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Auf dem Weg zu dem großen Platz macht sie sich immer noch Gedanken darüber, weshalb Yeshua einfach wieder normal zu ihr spricht, ohne den ganzen Streit, wenn man es denn so nennen kann, auch nur eine Sekunde lang zu erwähnen. Das alles war sowieso Kinderkram. Trotzdem grübelt sie die ganze Zeit darüber nach und läuft fast schon wieder in einen anderen Jungen hinein. Sie kriegt gerade noch so die Kurve, ohne in ihn hinein zu laufen.
„Bist du nicht Astraia?", fragt dieser sie trotzdem. Sie ist völlig in Gedanken, weshalb sie erst noch gar nicht bemerkt, dass er sie meint und wirklich mit ihr redet. Sie hätte niemals gedacht, dass ein Junge, wie er, sie jemals wahrnehmen würde.
„Ich?", fragt sie unsicher.
„Heißt hier noch jemand Astraia?", fragt er lachend.
„Woher soll ich das wissen?", lächelt sie und dreht ihre Haarsträhne unter der Mütze nervös in ihren Fingern.
„Was machst du hier?", fragt er sie.
„Ähm", beginnt sie. Sie konnte ihm nicht erzählen, dass ihre Mutter hier auf dem Weihnachtsmarkt einen Stand hatte, das wäre lächerlich. Damit würde sie sich zum Affen machen. Dann wüsste er, dass sie kein Geld hatte. Und dies durfte unter keinen Umständen passieren. Da fallen ihr wieder Lumi und Sirius ein.
„Ich bin mit Lumi und Sirius hier"
„Das sind deine beiden Freunde, oder? Dieser eine, große, dünne Junge mit nur schwarzer Kleidung? Und, wenn ich mich recht entsinne, hat er auch ein paar Tattoos, oder? Und Lumi, ist das die kleine? die so an Autos baut und sowas?", fragt er.
„Woher kennst du die beiden?", kommt es ganz plötzlich aus ihr heraus.
„Sirius kenne ich aus dem Schulorchester", erklärt er.
„Da spielst du mit?", fragt sie erstaunt. Das hätte sie wirklich nicht von ihm erwartet.
„Nein, aber ich habe lange Zeit Geige gespielt. Eben auch in dem Orchester. Und meine Mutter hat mich eher gezwungen, um mein Talent zu fördern. Daher kenne ich ihn. Und Lumi ist irgendwie Schulbekannt. Weil sie das einzige Mädchen ist, welches an unserer Schule an Autos baut. Sie hat doch Mal so eine verrückte Aktion gestartet und an dem Auto unseres Direktors gewerkelt. Daher kennen sie wahrscheinlich alle.
Astraia wusste nun zwar, von wo er ihre Freunde kannte, aber es hätte sie noch brennender interessiert, woher er sie kannte.
„Warum hast du eigentlich dieses alberne Kostüm an, wenn du mit deinen Freunden hier bist? Und wo sind die überhaupt?", fragt er nun und wird etwas misstrauisch. Sie verflucht sich innerlich, dass sie das Kostüm schon in der Bude ihrer Mutter angezogen hatte.
„Ich muss jetzt auch los", sagt sie schnell. Inzwischen wusste sie, wie schnell man in der Menge verschwinden konnte, ohne wiedergefunden zu werden. Hauptsache er würde nun nicht bei den Kindern auf dem großen Platz auftauchen, denn dann wüsste er, dass sie hier arbeitet. Der beliebteste Junge der Schule hatte sie angesprochen, er kannte sogar ihren Namen und hat eine Unterhaltung mit ihr geführt. Das heißt, dass er sie nicht für eine Zeitverschwendung hielt. Dass musste sie unbedingt Lumi erzählen. Auch wenn sie noch nie etwas von ihm gehalten hat. Oder generell von beliebten Jungs.
„Da bist du ja endlich", sagt Yeshua, als sie bei dem großem Platz ankommt. Sie hatten schon angefangen und sie war zu spät gekommen.
