Kapitel 3

Ich hatte nicht erwartet, jemals mit dem Eishockeyteam zusammen anzustoßen. Und erst recht nicht fünf Mal nacheinander. Aber anscheinend sind diese Jungs richtig gut darin, immer wieder Gründe zu finden, um einen zusammen zu trinken.

Ich bin inzwischen in einem Stadium, indem es mir ziemlich egal ist. Ich reiche meinen Becher, wenn mir jemand etwas einschenken will und halte mich aus dem Rest raus. Alexis hat sich im Gegensatz unter die Gruppe gemischt, nachdem ich ihr auf ihren fragenden Blick hin mit einem Nicken die Erlaubnis gegeben habe, mich allein zu lassen. Und ja, nur ich schaffe es inmitten einer lauten Gruppe Sportler, die jeden der vorbeikommt in ein Gespräch miteinbeziehen, allein dazu stehen. Das ist eine Fähigkeit, die ich mir lange antrainiert habe. Manchmal ist es leichter einfach mit dem Hintergrund zu verschmelzen, anstatt die Aufmerksamkeit von anderen auf sich zu ziehen. Es bewahrt einen vor so mancher Enttäuschung.

Ich spüle die aufkommenden Erinnerungen mit einem letzten Schluck der leckeren Mischung, die Alexis mir gemacht hat, hinunter und muss feststellen, dass der Becher nun leer ist. Verdammt. Ich werfe einen Blick hinüber zu Alexis, doch diese scheint in ein Gespräch mit diesem Lee vertieft und nach ihren leicht geröteten Wangen und der Art, wie sie an ihren Haaren herumspielt, will sie eigentlich nicht gestört werden. Aber immerhin hat sie doch diese bescheuerte Regel zwei aufgestellt, nicht wahr?

Entschlossen setze ich einen ersten Schritt in die Richtung der beiden. Dass ich dabei aber nicht gefährlich schwanke, schaffe ich nur durch höchste Konzentration zu bewerkstelligen. So langsam erreiche ein Stadium, dass das ganze hier sogar angenehm macht. Anders kann ich mir zumindest nicht erklären, weshalb ich dem armen Kerl, der von Heather belagert wird, ein aufmunterndes Lächeln zuwerfe, während ich mich an den beiden vorbei schiebe.

Glücklicher Weise steht Alexis mit dem Gesicht mir zugewendet da, sodass sie mich bemerkt, bevor ich mich der peinlichen Situation stellen muss, deren Gespräch zu unterbrechen.

„Hey Row. Alles in Ordnung?"

Ich nicke kurz mit zusammengepressten Lippen und drehe dann meinen Becher kopfüber, um dessen Leere zu demonstrieren. „Regel Nummero zwei?"

Das bringt Alexis zum Lachen und auch Lee wendet sich mir zu. Also ich muss schon sagen, ein schönes Gesicht hat er. Mir gefällt nur nicht die Art, wie er meiner Freundin mehr auf die Titten als ins Gesicht schaut.

„Oh, leere Becher sind hier nicht erlaubt."

Lee schenkt mir ein schiefes Lächeln und ich bemerke, wie ich es ganz von automatisch erwidere. Nein, böse Lippen! Ich setze wieder einen neutralen Gesichtsausdruck auf. „Ganz genau, deswegen muss ich dir..."

Bevor ich meinen Satz zu Ende bringen kann, werde ich von lauten Stimmen hinter mir unterbrochen.

„Wer ist bei einer Partie Bierpong dabei?"

Wütend darüber unterbrochen worden zu sein, drehe ich mich mit zusammengezogenen Augenbrauen rum und beobachte, wie drei weitere Jungs in Trikot zu unserer Gruppe dazustoßen. Ganz vorne ist wieder der dunkle Haarschopf des vermeintlichen Kerls dabei, mit dem ich vorhin zusammengestoßen bin. Er begrüßt ein paar seiner Teamkollegen mit diesem typischen Handschlag, während ein Kumpel von ihm herausfordernd die Arme ausstreckt.
„Oder traut sich niemand gegen Gray anzutreten?"

Irgendwas sagt mir, dass Gray niemand anderes ist als Mr. Selbstgefälliges Lächeln, welches er übrigens schon wieder zur Schau trägt.

