Eine kleine Geschichte über Selbstwert
"Das Wichtigste im Leben kannst du dir nur selbst geben: deinen Selbstwert." (Gudrun Kropp)
Ich denke, ich bin nicht die Einzige, die schon einmal wegen ihrer Meinung, ihrem Aussehen oder ihrer Persönlichkeit angefeindet wurde. Es gab einmal eine Situation vor ein paar Jahren, die mir sehr nahe ging. Ich war auf der Konfirmationsfreizeit und kannte dort recht viele Menschen. Die Meisten mochten mich jedoch nicht, da ich nach der Grundschule auf eine Privatschule gegangen war und sie deswegen dachten, ich hielte mich für etwas Besseres. Es gab aber auch Menschen, die ich nicht kannte, darunter war ein Junge. Ich fand ihn attraktiv und begann während der Tage, die wir in der Jugendherberge verbrachten, für ihn zu schwärmen. Wir unternahmen dort auch etwas zusammen und ich bekam das Gefühl, dass er mich auch mochte. Am letzten Tag nahm er sogar meine Hand und mein 14-jähriges Ich war vollkommen dahingeschmolzen.
Ich kann mir vorstellen, was ihr jetzt denkt: Wenn sie schon so anfängt, dann kann das doch nicht gut ausgehen. Ja, ihr habt recht. Es ging natürlich nicht gut aus.
Auf dem Rückweg ignorierte er mich schon größtenteils. Ich kam auch mit dementsprechender Laune nach Hause und meine Mutter machte sich schon Sorgen um mich. Ich schwieg, da ich noch die Hoffnung hatte, er würde sich melden, da er vielleicht auf der Rückfahrt wie wir alle ziemlich müde gewesen war. Die Tage vergingen und er meldete sich nur ein Mal bei mir, um mich um Rat wegen dem Geburtstag seiner kleinen Schwester zu fragen. Das war's. Ich schrieb ihm zwar, aber er antwortete mir nicht. Normalerweise hätte mir an diesem Punkt bereits klar gewesen sein sollen, dass das nichts mit uns wird, aber ich hatte die Hoffnung noch nicht verloren. Ich schrieb einen Freund an, der mit ihm auf die gleiche Schule ging und bat ihn darum, ihn zu fragen, wie er mich findet, weil ich zu schüchtern dafür war. Er tat es und noch am selben Abend bekam ich die Antwort. Er schickte mir einen Screenshot von ihrem Chat und als ich mir den durchlas, war es wie ein Schlag ins Gesicht. Mein Kumpel hatte ihn gefragt, wie er mich fand. Leider gab es noch ein Mädchen auf der Fahrt mit dem gleichen Vornamen wie ich. Mein Schwarm ging davon aus, dass sie gemeint war und bewertete sie auf einer Skala von 1-10 mit einer 6. Jedoch fiel dann auch ihm auf, dass nicht unbedingt sie gemeint war. Er fragte nach und als mein Kumpel meinte, dass nicht sie sondern ich gemeint war, verbesserte er seine Bewertung auf eine 4. Autsch, das tat weh.
Was tat mein 14-jähriges Ich da wohl? Habe ich es tapfer runter geschluckt? Habe ich ihm geschrieben und ihm ganz ruhig mitgeteilt, dass ich es nicht okay finde, dass er mit mir flirtet und mich dann offenkundig gar nicht so sehr leiden kann? Naja, so ähnlich...
Ja, ich habe ihm geschrieben, aber ich war nicht ruhig dabei, geschweige denn konstruktiv. Ich bin komplett ausgerastet und habe ihn auf's Übelste beschimpft. Rückblickend war das wahrscheinlich eine meiner weniger weisen Entscheidungen. Aber ich kann mich auch verstehen, ich fühlte mich in meinem Stolz und meiner Eitelkeit gekränkt. Jedenfalls hat er erst nicht darauf geantwortet und als er es dann doch getan hat, wünschte ich, er hätte es nicht getan. Er lachte mich aus. Er war auf einmal nicht mehr der nette Junge, den ich mochte. Er war auf gut deutsch gesagt ein eiskaltes Arschloch. Er hat mich gefragt, ob ich im Ernst gedacht hatte, er würde auf jemanden wie mich stehen, das wäre ja absolut lächerlich, ob ich nicht wüsste wie ich aussehe und dass ich in das Loch zurückkriechen sollte, aus dem ich gekommen war. Das war hart. Nachdem ich noch versucht hatte, ihm diese Beleidigungen zurückzuzahlen, er sie jedoch eiskalt an sich abprallen ließ und mich noch mehr beleidigte, gab ich schließlich auf und weinte die halbe Nacht durch.
Okay, es war ganz normaler Liebeskummer könnte man jetzt sagen. Und das war er auch. Aber wisst ihr, was mich daran so hart getroffen hat? Es war das erste Mal, dass mich jemand so stark gekränkt hatte, dass ich ihm glaubte. Ich hatte durch ihn jegliches Selbstwertgefühl verloren. Ich hielt mich selber für dumm, dass ich hatte glauben können, dass er sich tatsächlich für mich interessiere. Ich sah ihn danach noch ein paar Mal, z.B. war er bei demselben Tanzkurs wie ich und ließ auch keine Gelegenheit verstreichen, sich über mich lustig zu machen. Natürlich baute sich mein Selbstwertgefühl mit der Zeit wieder auf, aber jeder gemeine Spruch von ihm riss es wieder ein.
Bis heute leide ich noch sehr unter diesen Erinnerungen. Es fällt mir einfach schwer, solche Dinge zu vergessen. Aber ich versuche trotzdem nach vorne zu sehen und mir zu sagen, dass mein Selbstwertgefühl wirklich nur von mir abhängt und nicht von jemand anderem. Wenn ihr damit auch so ein Problem habt, wie ich, dann kennt ihr das wahrscheinlich, dass die Menschen in eurer Umgebung sagen, ihr sollt nichts darauf geben, was Andere über euch sagen. Mich persönlich nervt das, weil es einfach unheimlich schwierig ist, das nicht zu tun und diese Menschen wissen meistens nicht, wie man sich dabei fühlt. Aber trotzdem lasst es euch von mir, von jemandem, der eure Gefühle nachvollziehen kann, sagen: Versucht, nach vorne zu sehen und mit schlechten Erinnerungen abzuschließen. Ich weiß, dass das schwer ist. Es ist aber ein Prozess, den wir vollziehen müssen, wenn wir je richtig frei sein wollen. Bleibt kein Sklave eurer Erinnerung. Auch ich habe noch nicht komplett damit abgeschlossen, aber ich bin mittlerweile dazu in der Lage, viele Beleidigungen oder Anfeindungen an mir abprallen zu lassen. Und ich bin stolz auf mich. Seid auch stolz auf euch.
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