Kapitel 45
Ich fühle mich ausgesaugt und leer.
Es ist auf eine abartige Art und Weise ironisch, dass Gray, Alexis und ich wie in einer Schleife gefangen zu sein scheinen: während Gray versucht mich zu erreichen und die Dinge zu klären, versuche ich das gleiche bei Alexis. Und als Mittelglied des Ganzen bin ich diejenige, die zerrissen wird. Ich will Gray nachgeben, aber ich kann es nicht, solange ich nicht wieder im Reinen mit Alexis bin und darauf scheine ich momentan keinen Einfluss nehmen zu können. Also gebe ich mein Bestes einfach über die Tage zu kommen.
Ich habe versucht Alexis am Montag vor ihrem Vorlesungssaal abzufangen, bin dafür sogar früher aus meinem eigenen Kurs gegangen, aber alles was ich schaffe ist einen Blick auf sie zu erhaschen, der den Dolch in meiner Magengrube noch einmal umdreht. Sie sieht schrecklich aus. Tief gelegene Augen unterlegt von dunklen Schatten, eingefallene Wangen und einen gebeugten Gang, als versuche sie sich zu verstecken.
Allerdings muss ich feststellen, dass ich nicht viel besser aussehe. Kein Wunder, wenn ich überlege, wie wenig ich die letzten Nächte geschlafen habe. Herabhängende Schultern, ein dumpfer Blick und eine fahle Gesichtsfarbe. Ich bin angeekelt von meinem Anblick im Spiegel. Ich bin angeekelt von meinem ganzen Ich. Eine wahre Freundschaft ist viel mehr wert, als im Gang von allen Leuten begrüßt zu werden. Das weiß ich schon mein ganzes Leben lang. Und jetzt habe ich das Gefühl, als hätte ich das eine für das andere eingetauscht.
Vor allem da ich durch das Bild noch zu ganz neuer Berühmtheit gelangt bin. Ich versuche zwar nicht darauf zu achten, aber mir fällt durchaus auf wie die meisten Studenten tuscheln und mir Blicke zu werfen, wenn ich vorbei laufe.
"He ist das nicht Grays Freundin? Hab gehört die ist die totale Streberin..."
Aber im Gegensatz zu Alexis Lächeln die Leute mir trotzdem weiterhin freundlich zu. Als wüssten sie nicht alle, was momentan abgeht.
Denn keiner will es sich mit Gray verscherzen. Und der hat nur allzu deutlich klar gemacht, dass jeder der das Bild von Alexis und mir weiter teilt oder kommentiert an diesem College unten durch ist. Denn er hat die Macht dazu. Sportler können mit einem Wort ein ganzes Thema tabuisieren. Das hatte ich schon fast wieder vergessen. So nah an Gray und den anderen Jungs dran habe ich gar nicht mehr daran gedacht, wie viel sozialen Einfluss die Beliebten doch haben können. Und obwohl sie dieses Mal auf meiner Seite stehen dreht es mir den Magen um. Denn ich weiß wie falsch es ist, dass das Wort eines einzigen die Meinung einer ganzen Schule beeinflussen kann. Irgendjemand kommt dadurch immer zu schaden. Und eigentlich hatte ich mir einmal geschworen mich von all dem Kram so weit wie möglich fernzuhalten. Wie habe ich es also geschafft jetzt mittendrin in diesem Knäuel aus geheuchelter Freundlichkeit und verborgenen Machtgefügen zu landen?
Ach ja, stimmt: Ich habe mich verliebt. Und inzwischen habe ich das Gefühl das ist das Schlimmste, was mir hätte passieren können.