„Ha! Als müsste man vor der Pussy Angst haben. Ich bin dabei!"

Erschrocken stolpere ich einen Schritt zurück, als Lee an mir vorbei zu den drei Neuankömmlingen geht und sich mit dem Kerl abschlägt, der zuvor gesprochen hatte. Auch Alexis setzt sich in Bewegung und stellt sich neben mich.

„Ein Mutiger hat sich also gefunden. Gibt es jemanden der sich dem törichten Lee anschließen und ihn bei seiner Niederlage begleiten will?"

„Niederlage? Wir werden euch fertig machen!"

Ein hochgewachsener blonder Kerl, der mich mit seinem Grinsen irgendwie an einen kleinen Jungen erinnert, stellt sich neben Lee und ist nun wohl auch mit von der Partie.

„Wir spielen auch mit. Kann ja nicht sein, dass euer Ego noch mehr in die Höhe schießt, ihr Eisratten."

Zwei Kerle in normaler Kleidung treten vor und grinsen die Gruppe Eishockeyspieler herausfordernd an. Aber die Art, wie Gray auf sie zu geht und seine Schulter an ihre rempelt, hat nichts Feindseliges, genauso wie seine spielhafte Beleidigung. „Sagt der richtige, Grasfresser."

Man merkt, dass die Jungs befreundet sind, obwohl sie anscheinend Anhänger verschiedener Sportarten sind. Wenn ich raten müsste, würde ich sagen, die anderen beiden sind Footballer und es ist ein offenes Geheimnis, dass zwischen den beiden Teams ein Wettstreit um die Fördergelder des Colleges herrscht. Aber anscheinend überträgt sich das nicht auf die persönliche Ebene und während ich noch mit dieser komischen Dynamik beschäftigt bin, braut sich neben mir eine absolute Katastrophe zusammen.

Ich bemerke nur aus dem Augenwinkel, wie Lee Alexis auffordernd zu nickt und bevor bei mir die Alarmglocken schrillen können, hat Alexis mich auch schon mit sich nach vorne gezogen und verkündet laut: „Wir sind auch dabei!"

Als sich alle Augen auf uns richten, weicht mir ein Großteil des Blutes aus dem Gesicht. Auf gar keinen Fall, nein da würde ich nicht mitmachen!
Ich versuche mich aus Alexis Griff zu wenden, aber dieser ist wie ein Schraubenstock, der mich festhält.

„Lass mich los, Lex, das mache ich nicht!"

Vielleicht liegt es nur daran, dass ich versuche ihr die Worte möglichst leise zu zu zischen, aber sie reagiert nicht mal mit einem Blinzeln auf mich.

„Perfekt, dann sind wir ja genug."
Lee lächelt Alexis verführerisch an und packt dann Gray kameradschaftlich an der Schulter, um mit ihm zu plaudern, während sich unsere ganze Gruppe Richtung Bierpongtisch in Bewegung setzt. Anscheinend haben die anderen vor, das Publikum zu stellen und mit jedem Schritt, den ich gezwungenen Maßen vor stolpere, merke ich wie das Blut brennend heiß wieder in meinen Kopf schießt. Ich zerre an meinem Arm und erreiche damit wenigstens, dass Alexis mir ihre Aufmerksamkeit schenkt, sodass sie meinen toternsten Blick sieht.

„Lass mich sofort los, ich mach das nicht mit!"

„Entspann dich Row. Das ist echt witzig und von uns Mädchen wird eh nicht viel verlangt..."

„Nein! Mir ist scheißegal, ob ich nur rumstehen und das naive Mädchen mimen muss, ich spiel da nicht mit. Du hast mich dazu gebracht mit hier her zu kommen, aber das hier ist ein Schritt zu viel. Lass. Mich. Los."

Ich erkenne, wie Alexis klar wird, wie ernst ich das hier meine. Der fröhliche, angeheiterte Ausdruck verschwindet aus ihren Augen und macht dem Verständnis einer besten Freundin platz, die genau weiß, weshalb ich so reagiere. Das lässt meine Wangen zwar immer noch in Flammen stehen, aber wenigstens bekomme ich meine Freiheit zurück, als Alexis endlich ihren Griff löst. „Tut mir leid Row. Ich wollte dich zu nichts zwingen, ich dachte nur es könnte Spaß machen."

