chapter 24

„Vio."
Ich schreckte hoch, als mich etwas Eiskaltes traf.
„Ich habe doch gesagt, dass das übertrieben ist", beschwerte sich jemand.
„Sie ist jetzt wach, oder?"
Ich blinzelte und erkannte sofort die dunkelblauen Vorhänge meines Zimmers. Meines Zimmers im Haus des Hexenmeisters.

„Ihr hasst euch nicht mehr? Habe ich das geträumt?" Ich räusperte mich und sah zu meinem Nachttisch, auf dem kein Glas Wasser stand.
„Hier", Azael reichte mir ein Glas und ich trank es gierig leer. „Es war kein Traum. Leider", fügte er hinzu. „Aber Nakir hat eine Theorie."

Mein Blick schoss zu der Dämonin, die an dem Pfosten meines Bettes lehnte. „Es ist nur eine Theorie, aber nachdem ich das gerade gesehen habe..."
Cael räusperte sich. Er saß zwar auf dem Bett, aber soweit entfernt von mir, wie es nur ging. Azael tupfte mit einem Handtuch auf meinem Gesicht herum, woraufhin ich ihn entgeistert ansah. „Äh, du bist da nass."

Erst jetzt spürte ich die Kälte und fischte einen Eiswürfel aus meinem Ausschnitt. Azael verkniff sich mühsam ein Grinsen, während ich meine nassen, eiskalten Haare zu einem Knoten zusammenfasste. Ich ließ ihn nicht aus den Augen.

„So ist das also." Ich warf den Eiswürfel zurück in den Eimer, der neben mir auf dem Boden stand. Azael grinste jetzt unverhohlen und ich konnte es nur erwidern. Erleichtert darüber, dass die beiden anscheinend beschlossen hatten sich nicht weiter an die Kehle zu gehen.

„Wie lautet deine Theorie?", wandte ich mich an Nakir und hörte Azael neben mir ausatmen. Der soll sich lieber nicht zu früh freuen, grollte ich.
„Wir sind das Haus Zorn." Ich blinzelte sie an. „Zuerst der Machtverlust und jetzt das. Ich habe ähnliches in der Hölle beobachtet. Bei Geschwistern, Liebenden, besten Freundinnen, eingeschworenen Soldaten einer Einheit. Überall sind Konflikte eskaliert und die vorherrschende Emotion dabei war immer dieselbe."

„Wut", murmelte ich.
Nakir mied meinen Blick. „Exakt. Es ist fast so, als wäre es..."
„ein letztes Aufbegehren unserer Macht." Azael schluckte. „Wir werden schwächer und es war nicht unsere Wut, die wir da gespürt haben. Es war zwar unser Kerngedanke, das schon, aber ich glaube, es war...."

Seine. Ich wusste es, ohne dass sie es aussprachen. Es war Ramiels Wut, es war Ramiels Zorn, der unseren Funken Wut in ein brennendes Inferno verwandelt hatte.

Hinter den Vorhängen war es dunkel. Ich sprang auf, schnallte mir meinen Gürtel um, und befestigte meinen Dolch an meinen Oberschenkel und den anderen an dem Gürtel, neben der Phiole.

„Vio..." Azael griff nach meinem Arm.
„Wir dürfen jetzt nichts überstürzen..." Cael war ebenfalls aufgestanden.
„Ich überstürze nichts", stellte ich klar und griff nach meinem Umhang. „Wir treffen uns morgen früh und ich erkläre es euch."

Dann verließ ich das Zimmer und stieg die Treppe zu Varaines Refugium hinauf. Er erwartete mich bereits. Das Portal war geöffnet. Es befand sich direkt neben der jetzt leeren Stelle, an der vorher das Sofa und der Tisch gestanden hatten. Reste von Rauch hingen noch in der Luft

„Es wird nicht so leicht sein, wie vergangene Nacht", warnte er mich. „Vergiss nicht..."
„Keine Leichen", unterbrach ich ihn und ging durch das Portal.
Ramiels Wut war ein Hilferuf gewesen. Vielleicht sein letzter. Und ich konnte nur an Zaqiel denken. Die Reinheit Gottes, die heute sterben würde.

