"Talk."

Mit einem liebevollen Lächeln beobachtete er Carlos und Lando. Das war wohl die reine, perfekte Form einer wahren Liebe. Wahnsinn, was die beiden für eine Ausstrahlung hatten, wenn sie beieinander waren. Natürlich war auch Nicholas bewusst, dass Carlos und Lando noch nicht alles geklärt hatten, aber er war sich sicher, dass die beiden das wieder hinbekommen würden. Immerhin kuschelte sich der junge Brite sehr direkt an den Oberkörper des Älteren.

Dass sich Lando wirklich zwischen Carlos und ihn geschoben hatte, war irgendwie ein gutes Gefühl gewesen. Es zeigte Nicholas sehr deutlich. dass er dem jungen Briten wichtig war. So wichtig, dass dieser sogar einen Streit mit dem eigenen Freund riskierte? Das wollte Nic sicher nicht und er hatte ja auch keine Angst vor Carlos gehabt. Keine direkte Angst, es war vielmehr der Schreck. 

Er hatte sich etwas über die laute Stimme des Spaniers erschrocken, obwohl er damit gerechnet hatte. Immerhin hatte er Carlos keine leichte Kost serviert. Wahrscheinlich würde jeder mit normal funktionierendem Verstand so reagieren, wie es Carlos getan hatte. Immerhin war die Reaktion von Lando damals ja auch nicht anders gewesen - nur dass dieser nicht eine so aufbrausende Erscheinung gewesen war.

„Es tut mir leid, dass ich dir Angst gemacht habe", entschuldigte sich der Spanier seufzend, nachdem er sich mit Lando endlich in eine bequeme Position gebracht hatte. „Aber es war ja auch nicht gerade angenehm, was du erzählt hast. Und wenn du mir jetzt auch noch sagst, in diesen Kerl verliebt zu sein, wird mir ganz anders. Echt, Nic. Tut mir leid, aber das kann ich beim besten Willen nicht verstehen und schon gar nicht nachvollziehen."

„Willkommen im Club", gab Lando seufzend von sich. „Da geht es dir nicht anders als mir. Ich bin auch aus allen Wolken gefallen. Man kann sich doch nicht in eine Person verlieben, die einem so wehgetan hat. Das, was er gemacht hat, war nicht nur ein einfaches Anrempeln oder Bein stellen."

„Ich bin der letzte Mensch, der dir keinen Freund wünscht. Vielmehr freut es mich, dass Lando und ich nicht allein mit unserer Sexualität sind. Obwohl ich schon ein wenig damit gerechnet habe, dass wir nicht die beiden einzigen Fahrer sind, die sich zum selben Geschlecht hingezogen fühlen. Mein Gefühl sagt mir, dass du dich nicht in George, Charles, Pierre oder Lewis verliebt hast, oder? Weil denen traue ich nicht zu, so was mit dir gemacht zu haben. Eigentlich traue ich das niemandem von unseren Kollegen zu." Das war zwar nicht ganz die Wahrheit, aber Carlos weigerte sich einfach, daran zu glauben, dass es da wirklich diesen einen Fahrer geben sollte, der Nic misshandelt hatte. Aber irgendwie passte alles genau zu diesem einen Fahrer.

„Du kannst es ruhig sagen, Carlos. Ich sehe dir an, dass du eine Vermutung hast."

„Es ist Kevin, oder? Der Einzige, der hier im Fahrerlager wirklich den Schuss nicht gehört hat und so manches Mal völlig abdreht. Er ist auf der Strecke schon gemeingefährlich und neben der Strecke ist er auch nicht unbedingt ein besserer Zeitgenosse."