Von unangenehmen Gefühlen wieder eingeholt wende ich den Blick ab und versuche mich wieder zu fassen. Aber das ist gar nicht so leicht, denn die Entspanntheit, die mir der Alkohol verliehen hat, scheint im Angesicht der Gruppe um mich herum gerade wieder in sich zusammenzubrechen. Ich schaffe es nur ein nicht wirklich überzeugendes „Ich weiß" zu murmeln und bleib am Rande der Menge stehen, als wir den Tisch erreichen, an dem ich schon vorhin die Eishockeyspieler hatte Bierpong spielen sehen.

Alexis zögert kurz, als Lee sie zu sich winkt, und wirft mir einen entschuldigenden Blick zu, aber ich bin ihr dankbar, dass sie ohne großes Aufhaben einfach zu ihm läuft. Momentan hätte ich ihren Beistand sowieso nicht gewollt und wenigstens gibt mir das ein paar Sekunden, um mich wieder zu sammeln, während die Becher aufgestellt und gefüllt werden. Ich atme einige Male tief durch und dränge alle Erinnerungen zurück, die aufkommen wollen. Momentan konnte ich mich ihnen nicht stellen. Mit dieser Technik habe ich es zumindest geschafft mich soweit zu beruhigen, dass ich gerade noch rechtzeitig mich wieder auf das Geschehen um mich konzentrieren kann.

Die Teams haben sich bereits aufgestellt. Auf der einen Seite Alexis mit Lee, dem anderen Eishockeyspieler, der mich an ein zu groß geratenes Kind erinnert, und einer der beiden Footballspieler. Auf der anderen Seite steht der andere Footballspieler zusammen mit Gray und dessen zwei Kumpanen. Aber im Gegensatz zu seinen anderen Teamkollegen knackst Gray nicht in übertriebener Manier die Finger oder ähnliches, sondern schaut sich suchend um, bis er an Alexis gewandt fragt: „Wo ist deine kleine Freundin?"

Alexis Blick schießt verräterisch über seine Schulter zu mir, bevor ich mich verstecken kann, sodass Gray einfach ihrem Blick folgt und mich mit einem kleinen ironischen Lächeln betrachtet. „Doch keine Lust mitzuspielen?"

Meine Handflächen sind innerhalb von einer Sekunde feucht und sein Gesicht wird von all den Kerlen überlagert, die mich ebenfalls schon mal so spöttisch betrachtet haben. Die kleine naive Roween...
Aber ich bin nicht mehr das kleine Mädchen. Das mache ich mir wieder klar, als ich das Piercing in meiner Augenbraue berühre, und die Bewegung durch ein Haare zurückstreichen tarne. Danach ist meine Stimme fest und völlig ungerührt.

„Ne, dann gehen die Teams nicht mehr auf. Spielt ihr ruhig nur."

Das hat den gewünschten Effekt, dass niemand mehr mir größere Beachtung schenkt. Nur Gray legt kurz den Kopf leicht zur Seite und mein Puls erhöht sich schon in der Befürchtung er würde noch etwas sagen. Aber dann ruft jemand: „Hey Gray, fang!" und ein Pingpongball wird ihm zugeworfen, sodass er sich abwenden muss.

Zittrig atme ich aus. Ich senke den Blick, um mich zu beruhigen und muss dabei feststellen, dass ich den Plastikbecher in meiner Hand völlig zerquetscht habe, und lockere meinen Griff.

Dem Spiel wende ich meine Aufmerksamkeit erst einige Minuten später zu. Es ist schon einiges passiert. Auf der Seite von Alexis fehlt bereits fast die Hälfte der Becher und dem ernsten Gesichtsausdruck von Lee nach, bedeutet das wohl, dass es jetzt um alles oder nichts geht. Er ist gerade am Zug und hat die Zunge konzentriert zwischen die Lippen geklemmt, während er die Becher des generischen Teams fixiert. Auch hier fehlen bereits drei, aber es ist trotzdem deutlich, wer in Führung ist. Gray steht entspannt neben den Tisch, die Arme vor der Brust verschränkt und ein leichtes Lächeln auf den Lippen. Aber erstaunlicher Wiese wirkt es dieses Mal nicht überheblich. Ich merke gar nicht, dass ich ihn anstarre, bis ein Plop erklingt und dann Gejohle, als Lee den Ball versenkt.

