chapter 25
Woraus auch immer unsere Seelen gemacht sein mögen, die seine und die meine sind gleich. – Emily Brontë
„Alles okay?" Ramiel begann sich aufzurichten und zurückzuweichen, als ich immer noch weiter in meiner Starre verharrte. Das letzte Mal als ich ihn gesehen hatte, war er kurz davor gewesen mich umzubringen, aber da war er auch nicht er selbst. Ganz anders als jetzt. Ich sah die Sorge in seinen Augen, die Angst vor Zurückweisung und die Wachsamkeit.
Sein Blick wanderte zu meinem Hals und seine Augen wurden dunkler. Er trug ein schwarzes, schlichtes T-Shirt und eine Jeans, genau wie bei unserer zweiten Begegnung im Vorlesungssaal.
„Vio." Er hob seine Arme und ließ sie im nächsten Moment wieder sinken. Das Gedankenchaos in meinem Kopf wurde langsamer und hielt schließlich an. Ich warf mich auf ihn, schlang meine Arme um seinen Hals und hielt ihn ganz fest. Jetzt war er es, der für einen Moment erstarrte, sein Körper zitterte vor Anspannung, als er seine Arme vorsichtig um mich legte. Seine Hände tasteten sich über meinen Rücken, meinen Nacken, meinen Hals und über den Ansatz meiner Haare bis zu meinem Hinterkopf.
Er schluchzte und vergrub seinen Kopf an meinem Hals. Meine Hände, mein ganzer Körper bebte und zitterte, als ich ihn noch fester hielt. Winterminze und Orange erfüllten mein Bewusstsein, meine Sinne, mein Sein und ich konnte wieder atmen, tief und schmerzlos Luft holen.
Er fuhr durch meine Haare. Ich spürte seinen Herzschlag an meiner Brust, seine Hüfte unter meinen und schlang meine Beine um ihn. Ich wollte ihm nah sein, so nah wie es nur ging. Sein Atem veränderte sich, wurde unregelmäßig und schneller. Und als seine Lippen meine Haut streiften, überschlug sich mein Puls. Hitze stieg in mir hoch und breitete sich auf ihn aus.
Er küsste sich meinen Hals hinauf und hinterließ eine brennend heiße Spur. Mein Herz und seins trommelten im Einklang und als er den Kopf hob, das smaragdgrün seiner Augen von silbernen Schlieren durchzogen, sammelte sich die Hitze in meinem Bauch. Seine Fangzähne streiften seine Unterlippe, sein Daumen strich über meine Wange und meinen Kiefer, seine Hand legte sich in meinen Nacken.
Ich beobachtete atemlos, wie er die Augen schloss, wie er versuchte sich zu sammeln und zurückzuhalten und wie er den Kampf verlor. Genau wie ich. Unsere Lippen trafen sich zu einem ungestümen Kuss, zu einem Kuss, der alles verzehrte, alles forderte, alles bedeutete. Seine Zähne strichen über meine Lippen, ich zog ihn noch näher, stieß mit meiner Zunge gegen seine und bemerkte erst da, dass meine Hände ein Weg unter sein T-Shirt gesucht hatten und mein Oberteil in Fetzen um mich hing.
An unserem Kuss war nichts vorsichtig, nichts Zurückhaltendes. Er war roh, gewaltig, übermächtig. Er strich über meine Brüste, meinen nackten Rücken, mein Schlüsselbein.
Dieser Moment war Schmerz und Heilung zugleich. Schmerz wegen allem, was wir erlebt hatten und Heilung, weil wir in diesem Moment nicht vergessen, aber zusammen sein konnten.
Ich verlor mich in diesem Kuss, seiner Hitze, seiner Nähe, seinen Berührungen. Ramiel war alles. Dieser Moment, dieser Kuss war alles. Ich vergaß die Zeit. Ich vergaß alles um mich herum.
Bis Ramiel sich von mir löste und Richtung Tür sah. Gegen die anscheinend jemand hämmerte. Um uns herum lag meine Kuppel, mein Schild, das sich um uns herum ausgebreitet hatte, uns schützte. Und augenscheinlich die Tür zuhielt.
Ich sah an den dunkelblauen Vorhängen vorbei. Die Sonne stand hoch am Himmel und die Strahlen der Mittagssonne drangen durch die Baumkronen. Ramiel legte seine Stirn an meine, küsste jeden Zentimeter meiner Haut
„Vio, wenn du nicht gleich aufmachst, sprenge ich diese Tür in die Luft!" Cael brüllte und ich musste unwillkürlich grinsen, obwohl er wütend und besorgt klang.
