Kapitel 15

Gray

Mir geht es scheiße.
Es gibt kaum eine Körperstelle an mir, die mir nicht weh tut. Stehen ist schmerzhaft, sitzen ist schmerzhaft, selbst liegen ist schmerzhaft. Und das alles habe ich diesem Mistkerl von McAdams aus dem gegnerischen Team zu verdanken, der es sich nicht zur Aufgabe gemacht hat, dem Puck hinterherzujagen, sondern alle anderen Spieler einfach davon abzuhalten dem Puck zu nahe zu kommen. Eis Hockey ist ein rauer Sport, keine Frage, aber so oft wie am Sonntag habe ich selten die Bande geküsst.

Aber dass ich eine einzige Prellung bin, ist keine Ausrede dafür am Montag die Kurse zu schwänzen, außer ich will vom Coach gleich auch noch vermöbelt werden. Also schleppe ich mich von Klasse zu Klasse und träume von den Kühlpacks zu Hause.

Das schlimme ist, dass trotz all den Qualen, die mein Team auf sich genommen hat, denn ich bin nicht der einzige, den es dieses Mal so übel erwischt hat, wir trotzdem nicht gewonnen haben. Und das macht die Schmerzen eigentlich so unerträglich.
Ich habe zwar schon befürchtet, dass das Spiel schwer wird, aber eigentlich hatte ich trotzdem daraufgesetzt, dass wir dieses Mal einen Sieg davontragen. Mit der zweiten Niederlage haben wir nun nämlich die möglichst schlechteste Ausgangssituation. Und das merkt man der Stimmung im Training am Abend auch an.

Ich halte mich zwar möglichst aus allem raus, weil ich schon genug damit beschäftigt bin nicht wie ein toter Schwan über das Eis zu gleiten, aber Rick und Elijah geraten heftig aneinander.
Dass wir etwas Frust rauslassen, ist ganz normal nach den letzten zwei Wochen, aber dass der Trainer zwischen die beiden gehen muss, geht gar nicht. Wir müssen ein Team sein, wenn wir die Saison noch umreißen wollen. Zumal vor allem die Frischlinge anfangen ein Gesicht zu ziehen, als hätte man ihnen die beste Mousse au Chocolate der Welt versprochen und sie müssten sich jetzt mit verbrannter Schokolade zufrieden geben. Sie haben sich von ihrem ersten Jahr mehr erwartet und diese Demotivation darf sich bei ihnen nicht festfahren, denn ein Team ist nur so gut wie das schwächste Mitglied.

Das einzige, was dazu beiträgt, dass meine Stimmung nicht total im Keller ist, als ich am Dienstagnachmittag die Bibliothek betrete, ist, dass Rows Einfluss zu wirken scheint. Mir ist es schon viel leichter gefallen, in meinen Kursen mitzukommen und das obwohl ich die Hälfte der Zeit damit beschäftigt bin, eine halbwegs erträgliche Sitzposition auf den unbequemen Holzstühlen der Vorlesungssäle zu finden.

Trotzdem kommt irgendwo aus meinen seelischen Tiefen ein Lächeln hoch, als ich Row erblicke, die, als ich durch die Tür trete, den Kopf hebt. Sie hat eine Latzhose an und trägt ihre Haare in zwei geflochtenen Zöpfen. Um ehrlich zu sein habe ich diese Kombination noch nie bei jemanden gesehen, der älter als fünf Jahre ist. Aber an Row sieht es verdammt niedlich aus.

Auch sie lächelt zögerlich und mich beschleicht die Hoffnung, dass in ein paar Wochen auch diese Unsicherheit noch verschwindet. Mir ist schon aufgefallen, dass unter ihrer sonst so kühlen Art ein weicher Kern steckt. Und dass es sie ziemlich verängstigt, diesen zu zeigen.

"Hey Bunny. Dein Kaffee."

Ich zwinkere ihr zu und stelle den Becher vor ihr ab. Dann umrunde ich die Theke und setze mich auf meinen neuen Stammplatz, während ich Row so unauffällig wie möglich beobachte. Denn ich habe ihr wieder die Gray-Spezial-Kreation mitgebracht. Das hatte ich eigentlich nicht geplant, aber während ich im Café gewartet habe, um meine Bestellung abzugeben, musste ich wieder an ihren Gesichtsausdruck denken, als sie letzte Woche den ersten Schluck davon genommen hat. Diese Begeisterung war so niedlich gewesen und ich brauche heute einfach irgendetwas erfreuliches, um den Tag zu überstehen.