Sofort wende ich den Blick ab, doch er wird direkt wieder auf Gray gezogen, als dieser mit einem breiten Grinsen seine Zähne enthüllt. „Glückstreffer."

Lee grinst zurück und zeigt ihm den Mittelfinger. „Das hättest du wohl gerne. Und jetzt trink!"

„Zu Befehl."

Auf schon fast lächerliche Weise salutiert Gray, angelt den Pingpongball aus dem Becher und stürzt dessen Inhalt dann in zwei großen Zügen hinunter. Der leere Becher landet auf einem Stapel mit den anderen, der Ball wird kurz gesäubert und dann ist der Footballspieler in Grays Team am Zug.

„Na dann Hendrik, rette die Ehre der Footballspieler."

Hendrik lacht kurz auf, ist dann aber wieder hochkonzentriert. Aber schon im Flug des Balles wird mir klar, dass das eine Niete wird. Er kommt zu flach, prallt auf der Tischplatte vor den Bechern auf und dopst dann vom Tisch. Der Hüne von einem Footballer weicht mit einem Zischen zurück und verschränkt die Hände hinter dem Kopf. „Verdammt!"

„Tja, wir gewinnen noch, ihr werdet es sehen. Jetzt bist du dran Süße."
Lee schiebt Alexis nach vorne, die kichernd den Pingpongball entgegennimmt, den einer der anderen Spieler aufgesammelt hatte. Bevor sie sich richtig hinstellt, wirft sie aber Lee nochmal mit einem sexy Augenaufschlag einen Blick zu. „Wünsch mir Glück."

Das bringt ihr ein zum zerschmelzen heißes Lächeln ein und ich sehe ihr an, dass es ihr in dem ganzen Spiel nur darum geht. Sie bemüht sich nicht mal allzu sehr bei ihrem Wurf, sodass es kein Wunder ist, dass der Ball im Nichts landet.
Womit sie sich allerdings wieder größte Mühe gibt, ist ihr bestes Schmollgesicht aufzusetzen. „Oh Mann, tut mir Leid."

Sie lässt total das hilflose Mädchen raushängen und wird dafür auch noch mit einer aufmunternden Umarmung belohnt. Das ist grausam zu beobachten. Ich erlebe Alexis nicht oft, wenn sie die Kerle um den Finger wickelt, aber jetzt gerade empfinde ich es als ziemlich entehrend, denn die Show die sie hier abzieht, hat nichts mit ihrem wirklichen Selbst zu tun. Ich kann mich auch irren, aber als ich meine Aufmerksamkeit wieder auf Gray wende, da er als nächstes dran ist und sich positioniert, meine ich seine Schultern unter einem lautlosen Kichern beben zu sehen.

„Können wir dann weiter machen?"

Er grinst mitten in Alexis dramatisch niedergeschlagenes Gesicht, die nur immer noch völlig in ihrem Element nickt und sich an Lees Arm klammert, als brauche sie Halt.

Auch Gray wirft völlig mühelos, aber auf vollkommen andere Art als Alexis. Er konzentriert sich nicht lange auf die Becher am anderen Tischende, als würde er zunächst die Flugbahn ausrechnen, wie die anderen, sondern lässt den Ball in einem grazilen Bogen durch die Luft sausen und das nur mit einer Bewegung aus dem Handgelenk. Der Ball landet so sicher im hintersten Becher, als hätte er schon immer da hingehört.

Zugegebener Maßen, ich bin nicht unbeeindruckt. Durch mein kleines Lieblingsspiel beim Lernen - Papierbälle im Mülleiner versenken - weiß ich wie viel Übung es kostet, diesen Wurf so locker auszuführen. Vielleicht ergibt die großtönige Ansprache seines Freundes doch etwas Sinn: Gegen Gray im Bierpong anzutreten erfordert zumindest eine gewisse Unbesonnenheit wenn es ums Verlieren geht.

