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Astraia bekommt eine Nachricht, dass an diesem Tag die Schule ausfällt, da Unmengen an Schnee vom Himmel fallen sollen. Luz muss ebenfalls nicht in den Kindergarten und turnt auf Astraias Bettdecke herum. Sie beginnt zu lachen und die beiden bewegen sich nach unten, um in der Küche zu helfen. Ihre Eltern müssen ebenfalls nicht arbeiten, der Weihnachtsmarkt soll trotzdem stattfinden. Man ist der Meinung, Schnee sei genau richtig, um die Leute auf einen Weihnachtsmarkt zu hetzen. Zumal heute wohl viele Menschen nicht arbeiten mussten, die sich die Zeit vertreiben mussten. Jeder Budenbesitzer konnte trotzdem selbst entscheiden, ob er seine Bude öffnen will. Als sie ankommen, bemerkt Astraia, dass fast jeder gekommen ist, um seinen Stand zu öffnen, denn in New Evens zählt jeder Cent. Die meisten auf dem Markt machten dies nicht aus Spaß oder aus Freude daran, sondern um an Geld zu kommen. Denn die meisten konnten ohne das Weihnachtsmarktgeld nicht auskommen.

Gleich, als Astraia angekommen ist, bekommt sie eine Nachricht von Lumi. Sie und Sirius würden heute auch wieder auf den Markt kommen und helfen. Zumal Lumi und sie auch den Plan ausgeheckt haben. Sie musste Yeshua einfach von sich überzeugen. Dass sie keine blöde Tante war, die man nicht leiden konnte. Und trotzdem macht sie sich schon jetzt in die Hose. Sie schielt immer wieder zu seiner Bude hinüber. Er könnte heute öffnen und ein sehr gutes Geschäft machen, aber sie ist immer noch geschlossen und wird auch in den nächsten paar Stunden keinen Besitzer finden, denn Yeshua sitzt woanders und wartet auf seinen Termin.

Lumi und Sirius sind inzwischen eingetroffen und ihre Freundin entführt sie sofort, um Sirius die volle Verantwortung zu überlassen. Dieser protestiert zwar, wird aber übersehen. Es gibt nun deutlich wichtigere Sachen zu besprechen.

„Steht das alles noch?", fragt Lumi aufgeregt.

„Ich habe ehrlich gesagt echt Schiss", erklärt Astraia.

„Machst du nun doch noch einen Rückzieher?", fragt Lumi.

„Ich weiß nicht. Was ist, wenn er es total blöd findet und mich auslacht, oder-?", fragt Astraia besorgt.

„Ich finde, wir ziehen das ganze durch. Mehr zum Affen machen, als du es bisher getan hast, kannst du dich sowieso nicht", ärgert Lumi sie.

„Aber er ist bisher doch noch gar nicht aufgetaucht. Vielleicht will er nichts mehr mit mir zu tun haben und kommt nie wieder her", beschwört Astraia alles Mögliche herauf, um sich davor zu drücken.

„Da ist er, jetzt komm. Er wird es bestimmt großartig finden", freut sich Lumi nach einer Weile. Inzwischen ist es kalt geworden, denn es fallen tatsächlich große Flocken und sie bleiben auf dem Boden liegen. Der Schnee würde bis morgen vielleicht liegen bleiben. Dann würde Astraia mit Luz einen Schneemann bauen. Oder eine ganze Schneefamilie.

„Ich hasse dich", erwidert Astraia.

„Ich liebe dich auch", antwortet Lumi und wirft ihr eine Kusshand zu.

„Es ist doch wirklich keine große Sache", versucht Lumi es noch einmal, als Astraia widerwillig zu Yeshuas Stand geht.

„Hau ab", ist das erste, was Yeshua von sich gibt, als sie erst zu seiner Bude geht und eine Weile davor stehen bleibt, ohne etwas zu sagen und ohne dass er einen Ton von sich gibt.

„Ich wollte dir nur etwas geben", stammelt sie.

„Ich will es aber nicht haben. Du bist für mich gestorben", erklärt er ihr.

„Es tut mir alles wahnsinnig Leid", gibt Astraia zu.

„Es tut mir alles so wahnsinnig Leid", äfft er sie nach.

„Weißt du was? Du bist ein Vollidiot", sagt sie, weil sie ihn verletzt hat. Sie dreht sich um und beschließt, den Brief, den sie ihm geben wollte, zu behalten. Dann würde sie ihn eben aufgeben.

„Ich hab es verbockt", erklärt sie Lumi, als sie wieder angekommen ist.

„Er muss sich doch nicht gleich so anstellen", gibt Lumi zurück.

„Ich habe jedenfalls erst einmal die Nase voll von Jungs. Von jeglichen Jungs. Also raus, Sirius", erklärt Astraia.

„Dein ernst? Ich kann doch nichts dafür, dass du Liebeskummer hast. Du wirst schon wieder zum Arsc-", beginnt er, doch kommt nicht weiter, weil Lumi ihn warnend anblickt.

