chapter 15
Ramiel
Vio hin gebannt an meinen Lippen. Ihre rosa Haare waren auf dem Kissen ausgebreitet und sie lag an mich geschmiegt. Ihr Gesicht war noch immer erhitzt, weil ich sie mit dem Roman aufgezogen hatte, den sie vorhin gelesen hatte.
Ich erzählte ihr die Geschichte, die einzige Geschichte, die mich daran hatte glauben lassen, dass Dämonen lieben konnten. Sie handelte von einem jungen Engel und einer Dämonin, von Seelenverwandten, die ihre Unsterblichkeit opferten, um zusammen sein zu können. Sie war ein Mythos und ein Märchen, aber waren nicht alle Legenden in irgendeiner Weise wahr?
Ich küsste Vios Kopf, hielt sie noch fester, während ihre Atemzüge gleichmäßig wurden. Sie im Arm zu halten war das Schönste, was ich je gefühlt hatte, und ich hielt mich daran fest. Solange es ging.
Feuer fraß sich durch meine Adern, glühender Stahl brannte sich in meinen Rücken, die eisernen Fesseln um meine Gelenke wurden gespannt, zurrten sich fester. Ich konnte nicht einmal mehr schreien, mein Körper war derart schwach, dass jeder Atemzug eine Herausforderung war. Und eine Qual.
„Ach mein Sohn, würdest du doch nur aufhören, dich an irgendwelche lächerlichen Erinnerungen zu klammern. Sie wären doch schon längst hier, wenn sie vorhätten, dich zu retten. Du musst es endlich einsehen. Um unser beider Willen."
Seine Stimme in meinem Rücken, verwandelte das Feuer in meinen Adern zu Eis. Ich begann zu zittern. „Ich weiß nicht, wie es dir die letzten Male gelungen ist, mich zu überlisten, wie du es geschafft hast, nicht zu brechen. Aber dieses Mal werde ich es sicherstellen. Du wirst nicht als du selbst zurückkehren. Du wirst stärker sein, stärker als du dir jemals erträumt hast."
Er musste meinen Widerwillen spüren, denn er lachte leise, ein ungewohnter Ton für uns beide. „Du wirst es verstehen. Früher, als du denkst, Ramiel." Da lag neue Zuversicht in seiner Stimme, die mir Sorge bereitete. Er triumphierte bereits. Seine eiskalte Hand legte sich auf meine Stirn. Fürchterliche Kälte breitete sich aus, begann den Schmerz zu betäuben, bis ich ihn nicht mehr fühlte. Ich versuchte ihn zurückzuholen, alles war besser als diese Kälte, die jedes Mal ein bisschen weiter in mich eindrang. Die meinem Innersten mit jedem Mal etwas näher kam.
Ich fragte mich, welche Alpträume er dieses Mal für mich bereit hielt und war überrascht, als wir in einer Menge Dämonen auftauchten. Wir waren im Goldenen Palast und in einer seiner zahlreichen Kampfarenen. Mein Blick suchte nach vertrauten Gesichtern und fand sie. Azael, Cael und Azalee hatten den Blick auf etwas hinter der Scheibe gerichtet. Sie nahmen uns nicht wahr, aber ich wusste, dass das hier kein Alptraum war, sondern die Realität.
Die drei sahen besorgt aus, müde und schwach. Cael zuckte zusammen und ich folgte seinem Blick. Baseel kniete auf dem Boden und schlug auf jemanden ein, dessen Gesicht ich nicht erkennen konnte. Blut bedeckte den Boden. Rotes, menschliches und schwarzes Dämonenblut. Die Wände glühten von der Magie, die sie den Kämpfenden abgezogen hatten, die goldenen Adern im dunklen Marmor pulsierten.
Mein Blick landete erneut auf Azalee. Ihre Hand lag auf dem Griff ihres Messers. Sie war blass geworden, was die Schatten unter ihren Augen nur noch dunkler aussehen ließ. Caels Miene war grimmig und er erwiderte Azaels Blick mit einem Nicken. Sie griffen ebenfalls nach ihren Waffen, bereit den Kampf zu unterbrechen. Ein Raunen ging durch die Dämonen, Baseel lag plötzlich auf dem Rücken und sah sich orientierungslos um. Er schaffte es nicht den Tritten und Schlägen auszuweichen, die er nicht kommen sah. Und ich erkannte, wer es war, der gegen ihn kämpfte.