Kaum dass Carlos Nic das gesagt hatte, zog er Lando automatisch näher an sich. Schützend drückte er seinen Freund an sich, während er Nic fast schon verzweifelt anblickte. Es war nicht so, dass er Kevin nicht so einige krumme und schlimme Dinge zutraute. Aber das, was dieser mit Nic gemacht hatte – und wahrscheinlich mit vielen anderen auch –, schlug dem Fass gerade wirklich den Boden aus. Wenn die FIA davon wüsste, wäre Kevin seinen Platz schneller los, als das dieser gucken konnte. Und im Grunde wäre das auch die beste und sicherste Entscheidung, die man treffen könnte. Nur bezweifelte Carlos stark, dass Nic da mitmachen würde.

„Ich würde euch gerne eine Erklärung geben. Eine Erklärung, die man nachvollziehen kann, aber ich kann nicht. Mein Verstand hat mir damals deutlich gesagt, ich sollte mich Kevin nie wieder nähern, immer das Weite suchen. Nach dem ersten Mal hatte ich noch solche Angst, dass ich beim zweiten Mal deswegen einfach mitgegangen bin. Ich weiß, Carlos! Total dumm und dämlich! Ich weiß nicht mal, wieso ich mir einbilde, dass sich was geändert hat. Wahrscheinlich will ich es einfach so sehr, dass ich Dinge sehe, die gar nicht vorhanden sind."

Schwer seufzend und niedergeschlagen zuckte Nicholas mit den Schultern, während er den Kopf hängen ließ. Jeder Psychiater hätte seine Freude mit ihm. In seinem Kopf herrschte ein unvorstellbares Chaos und Nic hatte absolut keine Ahnung, ob er das jemals allein bewältigen konnte. Mit Lando darüber zu reden hatte damals schon gutgetan, und nun mit Carlos einen weiteren Zuhörer zu haben, fühlte sich auch nicht verkehrt an. Es machte ihm aber auch klar, dass es eben nicht normal war, sich in seinen Peiniger verliebt zu haben.

„Wenn man verliebt ist, hört das rationale Denken schon mal auf. Passiert mir in der Nähe von Lando auch ständig." Leicht lächelnd küsste Carlos den Kopf seines Freundes, während er sanft die Hände des Jüngeren streichelte.

„Es fällt mir wirklich schwer zu glauben, dass du dich ausgerechnet in Kevin verliebt haben sollst. Auch ohne das, was er dir angetan hat, ist er ein sehr schwieriger und unberechenbarer Mensch. Ich kenne ihn nicht privat, worauf ich gerade auch noch weniger Wert lege. Aber ich kann mir kein richtiges Urteil bilden anhand von dem, was ich nur durch den Paddock über ihn weiß. Vielleicht ist er nur bei der Arbeit so ein blödes Arschloch und privat ganz anders. Hört man doch oft."

Schweigend nickte Nic. Was hätte er auch sagen sollen? Nicht nur Lando hatte recht bei seinen Gesprächen, auch Carlos. Und trotzdem schmerzte es ihn, wenn andere so schlecht über Kevin redeten. Er selbst wollte es nicht wahrhaben, dass er lieber die Finger von Kevin lassen sollte. Und vielleicht würden sie ja jetzt sowieso nie wieder außerhalb des Paddocks aufeinandertreffen. Immerhin hatte Kevin bei ihrem letzten Mal deutlich klar gemacht, dass er Nic nicht wieder zu sich holen wollte.

Auf der einen Seite war das schon eine Erleichterung. Das hieß weniger körperlicher Schmerz, aber auch weniger Kevin. Manchmal fühlte sich Nic, als wäre er wirklich einfach nur dumm. Wie konnte man sich freuen, aber auch gleichzeitig unendlich traurig sein? Sollte er Kevin nicht dankbar sein, dass er keinen Frust Sex mehr mit ihm haben wollte? Oder im Allgemeinen seinen Frust nicht mehr an Nicholas abbauen wollte? Seiner Seele und seinem Körper würde das auf jeden Fall guttun, aber sein Herz weinte leise, weil es diesen blöden Dänen jetzt schon vermisste.