„Geh zur Seite. Ich mache das." Ale klang zwar etwas ruhiger, aber man hörte auch ihr die Anspannung an. Ich ließ einen goldenen Faden zu dem Schrank schweben und zog mir ein T-Shirt über. Dann senkte ich die Kuppel und es krachte plötzlich. Ale und die Tür polterten schwungvoll auf den Boden. Natürlich landete Ale nicht auf dem Boden. Nein, sie stand auf der aus den Angeln geflogenen Tür, wie auf einem verdammten Surfbrett. Azael und Cael folgten ihr und alle drei erstarrten als sie uns sahen.
„Überraschung", flüstere Ramiel ergriffen.
Azael schubste Ale gegen Cael und stürzte sich auf Ramiel. Er nahm seinen Kopf in die Hände und sah ihn prüfend an. „Hallo Bruder." Azael traten Tränen in die Augen, die beiden umarmten sich und Ale und Cael schlossen sich an. Ich sah zu, wie sie ihn abtasteten, nach Wunden suchten, die nicht da waren, nicht physisch, wie sie ihn immer wieder ansahen und dachten, ihr Verstand würde ihnen einen Streich spielen. Wie sie ihn so oft fragten, ob es ihm gut ging, dass er die Frage nur noch mit einer hochgezogenen Augenbraue kommentierte.
Selbstverständlich verbreitete sich die Nachricht wie ein Lauffeuer. Und es war eine schöne Abwechslung, dass es ausnahmsweise nicht ich war, die im Mittelpunkt stand und allen erklären musste, dass er ihr gut ging und wo sie gewesen war. Mir ging alles zu schnell und ich klammerte mich an seine Hand, als könnte er sich jeden Moment wieder in Luft auflösen.
Ramiel sagte, dass er sich an nichts erinnerte. Dass seine letzte Erinnerung die Hölle war. Am Tag der brennenden Hochzeit. Und sie erst hier, vor meiner Zimmertür wieder einsetzten. Sein Blick war leer, während er das sagte. Ausdrucklos.
Wir zogen in Varaines gläsernen Anbau um und machten es uns dort auf den Sofas mit Decken und Getränken gemütlich, während wir Ramiel auf den neuesten Stand brachten. Ich hatte den Kopf an seine Schulter gelegt und mein Blick war auf unsere ineinander verschränkten Hände gerichtet. Ale und Cael redeten, während Azael und ich hin und wieder einen Blick wechselten, den man nur mit was-zur-Hölle beschreiben konnte.
Ramiel küsste meinen Hinterkopf als Ale von dem Kampf mit Baseel erzählte, von Alicias Entführung. Und ich hob den Blick und sah ihn an, beobachtete die steile Falte auf seiner Stirn, seinen angespannten Kiefer, seine Schatten, die um seine Schultern tanzten. Seine Iriden wurden erst silbern vor Wut, dann schwarz. Ich hatte nicht gewusst, dass das Onyx seiner Augen silbern war, sehr sehr dunkles Silber.
Nach einer ganzen Weile, nachdem Ale geendet hatte, sagte er: „Ich verstehe nicht, was die Kommandantin mit diesem Treffen erreichen wollte."
Wir waren alle perplex für einen Moment. Doch ich stürzte mich allen voran lieber auf diese Frage als auf all die anderen auf meiner Liste.
„Sie hat gesagt, dass du vielleicht die zukünftige Königin der Hölle bist?" Ale nickte und Ramiel sah mich nachdenklich an. „Masariel ist nicht der Typ, der anderen Honig um den Mund schmiert. Es wundert mich, dass sie auf deine zukünftige Gunst pokert."
„Eben. Es passt alles nicht." Cael lag neben uns auf dem Sofa und legte stöhnend den Kopf in den Nacken.
„Mir scheint, es gibt einige unbeantwortete Fragen. Aber ich würde sagen, die können bis morgen warten." Varaine war zu uns getreten. Ramiel hatte ihn vorhin schon kennengelernt, als auch Nakir und andere wichtige Dämonen aus seinem Haus da gewesen waren, um sich von der Wahrheit der Nachricht zu überzeugen.
Er brachte ein Tablett mit warmen Getränken und drückte mir augenzwinkernd einen Kakao mit Hafermilch in die Hand. „Deine Freundin meinte, dass du das ab und zu gebrauchen kannst." Ich dankte ihm und schickte ein Selfie in unsere Gruppe, die noch immer Die Glücksbringer:innen hieß.
Danke Ellie. Liebe euch.
