3. Kapitel ~ Calliope ✔

C A R M O D Y

In dem Moment war Carmody einfach nur froh, dass sie ihre blaue Perücke dabei hatte, um auf Calliope umsteigen zu können. Rasch schmiss sie ihre Snapback Cap in ihren Rucksack, nahm die Kontaktlinsen heraus und tauschte sie gegen braune. Die Perücke warf sie sich über und zog den Pulli aus. Zwar trug sie nur einen BH darunter, aber für Calliope war es normal, sehr freizügig durch die Straßen zu spazieren. Sie fischte aus ihrem Rucksack eine Lederjacke, die sie sich trotz des Wetters um die Schultern warf und verließ schnellen Schrittes das leergefegte Konzertgebäude.

Carmody atmete tief durch, ehe sie ihr Auto öffnete und sich auf den Fahrersitz schmiss. Sie startete den Motor und schon war sie losgefahren. Zu ihrem Glück wurde sie nicht angehalten und das, obwohl sie das Fahren auf der rechten Seite noch von Amerika gewohnt war. Vor der Basis machte sie eine Vollbremsung und betrat das - für die Polizei - scheinbar leere Gebäude. Es war groß und dunkel, passend zu ihrer Mafia. Schnellen Schrittes hetzte sie die Treppe hoch, verfluchte Ian dafür, dass er keine Fahrstuhl einbauen lassen wollte, da es zu auffällig wäre, und blieb keuchend vor dem Computerraum stehen.

Um keinen schwachen Eindruck zu vermitteln, strich Carmody ihre Haare glatt, reckte das Kinn in die Höhe und ging in den Computerraum, in dem mehrere Tische vor einem riesigen Computer eingereiht waren. Ian stand bei den riesigen Computer und tippte beinahe aggressiv auf die Tastatur. ,,Da bist du endlich", sagte er, ohne Carmody auch nur sein Gesicht zu zeigen. ,,Wir haben mächtige Probleme, Calliope." Wenn es darum ging, sich schnell in eine andere Rolle zu versetzen, dann war Ian ein Ass darin, obwohl er vor etwa einer halben Stunde noch den Manager gespielt hatte.

,,Was ist denn?", brummte Carmody desinteressiert und ließ etwas stolz ihren Blick über ihre Mafia gleiten. Viele unter ihnen wurden von ihr ausgebildet, bis auf Ian, der hatte dabei sogar geholfen. ,,Welcher Vollidiot hat kein Passwort eingestellt? Und wer hat überhaupt das System gehackt? Ich dachte, das wäre unmöglich."

,,Ist es auch", sagte Ian und winkte Vincent zu sich herüber. ,,Vincent, erklärte Calliope bitte, was du herausgefunden hast."

Vincent rückte seine Brille zurecht und erzählte dann mit stolzer Stimme: ,,Ich weiß, wo der Hacker ist. Er oder sie war nicht äußerst vorsichtig und hat es mir beinahe zu einfach gemacht, sein oder ihr System ebenfalls zu hacken. Der Hacker ist bei der alten Müllheide."

,,Danke", erwiderte Carmody nun nicht mehr so entnervt und rief dann und die große Runde: ,,Wer kommt mit, sich an einem Hacker rächen?"

,,Uh! Ich!", schrie Jason. ,,Ich will dabei sein, bitte! Ich!" Zwar war Jason ein Anfänger und hatte vor kurzem erst seine Ausbildung beendet, aber Carmody nickte schließlich, da sich sonst niemand freiwillig meldete oder zu beschäftigt mit Arbeit war.

,,Meinetwegen", meinte Carmody.

○○○

Nur zu gut kannte Carmody diese trostlose Gegend. Und auch, wenn es nur eine Müllheide war, lauerten hier viele unermäßliche Gefahren, die nur so darauf warteten, eingegangen zu werden. Carmody ging vor, Ian gab ihr Rückendeckung und im Schlepptau war Jason, der viel zu aufgeregt wirkte, da er andauernd von einem Bein auf das andere hopste und jedes Mal, wenn ein Geräusch ertönte, leise aufqieckte. Inzwischen breute sie es, ihn mitgenommen zu haben, aber irgendwie war sie doch froh, da nur sie und Ian nicht äußerst stark sein konnten, wenn der Hacker mehrere Verbündete hatte.

Carmody hörte plötzlich Stimmen und bedeutete den beiden, zu schwiegen. Sie zeigte Ian, dass sie ein Ablenkungsmanöver durchführen würde und versteckte ihren Revolver in ihrer Hosentasche. Mit gesenktem Blick folgte sie der Stimme und nahm wahr, dass es sich um drei Personen handelte. Männer, eindeutig.

,,Und dann - dann hat sie einfach aufgelegt. Ist das zu fassen? Da serviert sie mich einfach ab. Und dann ist sie auch noch so heiß, einfach zum anbeißen. Ich würde sie, wenn sie hier wäre, auf der Stelle hart durchnehmen", sprach eine ekelhafte Stimme, die Carmody nur zu bekannt vorkam. Ashton.

Ashton hatte ebenfalls seine eigene Mafia und war bloß drei Jahre älter als Carmody. Früher, als Carmody am Anfang ihrer Mafia war, glaubte sie, es könnte Frieden herrschen, doch sie war zu naiv gewesen. Ashton und sie hatten sich geküsst und sie hatte sich doch tatsächlich Hoffnungen gemacht, aber dann erfuhr sie, dass Ashton sie nur als einen Zeitvertreib ansah. Seitdem hasste sie ihn abgrundtief. Sie konnte solche Männer einfach kocht ausstehen, auch wenn Ashton mit seinen vielen Muskeln definitiv attraktiv war.

