Teil III

Dean öffnete die Augen, sein Rücken schmerzte, wie jeden Morgen. Er starrte nach oben an die Decke, an manchen Stellen blätterte die Farbe ab, doch Dean starrte einfach hindurch. Das Sofa war viel zu weich um lange darauf schlafen zu können, aber das war nicht so wichtig, die Alpträume waren viel schlimmer. Jede Nacht, alle halbe Stunde aus einem neuen, perfiden Traum aufzuwachen und zu realisieren, dass die Träume nur seine Unwissenheit wiederspiegelten. Die quälende Frage, was ist passiert, stellte er sich jede Nacht. Seine Träume wurden immer morbider und ungeheuerlicher. Nachts wachte er schweißgebadet auf und fuhr sich durch das nasse blonde Haar und wünschte sich, dass es aufhörte. "Du bist schon wach", es war keine Frage, nur eine Feststellung. Sam stand an den Türrahmen gelehnt am Ende des Zimmers und sah zu seinem Bruder, der nicht einmal zusammenzuckte als er zu sprechen begann. Dean antwortete nicht. Das war nichts neues, doch Sam hatte gehofft, nach Deans gestrigem Zusammenbruch wenigstens etwas mehr aus seinem Bruder herauszubekommen, doch die Stille war eisern.

Sam ging langsamen Schrittes in die Küche und setzte Kaffee auf, der Geruch von Koffein und gemahlenen Bohnen setzte sich in jeden Winkel des Zimmers. Dean reagierte immer noch nicht, nicht einmal als Sam Speck in die Pfanne schmiss und ihn sorgfältig anbriet.

Er hatte sich nicht bewegt, die Augen waren weiterhin starr auf die Decke gerichtet oder auf das was Dean auch immer dahinter zu sehen vermochte.

"Höher, Daddy, höher!", Lillian lächelte ihr bezauberndstes Lächeln.

Ein Stich durchfuhr sein Herz als Dean an diesen Tag zurückdachte. Sie hatten eben in diesem Wohnzimmer gestanden und alles auf die Seite geräumt, draußen regnete es und sie brauchten Platz.

"Noch höher?", fragte Dean und grinste. Seine Hände hatten sich um die von Lillian geschlungen. Er drehte sich so schnell im Kreis, das Lillians Füße den Boden schon nicht mehr erreichten. Sie wirbelten durch das Zimmer und Lils Lachen erfüllte das ganze Haus. Dean konnte die Tür schlagen hören und sah zur Tür, jedoch nicht ohne sich noch etwas schneller zu drehen und so dem Wunsch seiner Tochter nachzukommen. Es dauerte nicht lange und Cass tauchte in der Tür auf und sah die Beiden mit einer Mischung aus Verwunderung und Belustigung an. "Was treibt ihr denn hier?", fragte er und versuchte sich ein Lächeln zu verbeißen, was jedoch nicht ganz so gut funktionierte. "Flieg Engel Flieg!", rief Lillian zwischen zwei Kicheranfällen und Dean nickte. "Du kannst deiner Tochter auch keinen Wunsch abschlagen oder?", fragte Cass und lachte. "Nein, das weißt du doch", meinte Dean und drehte sich etwas langsamer um Lillian runter zu lassen. Sie taumelte einen Moment bis die Drehungen aufgehört hatten und umarmte dann Cass stürmisch. "Hallo Daddy!", rief sie und presste sich an ihn. Dean schmunzelte und beobachtete die Beiden eine Weile. "Machst du mit mir den Helikopter?", fragte sie begeistert und sah zu ihm hoch. Es war wirklich süß, wie sie so dastand, die Arme soweit wie möglich um Cass geschlungen und ihr Kinn in seinen Bauch drückte nur um sein Gesicht zu sehen. "Ich fürchte dafür ist die Decke zu niedrig", meinte er und strich ihr liebevoll über die Haare. Dean konnte die Liebe, die er in diesem Moment verspürte nicht beschreiben, sie war einfach vollkommen. Castiel war perfekt, Lillian war perfekt, sie waren eine glückliche kleine Familie, die 'für immer' nicht nur in einer Geschichte lesen, sondern selbst erleben wollte. "Draußen!", Lillians kleine zierlichen Finger deuteten auf die Terassentür. Es goss immer noch in Strömen und Cass runzelte die Stirn. "Bitte! Bitte! Bitte!", sie wusste, dass sie alles bekommen würde, was sie wollte, naja zumindest fast. Dennoch war sie kein so verzogenes Gör, das alles haben wollte, fand Dean. Wenn sie tatsächlich mal nein sagten, akzeptierte Lillian das und fragte auch nicht weiter. Dean tauschte ein paar Blicke mit seinem Verlobten aus und grinste. "Aber wehe du bist morgen krank", sagte Cass schließlich in leicht tadelndem Ton, meinte es aber nur als Scherz. "Dann zieh dich an", sagte Dean und folgte ihr nach oben. Er selbst zog sich eine Jogginghose und einen dicken Pulli an, während er Cass dabei beobachtete wie er den Anzug auszog und mit geschmeidigen Bewegungen das Hemd aufknöpfte. Seine Muskeln waren ein perfektes Zusammenspiel aus Bewegung und Harmonie. "Du starrst", sagte Cass ohne den Kopf zu heben. "Woher willst du das wissen? Du siehst mich doch gar nicht an", meinte Dean herausfordernd. "Ich kenne dich aber", sagte er und sah in Deans helle grüne Augen, die viel näher waren als er anfangs vermutet hatte. Dean grinste und küsste ihn sanft, seine Lippen waren weich und warm, noch nie hatte er solche Sehnsucht nach einem Paar Lippen verspürt, als in diesem Moment. Sie waren so nah, aber dennoch konnte er einfach nicht genug von ihnen bekommen. Er wollte sie schmecken und das jede einzelne Sekunde in seinem Leben. Dieser Geschmack in Kombination mit dem leisen Kichern hinter dem Türrahmen. "Nicht ausziehen! Anziehen!", Lillian kicherte und lugte hinter dem Holzrahmen hervor. Dean löste sich und grinste Cass an. "Du hast eure Hoheit gehört, anziehen", meinte er und strich mit seinem Finger über seine Brust. Sie hörten das Mädchen die Treppe runterlaufen und Dean ging einige Schritte rückwärts in Richtung Tür. "Wir warten unten, brauch nicht zu lange", er ließ den Blick noch einmal über Cass muskulösen Körper huschen, biss sich auf die Lippe und drehte sich dann um. Cass ließ den Blick nach oben gleiten. Gott! Wie er es liebte, wenn Dean sich auf die Unterlippe biss. Dieser Ausdruck, der dann auf sein Gesicht trat, das Leuchten in seinen Augen, all das machte ihn wahnsinnig. Wahnsinnig glücklich!