Denn obwohl ich weiß, dass ich Alexis zurückgewinnen kann, wenn ich Gray vollständig hinter mir lasse, bekomme ich es nicht über das Herz es zu tun. Ein Teil von mir schlägt bei dem Gedanken wie wild um sich und schreit, dass das verkehrt ist. Dass Alexis nicht von mir verlangen kann, den einen Mann loszulassen, der mir endlich Halt gegeben hat. Aber wenn ich bis zu Alexis durchdringen will muss ich wieder voll und ganz in ihre Welt -in unsere Welt - abtauchen, die ich durch Gray zum Teil verlassen habe. Und obwohl das Vertrauen, dass ich in andere Menschen ein Stück weit wieder aufgebaut habe, inzwischen eine brennende Wunde in meiner Brust ist, habe ich nicht vergessen, was mir die letzten Wochen gezeigt haben: Wie falsch es ist, wie Alexis und ich unser Leben geführt haben. Wie sehr wir uns vor unseren Dämonen versteckt haben, anstatt sie anzugehen. Wir sprechen davon sie loszulassen, aber eigentlich rennen wir nur von ihnen fort. Alexis, indem sie sich lieber auf Körperliches konzentriert, als ihr eigenes Innenleben wieder zu reparieren, und ich, indem ich Leute meide, anstatt zu riskieren verletzlich zu sein.
Und davor kann ich nicht mehr die Augen verschließen. Wann auch immer ich merke, dass ich in alte Gewohnheiten verfalle, wie den Blick schweifen zu lassen ohne die Leute um mich herum wirklich zu sehen oder den Kopf zu senken, wenn mir jemand entgegenkommt, versetzt es mir einen Stich. Mir ist jetzt klar, wie schwach ich bin. Und ich hasse es, dass mir die Stärke dazu fehlt, etwas daran zu ändern.
Und das führt dazu, dass mich selbst meine eigenen Gedanken inzwischen annerven. Ich bin nicht wirklich konzentriert. Nicht in meinen Kursen und erst Recht nicht zu Hause. Und dabei war das immer die eine Sache in der ich gut war: Konsequent meine akademischen Ziele verfolgen. Jetzt bin ich wohl für gar nichts mehr zu gebrauchen.
Angewidert von mir selbst liege ich den ganzen Nachmittag nur in meinem Bett und starre meinen Schreibtisch an, auf dem mein Unikram ausgebreitet liegt. Aber mir fehlt die Motivation aufzustehen und mich dranzusetzen. Mir fehlt zu allem die Motivation, außer dazuliegen und zu versuchen meinen Kopf freizubekommen. Aber ich war noch nie gut darin den Kopf auszuschalten. Ich fühle mich mieserabel. Und jetzt zwei Tage später, ohne dass sich alles per Zauberhand wieder zum Guten gewendet hat muss ich langsam akzeptieren, dass das alles real ist.
Der Teil mit Gray ist für mich ein wirres Knäuel in meiner Brust, den ich mich nicht traue auch nur anzufassen. Es tut weh und das noch mehr durch die Tatsache, dass ich ihn trotzdem sehen will. Ob absichtlich oder nicht, er hat mich hintergangen, anstatt wie sonst offen mit mir zu sein. Und das ist, wie mir nun klar wird, was mich so an Gray gefesselt hat. Bei ihm gab es kein zweites Gesicht. Er hat nie versucht irgendetwas zu verstecken, sondern war genau der, der er zu sein vorgegeben hat. Das ist selten auf dieser Welt und hat ihn zu der einzigen Person gemacht, die den kaputten Teil in mir wieder zusammensetzen konnte. Vielleicht ist es unfair ihn wegen einem einzigen Fehler zu verurteilen, aber ich kann es nicht fassen, dass er genau in dem Moment, wo ich ihm alles offen darlege, etwas hinter meinem Rücken macht. Und wahrscheinlich wäre ich deswegen nicht einmal böse, wenn nicht passiert wäre, was passiert ist. Aber das Bild ist nun Mal ins Internet gekommen. Und es hat nun Mal Alexis zurück in ihre tiefsten Abgründe gestoßen. Und es war nun Mal schon immer so, dass Alexis bei mir an erster Stelle stand, so wie ich bei ihr.
Also muss ich zurück in diesen Abgrund krabbeln, denn das ist meine Verantwortung. Nicht nur, weil ich der Ausgangspunkt von dem ganzen Mist bin, sondern weil ich die einzige bin, die ihr eine Hand reichen kann. Und allein da unten ist man verloren. Ich hätte Alexis niemals auf halben Weg da raus allein lassen sollen. Aber das habe ich, weil ich für mich einen schnelleren Weg gesehen habe. Und jetzt habe ich seid 48 Stunden keinen Kontakt zu der einen Person, die bisher immer für mich da war.
