Teil XVII

"Sam? Dean?", Sam hätte nicht gedacht diese Stimme in seinem Haus zu hören. Er dachte, Gabe wäre wieder gegangen, hätte die Kurve gekratzt wie letztes Mal, doch jetzt konnte er ihn aus dem Flur rufen hören. Er starrte auf die leeren Flaschen vor ihm und reagierte nicht. Sein Herz fühlte sich leer an, ein riesiges Loch das alles verschlang was in die Nähe kam. Er wusste, nichts konnte diese Leere füllen, niemand konnte die Einsamkeit die er verspürte lindern, den er hatte seinen besten Freund verloren, seine Nichte, seinen großen Bruder. Dean hatte immer auf ihn aufgepasst, hatte dafür gesorgt, dass er in die schule ging auch wenn ihr Vater mal wieder lieber auf der Jagd war als mit ihnen zu spielen oder einfach nur für sie da zu sein. Sam hätte alles für seinen Bruder getan, er wäre auch für ihn gestorben, aber stattdessen war er jetzt sogar für seinen Tod verantwortlich. Er hätte nur besser aufpassen müssen, dann hätte Dean auch nicht gezögert. Die Schuld zerfraß ihn, er hatte nichts unternommen! Er hatte nicht genug aufgepasst, hatte den zweiten Vampir nicht bemerkt, er war zu spät gekommen und musste mit ansehen, wie sein Bruder noch in seinen Armen verblutet war.

Seine Finger hatten eine der Flaschen umschlungen und umkreisten die ganze Zeit den Deckel. Am liebsten hätte er weitergetrunken, aber er wusste, es war falsch. "Sam?! Dean?!", Gabriels Stimme wurde lauter und Sam konnte etwas rappeln hören, vermutlich war Gabe gegen den Schuhschrank im Flur gelaufen, er hatte Dean schon vor Monaten darum gebeten, ihn endlich auf die Seite zu schieben, aber er hatte es viel lustiger gefunden, Sam jedes Mal dagegen laufen zu sehen, da er meistens überhaupt nicht auf den Flur geachtet hatte und in Unterlagen vertieft gewesen war. 

Der Schmerz verstärkte sich. Wieso? Wieso musste er immer wieder nach seinem Bruder rufen?! "Verdammt...", vom Flur konnte man leises Fluchen hören und Gabriel öffnete die Tür zum Wohnzimmer, gleich würde er ihn sehen. "Dean? Verdammt, wo seid ihr denn?!", fragte er und Sam platzte der Kragen. "Halt die Klappe! Wenn du noch einmal nach Dean rufst, werfe ich dich höchstpersönlich aus dem Haus!", er war so plötzlich und ruckartig aufgestanden, dass der Stuhl nach hinten fiel und mit einem Scheppern auf den Boden knallte. "Sam?", Gabriel sah ihn verwirrt an und auch seine Stimme war ziemlich zögerlich. "Was ist los? Wo ist er?" Sam schluckte, seine Hände hatten sich fester um den Flaschenhals gelegt, sodass die Fingerknöchel bereits weiß wurden. Gabe sah seinen Freund etwas misstrauisch an und ging langsam ein paar Schritte näher. "Hey, Sam.... Was ist passiert?", fragte er nochmal, diesmal etwas vorsichtiger. "Wo warst du...?", antwortete Sam mit einer Gegenfrage, doch seine Stimme klang eher wie ein Vorwurf. "Ich war oben und hab einige Dinge geklärt, aber Sam, was ist passiert? Wo ist Dean?!" Sams Augen funkelten wütend. "Er ist tot! Er ist weg und du warst nicht da! Wieso nicht?!" Sam wusste, dass es nicht fair war, Gabriel die Schuld zu geben. Er selbst hatte Mist gebaut, er hatte nicht auf sein Umfeld geachtet, er hatte sich überraschen lassen und nur deswegen war sein Bruder tot. Gabriel war nicht Schuld, er hatte absolut nichts mit der Sache zu tun, aber es fühlte sich einfach zu gut an die Schuld an jemand anderen abgeben zu können. "Sam! Es tut mir leid", Gabriels Stimme klang ehrlich bestürzt und er legte eine Hand auf seine Schulter. Da er um einiges Kleiner war als Sam war es für diesen ein leichtes seine Hand abzuschütteln. "Nein!" "Sam....", Gabes Stimme war mitfühlend und er stellte sich vor ihn. "Was ist genau passiert?", fragte er und sah zu ihm nach oben. Sam hatte den Blick abgewandt und die Tränen liefen über seine Wangen. Ihm blieben die Worte im Halse stecken, er wollte nicht schon wieder durchleben, wie sein Bruder starb. Wollte nicht schon wieder das warme Blut auf seinen Finger fühlen, nicht die letzten Atemzüge seines Bruders hören, das war einfach zu viel.