„Es tut mir leid, ich wurde aufgehalten", entschuldigt sie sich.
„Ja, ich habe es gesehen", sagt er genervt.
„War das dein Freund?", fragt er.
„Was?", fragt sie lachend. „Niemals. Als ob ich jemals in seiner Liga spielen würde", sagt sie. Sie fragt sich im selben Moment, weshalb Yeshua so reagiert. Er war doch nicht etwas eifersüchtig, oder?
Sie machen den Job drei Stunden und danach beklagt Yeshua sich schon wieder.
„Wollen wir noch einen Punsch trinken gehen? Es ist sowieso auf dem Rückweg zu unseren beiden Buden", erklärt Astraia. Sie möchte Yeshua unbedingt noch etwas fragen.
„Ich würde gerne, aber ich muss wirklich ganz dringend weg.", sagt er, während er das Weihnachtsmannkostüm auszieht. Eine Minute später ist nur noch das Kostüm da, und Yeshua ist schon wieder in der Menge verschwunden. Dafür hatte er irgendwie ein Talent.
Sie beschließt, alleine sich einen Punsch zu kaufen, bevor sie wieder zu ihrer Mutter will und noch ein ernstes Wörtchen mit Luz zu reden hat. Sie ist gespannt, ob die Massen immer noch bei ihrer Mutter lauern.
„Kann ich Luz kurz entführen?", fragt Astraia ihre Mutter, denn der Ansturm ist immer noch nicht vorüber, obwohl sie gute zwei bis drei Stunden weg war.
„Bitte", sagt ihre Mutter, denn Luz steht in diesem Fall leider im Weg. Ihre Mutter konnte sich nicht richtig auf die Arbeit konzentrieren.
„Ich will aber nicht weg. Alle schauen doch noch", sagt sie und weigert sich. Sie setzt sich mit ihrer Schneehose in den Schnee neben die Familie.
„Die Leute können deine Familie doch auch einen Moment ohne dich bewundern. Wir sind auch gleich wieder da. Oder du darfst danach auch zu Zlatan", erwidert sie, obwohl sie nicht einen Gedanken an ihn verschwendet hat. Sie hatte keine Ahnung, ob er noch sauer auf sie ist, zumal für Yeshua die Sache anscheinend nicht mehr wichtig ist. Luz ahnt wohl schon, was ihr gleich blüht, denn sie will immer noch nicht mitkommen. Mit ein paar Essenskäufen kriegt sie Luz jedoch doch noch dran und die beiden spazieren ein wenig über den Weihnachtsmarkt, bis sie einen Stand gefunden haben, der Schmalzgebäck verkauft, was die beiden Mädchen lieben. Die beiden kaufen sich eine Packung und setzen sich auf die nächste Bank, die sie finden, um das Gebäck zu essen und zu teilen.
„Luz, wir beide müssen nun noch einmal miteinander reden. Du weißt, warum oder?", fängt Astraia das Gespräch an. Luz nickt und schaut auf den Boden.
„Du kannst nicht einfach so loslaufen und dich von mir losreißen. Ich habe mir wahnsinnige Sorgen um dich gemacht. Du bist doch letztes Jahr auch schon verloren gegangen. Auch wenn du den Weihnachtsmann siehst, kannst du nicht davon laufen und in der Menge verschwinden. Hier ist es schier unmöglich, dich wieder zu finden"
„Tut mir Leid", gibt Luz zu.
„Wir hatten Glück, das Yeshua dich gefunden hat", ergänzt Astraia.
„Yeshua?", fragt Luz. In diesem Moment bemerkt Astraia ihren Fehler. Sie versucht noch einmal alles zu retten.
„Hat Yeshua dich gar nicht gefunden? Ich dachte, er hätte dich auf dem Markt gefunden und dich zu Lumi und Sirius gebracht"
„Nein. Der Weihnachtsmann hat mich gefunden und mich zu deinen Freunden gebracht", antwortet Luz. Das ist gerade noch einmal gut gegangen.
