Kapitel 26
Gray
Es tut mir Leid Row so zu überfallen, aber sie hat mich wortwörtlich um den Verstand gebracht. Mit all diesen leisen Lauten, die sie ausgestoßen hat, während sie sich durch unsere Cheesecakeauswahl probiert hat und das ganz ohne sich bewusst zu sein, was sie da mit mir anstellt.
Eigentlich hat sie mich schon den ganzen Abend um den Verstand gebracht: Mit meinem Trikot, in dem sie so verdammt verlockend aussieht. Mit dem Vertrauen, als sie sich in meine Arme hat fallen lassen. Mit ihrer Begeisterung für den Sport, den ich liebe.
Es war nur eine Frage der Zeit, bis meine Selbstbeherrschung in sich zusammenbricht und nachdem ich mich schon zusammengerissen habe als all die Jungs um uns standen und gerade eben auf dem Parkplatz, ist dieser Punkt ist jetzt endgültig erreicht.
Ich weiß nicht seit wann mein Lernbuddy zu jemandem geworden ist, dem ich einfach nicht nahe genug kommen kann, aber in diesem Moment bereue ich es, mich gegenüber von Row gesetzt zu haben. Der Tisch zwischen uns ist wie eine Barriere und für einen Augenblick erscheint es so, als würde Row das hier noch immer genauso wenig wollen wie damals auf der Party. Sie ist wie erstarrt und ich habe zwar ein groß genuges Ego, aber jemanden zu küssen, der das nicht erwidert, lässt auch in mir das Bedürfnis aufkommen mich zurückzuziehen und meine Wunden zu lecken.
Aber gerade als ich schon resigniert zu der Erkenntnis kommen will, dass ich das Band zwischen uns zu früh und zu sehr strapaziert habe, spüre ich wie Rows Lippen mit einem lautlosen Seufzen an meinen weich werden. Als sie dann noch ihre viel kleinere Hand über meine legt, die noch immer ihre Wange umfasst, bin ich verloren. Ich wusste bisher nicht, dass ich auch auf den unschuldigen Typ Frau stehe. Normaler Weise habe ich nichts dagegen, wenn auch das Mädchen etwas forsch ist. Selbstbewusstsein ist sexy. Aber bei Row ist alles anders.
Der Kuss ist lang und süß. Ich halte mich zurück, weil ich mir dessen bewusst bin, wie viel ich auch so schon von Row fordere. Aber es lohnt sich, denn schlussendlich ist sie diejenige, die den Kuss auf die nächste Stufe bringt, indem sie forschend ihre Zunge vorfahren lässt. Sie schmeckt nach Lemon-Cheesecake und das lässt mich in den Kuss hineinlächeln, bevor ich mich schlussendlich von ihr löse, um meine Stirn an ihre zu legen
.
"Das wollte ich schon den ganzen Tag machen."
Ich spüre Rows schnelle Atemzüge, als sie etwas ungläubig fragt: "Wirklich?"
Da Row generell mehr Taten als Worten Glauben zu schenken scheint, drücke ich ihr einfach gleich noch einen Kuss auf die Lippen, bevor ich mich zurücklehne und sie angrinse. "Und wie."
Ihre Wangen sind rot angelaufen, aber schlussendlich lächelt auch Row und fährt sich in einer unbewussten Geste über ihr Piercing. "Gut, ich nämlich auch."
Das überrascht mich und lässt mich für einen Moment ungläubig schauen, bevor ich nur noch mehr grinsen muss.
"Verdammt Bunny, hättest du das Mal früher gesagt, hätte ich mich nicht die ganze letzte Stunde am Riemen reißen müssen."
Row greift wieder ihre Gabel und zuckt nur mit den Schultern, während sie sich wahllos ein Küchenstück abmacht. "Du doch auch."
"Ich glaube meine Ansichten waren ziemlich eindeutig. Immerhin trägst du mein Trikot."
Grinsend tue ich es Row gleich und wende mich wieder dem Kuchen zu. Er scheint mir noch besser zu schmecken als zuvor.
"Aha, also ist das deine Aufreißer-Nummer?"