„Wir sind uns nicht sicher. Aber Nic und ich – vielmehr ich – glaube, dass Kevin nicht weiß, was Liebe ist. Geschweige denn Freundschaft. Nic wäre schon dankbar, wenn Kevin ihm wenigstens die Chance auf eine Freundschaft geben würde. Aber ich habe noch nie gesehen oder gehört, dass Kevin von Freunden geredet hat."

Erstaunt hoben sich Carlos Augenbrauen. „Du glaubst, dass Kevin keine Freunde hat und keine Liebe kennt? Wie kommst du darauf?" Es überraschte den Spanier schon, dass gerade Lando so einen Eindruck zu haben schien. Immerhin war Lando ja doch noch jung. Aber gleichzeitig wusste Carlos auch, dass sein junger Freund viel mehr wahrnahm als sie alle dachten. Lando mochte der Jüngste von ihnen sein, aber deswegen hieß es nicht, dass dieser keine Ahnung hatte oder nicht registrierte, was um ihn herum geschah.

„Irgendwie glaube ich, dass Kevin schlechte Erfahrungen gemacht hat. Vor langer Zeit. Niemand kommt als so ein Arschloch auf die Welt. Irgendwas ist mit Kevin passiert, was ihn zu diesem gestörten Menschen gemacht hat. Ich weiß nicht wieso, aber ich glaube, Kevin war in einer schlimmen Beziehung, in der er sehr schlecht behandelt wurde. Ich glaube, er ist dort auch geschlagen und misshandelt worden. Man kann Menschen nicht nur körperlich sehr schaden. Auch mit Worten kann man jemanden sehr verletzen oder verängstigen. Ich denke, diese Erfahrung hat Kevin geprägt. Vielleicht hatte er niemanden, der ihm helfen konnte, der ihn da hätte wegholen können. Und dann? Dann hat er es vielleicht doch geschafft, aber eben nicht die Kraft gehabt, ein besserer Mensch zu werden als jener, der ihm Leid zugefügt hat. Würdest du mir Gewalt antun und ich es schaffen, mich von dir zu trennen, wäre das Letzte, was ich wollte, so zu werden wie du. Aber vielleicht kannte Kevin einfach nichts anderes und hat entschlossen, das zu machen, was man ihm selbst angetan hat? Ich weiß es nicht. Das sind alles nur wirre Theorien, die ich mir zusammengereimt habe. Ob davon etwas der Wahrheit nahekommt, kann ich nicht sagen. Aber wenigstens würde es einiges am Verhalten von Kevin erklären."

Carlos würde lügen, wenn er behaupten würde, er wäre nicht beeindruckt. Natürlich wusste er aus eigener Erfahrung, dass Lando eine unglaublich sensible Aufnahmefähigkeit besaß und sehr emphatisch gegenüber anderen war. Dass sich sein Freund so sehr mit Kevin beschäftigt hatte, zeigte ihm mal wieder, wie unglaublich Lando war. Carlos hatte noch nicht mal einen Gedanken daran verschwendet darüber nachzudenken, wieso Kevin so war wie er war. Für ihn war der Däne nur ein selbstzerstörerischer Mensch, der nichts in der Formel 1 zu suchen hatte. Aber Lando sah andere Dinge, schaute genauer hin.

„Lando meinte, dass ich Kevin erst mal davon überzeugen sollte, dass ich sein Freund sein möchte. Nicht sein fester Freund, sondern ein guter Freund. Jemand, der für ihn da ist, der ihn stützt, auffängt und ihm zuhört. Aber wir alle kennen Kevin. Der wird mich sicher nicht mit offenen Armen empfangen. Also haben wir beschlossen, dass ich Kevin nerven werde. Ich werde hartnäckig versuchen, ihm klar zu machen, dass es mir wirklich ernst ist. Dass ich sein Freund sein möchte. Natürlich wäre ich gerne mehr, aber ich glaube einfach, dass Kevin gerade mehr einen guten Freund als einen Partner gebrauchen kann."

