Gray
Ich bin einer der Letzten, die in die rhythmischen Schläge miteinsteigen und wie immer haut es mich fast um, als die ganze Menge unseren Herzschlag mit aufzunehmen scheint. Es ist ein berauschendes Gefühl im Zentrum dieses Einklangs zu stehen und ich beobachte mit einem zufriedenen Lächeln, dass diese Tradition den gewünschten Effekt auf die Frischlinge in unserem Team hat.
Ich erinnere mich noch zu gut, wie es mir letztes Jahr ganz ähnlich ergangen ist.
Als man mir das erste Mal von diesem Ritual erzählt hat, habe ich nur die Augen verdreht und es als dämlichen Humbug abgetan, der daraus resultiert, dass man der Eishockey-Mannschaft eh schon viel zu viel Aufmerksamkeit schenkt. Nicht das ich etwas dagegen hätte. Es hat definitiv seine Vorteile Teil des Teams zu sein. Es mangelt einem nie an weiblicher Gesellschaft, manche Professoren, wenn auch nicht alle, drücken hin und wieder ein Auge zu und das Verbindungshaus ist der absolute Hammer.
Aber als ich dann selbst das erste Mal in diesem Kreis stand und unser Kapitän anfing zu sprechen... Mir ist es eiskalt den Rücken runter gelaufen und ob du wolltest oder nicht, du wurdest ein Teil des Teams. Ein Bruder auf dem Eis.
Seitdem finde ich die ganze Show zwar immer noch an einigen Stellen zu dick aufgetragen, aber ich verstehe welchen Sinn sie erfüllt. Es stärkt die Bande im Team und bereitet einen emotional auf die Saison vor. Denn diese Art von Einklang, den wir in diesem Moment erreichen, brauchen wir auch später im Spiel.
Allerdings nähern wir uns unaufhaltsam dem spaßigsten, wenn auch übertriebensten, Teil des Ganzen. Das "Jungfrauenopfer" wie Lee es immer nennt. Als ob irgendeine der Damen, die hier bei mitmachen, noch Jungfrau wäre.
Eigentlich ist es nur eine Masche, damit niemand von uns die Party allein verlässt, obwohl ich mir ziemlich sicher bin, dass auch sonst niemand von uns damit ein Problem hätte, wenn er sich nicht total dämlich anstellt. Sportler sind beliebt. Und das Eishockeyteam erst recht. Und um ehrlich zu sein, suche ich mir lieber in Ruhe aus, wen ich mit in mein Bett nehme. Hier geht es allerdings nur um Geschwindigkeit, damit du nicht die letzten Reste abbekommst, die keiner haben will.
Ich blicke zu Lee, der mir mit seinen Augenbrauen zu wackelt und dann mit einem Kopfnicken in Richtung seines festgelegten Opfers zeigt.
Alexis steht ganz vorne und grinst meinen Freund ihrerseits bereits wissend an. Ich bezweifle, dass Lee Probleme haben wird sie einzufangen. Wenn man ihrem Ruf Glauben schenken kann, hat damit kein Kerl sonderlich große Probleme.
Was mich allerdings überrascht, ist neben Alexis auch das andere Mädchen stehen zu sehen. Row. Die Kleine, die mich in meinem eigenen Spiel geschlagen hat. Ein Grinsen breitet sich auf meinem Gesicht aus.
Dann geht alles ganz schnell. Elijah sagt die entscheidenden Worte und die Hölle bricht aus, als eine Horde Mädchen sich nach vorne stürzt. Die Regeln des Ganzen sind ganz einfach: Wer ein Mädchen als erstes einfängt hat damit Anspruch auf sie. Natürlich nur im symbolischen Sinne, aber die Mädchen die hier mitmachen, wissen im Normalfall auch, was es bedeutet und wollen es selbst.
Ich bin mir aber ziemlich sicher, dass es auf eine von ihnen nicht zu trifft. Denn Rows entsetzter Gesichtsausdruck, als Alexis sie mit nach vorne stumpt, verrät, dass sie sich nur über ein Teil dessen bewusst ist, in was sie damit hineingeraten ist. Aber jetzt ist sie Teil des Freiwildes und nach ihrem Auftritt vorhin weiß jeder meiner Teamkollegen, wer sie ist. Ich bemerke sofort, dass sich begierige Blicke auf sie richten und ich weiß nicht weshalb es mich kümmert, aber ich bin mir ziemlich sicher, dass viele von ihnen nichts Anständiges im Sinn haben.
