13

Nach dem Wochenende, am Montag, dem 14. Dezember ist die Ansage eines Sturmes auf einmal wie weggeblasen und alle können wieder normal zur Schule und zur Arbeit gehen. Astraia freut sich sogar darauf, weil sie dann einmal sechs Stunden nicht unter Beobachtung stehen würde.

„Und heute nach der Schule kommst du sofort nach Hause. Keine Umwege, sofort nach Hause. Hausaufgaben machen und auf den Markt kommen. Ohne zu trödeln!", sagen ihre Mutter und ihr Vater ihr bestimmt beim Frühstück.

„Soll ich Luz, bevor ich in die Schule gehe, noch in den Kindergarten bringen?", fragt Astraia, in der Hoffnung dies tun zu dürfen. Vielleicht würde sie auf dem Weg wieder Yeshua treffen. Doch vergeblich, denn ihre Mutter will Luz selbst bringen.

„Okay, dann muss ich jetzt auch los", sagt Astraia und steht auf, um ihre Müslischale in die Spülmaschine zu räumen und sich ihren Rucksack zu schnappen, um aus der Haustür zu verschwinden.

„Denk dran, keine Umwege!", ruft ihr Vater noch einmal. Sie drückt die Tür zu und muss erst einmal kräftig ausatmen, während ihr Rücken an die Haustür drückt.

Auf einmal spricht eine ihr bekannte Stimme zu ihr.

„So anstrengend?", fragt er. Yeshua sitzt auf seinem Motorrad und steht vor ihrer Tür.

„Was-Wie-Woher?", stottert sie vor sich hin. Dann schleicht sie sich schnell davon, bevor ihre Eltern bemerken, dass sie außerschulischen Kontakt mit jemanden hat. Zumal es auch noch ein Junge ist, was ihre Eltern nun in dieser Situation noch kritischer betrachten würden, obwohl die beiden bisher noch nie so streng gewesen sind. Die beiden waren noch nie streng gewesen. Das Verhalten, was sie an den Tag legten, passte überhaupt nicht zu ihnen. Wahrscheinlich ist es der altbekannte Weihnachstress. Er muss das Motorrad vor ihre Tür geschoben haben, denn es hat keinen Krach gemacht und vor ihrer Haustür ist auch keine Straße vorhanden. Man muss erst ein Stück gehen, um zur Straße zu gehen.

„Alles okay?", fragt er, als sie auf einmal beginnt, ein Stück zu laufen. Genau in dem Moment, in dem er seinen Satz beendet hat, schaut ihre Mutter aus der Tür. Sie hatte sich wohl eingebildet, Astraia und einen Jungen sprechen zu sehen. Obwohl, einen Jungen auf einem Motorrad sah sie. Sie konnte allerdings nicht erkennen, ob sie den jungen Mann kannte, denn er hatte einen Helm auf und fuhr in dieser Sekunde weiter. Sie schüttelt den Kopf und geht wieder hinein. Sie hatte den jungen Mann noch nie hier gesehen, aber es konnte ein Freund ihrer neuen Nachbarn sein.

„Ja, aber ich habe immer noch Hausarrest", gibt Astraia zu.

„Echt jetzt? Wozu habe ich mich dann zum Affen gemacht?", fragt er lachend. Inzwischen steht er neben ihr und schiebt sein Motorrad nun.

„Willst du eigentlich schon wieder zu spät kommen, oder willst du noch einmal auf meiner, wie hast du sie noch genannt? Todesmaschine mitfahren?", fragt er grinsend und kramt schon den Helm aus der Tasche, um ihn ihr zu reichen. Sie nimmt den Helm und setzt ihn sich auf, um sich schließlich auf sein Motorrad zu setzen. Genau diese Situation war ihr Plan gewesen. Dass sie auf seinem Motorrad mitfahren könnte und die beiden miteinander reden würden. Doch als sie auf dem Ding sitzt, bemerkt sie, wie schwierig es ist, mit jemanden zu reden, während man zu zweit, hintereinander auf einem Motorrad sitzt. Yeshua versteht kein Wort von dem, was sie sagt. Die Maschine ist viel zu laut und auch der viele Verkehr macht die ganze Situation nicht besser. Sobald sie in der Schule angekommen sind, ist es auch nicht besser, denn sie können noch immer nicht miteinander reden, weil der Unterricht schon angefangen hat. Die beiden würden trotzdem fünf Minuten zu spät kommen.