Leise schnurrend drehte sich Lando in den Armen seines Freundes, lag nun seitlich an der Brust von Carlos und lächelte leicht. Ein gutes Gefühl durchströmte seinen Körper, als Nicholas auch so offen mit Carlos redete. Er hätte seinen Freund viel früher mit einbeziehen sollen, dann hätten Nic und er nicht so viele Tage und Nächte allein mit nachdenken verbracht. Außerdem tat es ihm selbst gut, den Spanier nun wissend an seiner Seite zu haben. Es war nicht schön, den eigenen Partner anzulügen und zu merken, wie die Beziehung irgendwie den Bach runterging. Nun aber würden sie beide wieder Zeit haben und diese wollte Lando unbedingt nutzen, um sich noch mal ausgiebig bei Carlos für sein Verhalten zu entschuldigen.

„Ich bin beeindruckt, dass ihr euch wirklich so viele Gedanken gemacht habt. Für mich ist Kevin nur ein großmäuliges, selbstverliebtes Arschloch. Aber wenn ich das außen vorlasse und davon ausgehe, dass Lando mit seinen Vermutungen vielleicht recht haben könnte, ist Kevin, glaube ich, ein ganz lieber Mensch, der einfach nur sehr viel Pech hatte. Es ist nicht davon auszugehen, dass Kevin uns erzählen wird, was geschehen ist. Mir schlägt nur so auf den Magen, dass er dich misshandelt und geschlagen hat. Ich kann das nicht ausblenden und es wird nicht besser mit dem Wissen, dass du dich in den Idioten verliebt hast. Niemand hat auch nur ansatzweise das Recht dazu, die Hand gegenüber jemand anderem zu erheben - egal wie scheiße sein Leben verlaufen ist. Egal wie tief der Frust über ein scheiß Rennen sein sollte, ich würde niemals die Hand gegen Lando erheben oder ihn verbal unter Druck setzen."

Sanft streichelte er durch die weichen Haare des Genannten und lächelte selig, als sich Lando noch dichter ankuschelte. Nicht eine Sekunde, seitdem sie sich kannten, seitdem sie zusammen waren, war Carlos der Gedanke gekommen, Lando zu schlagen. Sie hatten beide schon schlechte Wochenenden und sie hatten wie jedes andere Paar auch schon Streits. Aber nie war der Gedanke da, dass er Lando mit Gewalt zum Schweigen bringen wollte.

„Kevin und du seid verschiedene Typen. Ich hätte mich auch nie in Kevin verliebt. Der ist nicht mein Typ. Aber auch weil ich schon Angst vor ihm hatte und jetzt auch noch habe. Sein ganzes Auftreten während eines Rennens oder danach macht mir Angst. Und ich versuche wirklich alles, um positiv zu bleiben, weil ich Nic helfen möchte. Aber wo soll man was Gutes in ihm sehen, wenn er nicht mal ansatzweise dazu bereit ist, davon mal was zu zeigen? Romain sagt doch auch, dass es schwierig ist, mit Kevin zurechtzukommen. Nun gut, das mögen nicht unsere Probleme sein, weil es ja um Nic geht. Und für diesen wird es auch nicht leichter, wenn wir immer und ständig über den Mann herziehen, in welchen er sich verknallt hat. Nur müssen wir eben auch den Tatsachen ins Auge blicken. Dass Nic kaputt geht, wenn er sich weiter so von Kevin behandeln lässt oder sich selbst zu sehr hineinsteigert. Immerhin sitzen wir alle in einem Cockpit, wir steuern Boliden mit mehr als 300 Sachen. Wir brauchen da einen klaren, freien Kopf, damit nichts Schlimmes passiert. Nur solange das mit Kevin immer in Nics Kopf sein wird, habe ich einfach Angst, dass diesem etwas passiert. Und das wiederum ist für mich selbst nicht gut, weil ich mich auf meinen eigenen Boliden und mein eigenes Rennen konzentrieren muss."