Vios Haare waren blau. Ihre Lippe war aufgeplatzt, Blut lief über ihr Kinn und ihr rechtes Auge schwoll an. Sie humpelte und hielt sich eine Seite. Sie war muskulöser geworden, ihr Blick härter. Sie machte ihn fertig und ganz anders, als er es sich erhofft hatte, war ich einfach nur froh sie zu sehen. Ich hatte keinen Zweifel, dass sie es nicht schaffen würde. Oder im Notfall, dass Azael, Cael und Azalee sie da rausholen würden.
Vio sah hoch und mir war als würden sich unsere Blicke treffen. Meine Brüder wechselten einen bedeutungsvollen Blick. Ich behielt Vio im Auge. Sie wich Baseels nächstem Griff nicht aus und ließ sich auf den Boden schleudern. Sofort war er über ihr und dann begann Azalee zu brüllen und knallte gegen die Wand hinter sie. Augenblicklich schnellten die Blicke zu ihr. Selbst der Inquisitor und seine Marionetten warfen einen besorgten Blick in unsere Richtung.
Vio nutzte die Ablenkung, von der sie gar nicht sicher sein konnte, dass sie funktionierte und holte einen Dolch aus ihrem Stiefel, den Dolch, mit dem sie den Offizier getötet hatte, und rammte ihn sich zwischen zwei Rippen. Eine unbedenkliche Stelle, wohl kalkuliert, aber dennoch stand mir jetzt Schweiß auf der Stirn. Es könnte sie umbringen. Vio schrie und die Blicke schnellten zu ihr zurück. Sie zog den Dolch heraus und schlitzte den ungläubig blinzelnden Baseel kurzerhand die Kehle auf.
Sein Blut bedeckte sie, während Baseel auf die Knie sank und starb. Vio betrachtete ihn, den Dolch noch immer in der Hand, Triumph blitzt über ihr Gesicht, bevor sie die Waffe klirrend fallen ließ und sich die blutende Wunde hielt. Sie flüsterte etwas, was im Rauschen meiner Gedanken unterging. Dann kippte sie um und der Raum um mich verlor an Kontur. Die Stimmen verschwammen. Ich versuchte mich an Vios Silhouette zu klammern, doch sie wurde mir mit einem schmerzhaften Ruck entrissen.
Ich wütete und tobte, doch ich konnte absolut nichts gegen ihn ausmachen. Mein Körper, meine Seele konnte nicht mehr geheilt werden. Es waren derart zahlreiche Wunden, dass keine Magie sie mehr heilen konnte. Blut wäre das Einzige, was stark genug wäre, doch er würde niemals zulassen, dass ich etwas bekomme.
Ich wusste es. Ich wusste, dass er meine Erinnerungen, das, was mich ausmachte, nach und nach abschabte. Schicht für Schicht. Langsam und gründlich. Sorgfältiger als die Male davor. Bis er bei meinem Innersten ankommen würde, an dem Punkt, an dem ich nichts mehr war und nichts mehr fühlte. Erst dann würde er aufhören. Erst dann würde er sich zufriedengeben.
Die Zeit danach verbrachte ich in einer Art Trance. Die Angst um Vio hielt mich gefangen und ich würde nahezu alles dafür geben, um zu wissen, ob es ihr gutging. Er ließ mich seltsamerweise in Ruhe.
Ich dachte die ganze Zeit an sie. An unsere gemeinsame Zeit, unsere Küsse, ihren Körper, ihr Lachen. Ihr konzentrierter, versunkener Blick beim Lesen, ihr amüsiertes Grinsen oder die Hitze in ihren Wangen, wenn sie etwas Anzügliches las. Alles um mich herum verschwamm und nur das zählte noch. Ich sah sie mit Azalee herumalbern, mit Cael streiten und mit Azael kämpfen. Sie waren mein Kern. Mein Innerstes. Meine Seele.
Wegen ihnen schaffte ich es noch immer Widerstand zu leisten. Wegen ihnen lebte ich noch, atmete und kämpfte.