„Ob wir nun fünf oder zehn Minuten zu spät kommen, ist doch auch egal, oder?", fragt Astraia.

„Ich muss dringend mit dir reden", fügt sie noch hinzu, doch Yeshua hat seinen Helm schon in seinem Motorrad verstaut und braust davon. Sie hält ihren Helm noch verdutzt in der Hand, als er schon im Gebäude verschwunden ist.

„Scheiße", flucht sie. Nun würde sie mit dem Helm in den Unterricht, denn sie bekommt das Motorrad nicht mehr auf. Als sie ins Gebäude läuft, wartet er bereits auf sie.

„Wow, wie nett. Zumindest können wir nun gemeinsam zu spät kommen", gibt sie ironisch von sich. Er hält ihr inzwischen die Tür zum Klassenraum auf, an die er vorher geklopft hatte.

„Interessant. Yeshua und Astraia. Habt ihr eine Erklärung für eure zehn Minuten Verspätung?", fragt die Lehrerin die beiden. Astraia schaut auf die Uhr. Sie mochte diese Lehrerin noch nie.

„Es sind erst fünf Minuten", protestiert sie.

„Wir hatten einen Platten", entschuldigt sich Yeshua.

„Astraia hat mir geholfen, ihn zu wechseln", sagt er und zwinkert ihr zu. Die Lehrerin nickt und die Klasse lacht. In manchen Situationen hasste sie diesen Jungen immer noch. Nun wusste die ganze Klasse, dass die beiden zusammen auf dem Motorrad zur Schule gefahren sind und der Helm in ihrer Hand bestätigt das ganze nur noch. Sie setzt sich nun murrend auf ihren Platz, während Lumi und Sirius ihr wissende Blicke zuwerfen und auf den Helm zeigen, um danach die Augenbrauen hochzuziehen.

In der ersten großen Pause ist Yeshua schon wieder wie vom Erdboden verschluckt und sie schafft es immer noch nicht mit ihm zu reden. Eigentlich will sie dieses Gespräch auch nicht in der Schule führen, doch momentan sieht sie durch ihren Hausarrest keine andere Möglichkeit.

„Wisst ihr, wohin der Kerl schon wieder verschwunden ist?", fragt sie ihre beiden Freunde, als sie aus der Klasse kommen.

„Nope, du bist doch die ganze Zeit mit ihm zusammen. Du müsstest es von uns drein also am besten wissen. Läuft da nun schon was?", fragt Lumi neugierig.

„Da läuft nichts. Wir sind nur Freunde!", behauptet Astraia, obwohl sie neuerdings ein Kribbeln im Bauch spürt, wenn sie auch nur an Yeshua denken muss. Sie fragt sich die ganze Zeit, wie dieser Junge es in so schneller Zeit in ihr Herz geschafft hatte. Von den einen auf den anderen Tag mochte sie ihn, obwohl sie ihn vorher nicht ausstehen konnte. So etwas sollte nicht möglich sein.

In der zweiten Pause fängt Yeshua die drei ab.

„Wo warst du in der ersten Pause?", fragt Astraia.

„Ich wüsste nicht, was dich das angeht", sagt er grinsend.

„Du weißt genau, dass ich mit dir reden will", sagt Astraia wütend.

„Wir beide lassen euch Mal alleine", sagt Sirius und nimmt Lumis Hand, um sie wegzuziehen und zu den anderen Schülern an einen der Tische zu gehen.

„Ich hätte zufälligerweise die nächsten beiden Stunden Zeit"

„Du willst Mathe schwänzen?", fragt Astraia ungläubig.

„Braucht sowieso kein Schwein", erwidert Yeshua.

„Ich steh auf einer Vier. Ich kann Mathe nicht schwänzen", erwidert sie.

„Ich stehe zufälligerweise auf einer eins. Wenn du mit mir schwänzt, helfe ich dir und schon bald stehst du in Mathe auf einer Drei. Wenn es gut läuft sogar auf einer Zwei. Einverstanden?", fragt er.

