Kapitel 38
Ich wusste nicht, dass ich mich in Grays Gegenwart noch wohler fühlen könnte. Aber jetzt wo er alles über mich weiß und ich mich nicht mehr verstecken muss, fühlt es sich so an als würde uns nichts mehr voneinander trennen. Ich muss nicht mehr vorsichtig sein, mit dem was ich sage oder tue, weil ich keine Angst mehr davor habe, er könne mich von sich stoßen, wenn er wirklich erkennt, wer ich bin. Ich habe es ihm mitten ins Gesicht gesagt und alles was er getan hat, ist mich in seine Arme zu ziehen.
Das ist etwas mit dem ich mein Leben lang nicht gerechnet habe. Nicht nachdem ich Jahre lang für die Art, wie ich bin, komisch angeschaut und links liegen gelassen wurde. Gray ist so etwas wie mein persönliches Wunder.
In dem Gedanken ihn nie wieder gehen zu lassen kuschle ich mich etwas näher an ihn und ziehe seine Hand, die er über meine Taille gelegt hat, an meinem Mund, um einen Kuss darauf zu drücken, was ihm ein leises zufriedenes Grummeln entlockt.
Wir liegen bei ihm zu Hause in seinem Bett, nachdem wir vor einer Stunde bei seinen Eltern weggefahren sind. Ich kann immer noch nicht so ganz fassen, dass dieser Abend wirklich real gewesen ist, aber Gray an meinem Rücken zu spüren, eingehüllt in seinen Geruch, ist der sichere Beweis. Ich habe ihm meine Seele offenbart und er ist nicht darauf herumgetrampelt. Er hat sich für das interessiert, was ich gesagt habe. Er interessiert sich für mich.
Je länger ich darüber nachdenke, desto aufgeregter flattern die Schmetterlinge in meinem Bauch. Ich kann absolut nicht an Schlaf denken, auch wenn Gray bereits friedlich schlummert. Also gebe ich mein bestes so ruhig wie möglich liegen zu bleiben, während ich nicht aufhören kann zu grinsen, als hätte ich in der Lotterie gewonnen.
Mir war nie klar, dass sich verletzlich zu zeigen auch etwas Gutes sein kann. Es macht einen angreifbar, schutzlos und das ist etwas von dem ich bisher gedacht habe, ich darf es nie sein. Aber wenn dich jemand hält, anstatt dich mit Absicht die Klippe hinunter zu schubsen, fühlst du dich... Stärker. Nicht mehr so einsam, sondern sicher und geborgen.
"Bunny", ein Kuss wird auf meinem Hals platziert. "Nett, dass du versuchst ruhig zu bleiben, aber ich merke selbst so, dass du kurz davor bist einfach aufzuspringen und einen Marathon zu laufen. Was ist los? Willst du nicht schlafen?"
Mit einem leicht schlechten Gewissen Gray um seinem Schlaf zu bringen, aber viel zu aufgekratzt, um nicht auf die Einladung ihm meine Gedanken mitzuteilen einzugehen, drehe ich mich um, sodass wir Gesicht zu Gesicht daliegen. Grays Augen sind nur auf Halbmast geöffnet, trotzdem zupft ein Lächeln an seinen Mundwinkeln.
Der Anblick schnürt mir den Hals zu, so viel empfinde ich dabei. Und es ist befreiend diese Gefühle endlich vollkommen und ganz zulassen zu können. Da ist nichts mehr, was zwischen uns steht.
Voller Ehrfurcht zeichne ich die Konturen seines Kiefers nach.
"Weißt du eigentlich wie viel es mir bedeutet, was du heute für mich getan hast?"
Gray blinzelt verschlafen und fängt meine Hand ein, um auf die Innenfläche einen Kuss zu drücken.
"Ich habe doch gar nichts gemacht, außer zu zuhören. Ich wünschte ich hätte dich damals gekannt und hätte wirklich etwas tun können."
Ich weiß, dass wenn ich weiterspreche meine Stimme Tränen erstickt klingen wird. Aber nicht, weil ich traurig bin, sondern weil dieser Mann tief in meinem Herzen etwas berührt, von dem ich dachte es wäre schon lange abgestorben.
"Du hast viel mehr gemacht. Ich habe das alles noch nie zuvor jemandem erzählt. Weil ich nicht noch mehr verletzt werden wollte. Aber du... Du hast genau das Gegenteil gemacht. Du hast mir Sicherheit gegeben."
Gray bewegt sich, um besser dazuliegen, bevor er mich an sich zieht. Wie selbstverständlich findet mein Kopf den perfekten Platz auf seiner Brust und Mal wieder kann ich mein Glück kaum fassen.
"Du weißt, dass ich dich niemals verletzen würde, Bunny. Ich bewundere Alexis und dich für eure Stärke und dafür, dass ihr immer zusammenhaltet. Das ist das wichtigste überhaupt."
Ich grinse, auch wenn Gray es nicht sehen kann und zeichne verschnörkelte Linien auf seine Brust.
