Teil IV
Der nächste Tag brach genauso an wie der letzte geendet hatte. Mit Schmerz, Kummer und Verzweiflung. Dean hatte einen halbwegs guten Tag, er stand auf, schaffte es ein halbes Spiegelei zu essen und stellte sich unter die Dusche. Die Augen geschlossen ließ er das heiße Wasser seinen Rücken hinunterlaufen. Seine rechte Hand hatte er auf der Wand vor sich und spürte die noch kalten Fliesen des Badezimmers.
Zarte Küsse auf seinem Hals ließen ihn erschauern. Zwei kräftige Arme umschlangen ihn von hinten und strichen über seine Brustmuskeln hinunter zum Bauch und wieder zurück. Schweigend verteilte Cass weiterhin Küsse, so zärtlich wie auf einem zerbrechlichen Gegenstand. "Cass....", ein leiser Seufzer entwich Dean und sein Freund gab nur ein "Hmmm?", als Antwort. "Das tut verdammt gut", flüsterte er.
Er ließ den Kopf auf die Brust sinken. Das Wasser tropfte von seiner Nasenspitze und er öffnete die Augen. "Da war nichts, keine sanften Küsse auf seinem Rücken, keine weichen Lippen, die sich einen Weg seinen Hals entlang bahnten, nichts. Nur ein kalter Schauer, als Sam das Wasser draußen aufdrehte. Doch genauso schnell wurde es auch wieder heiß. Deans Augen brannten wie Feuer, wieso wollte er immer weinen? Er fühlte sich so unglaublich elend. Die Gewissheit das für ihn liebste auf der Welt nie wieder im Arm halten oder sehen zu können, zerrte an seinen Nerven. Castiel war tot. Unwiderruflich und endgültig, Engel fuhren nicht in den Himmel oder zur Hölle, es gab keinen reservierten Platz für die Krieger Gottes, nur den endgültigen Tod. Dean musste sich endlich damit abfinden, aber wie? Wie könnte er ihn jemals loslassen? Allein der Gedanke daran weiterzumachen fühlte sich an wie Verrat. Nein, er würde Cass nicht verraten, nicht nach allem was sie zusammen durchgemacht hatten. Alles was er wollte war Cass zurück, den Mann, den er am meisten liebte und auch immer in seinem Herzen tragen würde.
Doch sein Platz, da war sich Dean sicher, war definitiv nicht der Himmel. Er würde nicht in einem schicken persönlichen Himmelszimmer landen, nicht mit seiner Tochter bis spät in die Himmelsnächte kuscheln und ihm würde auch nicht die Gnade zu Teil einfach aufzuhören zu existieren, nein. Er hatte in seinem Leben so oft seine Seele an den Teufel und etliche Dämonen verkauft, dass für ihn in der Hölle ein Platz bis in alle Ewigkeit reserviert war. Mit Sicherheit warteten sie nur sehnsüchtig darauf, ihm ein Ende zu setzen, damit sie ihren Spaß haben konnten. Ein Winchester in der Hölle, ein Spielzeug für alle Dämonen, die er und Sam exorziert und gepeinigt hatten. Er würde dort unten sicher nicht wie ein König behandelt werden, er war der Fußabtreter, der Kümmerlichste unter all den Sklaven der Hölle, doch eines hatte er sich vorgenommen. Eines würde er nicht, er würde sich niemals brechen lassen!
Ob er wollte oder nicht, am Leben zu sein schien bis jetzt die beste Option. Der Schmerz jedoch blieb, die Trümmer die sich in seinem Inneren angehäuft hatten, auf ein Maximum angeschwollen. Seine Brust fühlte sich taub an, sein Herz schlug schneller. Auf einmal hatte er das Gefühl nicht mehr atmen zu können, seine Lungen zogen sich zusammen, es war als presste ihm jemand ein Kissen auf Nase und Mund. Er erstickte. Die Erinnerungen strömten auf ihn ein und ihm blieb einfach die Luft weg.