Alles war still, kein Wort drang an seine Ohren. Deans Herz raste noch immer, die Stille war undurchdringlich und dennoch so laut wie die Sirenen eines Krankenwagens, der direkt a einem vorbeifuhr. Er wagte es nicht die Augen zu öffnen. Luzifer war verstummt, Castiels und Lillians Stimmen waren aus seinem Kopf verschwunden, alles was er hörte war das Rauschen seines eigenen Blutes und sein wild schlagendes Herz. Auch der Geruch hatte sich verändert, es roch nicht mehr nach Asche, Rauch und verbrannter Haut, nein, es roch steril. Nach Desinfektionsmittel, alten Menschen, der Geruch erinnerte Dean an seine unzähligen Krankenhausaufenthalte, vor allem aber an seinen letzten. Den bei Lillian auf der Intensivstation.

Er schüttelte den Kopf. Nein, bitte nicht, das steh ich nicht noch einmal durch...., dachte er und legte seine Hände auf sein Gesicht. Er wollte das nicht noch einmal sehen.....

"Lil?! Lilly!", er rannte durch die Flure im 2. Stock, keinerlei Orientierung und keine Ahnung wo er hin musste, seine Gedanken kreisten nur um seinen kleinen Engel. "Lillian! Wo bist du?", er sah in jedes Zimmer an dem er vorbeikam, er ignorierte Krankenschwestern und Ärzte die ihn aufhalten wollten. Er wollte doch nur zu seiner Tochter. "Hey! Beruhigen Sie sich, Mr. Winchester!", ein hochgewachsener Mann stellte sich ihm in den Weg und Dean sah zu ihm auf. "Wo ist sie?!", fragte er und in seinen Augen blitzte außer Besorgnis auch noch Wut auf. "Sie können im Moment nicht zu ihr, sie ist auf der Intensivstation", sagte er und Deans Hände ballten sich zu Fäusten. "Jetzt hören Sie mir mal ganz genau zu, wenn Sie heute noch nach Hause gehen wollen, dann bringen Sie mich jetzt zu meiner Tochter, verstanden?", seine Stimme war gefährlich leise und er kam dem Arzt immer näher. Zuerst dachte Dean, der Arzt würde nicht zurückweichen, doch irgendwas hatte den Arzt zum Umdenken gebracht.

Das Funkeln, dieses gefährliche kleine Funkeln in Deans Augen, der Arzt hatte es fast schon sehen können. Dieser Mann war niemand der lange um den heißen Brei herum redete, das war ein Mann, der handelte und jemand ,der seine Familie beschützte. Dr. Milton, wie er sich später vorgestellt hatte, führte Dean zur Intensivstation im Erdgeschoss. Der Arzt tippte einen Code in den Schalter ein, der in die Wand eingelassen war und die Türen öffneten sich. Dean musste sich zusammenreißen um nicht gleich durch die Tür zu stürmen, denn gebracht hätte es ihm sowieso nichts, kaum 20 Meter entfernt war noch eine weitere Tür, direkt auf der anderen Seite des Wartebereichs. "Mr. Winchester, ich muss Sie bitten hier zu warten bis ich den Zustand Ihrer Tochter überprüft habe", versuchte Dr. Milton es wieder in einem ruhigem Ton, doch Dean hörte nicht. "Sie wollen, dass ich warte? Das da drin ist meine Tochter! Sie ist 4 Jahre alt und sie wollen, dass ich warte, vergessen Sie's!", rief Dean dem Arzt entgegen und schüttelte heftig den Kopf.