„Wir brauchen sowieso eine neue Ladung Kekse. Könntest du die vielleicht besorgen?", fragt sie mit einem zuckersüßen Lächeln. Nachdem Sirius abgezischt ist, wendet Lumi sich wieder an ihre Freundin.

„Und wenn es für dich in Ordnung ist, dann würde ich deine Mutter suchen und ihr Bescheid geben, dass es dir nicht so gut geht. Dann könnte sie vielleicht eine Weile hier übernehmen und wir könnten ins Café gehen. Ein bisschen Ablenkung würde dir bestimmt gut tun", gibt Lumi zu und ist auch schon wieder abgezischt. Nun muss Astraia sich alleine um die Bude kümmern und bemüht sich, nicht andauernd wieder zu Yeshua hinüber zu schauen. Aber dies gelingt ihr in der viertel Stunde, in der Lumi weg ist, nicht wirklich. Sie könnte sich ohrfeigen, weshalb es ihr nicht früher aufgefallen ist, dass er wirklich in Ordnung, sogar süß ist. Und nun hatte sie es Mal wieder typisch für sie, mit allem versaut. Sie würde niemals wieder einen Freund finden und alleine mit zehn Katzen sterben. Sie hätte Yeshua niemals des Diebstahles beschuldigen dürfen. Nur weil man blöde Freunde hatte, musste man selbst nicht auch so sein, oder?

Doch sie wurde aus ihren Gedanken gerissen, denn Lumi ist inzwischen wieder aufgetaucht und Sirius war inzwischen auch mit ein paar weiteren Kartons voller Kekse aufgetaucht. Bei diesen helfen sie ihrer Mutter noch, bis sie schließlich ins Café fahren und sich alle ein Kakao bestellen.

„Dies ist jetzt genau das Richtige für dich", lächelt Lumi sie an.

„Wir bräuchten jetzt ein Katzencafe", erwidert Sirius. „Die sollen bei Liebeskummer Wunder wirken"

„Das hast du dir ausgedacht", lacht Lumi.

„Nein, soll wirklich wahr sein. Also, mir hilft es zumindest immer"

„Wann hast du denn Mal Liebeskummer?", lacht Lumi.

Daraufhin sagt er nichts mehr und auch Astraia scheint nicht bei der Sache zu sein, denn sie schlürft an ihrem Kakao und hat einen Schokoladenmund, aber hört nicht zu und beteiligt sich auch nicht an der Konversation. Die beiden unterhalten sich ohne ihre Freundin, denn diese ist mit ihren Gedanken schon wieder ganz woanders.

„Wollt ihr noch etwas?", fragt die Bedienung nach einer Weile, als sie ihre Getränke ausgetrunken hatten.

„Einen Kakao noch, bitte", sagt Astraia abwesend.

„Du hattest jetzt schon drei davon, Astraia", ermahnt Lumi sie.

„Ich darf so viele davon trinken, wie ich will", antwortet sie. Sie fragt sich, ob sie überhaupt das Recht hat, traurig zu sein, denn all diesen Mist hatte sie sich selbst eingebrockt. Sie hatte zu spät erkannt, dass sie Yeshua wirklich mochte und nun redet er nicht mehr mit ihr. Aber durfte sie deshalb so durchhängen?

*

„Ich glaube, wir müssen nun langsam Mal zurück auf den Markt. Deine Mutter wartet bestimmt schon auf dich. Ich glaube, wir sind inzwischen über zwei Stunden weg und wie wir sehen, sehen wir nichts. Es scheint dich nicht abzulenken, also können wir auch wieder zurück fahren", erklärt Sirius den beiden. Er war schon immer der Vernünftigste in der Clique gewesen. Die drei fahren zurück zum Weihnachtsmarkt und Yeshua ist inzwischen nicht mehr in seiner Bude, dafür aber Zlatan, der sie auch mit keinem Blick würdigt. Er scheint immer noch wütend auf sie zu sein. Sie kann es ihm nicht einmal verübeln. Immerhin hatte sie Yeshua des Diebstahles beschuldigt und war auch sonst das Arschloch schlecht hin gewesen. Somit versucht sie es gar nicht erst bei ihm, sondern geht schnurstracks auf ihre Mutter zu. Durch die Aufgaben würde sie sich vielleicht ablenken können. Zumal Yeshua nun auch nicht mehr in seiner Bude steht.

„Ich kann dich jetzt wieder ablösen. Du kannst weiter beim Aufräumen helfen", erklärt Astraia ihrer Mutter lächelnd.

„Nicht nötig. Sie sind inzwischen fertig. Aber du kannst mir einen anderen Gefallen tun. Wir brauchen sehr dringend deine Hilfe. Uns ist eine der Elfen und der Weihnachtsmann ausgegangen. Für den Mann haben wir schon jemanden gefunden, aber niemand von uns passt in dieses winzige Elfenkostüm hinein. Kannst du das bitte, bitte übernehmen?", fragt ihre Mutter sie. Ihre beiden Freunde haben sich aus dem Staub gemacht. Es ist klar, dass sie nicht auch in so ein Kostüm gesteckt werden wollen und sie kann es ihnen nicht einmal verübeln.