In der Angst, dass sie das wirklich glauben könnte, blicke ich auf und entspanne mich erst wieder, als ich das Glitzern in Rows Augen sehe. Sie will mich nur auf den Arm nehmen.
"Nein, viel zu aufwendig. Im Normalfall reicht es ein Getränk auszugeben."
Row schnaubt belustigt, doch ich sehe ihr an, dass sie die nächsten Worte wirklich beschäftigen und richte meine ganze Aufmerksamkeit auf sie.
"Wirst du das denn... Auch noch weiterhin machen? Mädchen Getränke ausgeben?"
Da Row sowieso den Blick gesenkt hat und scheinbar nur nebenbei fragt, nehme ich mir eine Sekunde, um sie eingehend zu betrachten. Rein äußerlich wäre sie mir unter anderen Menschen nicht besonders aufgefallen. Trotzdem weiß ich, dass inzwischen selbst in einem überfüllten Raum ich sie immer im Blick behalten würde.
"Nein, das Bedürfnis habe ich schon seit ein, zwei Wochen nicht mehr."
Rows Blick schießt überrascht nach oben und auch wenn sie versucht es sich zu verkneifen, sehe ich das Lächeln, dass an ihren Mundwinkeln zuckt.
"Soso, schon ein, zwei Wochen nicht mehr. Sicher, dass du nicht vielleicht krank bist?"
Ich drehe die Gabel in meiner Hand und versuche mich selbst an einem ernsten Gesichtsausdruck. "Oh, keines Falls. Vielleicht sollte ich zum Arzt gehen."
Rows Augen funkeln, während sie sich eine Gabel Oreo-Cheesecake nimmt.
"Ach, ich habe gehört Käsekuchen ist das Hausmittel für alles."
"Na dann bin ich hoffentlich bis später geheilt und gebe einem ganz speziellen Mädchen ein Getränk aus."
Jetzt lächelt Row richtig und ich weiß nicht, was daran anders ist, als all die anderen Male, die sie mich angelächelt hat, aber dieses Mal scheint in dieser kleinen Geste mehr mitzuschwingen. Ein kleiner Ausblick darauf, wie es zwischen uns weitergehen könnte. Und das lässt mein Herz schneller schlagen.
"Ich glaube das würde dem Mädchen sehr gefallen."
*******************
Ich halte Rows Hand in meiner als wir im Bonito's ankommen. Sie steht leicht hinter mir, als wolle sie in meinem Schatten verschwinden, aber verübeln kann ich es ihr auch nicht. Eine Meute Eishockeyspieler in Feierlaune kann etwas erschlagend sein. Und das auch ganz ohne all die anderen Studenten, dir zur Feier der Stunde mit hierher gekommen sind.
Jeder Tisch im Bonito's ist besetzt und die sonst freie Fläche in der Mitte des Raumes wird als Tanzfläche für nochmals genauso viele Menschen benutzt.
Ich stehe noch keine drei Sekunden in der Diele, da kommt auch schon ein deutlich angehieterter Tobias zu mir und schlingt einen Arm um meinen Hals.
"Gray! Da bist du ja endlich! Wir konnten mit dem Anstoßen nicht mehr warten, ich hoffe das nimmst du uns nicht böse."
Grinsend klopfe ich dem jüngeren Teamkollegen auf den Rücken.
"Nein, alles gut. Super Leistung heute Tobi."
Tobias fängt an zu grinsen und nimmt einen großen Schluck von seinem Getränk. Sieht für mich nach Jacky Cola aus.
"Danke Mann. Ich habe einfach drauf geschossen und auf einmal war die Scheibe im Netz!"
Tobias gehört zu den Frischlingen im Team und der Stolz über sein erstes Tor, ist seiner Stimme anzuhören. Aber das kann er auch. Der Junge hat alles auf dem Eis gegeben.
"Der Schuss hat perfekt gesessen. Keine Chance für den Torwart da noch dran zu kommen. Du hast auf jeden Fall allen Grund heute zu feiern."
Mit einem letzten Schulterklopfen entlasse ich den jüngeren Spieler und überlasse ihn einer Gruppe Mädchen, die den Torschützen heute Abend nur zu gerne hochleben lassen. Ich merke, dass einige von ihnen auch mir Blicke zuwerfen, aber ich wende mich nur mit einem kurzangebundenem Lächeln Row zu.