"Da kommt der Eishockeyspieler raus, was?"
Mein Tonfall ist neckisch, aber seine Worte sind tief in mich eingedrungen und hallen dort wider. Er hat absolut Recht. Ich hätte ohne Alexis die letzten Jahre nicht durchgestanden. Und ich kann nur hoffen, dass ich ihr genauso eine Hilfe sein konnte. Sie ist die wichtigste Person in meinem Leben. Auch wenn sie momentan heftig Konkurrenz bekommt.
"Ahh, da versuche ich tiefgründig zu sein und schon wird sie frech!"
Kichernd versuche ich mich vor Grays Händen zu schützen, die mich durchkitzeln wollen und rolle mich von ihm weg. Aber der Kampf ist ziemlich unfair, wenn eine seiner Hände reicht, um meine über meinem Kopf festzunageln und mich somit schutzlos zu machen. Nach Luft japsend versuche ich Worte zwischen den Kicheranfällen herauszubekommen.
„Hör auf! Ich... kann nicht mehr!"
Gray lässt sich noch etwas Zeit, bevor er Erbarmen zeigt, aber schlussendlich darf ich doch noch zu Atem kommen und funkle ihn böse an.
„Das war nicht fair."
Ich muss nur nach oben schauen, um in Grays grinsendes Gesicht zu blicken, da er sich, um meine Beine zu fixieren, halb auf mich gerollt hat. Ich hätte nicht gedacht, dass eine derart... einengende Position mir gefallen könnte. Aber anstatt mich von Gray erdrückt zu fühlen, kommt es mir viel mehr so vor, als würde er mit seinen breiten Schultern die ganze Außenwelt abschirmen und mir einen sicheren Zufluchtsort schenken. Sollte ich ihm jemals wirklich böse wegen der Kitzelattacke gewesen sein, ist das bereits verraucht, bevor Gray den Mund öffnet.
„Unfair? Ich habe weder geschummelt noch externe Hilfe gehabt. Kann ich doch nichts für, dass du so klein und zierlich bist."
Nein, dafür kann er wohl wirklich nichts, aber ich liebe den Kontrast, den er zu mir bildet. Allein seine Nähe lässt meinen ganzen Körper prickeln und weil ich eh nicht mehr weiß, was ich sagen wollte, küsse ich ihn stattdessen lieber.
Ich merke daran, dass Gray nicht sofort darauf eingeht, dass ich ihn überrascht habe und beiße ihn zur Bestrafung kurz auf die Lippe. Keine Ahnung woher ich den Mut oder auch nur die Idee dazu habe, aber bevor sich mein Gehirn einschalten kann zeigt mir Gray unmissverständlich, dass er mir nicht das Sagen überlässt, indem er seine Zunge hervorschnellen lässt, und der Begriff Denken rückt wieder in weite Ferne.
Wir fechten einen kleinen Kampf mit unseren Mündern aus und nachdem keiner von uns die Oberhand zu gewinnen scheint werden neue Waffen eingebracht. Gray fährt mit seinen Fingern an meinem Oberschenkel entlang, bis er den Saum des Shirts erreicht, dass er mir zum Schlafen geliehen hat. Dann lässt er die Finger auf die Innenseite wandern und zieht dort genüssliche Kreise, die mir den Atem rauben. Jede seiner Berührungen kommt mir hundertfach verstärkt vor und obwohl er mich noch nicht dort berührt hat, zieht sich mein Inneres bereits erwartungsvoll zusammen. Bilder von uns in der Umkleide blitzen vor meinem inneren Auge auf und lassen mich fordernd die Hüfte heben, während gleichzeitig auch meine Hände auf Erkundungstour gehen.
Es ist schon ganz praktisch, dass Gray sich heute dazu entschieden hat, ohne ein Shirt schlafen zu gehen. So kann ich seine Muskeln unter meinen Fingerspitzen spüren, ohne den nervigen Stoff. Ich bin fasziniert von Grays Körper. Er ist geradezu Perfektion, wie aus einem Anatomiebuch. Die Muskeln zeichnen sich deutlich unter seiner Haut ab und auch wenn nur wenig Licht durch die Jalousien ins Zimmer dringen, reicht es, um mich in Bewunderung verfallen zu lassen.
Ich verteile Küsse auf seiner Brust, was ihn wiederum dazu veranlasst mit einer Hand meinen Körper hochzufahren. Und obwohl noch immer Stoff zwischen seiner Hand und meinem Körper ist reicht es auf meiner erhitzten Haut, um mich zum Erschaudern zu bringen. Mit einem kleinen Stöhnen drücke ich mich enger an ihn.
„Bunny, wir begeben uns auf gefährliches Territorium."
Grays Stimme klingt dunkel und gepresst, ein sicheres Zeichen dafür, dass er an sich hält. Aber das will ich gar nicht.
Den Kopf hebend, um näher an sein Ohr zu kommen, flüstere ich: „Es gibt heute Nacht kein gefährliches Territorium."