„Ich kann nicht schwänzen. Erstens: Wegen meiner Vier. Zweitens: Wegen meiner Eltern. Ich kann mir nicht noch nicht mehr Hausarrest einhandeln. Und Drittens: Wie soll ich mein Fehlen erklären, wie soll ich das entschuldigen?", fragt sie ihn.

„Also, du kannst. Erstens: Wie gesagt, bei deiner Note helfe ich dir, wenn du mitkommst. Und du kannst es echt gebrauchen-", beginnt er.

„Aua", sagt sie.

„Zweitens: Deine Eltern werden davon nie etwas erfahren. Und Drittens: Da habe ich die optimale Lösung"

„Und welche Bitteschön?", fragt sie.

„Du hast deine Tage bekommen. Ziemlich stark. Ich habe dich einfach begleitet"

„Das meinst du doch nicht ernst, oder? Das ist doch die Klischeeaussage von Mädchen im Sportunterricht. Und warum sollte ich ausgerechnet dich fragen, wenn es mir wegen meiner Tage schlecht geht? Lumi, okay. Sirius, kann ich auch noch nachvollziehen. Aber dich?", fragt sie ihn ungläubig.

„Okay. Ich geb es ja zu. Ich habe keine gute Ausrede. Aber deine Tage, ziemlich stark und so ist doch eine gute Aussage. Ihr könnt doch ziemliche Krämpfe bekommen. Bauchschmerzen sollen bei manchen auch richtig heftig sein. Vielleicht hattest du einfach Krämpfe und es war gerade niemand in der Nähe. Wir können auch sagen, dass du gekotzt hast und niemand in der Nähe war. Ich wollte dich nicht alleine lassen und bin mit dir in eine ruhige Ecke gegangen"

„Und dann sind wir die ganzen beiden Mathestunden weggeblieben und auf einmal geht es mir wieder gut?", fragt sie.

„Wir sind zum Arzt gegangen?", fragt er nun verzweifelt. Andere waren bisher immer leichter zu überzeugen gewesen.

„Zusammen?"

„Du bist echt nicht einfach"

„Ich weiß", grinst sie.

„Ich gehe mit"

„Was?", fragt er.

„Ich gehe mit"

„Woher der Sinneswandel?", fragt er.

„Ich könnte eine bessere Note in Mathe wirklich gebrauchen. Und wenn du wirklich so gut bist, bringt mir das Schwänzen vielleicht wirklich mehr, als der Matheunterricht. Außerdem will ich noch mit dir reden und ansonsten komme ich auch im Moment nie raus. Also, was soll es. Ich habe noch nie eine Regel gebrochen. Es wird wohl Zeit", erklärt sie.

„Das mit dem, noch nie eine Regel gebrochen glaube ich dir nicht. Sonst hättest du kein Hausarrest", lacht er.

„Okay. Das letzte war eine Lüge", grinst sie. Die beiden laufen gemeinsam zu den Parkplätzen und fahren kurze Zeit später, ohne dass es jemand mitbekommt, vom Schulgelände. Wenn man in der Oberstufe ist, achtet darauf sowieso niemand mehr.

Auf der Fahrt reden die beiden wieder kaum miteinander, da der Fahrtwind wieder zu stark ist, als dass man den anderen verstehen könnte.

„Wo hast du mich hingebracht?", fragt Astraia, nachdem sie ihren Helm abgesetzt hat und die beiden an einem wunderschönen Ort angekommen sind, an dem man über ganz New Evans schauen kann.

„Das hier ist mein Lieblingsort. Auf den, auf dem Weihnachtsmarkt konnte ich dich ja nicht bringen. Den kanntest du schon und da könnte uns deine Mutter sehen", erklärt er ihr. Sie müsste zwar noch arbeiten, aber er hatte Recht. Sie könnte jederzeit auftauchen.

„Es ist wunderschön hier"

„Ich weiß", grinst er sie an und verstaut die beiden Helme nun in dem Fach. An dem Zaun grenzt eine Bank, auf die die beiden sich nun setzen.

„Darf ich jetzt mit dir reden?", fragt sie ihn.

„Klar, ich habe dich ja schließlich auch gegen deinen Willen hierher gebracht", erklärt er lächelnd und auf einmal ist er wieder unglaublich süß. Sie würde ihn am liebsten küssen. Doch stattdessen stellt sie ihm diese eine Frage, die schon die ganze Zeit in ihrem Kopf herumgeistert.