Also handle ich, ohne wirklich weiter darüber nachzudenken und strecke meinen Schläger aus. Das ist leichter, als mich durch all die anderen durchzuquetschen, die wild durcheinanderlaufen. Ich hake das Ende um ihre Hüfte, gehe einen Schritt vor und ziehe sie zu mir, genau rechtzeitig, bevor Ian, ein Drittsemester, sie am Arm schnappen kann. Er zieht überrascht eine Augenbraue hoch, als ich Row, die erschrocken aufquietscht, auffange und sie mit einem Arm an mich drücke. "Zu langsam, Alter."
Ian verzieht die Lippen zu einem schiefen Grinsen und tippt sich an eine imaginäre Hutkrämpe, bevor er sich umdreht und wieder auf Jagd geht. Das gibt mir die Möglichkeit meine Aufmerksamkeit auf das Mädchen in meinen Armen zu lenken, die mich verschreckt aus großen dunklen Augen anschaut. Ich Blick ist etwas verhangen, was wohl auch erklärt, weshalb ich sie so einfach zur Seite ziehen und damit raus aus dem Zentrum des Chaos bringen kann. Irgendwas sagt mir, dass sie ohne den Alkohol nicht so gefügsam wäre. Ich behalte den Arm allerdings auch weiterhin um ihre Taille, damit sie nicht wieder Unwissens sich in die Menge stürzt, sobald sie anfängt sich gegen mich zu wehren. Was im Übrigen genau jetzt ist.
"Lass mich los!"
Sie greift nach meiner Hand, um meine Finger zu lösen, aber da hat sie keine Chance. Grinsend beuge ich mich vor, um meinen Mund auf Höhe mit ihrem Ohr zu bringen, was sie sofort wieder erstarren lässt.
"Wieso sollte ich? Du bist jetzt meine Opfergabe."
Ihr Blick ist göttlich. Eine Mischung aus Entsetzen und 'du kannst mich mal'. Ich kichere und drehe sie zu mir um, sodass meine Hände auf ihren Hüften ruhen und sie mir zugewandt dasteht.
Eigentlich habe ich das nur gemacht, weil nach und nach all meine Teamkollegen sich so aufstellen. Aber dass das Row noch wütender zu machen scheint, ist ein zusätzlicher Pluspunkt. Es ist irgendwie niedlich, wie sie ihre gepiercte Augenbraue hochzieht und auf taff macht. Vor allem nachdem ich gesehen habe, wie verschreckt sie vorhin umgeben von all den großen Kerlen gewesen ist, die sie haben hochheben lassen.
Auch jetzt sehe ich einen Teil dieser Unsicherheit, aber sie verbirgt sie gut hinter dem wütenden Glitzern in ihren Augen.
"Lass. Mich. Los."
Wieder windet sie sich unter meinem Griff, aber selbst wenn ich es gewollt hätte, wäre es inzwischen zu spät dafür.
Das Durcheinander hat sich wieder gelichtet und während die übriggeblieben Mädchen sich wieder schmollend verziehen, stellen sich auch die letzten von uns mit ihrer Auserkorenen auf, sodass wir einen Kreis bilden. Elijah wirft mit einem breiten Grinsen einen Blick in die Runde, um zu überprüfen ob wir alle so weit sind. Vor ihm steht seine Freundin Kayla, eine süße kleine Blondine, der man am Gesicht ablesen kann, dass sie das ganze hier total schwachsinnig findet. Aber auch wenn man es ihr nicht zutrauen würde, ist das Mädel extrem besitzergreifend. Einem anderen Mädchen hätte sie ihren Platz nie überlassen.
"Auf eine erfolgreiche Saison!"
Das ist eigentlich der Moment, indem wir unserem Kapitän im Chor antworten. Aber als ich den Mund öffne, entkommt mir nur ein schmerzhaftes Stöhnen, weil sich eine Ferse mit Nachdruck in meinen Fußrücken bohrt.