„Auf keinen Fall werde ich mich in so ein winziges, lächerliches Elfenkostüm quetschen!", protestiert Astraia.

„Wir brauchen unbedingt deine Hilfe. Außerdem ist es deine Größe. Du brauchst dich nicht hinein zu quetschen, weil es passen würde. Und du musst auch nur ein bisschen mit den kleinen Kindern reden", erklärt ihre Mutter.

„Okay, ich mach es", erwidert Astraia und rollt nebenbei mit den Augen.

„Wo ist das Kostüm?", fragt sie. Ihre Mutter drückt es ihr in die Hand und sie zieht ihre Jacke aus, um es über zu probieren.

„Wenigstens hält das Ding warm", stellt sie fest und macht sich auf den Weg zu dem ganzen Spektakel. Es ist inzwischen ein Weihnachtshaus aufgebaut und lauter Elfen tanzen herum.

„Oh, meine Mutter kann das blaue Wunder erleben", sagt sie wütend, denn sie hatte nichts von Tanzen erwähnt. Und nun fingen die Elfen auch noch an zu singen. So hatten die beiden dies aber nicht abgemacht. Astraia konnte weder singen, noch tanzen.

„Scheiße", flucht sie.

„Das Scheiße kenne ich aber", sagt da jemand, leise.

„Yesh?", fragt sie erstaunt. Sie hätte nicht gedacht, dass er noch einmal mit ihr redet, geschweige denn von selbst anspricht. Nicht nach der Abfuhr von heute Morgen. Astraia fühlt sich in ihrem Kostüm total albern, doch als sie Yeshua als Weihnachtsmann verkleidet sieht, sind alle Sorgen wie weggepustet. Irgendwie ist es klar gewesen, das ausgerechnet er den Weihnachtsmann spielen muss, wenn er Mal wieder nicht in seiner Bude ist und sie schon einen Mann gefunden haben. Sie fragt sich, ob Lumi etwas damit zu tun hat. Astraia wüsste allerdings nicht, wie Lumi es geschafft haben soll, Zlatan dazu zu überreden, dass er Yeshua dazu kriegt, denn Weihnachtsmann zu übernehmen.

„Ja, wir sind in dem gleichen Mist gelandet. Ich wurde auch gezwungen"

„Von wem denn?", fragt Astraia.

„Von dem da", sagt er und zeigt auf einen grinsenden Zlatan. Astraia fragt sich, ob dieser nicht an der Bude sein musste. Anders als alle anderen scheint Yeshua dies alles nur wegen des Spaßes zu machen, denn wenn man das Geld brauchte, konnte man nicht andauernd seine Bude im Stich lassen und schließen.

„Du bist aber der schickste Weihnachtmann, denn ich je gesehen habe", grinst Astraia.

„Nicht der dickste?", fragt Yeshua lachend. Er tut so, als wenn zwischen den beiden nie etwas vorgefallen wäre. Astraia will ihn gerade fragen, als die beiden aufgerufen werden. Die ersten Kinder stehen bereit und Yeshua muss sich all ihre Wünsche anhören, während sie auf seinem Schoss sitzen. Astraia darf brav daneben stehen und die Wünsche hinterher notieren, aufpassen, dass niemand drängelt oder doppelt herankommt, denn manche stellten sich doppelt an, um noch einen Schokoladenlolly abzubekommen. Eigentlich musste sie, zu ihrem Glück, nicht singen oder tanzen, denn sonst hätte sie sich definitiv noch mehr zum Affen gemacht, als sie es die letzten Tage sowieso schon gemacht hatte. Obwohl Lumi meint, dass dies nicht mehr gehen würde, ist Astraia da anderer Überzeugung.

Nach einer halben Ewigkeit haben sie tausende von Kindern angehört und ihre Wünsche aufgeschrieben.

„Ich kann echt nicht mehr. Meine Beine sind ganz wund vom vielen draufsitzen. Noch einmal kann ich das nicht durchziehen. Wie schafft der echte Weihnachtmann das nur, wenn er um die ganze Welt reisen muss? Das waren schließlich nur die Kinder aus New Evans", gibt Yeshua lächelnd zu. Astraia muss lachen. Es geht ihr allerdings nicht aus dem Kopf, weshalb Yeshua auf einmal wieder normal mit ihr spricht, als wenn niemals etwas zwischen den beiden vorgefallen wäre. Schon beinahe so, als wenn die beiden Freunde wären. Als Yeshua sich schließlich auch noch mit einem Satz verabschiedet, der ihr die ganze nächste Nacht und den Tag darauf nicht aus dem Kopf geht, ist alles vorbei. Er winkt ihr noch einmal zu, bevor er wieder einmal in der Menge verschwindet und sich die nächsten Stunden nicht blicken lässt.

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