„Dann hat der Weihnachtsmann ja richtig gute Arbeit geleistet. Also hast du ihn doch noch gefunden?", fragt Astraia ihre kleine Schwester, um das Gespräch noch ein bisschen aufzulockern.
„Ja, und ich habe ihm erzählt, was ich mir zu Weihnachten wünsche", erzählt sie.
„Was wünscht du dir denn?", fragt Astraia.
„Das darf ich nicht sagen. Sonst geht der Wunsch nicht in Erfüllung. Nur der Mann darf das wissen", erklärt sie. Er musste es schließlich wissen, um ihr das Geschenk zu überreichen.
„Aber du darfst nie wieder weglaufen, okay? Versprichst du es?", fragt Astraia.
„Versprochen", sagt Luz und steckt sich noch ein Schmalzgebäck in den Mund. Der Mund ist inzwischen voller Puderzucker.
„Außerdem wäre ich, nachdem wir die Kekse holen gegangen sind, mit dir zum Weihnachtsmann gegangen. Ich weiß nämlich, wo er sich momentan herumtreibt. Er brauchte noch eine Elfe und da habe ich mich natürlich zur Verfügung gestellt. Ich habe also momentan einen ganz engen Draht zu ihm", erklärt Astraia.
Die beiden machen sich inzwischen, als sie dann das Gebäck aufgegessen haben, wieder auf den Weg zu ihrer Mutter und der Ansturm hat abgenommen. Es ist inzwischen auch schon spät geworden und sie kann das ganze Elfen-Ding nun endlich mit ihrer Mutter diskutieren. Doch immer, wenn sie gerade damit anfängt, kommt doch wieder ein Kunde dazwischen und sie kann sich nicht richtig wehren, geschweige denn diskutieren, denn sie will ihre Mutter nicht anschreien oder durch ihre Diskussion irgendwelche Kunden verjagen. Die anderen, vor allem Yeshua sollten sie ebenfalls nicht erleben, wie sie ihre Mutter wegen so etwas anmacht.
Spät am Abend schließen sie ihre Bude, und während ihre Mutter alles aufräumt, versucht sie es noch einmal an Yeshuas Bude. Doch dort steht wieder nur Zlatan.
„Ist Yeshua nicht da?", fragt sie.
„Siehst du doch", erwidert Zlatan.
„Wann kommt er denn wieder?", fragt Astraia.
„Heut nicht mehr. Ich mache die Bude nun auch zu, also", sagt er und schiebt sie von dem Tresen weg, weil er nun das Rollo hinunter fährt.
„Kannst du ihm sagen, dass ich mit ihm reden will?", fragt sie.
„Mach es doch selbst", erklärt Zlatan.
„Und wie?", fragt Astraia.
„Du hast doch seine Handynummer, oder nicht?", fragt er.
„Woher weißt du das?", fragt sie.
„Weil ihr in eine Klasse geht und er mir davon erzählt hat", antwortet er genervt. Inzwischen ist die Bude von Yeshua geschlossen und Zlatan will gerade gehen, als sie noch einmal all ihren Mut aufbringt.
„Wirst du mir die Fotos jemals zeigen oder habe ich bei dir verkackt? Yeshua redet wieder ganz normal mit mir und ich weiß nicht warum. Du vielleicht?", fragt sie.
„Das musst du ihn schon selber fragen. Und die Fotos, ich überlege es mir", sagt er nun mit einem schelmischen Grinsen im Gesicht.
Ihre Mutter hatte inzwischen auch alles dicht gemacht und sie fuhren mit dem Auto zurück. Luz ist in den ersten fünf Minuten der Fahrt eingeschlafen, weshalb sie hier ebenfalls keinen Aufstand anzetteln wollte. Sie wollte die Kleine nicht wecken. Als sie endlich Zuhause sind, trägt sie Luz nach oben und legt sie ins Bett. Danach geht sie noch einmal hinunter, um sich nun endlich bei ihrer Mutter zu beschweren, doch diese sitzt neben ihrem Vater auf dem Sofa und ist ebenfalls eingeschlafen. War ja klar. Sie würde sie niemals drankriegen. Das hatte ihre Mutter bestimmt alles geschickt eingefädelt. So wie den Elfenjob, aus dem sie nun nicht mehr heraus kam.