Ich bin froh, dass mit den Tränen auch der Schlaf kommt. Ein Montag kam mir noch nie so bedrückend vor.
************
Dienstag wird allerdings kaum besser. Ich bin jetzt im Stadium der Verarbeitung, in dem sich alles dumpf anfühlt. Cass und Mary machen sich Sorgen um mich, das weiß ich. Aber ich blocke sie ab, denn wie sollen sie schon helfen? Mal ganz davon abgesehen, dass ich selbst meine Anwesenheit kaum aushalte, da will ich es nicht anderen zumuten. Also meide ich einfach das Wohnzimmer und die Küche. Wirklich Appetit habe ich eh nicht, auch wenn ich mich total energielos fühle. Aber der Tag geht irgendwie rum, zumindest bis ich arbeiten gehen muss.
Das lässt meinen Körper in einem Anflug freudiger Erwartung schmerzhaft wieder erwachen. Ich habe mich die letzten Wochen jedes Mal so aufs Arbeiten gefreut, dass es jetzt ein wunder Punkt ist den Schalter zu sehen und zu wissen, dass der zweite Platz leer bleiben wird. Und ich schaffe es nicht, mich allein dort hinzusetzen. Ich stehe nur wie erstarrt da und starre den Holztresen und die zwei Stühle an, während ich wie ein Phantom vor mir sehe, wie Gray und ich dort die letzte Zeit gesessen haben. Es fällt mir schwer mir die Szene von außen vorzustellen. Als wäre ich nur ein kurzer Gast gewesen, der jetzt nur noch von außen zuschauen darf. Sahen wir... Glücklich aus? Hat man beobachten können, wie dieser Kerl mir mit jedem Mal ein weiteres Stück meines Herzens geklaut hat?
Als meine Augen zu brennen anfangen schüttle ich den Kopf und drehe um. Ich kann das nicht. Nicht heute. Und wahrscheinlich auch nicht am Donnerstag oder Freitag. Es kommt mir nicht richtig vor dort allein zu sitzen, ohne zu wissen das da bald jemand kommt. Wie habe ich das nur früher hinbekommen?
Ich finde Carla im hinteren Teil der Bibliothek. Sie unterhält sich gerade mit einer Gruppe Studentinnen, also warte ich einen Moment und nutze die Zeit mich wieder zu sammeln. Ich will nicht wie das Häufchen Elend rüberkommen, dass ich momentan bin. Immerhin ist sie immer noch meine Chefin und ich werde dafür bezahlt hier zu arbeiten, nicht herumzuflennen.
"Ach Schätzchen, du bist ja auch schon da! Stimmt etwas vorne nicht?"
Carla kommt auf mich zu, sobald die Gruppe Mädels weiter gegangen ist, und zieht mich in ihre übliche Umarmung. Ich wusste nicht, dass ich diese Art von Kontakt gebraucht habe, bis mir allein diese kleine Geste die Tränen zurück in die Augen treibt. Am liebsten hätte ich mich an meiner Chefin festgeklammert und nur für einen Moment gedacht, dass eine Umarmung alles wieder gut machen kann. Aber ich bin keine Träumerin, also löse ich mich schnell wieder von ihr und räuspere mich, um keine belegte Stimme zu haben.
"Nein, vorne ist alles... Okay."
Sachlich gesehen ist es das. Subjektiv könnte man mich genauso gut zurück in die Schule schicken wie nach da vorne. Beides hört sich für mich schrecklich an.
"Allerdings wollte ich fragen, ob... Naja ob ich heute hinten bleiben und verräumen kann. Solangsam werden mit all die studentischen Beschwerden zu bunt."
Ich versuche mich mit einem Lächeln, aber Carla ist viel zu schlau, um mir meine schwache Ausrede abzukaufen. Allerdings ist sie auch viel zu feinfühlig, um weiter nachzubohren. Sie mustert mich nur einmal kritisch und zieht dabei immer besorgter die Stirn in Falten, bevor sie meine Hand ergreift und sie aufmunternd tätschelt.