„Wow." Verblüfft blickte Carlos auf seinen Freund, legte die Hand unter das Kinn von Lando und drückte dessen Kopf etwas zu sich nach oben. „Wann und wo habe ich es verpasst, dass du so erwachsen geworden bist? Wo sind deine Scheu, deine Unsicherheit und deine Schüchternheit? Wo ist mi corazón?"

Lando zuckte leicht mit den Schultern. „Während du so oft in Spanien warst, ist mi corazón, glaube ich, etwas abhandengekommen. Ich denke, dass es Zeit wird, dass ich mich meinem Alter anpasse, dass ich erwachsener werde. Und die Probleme und Sorgen, die Nicholas hat, sind ja auch nichts für einen Kindischen, naiven, kleinen Lando."

Wie hatte es soweit kommen können? Lando hatte sich so verändert und er hatte es zum größten Teil verpasst oder sogar mit selbst verschuldet, weil er nicht bei seinem Freund war, als dieser ihn gebraucht hatte. Natürlich sah und merkte Carlos, dass sein Lando noch da war, aber es war eben auch zu merken, dass sich Lando in den letzten Wochen verändert hatte. Und er wusste gerade nicht, ob er das gut finden sollte oder nicht.

Es wurde Zeit, dass er die beiden allein ließ. Carlos und Lando mussten unbedingt einiges klären und da würde er nur stören.

„Ich werde jetzt erst mal gehen. Ihr müsst unbedingt klären, was zwischen euch ist. Carlos, du musst mir glauben, dass ich nicht wollte, dass Lando so rasend erwachsen wird. Ich wollte dir sicher nicht deinen Freund nehmen." Entschuldigend blickte der junge Kanadier die beiden an, bevor er sich erhob. Vielleicht war es auch mal an der Zeit, allein zu sein. Er konnte versuchen, seine Gedanken zu ordnen und vielleicht eine Lösung zu finden. Wenn Kevin keinen Kontakt mehr zu ihm suchen sollte, wäre das vielleicht das Beste, was passieren konnte.

„Setz dich wieder, Nicholas. Du hast noch nicht alles erzählt. Du musst Carlos auch erzählen, was bei eurem letzten Aufeinandertreffen passiert ist. Alles andere klären Carlos und ich nachher, mach dir da keinen Kopf." Lächelnd nickte Lando dem Kanadier zu, der unsicher wirkte.

„Lando hat recht. Auch wenn ich überrascht bin, dass ich so viel verpasst habe, ändert das nichts an der Tatsache, dass Lando immer mi corazón bleiben wird. Er wird immer der süße, hübsche, scheue, schüchterne und verlegene junge Mann bleiben, in den ich mich einst verliebt habe."

Verlegen grinste Lando, schmiegte seinen Kopf an den Hals des Älteren und hauchte zarte Küsse auf die warme Haut. Bei solchen Liebesbekundungen ging Lando wahrlich das Herz auf. Und wenn Nic später nach Hause fahren würde, war Lando bewusst, dass er mit Carlos ausführlich reden musste. Aber davor hatte er jetzt keine große Angst mehr. Sie wussten beide, dass sie sich liebten und gerade eine schwierige Phase hatten.

Mit einem schweren Seufzen ließ er sich also wieder auf der Couch nieder und legte die Hände in den Schoß.