Ein Klirren riss Dean aus seinen Gedanken und er setzte sich ruckartig auf. Sam stand da mit leeren Händen und starrte auf Dean. "Ist das dein Ernst?", fragte er entsetzt. Dean war verwirrt, noch immer etwas benebelt von der vergangenen Erinnerung, die nun langsam vor seinem inneren Auge verblasste. Sams Blick wanderte zu den drei leeren Whiskeyflaschen vor Deans Couch. Er musste sie gerade erst entdeckt haben und anscheinend war seine Reaktion darauf zurück zuführen. Sie standen dicht an der Couch, von der Tür kaum zu sehen, da der kleine massive Holztisch die Sicht versperrte. Er folgte dem Blick seines Bruders. Alle Flaschen waren leer, nur in der letzten hatte sich noch ein kleiner Absatz gebildet. Seine Hand streckte sich danach aus und mit einem Schulterzucken kippte er den letzten Rest hinunter. Mit ein paar Schritten war Sam bei ihm und entriss ihm die Flasche. "Dean! Es ist 6 Uhr morgens!", er stellte die Flasche auf den Tisch und starrte seinen Bruder an. 6 Uhr morgens...... "Müsstest du nicht bei der Arbeit sein?", Deans Stimme war müde, aber nicht nur der Schlafmangel trug seinen Teil dazu bei. Dean war müde seinen Erinnerungen nachzujagen, er war müde vom Leben. "Ich hab seit 2 Wochen Urlaub", sagte Sam trocken und setzte sich neben seinen Bruder, die leeren Glasflaschen klirrten, als Sam mit dem Fuß dagegen stieß. "Ach....", das Wort war kaum zu verstehen. Dean sah auf den Boden, den Kopf auf die Hände, die Arme auf die Knie gestützt. Seit zwei Wochen hatte er Sam völlig ausgeblendet und es nicht einmal bemerkt, oder? Es hatte immer Essen auf dem Tisch gestanden, wenn er mal aus seinen Erinnerungsschüben oder einem seiner Rausche aufgewacht war.