"Natürlich Schätzchen. Antony hat zwar bereits damit angefangen, aber geh einfach zu ihm und schick ihn nach vorne. Dann soll er sich heute Mal damit herumschlagen."
Zittrig atme ich erleichtert aus und merke wie ein riesen Stein von meinem Herzen fällt, während Carla mir verschwörerisch zu zwinkert. Ich weiß nicht, wie ich es hätte aushalten sollen an dem Schalter zu sitzen und jedes Mal wenn die Tür aufgeht aufzublicken, halb in der Hoffnung halb in der Angst Gray könnte hineinspazieren. Es hätte mir den letzten Funken Verstand geraubt, den ich überhaupt noch besitze.
"Und stress dich nicht. Mach ruhig immer Mal wieder Pausen. Du siehst gar nicht gut aus."
In einer mütterlichen Geste fühlt Carla meine Stirn und ich wünsche mir fast, dass sie mir sagt, dass ich Fieber habe. Denn wenn es mir wegen einer Grippe so schlecht gehen würde, bestände zumindest die Hoffnung, dass es wieder vorbeigeht. Aber rein körperlich bin ich kerngesund. Also löse ich mich mit einem gequälten Lächeln von Carla und versuche normal weiterzuatmen, während eine neue Welle von Schmerz mein Herz überrollt. Wird arbeiten gehen jetzt immer so schwer sein?
"Alles gut und vielen Dank! Ich gehe dann Mal Antony suchen."
Carla keine Chance für weitere Fragen lassend, drehe ich mich um und laufe einfach irgendwo zwischen die Regale, um für einen Moment Luft zu schnappen. Danach suche ich wirklich Antony und schicke ihn vor, während ich den Wagen mit all den Büchern zum Einsortieren übernehme. Vielleicht lenkt das zumindest ein bisschen ab.
************
Irgendwie lullt mich die eintönige Arbeit tatsächlich in einen gedankenleeren Zustand ein. Ich werkle einfach vor mich hin, beantworte fragen von Studenten mechanisch, ohne die Leute wirklich wahrzunehmen und versuche die Ruhe in meinem Kopf zu genießen.
Ich bin gerade begraben in den Werken englischer Literatur, als sich erneut ein Schemen von der Seite nähert und ich mit einem routinierten Lächeln mich dem Studenten zuwenden will. Doch noch während der Bewegung schlagen meine Alarmglocken aus, sodass ich erstarre und es nicht wage den Blick zu heben. Denn die Gestalt ist mir zu vertraut. Mein Hals ist augenblicklich zu geschnürt.
"Bunny."
Dieses eine Wort reicht, um mich fast in die Knie zu zwingen. Was macht er hier? Wieso tut es so weh?
Ich bin froh, dass mir meine Haare wie ein Schleier ins Gesicht fallen, denn ich will nicht, dass Gray sieht wie ich gequält die Augen schließe und eine einsame Träne meine Wange herunter rinnt.
Aber er scheint es trotzdem zu wissen, denn im nächsten Moment befinde ich mich in den Armen der einzigen Person, bei der ich mich sicher und geborgen fühle.
Das Gesicht an seiner Brust geborgen versuche ich normal zu atmen, während eine Flut aus Gefühlen auf mich einprasselt. Ich traue mich nicht die Arme zu heben, um sie ebenfalls um ihn zu legen, gleichzeitig würden sich meine Hände am liebsten selbstständig machen, sodass ich sie fest zusammenballe. Ich versuche das Schluchzen zu unterdrücken, das mich überkommen will, aber dafür bekomme ich nur einen Schluckauf, was Gray beruhigend über meinen Rücken streichlen lässt. Und als wäre das alles was mein Körper braucht fühle ich mich augenblicklich nicht mehr wie ein wandelnder Zombie.
Mit einem zittrigen Atemzug entspanne mich und gönne es mir mich einfach gut zu fühlen, auch wenn ich weiß dass es falsch ist. Alexis geht es immerhin auch nicht gut.
So nah bei ihm kann mir gar nicht entgehen wie auch Grays Brust sich unter einem tiefen Seufzen hebt und senkt und er mich noch etwas mehr an sich drückt.