Seine Hand kam aus dem Nichts. Ich hatte ihn nicht wahrgenommen. Als mich seine Kälte dieses Mal einhüllte, spürte ich wie sie mein Innerstes einschloss. Der Druck war kaum auszuhalten, doch ich war entschlossen. Ich würde nicht brechen. Er würde mich niemals brechen.
Ich war erstaunt, als ich bemerkte, wo wir dieses Mal waren. Ich kannte diesen Club. Seine Kälte fraß ich weiter durch meinen Körper, absorbierte alles, jede Emotion, jede Gefühlsregung. Dann hielt sie abrupt inne.
Ich sah sie. Vio tanzte und ich konnte mein Glück kaum fassen. Sie lebte. Sie strahlte. Ihr schwarzes Korsett lag eng an ihrem Oberkörper, genau wie die schwarze Lederleggins. Mein Blick wanderte weiter, über ihre geschminkten Augen, ihre hellblauen Haare, ich liebe sie, ihre zahlreichen Ohrringe bis zu den vertrauten Ringen an ihren Fingern und... einen neuen. Sie trug einen meiner Siegelringe an ihrem Ringfinger. Mein Herz pulsierte und mein Atem stockte.. Er wusste es nicht, aber das hier war ein Geschenk. Sie zu sehen war ein Geschenk und sie trug meinen Ring. Ich konnte es einfach nicht fassen.
Unwillkürlich grinste ich als ich ihre geliebten Stiefel entdeckte. Ich hatte sie ihr in die Hölle gebracht. Nachdem Alicia sie dahin verbannt hatte, und ich erinnerte mich allzu gut an ihren Gesichtsausdruck. Cael fehlte, aber Nakir war dabei. Sie alle vier waren wohlauf und ich konnte meine Erleichterung nicht verbergen. Seine Kälte nahm sie mir im nächsten Moment. Ich wollte sie festhalten, kämpfte darum mein Innerstes auszubreiten und die Kälte zurückzudrängen. Solange ich mein Innerstes vor seiner Kälte bewahrte, würde ich ihm standhalten können. Es war egal, was er mir antat, egal, welche Schmerzen er mir zufügte. Ich würde nicht nachgeben. Ich würde ihm mein Innerstes nicht übergeben.
Ich sah zu Vio. Erneut überschwemmte mich Erleichterung und dieses Mal war da keine Kälte, die sie auffraß. Sie tanzten derart ausgelassen, dass mich der plötzlich aufsteigende Neid vollkommen überrumpelte. Es dauerte einen Moment, bis ich verstand, dass er so stark war, weil er ihn nicht zurückhielt. Er ließ ihn mich spüren. Und dann waren da noch ganz andere Empfindungen, durch die ich mich sofort schuldig fühlte.
Ich wollte bei ihnen sein. Ich wollte mit ihnen tanzen Es tat weh zu sehen, wie ausgelassen sie tanzten. Wie ihr Leben ohne mich aussah. Ich wusste, dass es nur ein Moment war. Objektiv betrachtet war ich mir sicher, dass sie mich vermissten und zurückhaben wollten. Nur sah ich nichts davon.
Die Lichter tanzten durch die Menge und blieben bei Vio stehen. Ich schluckte, als ich Hände sah, die auf ihrer Taille lagen und zu ihrer Hüfte wanderten. Als ich sah, wie sich jemand zu ihr beugte und sie auf die Wange küsste. Er trat zu ihr in den Scheinwerferkegel und alles in mir, selbst das Eis, erstarrte, als ich sah, wer es war. Ungläubig wanderte mein Blick zu Ale, zu Azael, zu Nakir, doch sie alle grinsten Vio besonnen an. Zapharias tanzte hinter Vio, mit den Händen auf ihrem Körper und es war schlimmer als jeder Schmerz, den er mir angetan hatte. Ich stand in Flammen, ich hatte das Gefühl von innen heraus zu verbrennen. Es waren schmerzhafte eisblaue Flammen, die sich durch mein Innerstes fraßen.
Ich stürmte die Treppen hinunter und er ließ mich gewähren. Er ließ zu, dass ich durch die Menge stürmte, bis ich bei ihr angekommen war. Alles in mir brüllte, tobte, wütete. Es war nicht auszuhalten. Ich schrie ihren Namen und verfluchte ihn. Doch niemand hörte mich. Niemand sah mich. Der Teufel hielt mich verborgen und es war die Hölle. Meine persönliche Hölle. Er hatte sie ausfindig gemacht.