„Kevin ist nicht immer das Arschloch gewesen, für das ihr ihn alle haltet. Es gab wenige Momente, da war er anders, da hat er mich fast schon liebevoll behandelt. In erster Linie ging es immer nur darum, dass wir Sex hatten, weil er seinen Frust über ein Rennen abbauen wollte. Und ihm war auch nie wichtig, ob ich dabei einen Orgasmus bekomme oder nicht. Wenn er fertig war, hat er sich zurückgezogen, sich angezogen und ist gegangen. Das war nicht schön. Ich habe mich echt wie eine Nutte gefühlt. Zum Ficken gut genug, aber mehr gibt es nicht. Jedes Mal, wenn ich versucht habe ein Gespräch anzufangen, hat er mich bedroht oder mir deutlich zu verstehen gegeben, dass er daran kein Interesse hatte." Nervös schielte Nic nach oben, suchte den Blick von Carlos. Lando kannte seine Erzählungen schon, aber der Spanier hörte dies alles zum ersten Mal. Und dem Gesicht des Älteren war zu entnehmen, dass Carlos mehr als nur geschockt war. Er wirkte angewidert und schüttelte nur mit dem Kopf.

„Unbewusst hat er mich trotzdem auch mal zum Orgasmus gebracht und hat mir auch mal durch die Haare gestreichelt. Da war was in seinem Blick, das war so anders. Ich kann es nicht beschreiben, aber das war wohl der Moment, in dem ich mich in ihn verliebt habe. Das hat mich selbst schockiert und angewidert, weil er mich ja wie Dreck, wie einen Fußabtreter benutzt hat. Und trotzdem habe ich es danach kaum erwarten können, dass er nach einem Rennen zu mir kam. Ich habe mich so schäbig und widerlich gefühlt. Nachdem Kevin immer weg war, hab' ich geduscht. Sehr lange. Ich weiß nicht, was ich machen soll. Vor ein paar Tagen, nachdem er mich gefesselt und geschlagen hat, hab' ich mich das erste Mal verbal durchgesetzt. Und dann ist bei Kevin etwas passiert. Ich bat ihn darum, mich loszumachen und er tat es. Und er hat sich für sein Verhalten entschuldigt. In seinen Augen lag so viel Schmerz und Leid, so viel Scham, Angst und Hass. Aber der Hass galt nicht mir, das hab' ich gespürt."

Still.

Es war unheimlich still im Wohnzimmer, nachdem Nicholas fertig erzählt hatte. Lando kuschelte sich so eng an Carlos, dass kein Blatt mehr dazwischen gepasst hätte. Ihn wühlte das erneute Hören sehr auf und er brauchte mehr denn je den Kontakt zu dem Spanier. Fest schlang er die Arme um den Bauch von Carlos, presste das Gesicht gegen dessen Brust und versuchte, nicht zu weinen.

Carlos selbst wusste absolut nicht, was er sagen sollte. Er war nicht nur geschockt und angewidert. Er war nur sprachlos und erschüttert über das, was er hören musste. Dass Kevin Probleme hatte, kein einfacher Mann war, wussten sie alle. Der Charakter des Dänen war schon sehr böswillig und Carlos konnte einfach nicht verstehen, wo Nic etwas Gutes in dem Blonden sehen konnte. Hätte man Lando so was angetan, wäre er durchgedreht und hätte Kevin wohl angespitzt in den Boden gerammt oder noch Schlimmeres gemacht.

„Und trotz allem, was du gerade erzählt hast, bist du in ihn verliebt? Oh Mann, Nic. Einfach geht nicht, oder? Wie soll ich Kevin jetzt gegenübertreten, wenn ich weiß, was er gemacht hat?"

„Du darfst ihm nicht erzählen, dass du Bescheid weißt. Das würde ihn nur wütend machen. Immerhin sollte ich auch niemandem erzählen, dass wir Sex haben. Und trotzdem habe ich es Lando erzählt. Und Kevin war nicht begeistert, als mir herausgerutscht ist, dass Lando Bescheid weiß."

Lando keuchte leise auf, als Carlos seine Arme fest um ihn legte. Vorsichtig versuchte er sich zu bewegen, hatte aber nicht wirklich eine Chance gegen die starken Armen.

