns eigentlich so weit weg ist, ist real. Und das Chaos ebenso. Und Chaos in der Hölle ist gefährlich." Azaels Stimme war ernst. So ernst, wie ich sie selten gehört hatte.
„Zieht eure Uniformen an." Ramiel klang angespannt. Ich drehte mich zu ihm um. „Ich werde beschworen", presste er zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor. Seine Schatten stoben hervor und rahmten ihn wild und ungezügelt ein. Er war wütend und das war kein gutes Zeichen. Hätte ich mehr Zeit gehabt, würde ich mir diesen Augenblick einprägen.
Wir schritten in geschlossener Formation durch die Gänge des Goldenen Palasts. Die Schritte unserer schweren Stiefel hallten in der Stille wider. Die Waffen an meinem Gürtel schlugen klirrend aneinander und Ramiel hatte seine Hand fest mit meiner verschränkt. Sein Daumen rieb über den Ring mit seinem Zeichen und mir wurde warm als ich seinen innigen Blick auf mir spürte. Azaels Worte, dass wir ihnen geschlossen unsere Macht demonstrieren mussten, liefen auf Dauerschleife. Sie waren an Ramiel gerichtet gewesen und dieser hatte grimmig genickt.
Unser Ziel war der Saal, in den uns letztes Mal der Inquisitor erwartet hatte. Auch dieses Mal war er mit dämonischen Wesen gefüllt. Es war still. Viel stiller als letztes Mal. Einzig der Mittelgang, der zum Thron führte, war frei. Das schwarze Gestein glänzte und eigentlich hätte ich einen goldenen Teppich vermutet, oder wenigstens einen roten, der die Bedeutung dieses Gangs untermalte. Sein Fehlen passte nicht zum prunkvollen, goldenen Rest des Palastes.
Ramiels Schatten breiteten sich aus und die Dämonen wichen augenblicklich weiter zurück. Mir fiel auf, dass ich ihn noch nie als Prinz der Hölle gesehen hatte. Als Kronprinz der Hölle, musste ich wohl sagen. Dass ich noch nie die Angst, die Ehrfurcht, die Gier im Blick der Umstehenden wahrgenommen und gewusst hatte, was sie antrieb.
Wir trugen die formellere Uniform, nicht die schwarze Lederkluft, sondern das Outfit von meinem ersten Tag im Goldenen Palast. Eine weiße Bluse, einen goldenen Brustpanzer und schwarze, enge Lederhosen. Nur Ramiel war ganz in schwarz gekleidet. Mit einem Umhang, der so pechschwarz war, dass er auch aus seinen Schatten bestehen könnte.
Er trug keine Krone, aber unter seinem Hemdsärmel lugte ein silberner Armreif hervor, den ich noch nicht kannte. Genauso wenig wie den Armreif kannte ich den Gesichtsausdruck, den er zur Schau stellte. Er erinnerte mich dunkel an den, bei unseren ersten Begegnungen. Aber er war noch überheblicher, siegesgewisser, mit einer Spur Grausamkeit und einer gewaltigen Menge Zorn, dessen Ausmaß er zweifelsfrei zu demonstrieren bereit war. Er würde jeden, der sich ihm in den Weg stellte in seine Schranken weisen und mir graute es davor, was das mit mir machen würde.
Auch die anderen vier hatten Masken aufgesetzt. Gleichgültigkeit, Arroganz, Furchtlosigkeit und Zorn spiegelte sich in ihren Mienen, Blicken und in ihrer Haltung wider. Ich versuchte es ihnen nachzutun, doch die zahlreichen lauernden, misstrauischen Blicke verunsicherten mich. Sie sahen mich an als wäre ich eine Feindin. Doch die meisten sahen Ramiel an, bewundernd oder voll unterdrücktem Zorn. Hatte er ihre Pläne mit seiner Rückkehr zerstört? Wünschten sie sich an seiner Stelle zu sein? Oder an meiner?
Es war Alicia gewesen, die gesagt hatte, dass meine Anwesenheit an seiner Seite mich zur Zielscheibe machen würde. Und das spürte ich. Ich spürte es mit jedem Schritt, ich sah es in ihren Gesichtern, in geballten Fäusten und herausfordernden Blicken, in abfälligen Grimassen und hämischen Blicken. Jeder Blick, jede Grimasse war eine Bedrohung, eine offene Herausforderung.
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