"Dann werde ich einfach weitermachen", sagte Castiels flüsternde Stimme an seinem Ohr und eine Gänsehaut breitete sich auf Deans Körper aus. Das sanfte Flüstern, die zarten Küsse und die liebevollen Liebkosungen seines Freundes ließen ihn in seinen Armen dahinschmelzen. "Ich liebe dich, Dean.....", Castiel hatte seine Hände weiter nach unten gleiten lassen und Deans Körper reagierte sofort. "Und ich liebe dich", sagte er und drehte sich zu ihm um. Castiels warmer Atem streifte Deans Hals und er vergrub sein Gesicht in dessen Halsbeuge. Der Geruch war unverkennbar der von Castiel. Dieser dunkle Geruch von nasser Erde, als hätte es gerade geregnet und der Grund sog nun das Wasser auf. Es war einfach perfekt. Die Nähe zu diesem Mann war alles was er brauchte. Sein Körper entspannte sich in seiner Gegenwart und er konnte abschalten. Seine Gedanken drehten sich dann nicht mehr um die Jagd, um seine Probleme oder Sorgen. Wenn sein Engel bei ihm war dann zählte nur noch er. Dean hatte die Augen geschlossen, konnte aber den heißen Atem an seinen Lippen spüren und wie ihre Lippen aufeinandertrafen. Die Haare in seinem Nacken richteten sich auf und dieses Prickeln kehrte in seinen Körper zurück. Es war als würde sein Blut anfangen zu blubbern, die Wärme in seinen Adern breitete sich aus. Dieses Gefühl war einfach unbeschreiblich, das Gefühl von purem Glück, dass sich in einem Körper verflüssigte und in jede Zelle sickerte.
Sam hatte genug, er musste seinen Bruder irgendwie auf andere Gedanken bringen und was wäre dafür besser geeignet als eine Jagd? Der Jüngere setzte sich an den Computer und suchte einige Fälle raus, die vielleicht interessant sein könnten. Er hörte das Plätschern des Wassers und runzelte die Stirn, er stand jetzt schon seit fast 2 Stunden unter der Dusche und hatte keinen Mucks von sich gegeben. Sam drückte auf den "Drucken" Button und stand auf. Während er im Hintergrund das leise Knattern des Druckers vernahm, ging er mit langsamen Schritten zur Badezimmertür und lauschte. Nichts, kein Ton, nur das Rauschen des Wassers drang durch die weiße Holztür. Nachdenklich warf er der Tür nochmal einen Blick zu, ging dann aber in die Küche und ließ den Wasserhahn laufen. Das Glas, das er darunterhielt war schnell gefüllt und er drehte den Hahn wieder zu, doch aus dem Bad kam noch immer keine Reaktion. Er trank das Glas in zwei Schlucken leer und wandte sich dann dem Drucker zu, der bereits 3 von 4 Seiten ausgedruckt hatte. Mit den Blättern ließ er sich auf die Couch fallen und wartete. Es konnte sich schließlich nur noch um Stunden handeln bis sein Bruder endlich aus dem Bad kam.
Dean hatte es geschafft das Wasser abzudrehen und starrte auf die Nebelschwaden, die sich durch den heißen Wasserdampf gebildet hatten. Als er glaubte wieder normal atmen zu können stand er mit wackeligen Beinen auf. Seine Beine waren wie Pudding, mit den Händen am Waschbecken abgestützt sah er auf den Abfluss hinab. Als er den Blick hob und den beschlagenen Spiegel vor sich fand wischte er mit der flachen Hand einmal darüber. Sein Herz blieb stehen.
Mit einem Ruck drehte er sich um, das leere Badezimmer erstreckte sich hinter ihm und verschluckte die Hoffnung, die sich in Dean plötzlich gezeigt hatte. Sein Blick ging wieder in den Spiegel.
Nichts.
Dabei war er sich so sicher gewesen, er hatte IHN gesehen. Cass hatte mit einer schwarzen Jeans bekleidet, direkt hinter ihm gestanden. Er hatte gelächelt und ihm direkt in die Augen geblickt. Das blau war dasselbe wie damals gewesen, das Blau in das er sich schon am erste Tag verliebt hatte. Das Meer selbst konnte neidisch auf die tiefblauen Augen des Engels sein, doch Dean war sich sicher, dass sie es gewesen waren, die ihn durch den Spiegel hindurch angeblickt hatten. Zwei Diamanten in einem noch schöneren Gesicht. Die kantigen Gesichtszüge zu einem Lächeln entspannt hatte er da gestanden. Deans Herz zog sich zusammen und er schloss die Augen. Sekunden verstrichen, Minuten verstrichen und Dean wagte es nicht den Blick wieder zu heben. So sehr er sich auch wünschte, dass er dieses Gesicht, diesen Mann, diese Liebe in seinem Blick wiederzusehen, wusste er, das es nicht real war. Es war nur eine weitere Illusion, ein weiterer schmerzhafter Streich seines Kopfes, der ihn wahnsinnig machte und zum Verzweifeln brachte.