,,Alter, du willst das doch nicht wirklich? Aber jetzt mal ganz ehrlich, die Kleine muss dumm sein, zu glauben, dass wir sie nicht hacken können", sprach eine andere Stimme mit einem spöttischen Unterton.

,,Hallo?", rief Carmody mit gespielter zitternder Stimme in die Richtung, aus der die anderen Stimmen kamen und trat mit theatralisch wackeligen Beinen auf die kleine Lichtung, in dessen Mitte ein Feuer brannte, welches von Müllkontänern umzingelt war. ,,Kann mir jemand helfen?" Sie sah, wie Ashton von einer kleinen Mülltonne aufstand und mit animalischen Schritten auf sie zuschlenderte.

,,Wie heißt du, Kleine?", fragte er sanft und beugte sich etwas zu ihr, wobei er Carmody erst gar nicht als Calliope erkannte, sondern dachte, sie wäre wirklich ein verängstigtes Mädchen.

,,Calliope", sagte sie nun und blickte breit grinsend zu ihm auf.

Das selbstsichere Lächeln aus seinem Gesicht war plötzlich wie weggewischt und er weitete seine Augen vor Schreck. ,,Calliope, wie -?" Noch bevor er seinen Satz zu Ende führen konnte, ertönten zwei Schüsse hintereinander und Ashtons zwei Verbündete fielen leblos zu Boden. ,,Was zum -?" Erneut wurde er von einem Geräusch unterbrochen, jedoch war es diesmal Carmodys Revolver, den sie ihm unter das männliche Kinn hielt und entsicherte.

,,Hast du mich vermisst, Süßer?", fragte sie mit zuckersüßer Stimme, während Jason und Ian sich neben ihn stellten und ihre Maschinengewehre auf Ashton richteten. ,,Rache ist süß, nicht wahr?"

,,Du wirst mich nicht umbringen", spottete Ashton selbstsicher, hob allerdings trotzdem die Arme in die Luft. ,,Du hast noch nie jemanden umgebracht, Calli. Das hast du mir selber gesagt. Die ach so gefährliche Calliope hat noch nie einen Mord begangen. Weißt du, dass das dich nur süßer und ungefährlicher in Augen Anderer macht, wenn irgendjemand außerhalb deiner Mafia erfährt?"

,,Ich werde dich nicht umbringen", erwiderte Carmody trotzig. ,,Aber Ian schon. Du hast recht, es wäre tatsächlich ein Desaster, wenn jemand das erfahren würde, aber das wird nie passieren. Ian - los!" Mit einem einfachen Schuss sorgte Ian dafür, dass Ashton auf die Knie fiel und dann leblos zu Boden sank. ,,Mission erfolgreich erledigt", sprach Carmody in ihr Mikrophon, welches sie mit ihrer Mafia verband. ,,Und jetzt gehe ich shoppen", fügte sie munter hinzu und ließ Ian und Jason an Ort und Stelle stehen.

○○○

Wenn Carmody in einer Sache keinen guten Geschmack hatte, dann waren es Kleider, welche sie kaufte. Um nicht als Calliope, sondern als Roxy erkannt zu werden, hatte sie die Perücke abgenommen, ihre Cap aufgesetzt und die Kontaktlinsen gewechselt. So kam es, dass sie durch Hollister hin und her lief, während Ian ihr hinterher dackelte mit Tüten in den Händen. Jason war wieder zurück zur Basis gefahren. Allerdings war es so wie immer, wenn man mit Ian shoppen ging: er kommentierte immer alles. ,,Das passt doch gar nicht zu deinen blauen Augen", motzte er herum, als sie ihm einen grünen Hoodie vor die Nase hielt.

,,Ja, aber er passt zu Calli", sagte Carmody siegessicher und hing den Hoodie über ihren Arm. Insgesamt hatte sie den Hoodie, ein Paar Sneaker, einen Schal und einige Zopfgummis als Ausbeute. Trotzdem verzog Ian das Gesicht etwas verstört.

Dann klingelte Ians Handy und er ging ran. ,,Ja?", sprach er in den Hörer. ,,Natürlich, das bin ich... gleich? Ja, sie ist bei mir. Wir sind in der Stadt... genau, London... bis gleich." Damit legte er auf und blickte zu Carmody hinunter. ,,Wir müssen ins Studio. In einer halben Stunde triffst du einen erfolgreichen Musikproduzenten, der dir ein gutes Angebot machen kann."

Carmody seufzte resigniert. ,,Wir haben schon acht Uhr abends und jetzt soll ich mich mit so einem Musikproduzenten treffen? Wirklich?", brummte sie. Nach Ians warnenden Blick nickte sie ergeben. ,,Gut. Lass uns fahren."

Carmody bezahlte alles und sie und Ian verließen den Laden - niemand enttarnte sie als Roxy - und stiegen ins Auto. Ian fuhr und Carmody sang leise zu den Songs in Radio mit. ,,Wie heißt der Musikproduzent denn?", fragte die mittendrin, als Musik spielte.

,,Simon Cowell", antwortete Ian leise, wahrscheinlich in der Hoffnung, dass sie sein Genuschel nicht hörte, doch dem war nicht so.

,,Simon Cowell ist dich der Manager und Musikproduzent von...", fing sie an.

,,...One Direction", beendete er den Satz.

,,Ich hasse dich, Ian, weißt du das?", wütete Carmody und schrie kurz frustriert auf. ,,Du kennst meine Antwort!"

,,Ja, aber hör dir doch mal an, was er dir zu sagen hat."

,,Wenn er die Rasselbande dabei hat, drehe ich diesem Styles den Hals um, zerstöre Maliks Föhnfrisur, wische Tomlinson sein dämliches Grinsen aus dem Gesicht und stürzte mich auf Horan."

,,Das will ich sehen", sagte Ian spöttisch.

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