„Warum hast du das getan?", fragt sie.

„Was?", fragt er.

„Mir geholfen, meinen Eltern diese Lügengeschichte erzählt. Warum sind wir hier? Warum sprichst du wieder mit mir?", fragt sie ihn.

„Soll ich ehrlich sein?", fragt er.

„Ja, natürlich sollst du ehrlich sein. Sonst würde ich dich doch nicht fragen", lacht sie.

„Okay", sagt er und atmet aus. Ist es ein Mutmachausatmen? Dass macht sie immer, wenn sie Mal ein bisschen Mut braucht. Immer noch einmal ausatmen, bevor man den ersten Schritt macht, bevor man eine wichtige Arbeit schreibt, bevor man einen Schritt wagt.

„Wenn ich ehrlich bin, habe ich all das getan, weil ich dich irgendwie mag", antwortet er. Mit solch einer einfachen Antwort hatte sie nicht gerechnet.

„Aber nur weil du mich magst, kannst du noch nicht einfach wieder mit mir reden, obwohl ich so gemein zu dir war. Und du kannst nicht meine Eltern anlügen, einfach weil du mich magst"

„Siehst du doch. Dass ich es kann", erwidert er emotionslos.

„Wir kennen uns doch kaum"

„Und ich habe deinen Brief gelesen" , erwidert er.

„Was?", fragt sie verdutzt.

„Deinen Brief, den du mir geschrieben hast?" , fragt er nun ebenso verwirrt, wie sie es ist.

„Ich habe dir keinen Brief gegeben. Ich wollte ihn dir geben, habe mich dann aber doch dagegen entschieden"

„Ich habe ihn aber bekommen. Er lag vor meiner Bude"

„Er muss aus meiner Tasche gefallen sein"

„Jedenfalls habe ich ihn gelesen. Ich würde dich gerne kennenlernen. Denn das Mädchen, welches ich bisher kenne, mag ich wirklich sehr. Astraia, ich würde gerne mit dir ausgehen.", antwortet er ihr. Sie ist völlig überfordert mit der Situation. So etwas war ihr noch nie zuvor passiert. Noch nie hatte sie ein Junge so direkt nach einem Date gefragt.

„Ein richtiges Date?", fragt sie. Er nickt grinsend.

Das einzige, was sie nun noch herausbringt, ist ein irrwitziges Stammeln, von irgendwelchen Wörtern, die überhaupt keinen Sinn machen. Aber wenn sie ihm zusagte, konnte sie ihm endlich all die Fragen stellen, die sie an ihn hatte. Sie hatte ihn noch immer nicht gefragt, was Luz sich gewünscht hatte. Sie wollte inzwischen außerdem mehr über den geheimnisvollen Jungen wissen. Er scheint cool zu sein.

Er lächelt. Da ist wieder dieses unglaubliche Lächeln, welches die ganze Welt umarmt. Er scheint, obwohl sie immer noch nichts gesagt hat, ruhig zu bleiben.

„Du musst nichts sagen. Lass dir Zeit", erklärt er ihr.

„Ich möchte aber gerne mit dir ausgehen", erklärt sie lächelnd und auch hierbei muss sie noch all ihren Mut zusammen nehmen, obwohl sie doch gefragt wurde. Auf einmal fällt ihr jedoch wieder der Hausarrest ein, denn sie immer noch hatte.

„Aber ich habe doch Hausarrest. Ich kann gar nicht mit dir ausgehen", stellt sie fest.

„Ich habe dich ja auch nicht gefragt, ob wir jetzt gleich miteinander ausgehen. Ich habe Zeit und ich warte auf dich, eben bis du keinen Hausarrest mehr hast", erwidert er.


„Das kann sich nur noch um Jahre handeln", erklärt sie und rollt mit den Augen, als sie an ihre Eltern denken muss.

„Dann warte ich eben Jahre. Ich glaube, bei dem Mädchen, welches dahinter steckt", sagt er und zeigt auf sie „lohnt es sich, auch tausende von Jahren zu warten."

Bei diesem Satz ist es völlig um sie geschehen, denn ihr Herz ist gerade geschmolzen.

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