Dann sah ich zu Ramiel hoch und machte ein zweites Foto, das ich ebenfalls in die Gruppe schickte. Ramiel sah gerade zu Cael und grinste schief, weil Ale ihm von meinem letzten Fauxpas mit meiner Magie erzählte. Wir hatten versucht, ob ich mich auch innerhalb dieser Welt teleportieren konnte und dabei war ich in einem steinernen Zwischenraum gelandet, aus dem ich eine ganze Weile nicht herausgekommen bin.
Es war bereits dunkel geworden und ich kuschelte mich auf Ramiels Schoß aus, während ich meine Beine auf Caels ausstreckte. Den Blick zum Sternenhimmel gerichtet und die Stimmen von Ramiel, Azael, Cael und Ale lauschend, konnte ich spüren, wie meine Magie wuchs. Wie mich dieser Moment stärkte. Ich fühlte mich unbesiegbar mit ihnen. Als könnten wir alles schaffen.
„Erinnerst du dich an unsere erste Begegnung in der Hölle?", fragte ich Ale und sah zu ihr.
Sie lächelte mich an und nickte. „Du hast den Goldenen Palast betreten, als würde er dir gehören."
„Und du sahst aus wie die Kriegerprinzessin meiner Träume", ergänzte ich.
„Du hast meine Ähnlichkeit mit Azael gesehen. Und meine Rüstung sah aus, als würde sie dir gehören."
„Du hast mir morgens Kaffee mit Hafermilch gebracht. Aber ich hatte dich schon vorher ins Herz geschlossen. " Ale strich über ihre eng geflochtenen Zöpfe, ihre Wangen nahmen eine rosa Färbung ein.
„Azalee, wirst du rot?", zog Cael sie auf. Azael strich ihr zärtlich über die Wange.
Sie erwiderte meinen Blick und räusperte sich dann. „Ich dich auch. Spätestens als du beim Parcours nach zwei Lavafeldern im Dreck gelandet bist und mir blutverschmiert gesagt hast, dass alles gut ist und du nur einen Moment brauchst." Jetzt grinste sie und ich grinste zurück. In all den vergangenen Wochen hatte ich es zwar nicht vergessen, aber doch nicht so gespürt, wie jetzt. Wie glücklich ich mich schätzen konnte, diese Menschen an meiner Seite zu haben. Dass ich niemals allein sein würde. Nie wieder.
„Als wir dich das erste Mal gesehen haben, hast du gerade mit einem Typen über Sex geredet", platzte Azael raus und grinste nostalgisch.
Ramiel versteifte sich und ich runzelte die Stirn. „Wovon redest du?" Ich sah zu Ramiel hoch, der Azael mit seinem Blick durchbohrte. Diesen schien das jedoch nicht zu kümmern, er wich unbekümmert und grinsend seinem Blick aus.
„Ja, erzählt doch mal", forderte Ale die Jungs auf.
Cael sah zu Ramiel. „Ich lasse dir den Vortritt", verkündete er ebenfalls grinsend.
Ramiel gab sich seufzend geschlagen. „Erinnerst du dich an die Nacht, als wir dir nach der Party durch den Park gefolgt sind?" Ich lachte dumpf. Als würde ich das jemals vergessen. „Wir haben das Verbindungshaus vorher beobachtet und du saßt auf der Verandatreppe und hast dich mit jemanden unterhalten. Ich habe nicht genau verstanden..."
„Oh, er hat es sehr gut verstanden. Jedes Wort", unterbrach ihn Azael. Ramiels Blick war mörderisch.
„Naja", Ramiel wandte sich. Es war ihm sichtlich unangenehm. „Wir haben halt auf eine gute Gelegenheit gewartet und mussten herausfinden, was uns erwartet, also kann es sein, dass ich das Gespräch auch gehört habe."
Ich hatte es tatsächlich etwas verdrängt, wegen der Ereignisse der Nacht, aber der Typ, mit dem ich geredet habe, muss Layken gewesen sein. Und dann erinnerte ich mich auch an den Inhalt des Gesprächs und sah grinsend zu Ramiel hoch.
„Da hast du mich das erste Mal gesehen?"
„Ja." Seine Stimme war rauchig, ergriffen. Er presste einen Kuss auf meine Handinnenfläche und das Feuer in seinen Augen loderte höher.
„Und wie", bestätigte auch Azael. „Der Anfang seiner Besessenheit." Ramiel warf ein Kissen, das Azael härter ins Gesicht traf, als man meinen sollte. Varaine neben ihm brach prustend in Gelächter aus, als Azael hinter dem Kissen hervorkam und seine Haare zu Berge standen. „Magische Schlachten, wie ich das vermisst habe."
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Liebe die Stimmung in diesem Kapitel 💛💛💛 was sagst du?
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