1 | Entführung

"Buona serata, Fillipo", begrüßte einer der drei Typen meinen Onkel mit seiner dunklen Stimme, während ich das ganze Spektakel mit großen Augen betrachtete.

Ich war schon immer eine sehr gute Beobachterin, weswegen mir in wenigen Sekunden tausend verschiedene Dinge auffielen.

Nicht nur, dass ich in Filippos Augen Todesangst erkannte, dessen Hände leicht zitterten, während ihm der Schweiß schon langsam über die Stirn lief...

Mir fiel auch auf, dass mit diesen drei Kerlen sicher nicht zu spaßen war. Sie waren keine Idioten und das hier keine spontane Aktion. Sie schienen genau wie ich die Lage sehr gut zu erkennen. Während nämlich der eine nur Augen für meinen Onkel hatte, starrte mich der etwas größere durch seine Sturmmaske hinweg durchgehend an, als würde er sich darauf gefasst machen, dass ich irgendeine Dummheit begehen würde.

Das schlimmste, was mir in dem Moment durch den Kopf ging, war, dass die Masken aufhatten. Die Bedeutung dahinter war ziemlich einfach. Gäbe es Tote, wollten sie keine Zeugen. Kein Bild in der Zeitung, keine Phantom Zeichnung... Nichts...

"Chiedo perdono", bettelte mein Onkel plötzlich um Vergebung und stand dabei so hastig auf, dass der hinterste seine Maschinenpistole sofort auf ihn richtete, wovon meiner trockenenen Kehle ein quiekender Angstschrei entwich.

"Keine Angst", sprach mich derjenige an, der mich sowieso schon die ganze Zeit fixierte und trat dabei näher an mich heran, wodurch ich mich absolut eingeengt fühlte und unter angehaltem Atem einen Schritt zurückwich, was ihn wohl sogar noch dazu animierte, mir noch näher zu kommen. "Wo ist dein Zimmer?"

Er stand nichtmals mehr einen Meter von mir entfernt und flüchtig fiel mein panischen Blick zu den anderen, doch der Mann vor mir nahm mein Kinn in seine Hand und zwang meine Augen damit, alles außer ihn auszublenden.

"Was?" fragte ich überfordert und hörte sein leises Lachen, während er leicht seinen Kopf schüttelte.

"Dein Zimmer?"

"Achso", haspelte ich und als ich mit der Hand an ihm vorbei zeigte, drehte er sich für eine Millisekunde zu den anderen, nickte ihnen zu und ließ mein Kinn zu meinem Glück wieder los, aber bloß um mich um die Tailie zu umfassen.

"Wir warten in deine Zimmer. Meine Cousins wollen sich nur unterhalten", erklärte er so ruhig, dass ich mir Gedanken darüber machen musste, ob er nachts Verbrecher und tagsüber als Psychologe arbeiten würde.

Völlig absurd !

Mein Herz klopfte mir bis zum Hals und ich lief so langsam es mir möglich war neben ihm her zu meinem Zimmer, da ich mir nicht im geringsten vorstellen konnte, was dort alleine mit ihm auf mich zukommen würde.

Von »er schießt mir in den Kopf« bis »er möchte mit mir eine Teatime veranstalten« war in meiner Fantasie auf jeden Fall alles dabei...

"Wie heißt du?", fragte er in die bedrückende Stille, als wir in meinem Zimmer ankamen und er die Tür hinter mir schloss.

"Ludovica Grasso", gab ich ihm mit zitternder Stimme zurück und ließ mich dabei auf der Kante meines Bettes nieder, während er stehen blieb und mich einfach nur durch seine Maske hindurch betrachtete.

"Das ist ja ein absolut schrecklicher Nachname", kam es plötzlich mit einer Belustigung in der Stimme von ihm und ich sah ihn einfach nur fassungslos über diese Beleidigung an.

"Wie bitte?", erkundigte ich mich, ob ich ihn wirklich richtig verstanden hatte, doch er gab mir keine Reaktion mehr. Im Gegenteil. Er schien gedanklich abwesend und sah sich in meinem Zimmer um, als würde er nach irgendetwas Interessantem Ausschau halten, was es hier aber sicherlich nicht zu finden gab.