Eine andere dunkle Gasse, eine andere Stadt, derselbe Lärm, derselbe miefige Geruch. Ich war gerade erst aus dem Portal gestiegen, als ich eine Stimme hörte.
„Du..."
Ich drehte mich gemächlich um.

„Hallo." Ich lächelte und der Engel hielt verwundert inne. Er war wunderschön. Blonde Locken, himmelblaue Augen, groß, muskulös und er strahlte vor Helligkeit. Er leuchtete und warf einen hellen Kreis um sich herum. Ich stand im Dunkeln.

„Du warst es."
„Ich war es."
„Aber wie..."

Meine Magie drang in die Schatten außerhalb seines hellen Kreises, kontrollierte sie. Begann zu vibrieren und erfüllte mich und die Luft um mich herum. „Du streitest es nicht ab, oder?" Wieder schlich sich ein Lächeln auf meine Lippen. Rache war wirklich bittersüß. Sie schmeckte wie mein Zorn, wie meine Magie.

Der Engel schüttelte den Kopf. An seinem sichelförmigen Schwert klebte frisches, rotes Blut. Wie viele Menschen, wie viele Leben hatte er willkürlich beendet? Die Erinnerungen von meiner ersten Reise zur Hölle, überfielen mich. Wie ich mich an die Hinrichtung meines Vaters erinnerte, mitansehen musste, wie er starb.
„Nein, aber es war ein F..."

Wir würden nie erfahren, was der Engel noch sagen wollte. Ich warf den Dolch und beobachtete das Funkeln des schwarzen onyx, als er durch die Luft flog und sich dann in die Brust des Engels bohrte. Ich trat in seinen flackernden Heiligenschein und die Schatten meiner Magie folgten mir.

Der Engel akzeptierte sein Ende. Er schloss die Augen. Ich drehte den Dolch und lauschte dem Pfeifen seiner kollabierenden Lunge. Die Schatten sammelten sich um mich herum, hüllten mich ein, während ich den Korken von der Phiole zog. Zaqiel hob die Hände, anders als Daniel übergab er mir seine Seele, seine Macht freiwillig. Die Schatten trieben das weißgoldene Funkeln in die Phiole, die ich sorgfältig verschloss.

„Danke", hauchte Zaqiel und einem Impuls folgend, fing ich ihn auf, bevor er hart auf dem Boden aufschlug. Sein Blick war starr nach oben gerichtet. Seine himmelblauen Augen leblos.

Erst kurz vor dem Morgengrauen fiel ich ins Bett und schlief sofort ein. Mein Schlaf war beruhigend traumlos. Als ich aufwachte, drangen die Sonnenstrahlen bereits durch die Vorhänge. Jemand strich mir meine Haare zurück und küsste meinen Nacken. Ich hörte ein vertrautes Brummen und kuschelte mich näher an den warmen Körper neben mir.

„Cael?", murmelte ich und tastete nach seiner Hand, die ich mir blinzelnd vor die Nase hielt, während sich meine Augen an die Helligkeit gewöhnten. Das war nicht Caels Hand.
„Rate nochmal, Vio."

Ich erstarrte und vergaß zu atmen, dann fuhr ich hoch und wirbelte herum. Unmöglich, unmöglich, unmöglich, ratterte es in meinem Kopf herum. Das ist nicht real, das kann nicht real sein, es muss ein Traum sein. Kurzerhand kniff ich mich und sah zu wie die Stelle an meinem Arm rot wurde, ich spürte den Schmerz, aber ich fühlte ihn kaum. Ich war noch immer erstarrt.

„Ramiel." Ich begann zu zittern. Er grinste mich an. Er grinste. Ich konnte es nicht glauben. Wie sehr ich sein schiefes Grinsen vermisst hatte. Das smaragdgrüne Funkeln seiner Augen. Sein tintenschwarzes Haar, sein aufmerksamer Blick, ihn. Wie sehr ich ihn vermisst hatte.

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