Es ist bittersüß zu merken wie vetraut mir die Geste ist, als Gray einen kleinen Kuss auf meine Stirn platziert, und wie sehr ich es vermisst habe. Nach nur drei Tagen.
"Jetzt ist alles wieder gut."
Ich weiß nicht ob die Worte überhaupt für mich bestimmt sind oder Gray nur unabsichtlich seine Gedanken laut ausgesprochen hat. Aber sie lassen mich wieder erstarren und mit einem Mal sind Grays Arme kein Schutz mehr, sondern ein Gefängnis. Denn es ist nicht wieder alles gut.
Mit schweren Herzen, aber doch entschieden, löse ich mich und bringe einen Sicherheitsabstand zwischen uns. Mir tut es Leid, dass Gray wegen mir so verletzt schaut. Aber es muss sein.
"Nein, es ist nicht alles gut."
Meine Stimme klingt rau, also versuche ich es nach einem Räuspern noch Mal. Aber der hoffnungslose Tonfall geht trotzdem nicht weg.
"Es ist nicht alles gut, sobald wir wieder zusammen sind. Immerhin sind wir daran schuld, dass es Alexis dreckig geht! Wer sind wir, glücklich sein zu dürfen, während sie leidet?"
Von einem tiefen, nagenden Schuldgefühl überkommen schlinge ich die Arme um mich, aber es hilft nicht wirklich mein schlechtes Gewissen zu beruhigen. Denn wenn Grays Anwesenheit reicht, um mich wieder gut fühlen zu lassen, obwohl ich noch immer im Clinch mit meiner besten Freundin liege, dann bin ich noch egoistischer als ich gedacht habe.
"Nein Row!"
Als wolle er nach mir greifen kommt Gray einen Schritt auf mich zu, doch als ich sogleich zurückweiche, lässt er die Hände mit zusammengepressten Zähnen wieder fallen.
"Wir sind nicht schuld. Der Einzige mit Schuld ist wer auch immer dieses Bild hochgeladen hat."
Carly. Allein der Gedanke an sie lässt mich die Fäuste ballen. Ja, ihr hätte ich momentan so einiges zu sagen. Aber ich will meine Wut nicht wie sie an einer Person auslassen. Ich sehe auch meine eigenen Fehler. Und ich übernehme Verantwortung für sie.
"Es ist leicht alles auf jemand anderen zu schieben. Aber es ist Tatsache, dass ich... Ich dir dieses Bild nie hätte zeigen dürfen."
Ich weiß, was in diesen Worten mitschwingt. Dass ich dir nie hätte vertrauen dürfen. Und ich sehe es Grays Gesicht an, wie tief ihn das trifft, bevor er seine Miene neutral werden lässt.
"Sag das nicht. Du weißt, dass das nicht stimmt."
Es ist eine Mischung aus Betroffenheit, Wut und Entschlossenheit, die aus Grays Stimme herausklingt. Und es fasziniert mich, dass er mich tatsächlich gut genug kennt, um mit seinen Worten Recht zu haben. Nein, ich bereue es nicht, ihm vertraut zu haben. Zumindest nicht im Bezug auf mich. Aber ich hatte kein Recht ihm auch Alexis Vergangenheit anzuvertrauen. Doch ich war verliebt genug, um darüber nicht einmal nachzudenken. Ich war so fixiert auf mein Glück, dass ich darüber hinaus meine Freundschaft vernachlässigt habe. Und so jemand will... Kann ich nicht sein. Gray hat es selbst einmal zu mir gesagt: Das bewundernswerte an Alexis und meiner Freundschaft ist, dass wir immer für einander da sind. Und ich kann nicht zu lassen, dass irgendjemand das ändert, ohne dabej mich selbst zu verlieren. Auch nicht Gray.
Genauso entschlossen wie er hebe ich also das Kinn, verbiete mir die Tränen oder irgendein Bedauern, während ich ohne Zögern verspreche.
"Doch das meine ich so. Du solltest nicht hier sein. Geh, Gray."