"Willst du was trinken?"
Row, die zuvor aufmerksam ihren Blick durch die Menge hat schweifen lassen, schaut zu mir und nickt mit einem kleinen Lächeln. "Gern."
Mehr muss ich nicht hören, um uns den besten Weg durch all die Menschen zu bahnen, ohne ihre Hand loszulassen. Bis wir an der Bar ankommen, dauert trotzdem seine Zeit, da ich so gut wie nach jedem Schritt von jemandem aufgehalten werde, der mir zum Siegestor gratuliert.
Die Jungs sind schon richtig in Stimmung. Ich sehe Lee in mitten der Tanzfläche Mal wieder die Mädels um seine Finger wickeln. Ich weiß nicht ob es sein ungewöhnlicher Lockenkopf oder der Charme ist, mit dem er die Mädchen anstrahlt, aber sie fressen ihm aus der Hand. Bas wiederum sitzt mit ein paar anderen aus dem Team in einer Nische und öffnet gerade sein nächstes Bier, mit dem er mir zuprostet, als er meinen Blick bemerkt.
Auch an der Bar treffe ich auf einen Teamkollegen. Sean, ein braungebrannter Kerl, den ich eher als Surferboy eingestuft hätte, wenn ich nicht sein Herz fürs Eis kennen würde, greift gerade nach einem Drink, den der Barkeeper ihm hingestellt hat, als ich ihm von hinten eine Hand auf die Schulter lege.
"Nett von dir, du hast also schon für mich bestellt."
Ich zwinkere Sean zu und dass sich einer seiner Mundwinkel nach oben zieht, ist ein Zeichen dafür, wie sehr sich das ganze Team über den Sieg freut. Normalerweise ist Sean eher der ernste Typ, mit einem eiserenen Willen und einer Entschlossenheit, um die ich ihn beneide. Der Kerl geht die Dinge ohne Zögern an und weicht auch vor den übelsten Checks nicht weg.
"Davon träumst du wohl Gray. Deine Getränke kannst du schön selber bezahlen."
Seans Blick gleitet hinter mich, wo Row noch immer halb versteckt steht.
"Hi. Du musst die sagenumwobene Row sein. Ich bin Sean."
Row nimmt zögerlich die ihr hingehaltene Hand an und grinst verlegen.
"Oh Gott. Das hört sich ja nicht gut für mich an."
Sean legt den Kopf schief und schmunzelt.
"Kommt ganz drauf an wie man es sieht. Dein Name fällt auf jeden Fall oft in Bezug mit Bier. Darf man dir denn eins anbieten?"
Ich kenne Sean gut genug, um zu wissen, dass das keinen Falls eine Anmache ist. Auch wenn man es dem Kerl mit seinen hart geschnittenen Gesichtszügen und dem oft unbeugsamen Blick nicht gleich ansieht, ist er ziemlich sensibel, wenn es um andere Menschen geht. Und Row ist es am Gesicht abzulesen, wie angespannt sie ist.
"Liebes Angebot, aber das übernehme ich."
Sanft ziehe ich Row zu mir heran und lege einen Arm um sie. Die Geste fühlt sich im ersten Moment ungewohnt an und ich bin mir auch nicht sicher, ob ich damit nicht einen Schritt zu weit gehe. Aber sobald ich spüre wie Row sich vertrauensvoll an mich lehnt, kann ich mir ein Grinsen nicht verkneifen. Es ist alles richtig, so wie es ist.
"Also Bunny, was willst du?"
Unentschlossen beißt sich Row auf die Lippen und schaut fragend zu mir auf. "Was gibt es denn?"
Suchend lasse ich meinen Blick über die Theke gleiten und entdecke eine Karte, ein zwei Meter entfernt. "Einen Moment."
Aus einem Impuls heraus drücke ich Row einen Kuss auf den Scheitel, bevor ich mich umdrehe und mich hinter den Leuten an der Bar zur Karte schlängle. Kaum dass ich sie aber in den Fingern halte werde ich von einer weiblichen Hand zurückgehalten und drehe mich überrascht um.