Lees Team schlägt sich zwar auch nicht schlecht, aber es sieht trotzdem nicht gut für sie aus. Der andere Eishockeyspieler aus seinem Team versenkt wieder den Ball, doch mit dem nächsten Wurf von Grays Kameraden ist der Punkt wieder ausgeglichen. Danach landen bei beiden Teams die Bälle im nichts, bis Lee wieder dran ist. Dessen Ball tanzt auf der Kante eines Bechers und kippt dann in der letzten Sekunde doch noch ins Innere.

Erstaunlicher Weise bin ich von der Partie selbst so gefesselt, dass ich gleichzeitig mit Lee die angehaltene Luft ausstoße. Ich sympathisiere immer mit den Schwächeren. Deswegen muss ich mir auch einen Fluch verkneifen, als Hendrik dieses Mal einen Becher trifft, während die Leute um mich herum in Jubel ausbrechen. Denn jetzt ist das Spiel so gut wie entschieden.

Während vor Alexis, die als nächstes dran ist, nur noch zwei Becher stehen, von dem einer bei Grays nächsten Wurf definitiv abgeräumt wird, stehen auf der anderen Seite noch vier Stück. Selbst wenn aus Grays Team niemand mehr außer ihm treffen würde, müsste jetzt jeder Ball von Lees Team sitzen.

Selbst Alexis scheint das Spiel jetzt ernst zu nehmen. Kein kurzer Flirt mehr mit Lee bevor sie sich aufstellt und in höchster Konzentration den Ball in der Hand wägt. Dann wirft sie und verdammt das sieht gut aus!

Ich kann gar nicht anders als mit einem kurzen Freudenschrei hochzuspringen, bevor ich mich peinlich berührt wieder in den Griff bekomme. Was aber gar nicht nötig gewesen wäre, denn alle um mich herum sind ähnlich fest von dem Spiel gefesselt und jubeln Alexis zu, die wieder in Lees Armen liegt. Dieses Mal aber mit einem ehrlichen stolzen Lächeln auf den Lippen.

Aber die Freude hält nicht lange, denn wie ich es schon vorhergesehen habe, sitzt auch Grays nächster Wurf wieder perfekt und auch Alexis überraschender Treffer kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass Grays Team nur noch einmal treffen muss, während auf der anderen Seite noch drei Becher stehen. Es steht Lee gerade zu ins Gesicht geschrieben, dass er seine kommende Niederlage widerwillig akzeptiert.
Aber bevor der nächste Wurf ausgeführt wird erhebt Gray plötzlich die Stimme.

„Warte Mal kurz. Ich gebe euch noch eine letzte Chance das Spiel zu drehen."

Das Lächeln auf seinem Gesicht hat etwas wölfisches und auch Lee scheint dem Angebot eher misstrauisch gegenüber zu stehen. „Aha, und welche?"

Meine Nackenhaare stellen sich einen Bruchteil von einer Sekunde früher auf als mich Grays Blick trifft.

„Unsere leider verlorengegangene Mitspielerin darf werfen, mit der Besonderheit, dass sie weiterwerfen darf, wenn sie trifft. Perfekt, oder? Dann kannst du doch mitspielen."

Wieder legt er seinen Kopf leicht schief. Geistlich bin ich sofort in zig anderen solcher Situationen. Das heuchlerische Angebot, die Blicke, die sich auf mich richten. Und ich bin von mir selbst enttäuscht, als ich merke, wie ich von ganz automatisch einen Schritt nach hinten stolpere. Denn ich habe mir schon vor langer Zeit geschworen, dass ich mir von niemanden mehr dieses Gefühl geben lasse. Als könne man mit mir spielen, mich zur Bespaßung benutzen. Wieder streiche ich über meinen Piercing, während mein Blick an Alexis hängen bleibt, die kerzengerade aufgerichtet dasteht und herauszufinden versucht, ob ich Hilfe brauche.

Aber das tue ich nicht. Genau wie sie habe ich mich verändert, um meinen Dämonen zu entkommen. Also atme ich tief durch, gehe einen Schritt nach vorne, der größer ist als den, den ich zurückgewichen bin und hebe spöttisch eine Augenbraue. „Ja perfekt."