Sie beschließt, selbst wieder in ihr Zimmer zu gehen und noch ein bisschen zu lesen. Doch auch hier kommt sie nicht gerade weit, weil sie im nächsten Moment von Lumi angerufen wird.
„Was geht?", rufen ihre beiden besten Freunde in die Kamera. Sie hält ihr Buch in die Kamera.
„Sag Mal, macht ihr eigentlich einen Club ohne mich auf? Habe ich etwas verpasst?", fragt Astraia, aber lachend.
„Ja, du stinkst uns zu Doll", gibt Sirius grinsend zurück.
„Warum denn?", fragt Lumi.
„Weil ihr nur noch ohne mich aufeinander hockt", erklärt Astraia.
„Du hast ja, durch den Weihnachtsmarkt nie Zeit", geben die anderen zurück.
„Aber du kannst gerne noch vorbei kommen", sagt Lumi.
„Aber wir haben doch morgen wieder Schule, oder?", fragt Astraia.
„Nö", gibt Sirius grinsend zurück und zeigt ihr den Vertretungsplan der Schule. So etwas Verrücktes hatten die drei noch nie in all den Jahren in New Evans erlebt. Schulfrei wegen eines angeblichen Schneesturms, der niemals eintritt.
„Okay, dann komme ich vorbei. Ich packe noch schnell meine Sachen zusammen und bin in einer halben Stunde bei euch", sagt sie und legt auf. Sie freut sich auf ihre Freunde und endlich Mal wieder einen richtigen Freundesabend zu machen. Mit allem, was so dazugehört. Einen Film schauen, sich unter den Kuscheldecken verstecken und tausende von Kerzen anhaben. Außerdem ganz viel Tee trinken und Spekulatius essen. Das würde wahnsinnig toll werden und bestimmt das Highlight ihrer Woche werden.
Sie schreibt ihren Eltern, die beide auf dem Sofa nebeneinander eingeschlafen sind, noch einen Zettel und schleicht sich schließlich heraus, um zu Lumi zu gehen. Sie muss durch den kalten Schnee und merkt schon schnell, dass sie viel zu kalt angezogen ist. Schon bald friert sie und bereut es, nicht mit dem Auto gefahren zu sein. Sie weiß aber auch, dass ihre Eltern das Auto morgen früh brauchen. Sie würde morgen zwar nicht all zu spät nach Hause kommen, aber ihre Eltern brauchten das Auto, bevor Astraia nach Hause kommen würde. Sie würde trotzdem früh wieder Zuhause sein und noch helfen. Das ist in der Weihnachtszeit Pflicht und auch Luz würde dies schon bald lernen.
Auf dem Weg sieht sie Yeshua. Sie glaubt es zumindest und ruft nach ihm, weil sie ihn unbedingt noch etwas fragen will. Sie könnte schwören, dass er es ist, denn niemand hatte einen Style, wie dieser Junge. Man konnte ihn eigentlich nicht übersehen oder mit jemand anderem verwechseln, aber der Junge antwortet nicht. Sie versucht, hinter ihm her zu laufen, doch da verschwindet er hinter einer Ecke und als sie dort ankommt, ist keine Spur zu erkennen, ob dort irgendjemand hingelaufen ist. Falls er es gewesen sein sollte, ist sein Verhalten noch seltsamer, als sie eigentlich eben noch dachte. Sie versucht sich nun zu beeilen, und kramt noch einmal schnell das Handy aus der Tasche, um mit ihren eiskalten Händen, die schon zu Eisklötzen geworden sind, Tee als Nachricht an Lumi zu tippen. Ohne Tee würde sie auch noch bei Lumi Zuhause auf der Stelle kleben bleiben, weil sie festfriert.
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