"Ahh, der Mann der Stunde. Glückwunsch zum gewonnen Spiel."
Als ich Rose vor mir erkenne entspanne ich mich und grinse die schwarzhaarige Latina an.
"Danke. Wie geht's dir? Haben schon lange nicht mehr miteinander geredet."
Ja, wir hatten Mal etwas miteinander. Aber das ist lange her und die Fronten sind von beiden Seiten aus geklärt. Deswegen lässt Rose auch kaum dass sie meine Aufmerksamkeit hat ihre Hand wieder fallen und lächelt mich rein freundschaftlich an.
"Alles bestens. Mein Bruder hat jetzt auch endlich Mal sein Weg ans College geschafft und uns allen damit ein Stein vom Herzen fallen lassen."
"Das freut mich zu hören."
Und das meine ich ehrlich. Rose hat mir damals manchmal davon erzählt, was für ein Chaos ihr Bruder damit ausgelöst hat, dass er lieber das schnelle Geld machen wollte, als den rechtschaffenen Weg zu gehen. Ihre Eltern haben viel dafür getan, um den beiden ein anderes Leben bieten zu können, als sie es selbst aus ihrer Jugend gekannt haben. Rose hat das ihnen immer gedankt. Ihr Bruder nicht unbedingt.
"Ja und mich erst. Jetzt muss ich keine Angst mehr haben, ihn irgendwann im Gefängnis besuchen zu müssen."
Es ist Rose strahlendem Lächeln anzusehen, wie tief aus dem Herzen diese Worte kommen. Allerdings schleicht sich in ihr Gesicht schnell Neugierde, als ihr Blick hinter mich gleitet und auch ohne hinzusehen, weiß ich, dass sie Row betrachtet.
"Bei dir scheint es auch gut zu laufen. Mir hast du nie einen Kuss auf den Scheitel gegeben."
Rose Tonfall ist neckend und bei dem Kommentar kann ich mir ein Lachen nicht verkneifen. "Du hättest mir dafür ja auch die Hölle heiß gemacht."
Grinsend wirft sich Rose die Haare hinter die Schulter. "Das stimmt. Aber das Mädchen sieht nett aus. Und ihr gefällt ja anscheinend deine Softi-Seite."
Mit einem Zwinkern knufft sie mir in den Arm. "Allerdings scheint es mir so, als wäre mir nicht als einzige die kleine Liebesbekundung aufgefallen."
Als Roses Blick dieses Mal hinter mich gleitet und ihre Stirn sich besorgt runzelt, veranlasst das auch mich dazu mich umzudrehen. Es braucht einen Moment, bis ich Row finde und das obwohl ich doch genau weiß, wo sie steht. Aber wenn Sean nicht mit zusammengezogenen Augenbrauen noch an Ort und Stelle gesessen hätte, wäre mir Row hinter dem Schwarm Mädchen, die sie umzingeln, gar nicht aufgefallen. Ein Fluch liegt mir auf den Lippen.
"Sorry Rose, aber ich glaube..."
Rose lässt mich noch nicht Mal aussprechen, da winkt sie schon ab.
"Zisch ab. Ich kann mich noch dran erinnern, wie es war, als es die Runde gemacht hat, dass zwischen uns was läuft. Dein Mädchen hat hoffentlich eine dicke Haut."
Das hoffe ich auch, als ich mir durch die Menschen hindurch einen Weg zurück bahne. Aber ich weiß, wie verletzlich Row im Bezug auf soziale Aufmerksamkeit ist. Sie hat sich gerade erst geöffnet, auch gegenüber meinen Freunden. Diese schnatternden Mädchen sollen das nicht mit einem Mal wieder kaputt machen.
Als ich bei der Gruppe ankomme hat sich eine steile Falte zwischen meinen Augenbrauen festgesetzt. Row steht leicht abgewandt zu mir, sodass ich ihr Gesicht nicht sehen kann. Aber Thea habe ich dafür bestens im Blick. Ich kenne sie nicht wirklich persönlich. Zumindest nicht weiter als über die Partys hinausgehend, auf die sie das Eishockeyteam immer begleitet. Sie ist mit einer der treusten Anhänger unseres Teams und das auf ganz verschiedene Weisen. Sie verdient die Bezeichnung Puck Bunny vielleicht wirklich.