Die Krankenschwester, die dort im Wartebereich stationiert war, sah irritiert zwischen den beiden Männern hin und her. "Kann ich Ihnen helfen, Dr.?", fragte sie etwas schüchtern, sah Dean jedoch mit einem vorsichtigen, einschätzenden Blick an. "Nein, ist schon gut, Leah", sagte er und sah kurz zu ihr. "Lassen Sie uns einfach durch", sagte er und nickte Dean zu. "Kommen Sie", meinte er mit einem Seufzen und Dean stand fast eine Sekunde später neben der Tür und wartete nur auf das elektronische Sirren das ankündigte, dass die Tür geöffnet werden konnte. "Lillian?!", er sah sich um und erkannte einige Betten, die Vorhänge waren größtenteils zugezogen, doch man konnte noch immer die Monitore und Patienten erkennen. Im ersten Bett lag eine junge Frau, den Kopf komplett in Verbände eingewickelt und mit einem Schlauch im Hals. Sein Blick ging weiter, streifte weitere zerfetzte und zusammengeflickte Körper bis er schließlich an dem kleinen schmächtigen Körper hängen blieb, der auf der anderen Seite auf einem der Betten lag. "Lil!", Dean hauchte den Namen seiner Tochter bloß, doch man konnte die Angst in seiner Stimme hören und der Doktor und er traten an das Bett heran. "Süße? Hey, Prinzessin, hörst du mich?", Dean nahm ihre Hand und legte die andere Hand an ihren Kopf. "Bitte.....sag etwas.....", sagte er leise und sah auf ihre geschlossenen Augen. Der Arzt hatte die Krankenakte aus der Überwachungsstation geholt und hatte sie überflogen. "Sie hört sie vermutlich überhaupt nicht mehr", sagte der Arzt vorsichtig und legte eine Hand auf Deans Schulter. "Was wollen sie damit sagen?", Dean sah zu dem Mann hinauf und in seinen Augen war tiefe Verzweiflung und unglaubliche Seelenqual zu erkennen. "Sie ist praktisch tot, tut mir leid, Mr. Winchester, aber das einzige, was Ihre Tochter noch am Leben erhält sind diese Maschinen. Durch die schweren Verletzungen bei dem Autounfall....", er hielt einen Augenblick inne um Dean einen mitleidigen Blick zuzuwerfen, der ihn nur irritiert anstarren konnte, "Sie hatte schwere zerebrale Blutungen, viele Bereiche ihres Gehirns wurde nicht mehr richtig mit Blut versorgt, bis es schließlich zum Hirntod geführt hat. Mein herzliches Beileid" Dean schüttele ungläubig den Kopf. "Aber.....sie....sie ist doch noch ein Kind...", flüsterte er. "Sie kann nicht einfach tot sein, ich meine....", sein Blick ging zu den Maschinen um Lillian herum. "Das ist doch ihr Herzschlag, oder? Das heißt sie lebt!" "Mr. Winchester, sobald sie diese Maschine abschalten, wird auch das Herz  ihrer Tochter nicht mehr schlagen. Die Maschine atmet für sie, aber ihr Gehirn wird nicht mehr mit Sauerstoff versorgt. Es tut mir wirklich leid, aber Sie müssen sie loslassen" Dean raufte sich die Haare, immer und immer wieder fuhr er sich durch die kurzen blonden Haare, ihm musste doch irgendetwas einfallen!  Seine Augen suchten den Raum ab, suchten nach einer Lösung. Der Arzt hatte ich mit den Worten "Nehmen Sie Abschied von ihr", allein gelassen und war zu seinen anderen Patienten zurückgekehrt.  

Und dann kam die rettende Idee, wie das unverhoffte Strahlen am Horizont wenn die Sonne  ach einer langen und dunklen Nacht aufgeht. Seine Tochter musste leben, sie sollte ihr Leben weiterleben. Sam würde gut auf sie aufpassen, er würde ihr alles beibringen was wichtig war und er würde ihr auch immer sagen, wie sehr sie geliebt wurde. Wie sehr Cass und er sie noch immer liebten und auch immer lieben würden und was sie für sie geopfert hatten. Dean drehte sich ohne ein weiteres Wort zu sagen um und verschwand aus der Intensivstation, direkt zur nächsten Kreuzung.

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