Überrascht lasse ich Row los, doch diese scheint ebenfalls überrumpelt zu sein von meiner Reaktion und verliert das Gleichgewicht, sodass sie nach meinem Trikot greift, um nicht zu fallen. Das passt perfekt, denn während ich mich von meiner Überraschung erholt habe, sind meine Teamkollegen schon einen Schritt weitergegangen. Also nutze ich es einfach aus, dass Row noch immer so nah bei mir steht, beuge mich vor und mache es allen anderen im Kreis nach, indem ich meine Lippen auf ihre drücke.
Ich habe schon viele Mädchen geküsst und im Normalfall werde ich von weichen einladenden Lippen begrüßt. Aber Row ist ungefähr so entgegenkommend, wie es eine Statue von Caeser gewesen wäre. Steinhart, störrisch und unerbittlich. Und ich weiß zwar nicht wieso, aber das bringt mich zum Grinsen, während mein Mund noch immer ganz sacht auf ihrem liegt. Selbst dass mein Fuß noch immer pocht von ihrem Tritt, stört mich nicht. Das Ganze ist einfach nur amüsant, vor allem, da Row derart überfordert zu sein scheint, dass sie sich nicht einmal bewegt.
Ich beende den Kuss als erstes aus dem ganzen Kreis. Was daran liegen könnte, dass mein Mädchen wohl als einzige das Ganze hier gar nicht will. Als ich ihr wieder in die Augen schaue, bohrt sich ihr Blick so intensiv in meinen, als würde sie darin etwas suchen. Und was auch immer sie zu finden scheint, es lässt eine steile Falte zwischen ihren Augenbrauen entstehen, bei der ich nicht wiederstehen kann, sie mit meinem Daumen wieder glatt zu streichen.
"Entspann dich. In ein paar Sekunden ist das alles vorbei und du kannst wieder in deinen Schatten verschwinden."
Es ist als würde ein Vorhang fallen. Von einem auf den anderen Moment ist ihr Gesicht vollkommen verschlossen und ein harter Ausdruck liegt in ihren Augen. Ich rechne schon mit einer feurigen Antwort, genauso temperamentvoll wie es ihr Tritt gewesen ist. Aber alles was sie tut, ist sich umdrehen und in sekundenschnelle zu verschwinden, während ich wie ein Idiot dastehe.
Glücklicher Weise ist es nicht ganz so auffällig, dass ich gerade sitzen gelassen wurde, weil auch in die anderen wieder Bewegung kommt. Die Pärchen lösen sich voneinander, wenn auch ein paar sich nur ein stilleres Örtchen suchen, um da weiterzumachen, wo sie sich gerade unterbrochen haben.
Um nicht wie der letzte Trottel dazustehen, gehe ich rüber zu Bas und Lee, die zwar jeweils ihr Mädchen an der Hand halten, aber zumindest nicht so wirken, als würden sie sich gleich in ihr Zimmer zurückziehen. Auf den Weg dorthin komme ich an Ian vorbei, der mich am Arm zurückhält und mich mit einem schelmischen Grinsen betrachtet.
„Vielleicht hättest du es doch lieber mich versuchen lassen sollen."
Vielleicht hätte ich das, aber im Gegensatz zu Ian habe ich ja gar nichts ‚versucht', also sehe ich es als keine Kränkung meiner Ehre an. „Tja, die Gelegenheit wirst du sicher noch finden." Ich boxe in freundschaftlich gegen den Arm und gehe dann weiter. Nur um im nächsten Moment von Lee mit einem irritierten Blick begrüßt zu werden. „Wie hast du es denn geschafft so schnell ein Mädchen zu vergraulen?"
Mein Gott, hoffentlich werde ich das jetzt nicht von jedem meiner Freunde gefragt. Nichtssagend zucke ich mit den Schultern. „Wahrscheinlich steht sie auf niemanden, den sie im Bierpong geschlagen hat."
Meine Antwort war eigentlich nur als Witz gemeint, aber als Alexis wie vom Blitz getroffen sich zu mir wendet, befürchte ich schon das falsche gesagt zu haben.
„Row war bei dir?"
Wieder zucke ich nur mit den Schultern und will eigentlich nur noch das Thema fallen lassen. Das ist doch nichts Besonderes.