Im Normalfall habe ich nichts gegen sie. Sie verbreitet gute Stimmung nach einem gewonnenem Spiel und ist nicht aufdringlich, außer man macht klar, dass man es will. Aber sie ist verdammt neugierig und steckt jetzt gerade ihre Nase in Dinge, die sie nichts angehen.
"Ich habe gehört, dass du die totale Überfliegerin bist. Einsen in jedem Fach. Echt beeindruckend. Aber dafür muss man doch bestimmt höllisch viel lernen, oder?"
Selbst von der Seite kann ich erkennen, dass das Lächeln nur aufgesetzt ist, mit dem Thea Row betrachtet und währenddessen ganz unschuldig eine Haarsträhne um ihren Finger dreht. Die Frage ist nicht unbedingt böse gemeint, aber mir kommt es etwas so vor, als würde Thea mit einem Stock im Bienennest herumstochern, auf der Suche nach den wunden Punkten.
"Ich weiß was ich will und dafür hänge ich mich rein. Aber danke."
Ich kenne diesen Tonfall, abgeklärt und auf eine distanzierte Art freundlich, und weiß schon bevor ich mich vorbeuge, um endlich einen Blick auf Row zu erhaschen, welchen Gesichtsausdruck ich sehen werde. Ein unechtes Lächeln, harte Augen und eine beherrschte Körperhaltung, die nur allzu deutlich macht, dass sie nur aus Höflichkeit nicht einfach weggeht.
Und es lässt mich erleichtert aufatmen.
Mir wird erst jetzt bewusst, dass ich Angst davor hatte, jemand könnte Row, absichtlich oder nicht, verletzt haben. Dass sie im falschen Moment ihre Schutzschilder heruntergefahren hat und alles Vertrauen, dass sie über die letzten Wochen gefasst hat, wieder verloren geht. Aber anscheinend hat sie alles im Griff. Trotzdem gehe ich dazwischen, bevor Thea erneut etwas sagen kann.
"Hier ist die Karte. Sorry das es so lange gedauert hat."
Mit einem freundlichen Lächeln, aber trotzdem eiserner Entschlossenheit, dränge ich mich zwischen den Mädels durch, bis ich wieder neben Row an der Bar stehe. Es ist nur eine kleine Geste, aber ich merke, wie sie ihre Hand nach meiner ausstreckt, bevor sie sie zur Faust ballt.
"Hey Gray. Herzlichen Glückwunsch zum Tor."
Theas Lächeln wird ein Stück breiter, aber ich nicke nur kurz. Auf Small Talk habe ich gerade keine Lust. Vor allem nicht mit ihr und nicht solange Row noch immer so steif neben mir steht.
"Also Bunny, jetzt hast du die Wahl, was soll ich dir ausgeben?"
In einer eindeutigen Geste wende ich mich Row zu und blocke damit die anderen Mädchen mit meinem Rücken ab. Das lässt Row, die zuvor mit hartem Blick die Gruppe vor sich betrachtet hat, überrascht zu mir schauen und es dauert nur einen Wimpernschlag, da werden ihre Augen wieder weicher und mir fällt ein Stein vom Herzen. Sie hat sich nicht einschüchtern lassen.
Als Row die Karte von mir entgegengenommen hat und sich darin vertieft, werfe ich einen kurzen Blick zu Sean, der mir mit einem Kopfnicken bedeutet, dass die Meute abgehauen ist. Mit einem lautlosen Seufzen ändere ich meine Position, um nicht mehr ganz so offensichtlich Row abzuschirmen. Das würde nur noch mehr ungewollte Aufmerksamkeit auf uns lenken.
"Mhm, ich glaube das hört sich ganz gut an."
Interessiert beuge ich mich vor, um zu sehen auf welches Getränk Row zeigt. Erdbeermargarita. Was meine Erfahrung angeht, schmeckt das jeder Frau.
"Zu Befehl."
Mit einem Lächeln zu Row mache ich den Barkeeper mit einer Hand auf uns aufmerksam, der mir daraufhin zu verstehen gibt, dass er noch kurz braucht.