Da ich mir ziemlich sicher bin, dass Gray nicht von sich aus gehen wird, will ich mich umdrehen und es stattdessen tuen, in der Hoffnung mit meinen Worten genug Distanz zwischen uns gebracht zu haben. Aber ich unterschätze immer wieder Grays eisernen Willen und seine Art, nie locker zu lassen.
"Verdammt Row! Hör auf die Dinge einfach mit dir selbst auszumachen! Denkst du nicht, dass ich vielleicht auch Mitspracherecht haben sollte? Ich bin doch kein Gebrauchsgegenstand, den du einfach weglegen kannst. Gib mir zumindest eine Chance ebenfalls etwas zu sagen."
Ich beiße die Zähne fest aufeinander, während der impulsive Teil von mir am liebsten trotzdem einfach wegrennen will, meine Vernunft jedoch Gray Recht geben muss. Aber ich habe keine Lust vernünftig zu sein. Das macht alles nur noch viel schwerer. Und doch kann ich nicht aus meiner Haut raus. Gegen gute Argumente bin ich macht los. Also bleibe ich, den Rücken Gray zugewandt, stehen, in einer Mischung aus Selbstschutz und widerwilligem Eingeständnis gegenüber seiner Bitte.
"Denkst du mir geht es mit dem Ganzen nicht auch scheiße? Ich kann mich nicht konzentrieren, nicht Mal auf dem Eis, und von meinem Test in Architekturgeschichte gestern wollen wir erst gar nicht anfangen. Alles woran ich denken kann ist, dass ich dich sehen will. Ich will dir Abends schreiben können und mich von deinen Mitbewohnerinnen ausquetschen lassen, wenn ich dafür etwas von dir gekocht bekomme. Ich will dich im Publikum wissen, weil jedes meiner Tore für dich ist und ich will dich im Arm halten, während du das Pub-Quiz rockst. Ich fühle mich seit drei Tagen nicht vollständig und ich verstehe nicht, wie du das mit mir machen konntest. Wie du mich derart abhängig von dir gemacht hast, aber ich kann nicht akzeptieren, dass du mir einfach die Tür vor der Nase zu schlägst. Nicht wenn ich bei Verstand bleiben will."
Grays Worte nehmen mir die Fähigkeit zu gehen. Ich bin zur Salzsäule erstarrt und habe Angst, dass jede Bewegung mein Herz überfordern könnte. Wieso, wieso muss ich genau diesen einen Eishockeyspieler erwischen, der mit Worten einem das Herz zu erobern weiß? Wieso muss hinter Grays charmanten Lächeln noch so viel mehr Liebenswertes stecken?
"Denkst du ich habe kein schlechtes Gewissen wegen dem was Alexis momentan durchmachen muss? Ich weiß wirklich nicht, wie jemand an das Foto auf meinem Handy gekommen ist. Ich zermatere mir das Gehirn darüber, aber alles was ich dir sagen kann ist, dass ich es niemanden gezeigt habe. Ich habe es nicht absichtlich weiter gegeben und ich habe diese Scheiße soweit es in meinen Kräften liegt auch sofort unterbunden. Was soll ich noch machen? Wie kann ich dich überzeugen, dass wir glücklich sein dürfen?"
Ich hasse es, dass mir schon wieder die Augen brennen. Ich hasse es, so emotional zu sein. Aber es wäre feige mich nicht Gray Angesicht zu Angesicht zu stellen. Also drehe ich mich um und begegne seinem Blick mit so viel Aufrichtigkeit, dass ich weiß, dass ihm keine andere Möglichkeit bleibt, als die Endgültigkeit meiner Worte zu akzeptieren.
"Es gibt nichts was du machen kannst. Das muss ich klären."
Ich muss die Dinge regeln. Ich muss es schaffen in dieser Situation mich selbst zu finden. Eine Person mit der ich leben kann. Und ich weiß, dafür muss ich als erstes die Dinge mit Alexis regeln, bevor ich mir über Gray Gedanken machen kann. Andersherum wäre es nicht richtig.
Dieses Mal lässt Gray mich gehen, als ich loslaufe. Ich hoffe nur, dass er weiß, dass ein Teil meines Herzens trotzdem bei ihm bleibt.
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