Ohne noch einmal in den Spiegel zu sehen, drehte er sich um und ging mit einem Handtuch um die Hüfte nach draußen. Sam saß auf der Couch und hatte sich in ein paar Seiten vertieft. Mit einem erschreckend bleichem Gesicht ging Dean in sein Zimmer und schloss die Tür. Für einen Moment lehnte er sich an das kühle Holz und ließ den Kopf in den Nacken sacken.
Wieso bist du nicht hier, Cass, bei mir?
Du und Lillian, ihr seid alles was mir je wichtig war....
Wenn es nur eine Möglichkeit gäbe......
Ich würde alles tun!
Seine Gedanken drehten sich, ein Teufelskreis aus dem er nicht mehr herauskam.
Es klopfte und Dean zuckte zusammen. "Dean?", die Stimme von Sam drang durch die geschlossene Tür. "Ja?", er hatte es tatsächlich geschafft, ein Wort über seine Lippen dringen zu lassen. Seine Stimme hatte ihm nicht wie sonst den Dienst versagt. "Ich hab einen Fall", sagte Sam, sein Bruder konnte die Unsicherheit in seiner Stimme hören. Ein Fall..... War er schon wieder so weit? "Ich komme....", seine Lippen waren schneller als sein Kopf. Er wusste nicht, ob es Intuition, ein Gefühl oder einfach nur der Wunsch nach Ablenkung war, der ihn Ja sagen ließ, doch es war sowieso schon zu spät. Sam, etwas überrascht von einer so schnellen Zusage ging in sein Zimmer und packte seine Tasche. Vielleicht tat es ihm ja gut, ein paar Tage nicht in diesem Haus herumzuhängen, wo ihn alles an Cass und Lillian erinnerte, dachte er und brachte seine Tasche zum Impala. Eine leichte Staubschicht hatte sich auf dem Dach und der Motorhaube abgesetzt. Es war ein eigenartiger Anblick. Dean hatte nie etwas auf dieses Auto kommen lassen, es war immer makellos gewesen und Dean tat alles damit es glänzte, doch jetzt stand sein Baby hier in der Garage. Seit vier Monaten hatte es keine Straße mehr gesehen. Sam sah sich in der Garage um und entdeckte einen Lappen und Deans Polituren.
Als Dean mit einer gepackten Tasche die Garage betrat, blieb er noch im Türrahmen stehen. In seiner ganzen schwarzen Schönheit stand der 67er Chevrolet Impala hinter dem Garagentor. Der schwarze Lack glänzte in der Sonne, die durch das geöffnete Tor auf die Motorhaube fiel. Sam stand auf der anderen Seite des Wagens und rieb auch die letzten Stellen der Wagentür mit Wachs ein, ehe er alles wieder an seinen Platz zurück stellte und Deans Tasche ebenfalls in den Kofferraum warf. Er hatte sich noch keinen Zentimeter bewegt, doch jetzt taumelte er einige Schritte auf den Wagen zu und ließ die Hand über das Chassy gleiten. Mit wenigen geübten Handgriffen hatte er die Tür geöffnet und sich hinter das Lenkrad gesetzt. Seine Finger glitten über den Bogen des Lenkrads und sein Blick fiel in den Rückspiegel. Wie oft hatte Cass dort hinten gesessen? Wie oft war er einfach aufgetaucht und hatte ihn fast zu Tode erschreckt?
Nicht oft genug, schoss es Dean durch den Kopf und drehte den Zündschlüssel um. Mit einem lauten Brummen erwachte sein Baby zum Leben. Der Wagen schnurrte wie ein Kätzchen als er Dean und Sam aus der Garage trug und nach wenigen Minuten auf den Highway führte. Das Röhren des Motors, AC/DC im Radio, Sam auf dem Sitz neben sich, es war fast wie früher.
Fast.....
Doch das wichtigste fehlte, immer wieder warf Dean einen Blick in den Rückspiegel, doch er fand nicht mehr als einen leeren Sitz.... Genauso leer wie sein Herz.....
Dean riss das Lenkrad herum und trat auf die Bremse, als er einen Blick in den Spiegel warf und tatsächlich einen Mann dort sitzen sah.
Sein Herz raste.
"Na, Jungs, was läuft?"
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