"A...aber du musst das mir wirklich nicht bezahlen. Ich habe selbst Geld dabei und immerhin hast du schon den Cheesecake ausgegeben."
Schüchtern beißt sich Row auf die Lippe und bringt mich damit zum Schmunzeln. Ist sie wirklich das gleiche Mädchen, dass noch vor einer Minute ganz kühl mit Thea fertig geworden ist?
"Das ist keine Frage des 'Müssens', sondern des 'Wollens'. Aber das nächste Mal darfst du mich ruhig auch einladen. Auf Burger hätte ich ja mal wieder Lust."
An Rows Mundwinkeln zupft ein Grinsen.
"Ach und ich habe schon gedacht du wirst zum Gentleman. Da ist ja der arrogante Eishockeyspieler wieder."
Bevor ich auf Rows neckischen Kommentar eingehen kann, steht der Barkeeper vor mir und ich gebe ihm unsere Bestellung.
"Also Row, war das heute dein erstes Eishockeyspiel?"
Seans Tonfall ist freundlich, als er sich auf seinem Barhocker seitlich zu uns dreht.
"Ja, war ziemlich beeindruckend."
Row hält die Hände vor ihrem Körper zusammengefaltet, was mir verrät, dass sie noch immer nervös ist. Aber zumindest scheint sie nicht davon abgeneigt zu sein, sich mit Sean zu unterhalten.
"Das war ziemlicher Dussel. Kannst froh sein deinen Schläger noch rechtzeitig in die Hand bekommen zu haben, Gray."
Ich kratze mich am Kopf und muss Sean im Stillen zustimmen. Meine Reaktion war rein automatisch. Viel Berechnung oder Taktik stand hinter dem Treffer nicht.
"Tor ist Tor. Und damit mehr als du heute erreicht hast."
Ich grinse und Sean verdreht die Augen, geht auf meinen Kommentar aber nicht weiter ein, sondern wendet sich lieber wieder Row zu. "Bei wem hast du gesessen?"
Auf deren Gesicht schleicht sich ein breites Lächeln, als ihr Blick sofort zu Kayla schießt, die einige Meter entfernt bei einer Gruppe steht.
"Bei Kayla. Sie war so lieb und hat mich an die Hand genommen, damit ich in dem ganzen Tumult nicht verloren gehe."
Und als hätte sie gehört, dass wir über sie sprechen, dreht sich Kayla in diesem Moment suchend um und fängt an zu grinsen, als sie Row neben mir entdeckt. Diese bemerkt es zwar nicht, weil der Barkeeper gerade unsere Getränke bringt, aber ich kann über die Menge hinweg beobachten, wie Kayla sich sofort auf den Weg zu uns macht.
"Scheint so als hättest du auch direkt eine neue Freundin gewonnen."
Row, die gerade genüsslich an ihrem Strohhalm gezogen hat, schaut überrascht zu mir auf und folgt meinem Nicken, als ich Richtung Kayla deute, aber da hat sie uns auch schon erreicht.
"Da seid ihr ja! Ich habe euch vorhin schon vermisst."
Ohne zu zögern fällt Kayla Row um den Hals und bringt sie beide damit fast aus dem Gleichgewicht, hätte ich nicht gerade so noch rechtzeitig stützend eine Hand ausgestreckt. Sean und ich wechseln einen Blick. Scheint so als hätte die Freundin unseres Kapitäns auch schon den ein oder anderen Cocktail getrunken.
"Wo warst ihr denn? Naja eigentlich auch egal. Row du musst unbedingt mit mir tanzen!"
Und schon wird Row an der Hand weggezogen und kann mir nur noch über die Schulter einen letzten Blick zu werfen. Hätte ich in diesem irgendeinen Anflug von Panik entdeckt, hatte ich dem Ganzen sofort ein Ende bereitet. Aber es scheint mir eher eine Frage zu sein, also forme ich mit den Lippen nur ein "Viel Spaß" und lasse die beiden davon ziehen. Es freut mich zu sehen, dass die beiden sich zu verstehen scheinen und bei Kayla ist Row in guten, wenn auch betrunkenen, Händen.
"Sie ist süß."