"Und du?", sprach ich ihn an und sofort schenkte er seine volle Aufmerksamkeit wieder mir.

"Nunzio", meinte er nachdenklich und lehnte sich mit dem Rücken an die Wand mir gegenüber. "Nunzio Mancini."

Ich spürte wie meine Lippen sich leicht öffneten. Spürte, dass mein Herz mir schmerzhaft gegen meine Rippen schlug und bekam durch diese plötzliche Überforderung meiner eigenen Gefühle keine Luft mehr.

"Alles okay?", fragte er und kam einen Schritt auf mich zu, doch ich rollte mich schnell über mein Bett und stellte mich auf die andere Seite, um ihn ganz genau im Auge zu behalten.

Mancini! Die schlimmste Mafia Familie in und um Palermo. Nicht nur, dass die als unberechenbar galten und das schon, seid ich denken kann. Dazu kam noch, dass es das Gerücht gab, die jüngere Generation wäre die brutalste und genau einer dieser Generation, stand gerade vor mir in meinem Zimmer.

"Was wollt ihr von meinem Onkel?", wollte ich panisch wissen und egal wie grausam Fillipo sein konnte, ich würde ihm sicher mit allem was ich hatte aus dieser Situation heraushelfen.

"Er schuldet uns Geld, Ludovica. Viel Geld."

"Wie viel?", setze ich nach und sah flüchtig zu meinem Kopfkissen. Die Uhr war sicher mehrere tausend wert, also wäre das zumindest ein Anfang.

"Zu viel, als dass du das bezahlen könntest. Zumindest nicht mit deinem Geld."

Ich verstand kurz nicht, was er meinte, bis er seinen Kopf etwas sinken ließ und ich förmlich spürte, wie er mich alleine mit seinen Blicken auszog.

"Nunzio?!", rief ihn zum Glück in diesem Moment einer der anderen aus dem Wohnzimmer, doch ehe er sich zu meiner Tür wandte, warf er mir noch einen drohenden Blick zu.

"Si?" fragte er laut durch die leicht geöffnete Tür und ich erstarrte, als ich plötzlich folgende Worte hörte.

"Nimm das Mädchen. Wir gehen!"

Mein Körper fühlte sich taub an und es brauchte meine gesamte Kraft, mir aus meinem Nachttisch mein Taschenmesser zu greifen, dass ich aufklappte und tapfer vor mich hielt, während Nunzio sich zu mir herumdrehte und kaum beeindruckt schien von meinem Mut mich selbst zu verteidigen.

"Wow", lachte er und als er sich im selben Moment die Maske abriss, schaute ich schnell herunter zu Boden. "Dein Onkel muss ja echt viel von dir halten."

"Fass mich einmal an und ich werde-"

Dieser Idiot kam trotz meines Messers ohne überhaupt etwas Angst zu haben auf mich zu und warf mich einfach kinderleicht über seine Schulter, um mir anschließend noch kräftig auf meinen Arsch zu hauen.

"Pssst, pupetta! Du willst lieber keinen Ärger mit mir."

Augenverdrehend stieß ich frustriert Luft aus wollte gerade leise fluchen, da stellte er mich ruckartig wieder vor sich auf, um mich mit seinen kalten braunen Augen intensiv zu mustern...

"Ich kann dein bester Freund, aber auch dein schlimmster Alptraum sein und noch was. Ich zähle in meiner Familie als der Geduldige, also benimm dich jetzt lieber."

"Ich soll mich also einfach mitnehmen lassen, ohne jegliche Gegenwehr und auch noch freundlich dabei lächeln?", gab ich ihm mit ironischem Unterton zurück und bekam dafür von ihm ein grinsendes Nicken.

"Du hast es also verstanden", freute er sich und hob mich blitzschnell wieder über seine Schulter.

"Das ist wirklich frustrierend", flüsterte ich eher zu mir selbst und warf noch einen letzten Blick zu Fillipo, als wir durchs Wohnzimmer liefen, der vor seinem Sessel stand und mich entschuldigend ansah.

"Idiota!", fluchte ich von meiner Wut auf ihn überwältigt und zeigte ihm dabei meinen Mittelfinger, um dann von einem festen Schlag gegen meine Schläfe mein Bewusstsein zu verlieren...

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