All die Bilder und Szenarien, die er mir bisher gezeigt hatte. Azalee, die sterbend auf dem Boden lag. Azael, wie er von Cael erstochen wurde. Vio mit einem anderen Mann. Vio, tot in der Sandwüste. Vio, wie sie mit silbernen Dämonenaugen eine Horde Menschen abschlachtete. Ich hatte immer erkannt, dass sie nicht echt waren. Hatte immer einen Fehler in seinen Visionen gefunden. Aber genau das, war jetzt das Problem. Mit all seinen Visionen hatte er nichts erreichen können, doch das hier, das war echt.
Vios umfasste seinen Bizeps, lehnte sich gegen ihn und schloss die Augen. Ich würgte und meine Augen begannen zu brennen. Fieberhaft suchte ich einen Hinweis darauf, dass das hier doch nicht real war. Nach einem Flimmern in seiner Vision. Einem Zeichen. Doch da war nichts. Zapharias Finger wanderten über ihr Schlüsselbein und den Ansatz ihrer Brüste. Ich sank auf die Knie. Kniete zwischen all den Dämonen, die mich nicht sehen konnte, während er dafür sorgte, dass ich Vio und Zapharias bestens im Blick behielt.
„Vio". Mein Brüllen war einem Flüstern gewichen. „Vio, bitte." Meine Stimme hatte noch nie so heiser, so verzweifelt geklungen. „Ich bin hier."
Sie riss die Augen auf. Er versteifte sich neben mir. Ich konnte seinen Unglauben spüren, während er mich von ihr wegzerrte. Vio sah sich verwirrt um und verzog gequält das Gesicht. Ich wehrte mich mit allem, was ich hatte, wollte ihr unbedingt nah bleiben. Ich sah das Beben ihrer Brust, das Zittern in ihren Händen, als ihre Anspannung nachließ und sie zusammensank. Sich gegen ihn lehnte.
Wir waren wieder auf der Empore. Und ich war am Ende. Azalee sah einfach zu, wie Vio weiter mit ihm tanzte. Nach allem, was er ihr angetan hatte. Auch Azael nahm ihn nicht einmal zur Kenntnis. Und Nakir, auf ihr Urteilsvermögen hatte ich so viel gegeben, grinste die beiden nur an und wackelte anstößig mit den Augenbrauen. Ich würde mich lieber ein Jahrhundert körperlich foltern lassen, als das hier weiter mitansehen zu müssen.
Meine Gefühle waren so überdeutlich, so unverfälscht und roh, so wahrhaftig und stark, dass sie mich erneut in die Knie zwingen würden, wenn ich mich nicht an die Brüstung klammern würde.
Er hatte sich Zeit gelassen, bis er das Wort ergriff. „Siehst du es? Wie ihr Leben ohne dich aussieht?" Mein Atem zitterte, alles in mir brüllte und schmerzte. Doch die Wahrheit ließ sich nicht vertreiben. „Sie haben Spaß. Sie feiern. Sie brauchen dich nicht. Sie denken nicht einmal an dich. Nicht eine Sekunde. Und deine Geliebte? Sie lassen es zu. Sie verraten dich mit jedem Atemzug."
Er trat näher. Sein Ton war lauernd, vorfreudig. „Und jetzt sieh genau hin." Zapharias drehte Vio in seinen Armen. Sie sah ihn an, während sie sich an ihn schmiegte, sie lächelte ihn an. Seine Hände wanderten über ihren Körper und ich schmeckte Blut. Er küsste ihr Schlüsselbein, ihre empfindlichste Stelle, ihren Hals, ihren Kiefer und dann küsste er sie und ich schloss die Augen, als der Schmerz mich überwältigte. Als sich die Kälte wie eine Welle in mir ausbreitete und alles mit sich riss. Bis mein Innerstes, mein Kern zersprang, in Tausend Einzelteilte zersplitterte, bis alles verschwunden war, was mich ausmachte. Bis nichts mehr von meinen Gefühlen, meinen Erinnerungen, bis nichts mehr von meiner Seele, von mir, existierte.
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🥺🥺🥺
Wärst du bei einer Lesenacht dabei?💛 Jetzt soll es doch schnell weitergehen, oder? Wie klingt morgen?
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