„Alles okay, Carlos. Mir geht es gut. Kevin ist nur sauer, weil Nic jemanden zum Reden hat. Er wird mir schon nicht zu nahekommen. Durch Corona dürfen wir uns eh nur in unseren Bereichen aufhalten. Und wo du nun Bescheid weißt, wirst du mich eh noch weniger aus den Augen lassen und mich beschützen - und das ist auch schön. Aber du darfst es auch nicht übertreiben, Carlos. Ich bin alt genug und kann mich selbst verteidigen."

Murrend drückte er seine Lippen auf die braunen Haare. Es gefiel Carlos so gar nicht, dass Lando recht hatte. Am liebsten würde er seinen Freund gar nicht mehr aus den Augen lassen. Aber bei Rennen würde er sie outen, wenn er noch auffälliger an Lando kleben sollte. Und das war keine Option. Also musste er sich darauf beschränken, Lando im Auge zu behalten und darauf zu vertrauen, dass sich dieser wirklich wehren konnte oder sonst auch um Hilfe bat, sollte Kevin irgendwas Krummes machen.

„Ich habe dir jetzt so viel erzählt, Carlos, und ich glaube, du musst das auch erst mal verarbeiten. Ich fahre jetzt nach Hause, war schon wieder viel zu lange bei Lando. Wir können uns morgen zum Mittag treffen? Wenn ihr wollt, könnt ihr vorbeischauen. Ich mache uns was. Bis dahin sind ein paar Stunden vergangen, die wir drei sicher gebrauchen können."

Diesmal standen auch Carlos und Lando auf, nachdem Nicholas es vorgemacht hatte. Er war schon viel zu lange hier. Lando brauchte sein Haus auch mal wieder für sich selbst und auch die Zeit für und mit Carlos. Und für sich selbst war es auch ratsam, einfach mal allein zu sein, auch wenn es schwer war. Nur musste er es irgendwie hinbekommen. Er konnte nicht nur wegen seinen Problemen mit Kevin und dem Liebeskummer bei Lando einziehen.

„Du kannst jederzeit wiederkommen, wenn du nicht allein sein möchtest. Oder ruf an, wenn du reden willst." Fest umarmte Lando den Kanadier, akzeptierte nur widerwillig, dass Nicholas gehen wollte. Aber sein Verstand sagte ihm, dass es die beste Lösung war. Die brauchten alle drei Zeit für sich.

„Wenn du irgendwas brauchst, melde dich. Jetzt, wo ich auch im Bilde bin, versuche ich, dich mit allen Mitteln zu unterstützen. Du musst aber auch verstehen, dass ich noch nicht damit klarkomme, dass du diesen Kerl liebst. Und es mir auf den Magen schlägt, dass er das von Lando weiß."

Wie Lando nahm auch Carlos den anderen fest in die Arme, streichelte Nic kurz über den Rücken, bevor er die Umarmung löste und diesem auf die Schulter klopfte.

„Ich bin euch beiden so dankbar. Jemanden zu haben, der zuhört, ist so wertvoll. Auch wenn ich heute noch ein schlechtes Gewissen habe, weil Lando mich gefunden hat, so bin ich auch dankbar dafür. Ansonsten hätte ich es wohl niemandem erzählt und wäre schon längst zugrunde gegangen. Und jetzt hab' ich eine Bitte an euch." Ein kleines Lächeln zierte sein Gesicht, als er die beiden McLaren-Piloten ansah.

„Bitte klärt alles."

„Das werden wir. Versprochen."

Lando brachte den Williams-Piloten noch zu Tür und verabschiedete sich mit einer letzten festen Umarmung, bevor er wieder zurück zu Carlos ins Wohnzimmer ging.

„Mi corazón." Kaum im Wohnzimmer angekommen, fand sich Lando auch schon in der nächsten festen Umarmung. „Ich liebe dich, Lando, und ich bin so verdammt stolz auf dich", murmelte Carlos leise in die Haare des Jüngeren, drückte diesen sanft an sich.

TBC ...

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