".......zu trinken....", sagte Sam und riss Dean wieder aus seinen Gedanken. "Ich bitte dich, das macht dich nur noch mehr kaputt" Er stand auf und machte sich daran die Scherben einzusammeln. Als er Deans letzten Absturz gesehen hatte, waren ihm die Teller mit dem Frühstück aus der Hand gefallen und auf dem Wohnzimmerboden zerbrochen. "Es betäubt.....", murmelte Dean nur und starrte wieder vor sich hin. Ein Stich durchfuhr ihn, als hätten tausende von Messern geradewegs den Weg in sein Herz gefunden. Es tat weh, es tat unglaublich weh und nur er wusste, dass er log, wenn er das sagte: Es betäubt! Die schönsten Worte, wenn sie denn nur wahr wären, dachte Dean. Aber sollte sein kleiner Bruder ruhig denken, dass der Alkohol half. Er sollte sich nicht mit noch mehr Problemen von ihm herumschlagen, das hatte er nicht verdient. Den Blick auf die Whiskeyflasche gerichtet schaltete er wieder ab, er vergaß seine Probleme, seinen Schmerz und tauchte in diese kurze Sekunde ein, in der alles wie früher war, in der er glücklich war.

"Hatschi!", ein Niesen drang vom Flur aus zu ihnen ins Wohnzimmer. Cass und Dean blickten von ihren Gläsern hoch und sahen zur Tür. Als sie sich öffnete kam Lillian mit rotunterlaufenen Augen ins Zimmer und sah schuldbewusst zu ihren Vätern. "Was ist los Süße? Wieso schläfst du nicht?", Dean kannte die Antwort bereits. "Du hast dich erkältet, stimmts?" Lillian nickte langsam und Cass sah sie mitfühlend an. "Kopfschmerzen?", fragte er leise und hob sie auf seinen Schoß, wieder ein Nicken. Dean stand auf und ging in die Küche, er füllte eine Tasse mit Milch und erwärmte sie, dann gab er noch Honig hinzu und verrührte alles. Es würde nicht gegen die Kopfschmerzen helfen aber sie wenigstens schlafen lassen. "Hier Prinzessin", sagte er und gab ihr die Tasse. Sie nahm sie in die Hand und kuschelte sich dann mit dem Gesicht an Cass Brust. Es war herzzerreißend, sie kuschelte sich an ihn, als würde sie ihn nie wieder loslassen wollen und hob den Kopf nur hin und wieder um an ihrem Schlaftrunk zu nippen. Ihr Atem wurde unter Cass' beruhigenden Worten und Streicheleinheiten immer gleichmäßiger. Dean nahm ihr die Tasse aus der Hand und stellte sie auf den Tisch. Ein Lächeln auf ihrem friedlichen Gesicht sagte ihm, dass sie nun endgültig eingeschlafen war. Er wollte gerade etwas Cass zuflüstern als er den Kopf hob und bemerkte, dass auch Cass an seiner Schulter eingeschlafen war. Schmunzelnd nahm er die kleine Decke neben sich und breitete sie über Cass und Lillian aus. Dann küsste er beide kurz auf den Kopf. Von Cass kam ein leises Murren, dass ihn zum Lächeln brachte und schloss ebenfalls die Augen. Sie schliefen alle eng aneinander gekuschelt in Deans Armen und Dean war einfach froh, dass das Leben es so gut mit ihm hatte.

Dean wachte auf, er musste eingeschlafen sein, im ersten Moment tasteten seine Hände nach Cass und Lillian in seinen Armen, doch da war nichts. Der Geruch von Frühstück schwelte noch in der Luft und er setzte sich auf. "Cass?", rief er in Richtung Küche. Jeden Moment erwartete er die bekannte und routinierte Antwort. "Guten Morgen, Schlafmütze", zu hören, doch es blieb still. Er schluckte.

Cass ist fort! Er kann dir keine Antwort mehr geben, rief er sich selbst zur Ordnung und sein Herz krampfte sich zusammen. Seine Finger schlossen sich um den breiten silbernen Ring, den Cass ihm damals zusammen mit dem Versprechen gegeben hatte ihn niemals zu verlassen.

Cass..... Wie sehr wünschte ich, dass du dieses Versprechen hättest halten können.......

Er schloss die Augen, er wollte nicht mehr schlafen, er wollte nicht mehr diesen Schmerz verspüren. Die Couch neben ihm gab nach und er konnte die Anwesenheit seines Bruders spüren. "Ich wünschte, ich müsste es nicht mehr fühlen, Sammy....... Ich kann nicht mehr....", die Tränen kamen wieder. Alles was sich angestaut hatte brach aus ihm heraus. "Ich weiß......", flüsterte Sam und zog ihn in eine feste Umarmung. Die Tränen tränkten Sams Shirt, während er Dean in seinen Armen wog und er fühlte wie sein Herz in die Hose rutschte.

Was wäre, wenn sich sein Bruder tatsächlich dazu entschied aufzugeben?

Wenn er ihn auch noch allein ließ?

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