Sean legt den Kopf in den Nacken und leert sein Glas.
"Und sie ist tabu."
"Schon klar, Gray."
Sean wirft mir ein wissendes Lächeln zu und dreht sich auf seinem Barhocker, sodass er sich mit den Armen auf den Tresen abstützen kann und in den Raum hineinschaut.
"Aber du weißt, das wird richtig viel Tratschpotenzial geben."
Mit einem Seufzen tue ich es ihm gleich und entdecke auf Anhieb mehrere Grüppchen, die immer wieder neugierige Blicke zu Row werfen. Sie ist ein neues Gesicht, das allein sofort schon für genug Aufmerksamkeit. Und den Leuten ist sicherlich auch nicht entgangen, dass ich ihre Hand gehalten habe, als wir hereingekommen sind.
"Ich weiß. Aber das ist es wert."
Sean stößt ein ironisches Schnauben aus.
"Oh, sie ist es bestimmt wert. Die Frage ist, ob du es wert bist, dass sie das über sich ergehen lassen muss."
Ich werfe meinem Kumpel, der belustigt die Mundwinkel gekräuselt hat, einen finsteren Blick zu.
"Danke dir. Schön zu wissen, dass du mich so wertschätzt."
Seans Lippen verziehen sich zu einem richtigen Lächeln und er schlägt mir auf den Arm.
"Verhau es einfach nicht. Dir scheint an dem Mädchen wirklich was zu liegen und sie scheint mir nicht unbedingt die Scheinwerfermaus zu sein, die sich an deinem Arm räkelt und die Aufmerksamkeit genießt."
Mit einem Schmunzeln schaue ich zu Row, die gerade von Kayla zu einem Shot genötigt wird und angewidert den Kopf schüttelt, nachdem wie das Glas geleert hat.
"Ich weiß. Das ist ja gerade das besondere an ihr."
Damit ist das Gespräch wohl beendet, denn Sean schenkt mir nur noch ein ernstes Nicken, bevor er von seinem Hocker rutscht und in die Menge verschwindet. Ich will ihm schon verwirrt hinterher schauen, als sich plötzlich von der Seite eine Hand auf meine Schulter legt und ich mich zu einem grinsenden Lee umdrehe.
"Haben meine Augen das richtig erfasst und du hast endlich alles unter Dach und Fach gebracht?"
Augenverdrehend streife ich seine Hand ab und verberge mein Grinsen hinter meinem Glas, als ich einen Schluck trinke. "Geht dich nichts an."
"Ach komm schon, Gray! Ihr verschwindet für fast eine Stunde und das nächste Mal wenn ich euch sehe spaziert ihr hier Hand in Hand herein. Das ist doch mehr als eindeutig!"
Ich ignoriere Lee einfach und beobachte weiter Row. Es liegt nicht daran, dass ich meinem Freund nicht erzählen will, was passiert ist, sondern viel mehr daran, dass ich gar nicht genau weiß, was ich erzählen soll.
Ja wir haben uns geküsst. Und für mich stehen die Dinge eigentlich ziemlich klar. Ich will mit Row nicht nur meinen Spaß haben. Ich will sie kennen lernen, jede einzelne Facette von ihr. Ich will einfach neben ihr in der Bibliothek sitzen oder Mal etwas mit ihr essen gehen. Ich will sie auf meinen Spielen dabei haben und ich will als einziger den Anspruch auf all diese Dinge haben. Aber ich habe mit ihr noch nicht genau darüber geredet, was das nun für uns bedeutet.
Und Sean hat Recht. Row ist die letzte, die sich im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit wiederfinden will. Also muss sowohl sie sich zunächst daran gewöhnen, mit einem Eishockeyspieler zusammen zu sein, wie auch meine Umgebung sich daran gewöhnen, dass es Row nun gibt. Wenn ich jetzt einfach mit allem herausplatze wird es dafür aber keine Zeit geben. Eishockeyspieler können ziemliche Tratschtanten sein.
Mit einem schiefen Grinsen schaue ich zu Lee auf.
"Ich weiß nicht, was du als eindeutig interpretierst. Wir waren nur Cheesecake essen. Und jetzt habe ich Lust zu tanzen."
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