„Ja. Aber sie ist gegangen, sobald sie konnte."
Um nicht zu sagen, dass sie geradezu vor mir weggerannt ist. Alexis scheint das aber nur noch mehr zu alarmieren. Sie schaut sich suchend in der Umgebung um, aber wahrscheinlich ist Row ans andere Ende der Welt geflohen. Keine Ahnung was in die Kleine gefahren ist.
„Weißt du wo sie hin ist?"
Woher soll ich das denn wissen? Und wenn Alexis sich so große Sorgen macht, wieso hat sie Row dann überhaupt mit in den Ring geschmissen? Ich seufze. Das wird mir hier alles schon wieder zu kompliziert. Es hat schon so seine Gründe, weshalb ich keine feste Beziehung habe. Aber ich will nicht unfreundlich sein und damit Lee die Tour verhauen. Also setze ich ein Lächeln auf und schüttle den Kopf.
„Nein, aber bestimmt ist sie rein gegangen. Vielleicht mal kurz auf die Toilette oder so. Sie wird schon wieder auftauchen."
Als auch das Alexis nicht wirklich zu beruhigen scheint, nimmt Lee sie an der Hand und zeiht sie an sich. „Babe, lass uns einfach rein tanzen gehen. Die Party wird sich jetzt eh nach innen verlagern, Row muss also irgendwann dort vorbeikommen."
Ich glaube weniger, dass seine Worte sie beruhigen, als dass Alexis sich nicht einfach von Lees Händen ablenken lässt, die sachte an ihre Taille entlangfahren. Auf jeden Fall entspannt sie sich nach einigen Augenblicken und nickt schließlich. „Aber haltet die Augen nach ihr offen. Sie kennt hier nicht viele und ich will nicht, dass sie völlig allein hier herumstreunet."
Wir alle, Bas und das Mädchen bei ihm miteingeschlossen, nicken bestätigend und ich weiß nicht, ob es mir als einzigem so geht, aber ich frage mich, wie man hier niemand kennen kann. Gefühlt ist immerhin das halbe College da. Aber ich sage besser nichts, denn wir setzen uns endlich in Bewegung. Bas, Lee und ich werden zwar andauernd von Bekannten aufgehalten, die kurz mit uns plaudern wollen, aber das sind wir gewöhnt. Mir entgeht allerdings nicht, dass viele Kerle süffisante Blicke in Richtung Alexis und Lees Hand auf ihrer Hüfte werfen. Scheint mir so, als hätte Alexis wirklich schon mit einigen eine Runde gedreht. Wenigstens kann Lee dann sicher sein, dass es was Einmaliges bleibt. Es gibt viel zu viele Mädels, die sich an uns festklammern, obwohl man deutlich gemacht hat, was es sein würde: Eine Nacht. Nicht mehr.
Das traurige dabei ist, dass es ihnen noch nicht mal um uns als Person geht, sondern nur um unseren Status.
Drinnen auf der Tanzfläche angekommen dauert es nicht lange, bis auch ich eine Tanzpartnerin gefunden habe. Sie ist kurvig, hat dunkle Locken und sexy rote Lippen. Jepp, ich stehe definitiv darauf, mir meine Begleiterin aussuchen zu können.
Ich streiche ihr die Haare hinter eine Schulter und bringe meine Lippen ganz dicht an ihr Ohr. Es gefällt mir, dass sie darauf hin gleich ganz breitwillig den Kopf zur Seite neigt.
„Wie heißt du?"
„Isabell."
Sie frägt nicht nach meinem Namen. Aller Wahrscheinlichkeit nach kennt sie ihn sowieso schon. Ich grinse und ziehe sie näher an mich.
So tanzen wir eine ganze Weile. Bas und Lee tuen es mir ganz ähnlich und während um uns herum so langsam die ersten Gäste gehen, überlege auch ich, dass es vielleicht an der Zeit ist das hier etwas privater fortzusetzen. Ich platziere einen Kuss seitlich auf den Hals der Schönheit in meinen Armen, worauf hin sie ihren Busen gegen meine Brust drückt. Ja, es ist definitiv an der Zeit.
„Komm Isabell, lass uns nach oben gehen."
Ohne Widerstreben lässt sie sich von mir von der Tanzfläche führen.
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