Ich weiß nicht, was Gray erwartet hat. Ich entdecke keine Überraschung in seinem Blick, als er mir mit einer Hand bedeutet an den Tisch zu treten. Lee im Gegensatz sieht überrascht aus, als ich neben ihm stehen bleibe und den Ball entgegennehme.

„Sag mal, wie heißt du noch mal?"

Aus dem Augenwinkel sehe ich schon, wie Alexis ansetzt für mich zu antworten, so wie es meistens ist. Aber dieses Mal öffne ich selbst den Mund. „Roween. Aber nenn mich einfach Row."

Ein Lächeln zupft an Lees Mundwinkeln. „Na dann Row, bitte rette meine Ehre."

Darauf erwidere ich nichts mehr.
Stattdessen konzentriere ich mich auf die drei Becher, die mir Gray in einer perfekten Reihe aufgestellt hat. Irgendwie schaffe ich es dabei sogar all die Augenpaare zu ignorieren, die auf mich gerichtet sind. Dass Gray wieder völlig entspannt die Arme vor der Brust verschränkt hat, hilft dabei ziemlich, denn plötzlich kommt in mir das Bedürfnis auf es ihm so richtig zu zeigen. Und ich weiß, dass ich es auch kann, solange ich mir vorstelle, dass das da vorne mein Mülleimer ist und ich nur mal wieder einen Zettel voller Notizen wegschmeiße, die ich nicht mehr brauche. Diesen Wurf kann ich inzwischen sogar schon blind.

Ich konzentriere mich auf die Becher, hebe den Arm, ziele... und werfe. Ein bestätigendes Plop folgt, als der Ball sein Ziel trifft.

Um mich herum brechen die Leute in überraschtes Jubeln aus, aber es ist nicht das was mich anreizt, sondern das kurze Zucken in Grays Wange, als er sich den Becher schnappt, den Ball rausangelt und zum Waschen jemand anderem gibt, bevor er das Bier trinkt. Sein Blick ist dabei die ganze Zeit auf mich gerichtet, so wie meiner auf ihn.

Der leere Becher wird abgestellt und mir der Ball erneut in die Hand gedrückt. Ich fahre mir mit der Zunge über die Unterlippe fokussiere mein nächstes Zeil...
und plop.

Dieses Mal rastet die Menge aus.

„Scheiße verdammt, wieso hat sie nicht schon die ganze Zeit mitgespielt?!", höre ich hinter mir Lee ausrufen, während die anderen Mitspieler aus Grays Team näher an den Tisch rücken. Aber wieder beobachte ich nur, wie Gray sich den Becher nimmt, den Ball rausangelt und ihn an die Lippen setzt. Etwas funkelt in seinen Augen, aber ich kann es nicht ganz definieren. Ich weiß nur, dass mir das Adrenalin in den Adern rauscht. Doch mich auf ihn zu fokussieren hilft, um die Nerven zu behalten, obwohl ich mich in einer der Situationen befinde, weshalb ich normaler Weise andere Leute meide.

Als mir dieses Mal der Ball gereicht wird, macht Gray etwas Eigenartiges. Er geht in die Hocke, sodass seine Arme auf der Tischplatte verschränkt liegen und er darauf sein Kinn aufstützen kann. Diese Position verursacht genau drei Sachen:

Erstens betont es seine muskulöse Schulter- und Armpartie, die kein Zweifel daran lässt, wie hart er trainiert.

Zweitens bringt es sein Lächeln genau auf die Höhe mit dem Becher, sodass mir gar nichts anderes übrig bleibt, als auch ihn zu betrachten, wenn ich den Becher fixiere. Und das ist nicht mehr dieses Blödmann-Lächeln. Oh nein, das hier ist seine Geheimwaffe. Ein Lächeln, dass das Grübchen in seiner linken Wange zum Vorschein bringt, seine blauen Augen betont, von denen mir zuvor nicht mal aufgefallen war, dass sie blau sind, und das Höschen eines jeden Mädchens in Flammen setzen kann.

Und drittens... bringt es auch mich dazu zu Lächeln.

Dieses Mal bin ich diejenige, die den Kopf schräg legt. „Funktioniert das mit dem Lächeln bei anderen Mädchen?"

Dann werfe ich.

Plop.

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