Ich spüre wie sich Grays Arme um mich herum anspannen, als er sich hochstützt, um mir besser ins Gesicht schauen zu können. Mehr als zufrieden lasse ich den Kopf zurück ins Kissen sinken und begegne seinem Blick mit einem Lächeln auf den Lippen.
„Was... Bunny, du musst Klartext mit mir reden. Ich befürchte sonst könnte ich in deine Worte mehr hineininterpretieren, als du es vielleicht möchtest."
Wie kann ein Kerl nur so rücksichtsvoll sein? Mir der Wirkung dessen nur zu bewusst fahre ich hauchzart Grays Bauchmuskulatur nach und beobachte, wie er daraufhin die Kiefer aufeinanderbeißt. Aber sonst geht er nicht auf meine Berührung ein, sondern wartet nur ab, was ich sage.
„Ich will dir heute ganz und gar gehören. Du hast bereits mein Herz und seit vorhin auch meine Seele. Und ich will das auch mein Körper dir gehört."
Meine Hände hinter seinem Nacken verschränkend ziehe ich mich nach oben, um Küsse seitlich seines Halses zu platzieren.
„Du bist der Erste. Der Erste, den ich so nah an mich gelassen habe. Der Erste, für den ich so empfinde. Der Erste, der mich so berühren darf. Und ich befürchte du wirst auch der einzige bleiben, denn Jonah Grayham, du hast mich für alle anderen verdorben."
Die Dunkelheit macht mich mutig. Mutig genug die Wahrheit zu sagen, denn ich weiß wirklich nicht, wie jemals jemand anderes wie Gray das in mir auslösen soll, was er in mir erweckt.
Ich wünschte ich könnte diesen Moment in einem Marmeladenglas einfangen und es jeden Tag öffnen, um ihn wieder zu erleben. Denn ich weiß es ist perfekt, als Gray auf meine Worte hin ganz vorsichtig meinen Kopf zwischen seine Hände nimmt und mich mit einer solchen Sanftheit küsst, dass mein Herz vor überquellenden Gefühlen schon weh tut.
Es ist als würde er all die schlechten Erfahrungen in meinem Leben nehmen und sie nur noch halb so schlimm machen. Ich weiß nicht, wie ich auch nur irgendetwas verfluchen soll, was mich hier her gebracht hat. Bisher habe ich immer gedacht, alles was mir wiederfahren ist hat mich verkorkst gemacht. Dass ich, so wie ich bin, gar kein Glück finden kann. Aber hier bei Gray wird mir endgültig klar, dass die Summe meiner Erfahrungen mich zwar ausmacht, das aber nichts schlechtes ist. Ich selbst zu sein ist nichts Schlechtes, solange ich es akzeptiere, anstatt gegen mich selbst anzukämpfen. Es geht nicht darum sich an die Welt anzupassen, sondern darum sich selbst eine Welt zu schaffen, die zu einem passt. Mit den richtigen Menschen um einen, die einen für das mögen was man ist und nicht das, was man versucht zu sein. Ich war noch nie gut mich an andere anzupassen. Aber mir war auch nie klar, dass das nicht automatisch heißen muss für immer allein zu bleiben. Nicht bis Gray mich schlicht und ergreifend nicht allein gelassen hat.
Unwillig auch nur einen Zentimeter Platz zwischen uns zu lassen, leg ich Gray die Beine um die Hüfte und werde dafür mit einem Grinsen an meinen Lippen belohnt. Und weil ich dieses Lächeln liebe nutze ich die Möglichkeit kleine Küsse auf seinen Mundwinkeln und diesem Grübchen, dass mich immer wieder um den Verstand zu bringen droht, zu verteilen.
Ich begrüße es, als Gray die Hände unter den Saum meines Shirts fahren lässt und spüre wie er den Atem in einem lautlosen Seufzen ausstößt, als ich ihm sogar dabei helfe, es mir über den Kopf zu streifen, als hätte er davor meinen Worten noch nicht voll und ganz glauben können. Ich beiße mir auf die Lippen, um mir ein Schmunzeln zu verkneifen, als ich sehe wie vorsichtig Gray seinen Blick über mich gleiten lässt. Er ist so zurückhaltend, so ganz und gar nicht wie der Eishockeygott und Frauenheld sonst. Und es berührt mich, dass er das für mich macht. Weil er sich Gedanken darüber macht, wie unerfahren ich noch bin. Aber das ist nicht nötig. Ich brenne für ihn und ich will ihn voll und ganz, ohne Zurückhaltung. Allein daran zu denken, wie es ist von ihm berührt zu werden macht mich verrückt und ich weiß, dass ich dafür bereit bin.
„Gray?" An seinen Haaren zupfend, um seine Aufmerksamkeit zu bekommen lasse ich ihn offen und ehrlich sehen, wie ich empfinde. Und ich weiß, dass er jedes Quäntchen davon versteht. „Ich will dich."
Und ohne weiteres Zögern bekomme ich ihn.
Sorry Leute ich weiß das Kapitel ist kurz... Aber dafür kommt heute Abend gleich noch eins ;)
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