Und tatsächlich, als Row den Becher greift und der Geruch mich eine Sekunde bevor sie trinkt verrät, stellt sich wieder dieses Glitzern in ihren Augen ein, während sich ihre Lippen zu einem richtigen Lächeln verziehen. Als sie dann noch einen entzückten Seufzer von sich gibt, bin ich so zufrieden mit mir, dass ich sogar für einen Moment das schmerzhafte Pochen an meinen Seiten vergessen kann.
Sich mit der Zunge über die Lippen fahrend, dreht sich Row zu mir um und grinst mich offen an. Und ich kann meinen Blick nicht von ihren Lippen wenden. Oh ja, wir machen Fortschritte, was ihre verschlossene Art angeht.

"Für was willst du dich denn damit entschuldigen?"

Sie hebt den Kaffeebecher leicht in die Höhe und ich reiße mich wieder zusammen.

"Sehe es einfach als vorbeugende Maßnahme an. Ich befürchte mit meiner Konzentration steht es heute nicht so gut."

Ich rutsche auf dem Stuhl hin und her, aber muss Mal wieder feststellen, dass es einfach keine angenehme Position gibt. Dadurch muss mein Grinsen etwas verzerrt ausgesehen haben, denn Row runzelt kurz die Stirn und lässt ihren Blick zu meiner Hand gleiten, mit der ich mir die Rippen halte.
Aber Verständnis glättet ihre Gesichtszüge schnell wieder. Doch anstatt dem mitleidigen Kommentar, denn ich sonst von den Mädchen bekomme, wendet sie sich nur ab und kramt in ihrer Tasche, was jetzt wiederum mich die Stirn runzeln lässt. Vor allem als auf einmal eine Papiertüte vor mir liegt und Rows Wangen sich mit leichter Röte überziehen.

Belustigt hebe ich einen Mundwinkel. "Was ist das?"

Ihre Verlegenheit überspielend zuckt Row mit den Schultern und spielt am Einband des Buches vor ihr herum.

"Ich habe von eurer Niederlage gehört und habe mir gedacht du brauchst vielleicht eine kleine Aufheiterung."

Mehr sagt sie nicht und das steigert nur noch mehr meine Neugierde. Also ziehe ich sie nicht weiter auf, sondern mache mich einfach daran die Tüte zu öffnen. Es ist eine Bäckertüte, so viel ist leicht zu erkennen. Trotzdem überrascht mich der Blaubeer-Cheesecake-Muffin, den ich daraus hervorzaubere.
Denn um ehrlich zu sein liebe ich alles, was mit Cheesecake verwandt ist und auch wenn ich mir selbst etwas zu essen gekauft habe, ist das hier der perfekte Nachtisch zu dem belegten Brötchen, dass ich auf dem Weg gegessen habe. Und es ist verdammt lieb von Row.

Freudig überrascht blicke ich auf, aber Row hat das Gesicht von mir abgewandt. Ich kann trotzdem erkennen, dass ihre Wangen glühen und das lässt mich noch breiter grinsen. Dieses Mädchen hat auf der einen Seite ein verdammt freches Mundwerk und errötet auf der anderen Seite trotzdem bei allem. Ich frage mich wirklich, was sie so sehr im Bezug auf soziale Interaktionen verunsichert hat.

"Oh Mann Bunny, ich könnte dich küssen. Das hat meinen Tag gerade von beschissen auf erträglich katapultiert."

Meine Worte lassen Row zunächst zusammenzucken und ich würde mein Trikot darauf verwerten, dass das an dem Wort 'küssen' liegt. Aber zumindest dreht sie sich mir wieder zu und fährt sich unbewusst mit dem Daumen über ihre Augenbraue. Oder viel mehr über das glitzernde Piercing darin. Die Geste kann man bei ihr oft beobachten und dass ich inzwischen weiß, dass sie das zur Beruhigung macht, lässt mich weiter grinsen.

Row nimmt noch einen tiefen Atemzug und an der Art wie sie dann die Augenbraue in die Höhe zieht, weiß ich, dass ich es jetzt wieder mit einem frechen Kommentar zu tun bekomme.

"Ich nehme das Mal als ein Danke. Und in dem Fall: Gern geschehen."

Es ist wirklich faszinierend sie dabei zu beobachten, wie sie immer wieder ihre Fassung verliert und dann innerhalb einer Sekunde sie wieder aufrichtet. Aber ich gehe nicht weiter auf ihre Worte ein, sondern breche nur den Muffin entzwei und halte ihr dann eine Hälfte hin.
Das scheint sie zu überraschen. So interpretiere ich zumindest ihren verständnislosen Gesichtsausdruck, während sie den Muffin anstarrt, als wäre es ein Alien.
Als sie das gut zehn Sekunden gemacht hat, schnaube ich belustigt und wackle mit dem Gebäck unter ihrer Nase.

"Na komm, Bunny. Meine Mutter hat mir Manieren beigebracht, also nimm endlich, damit ich essen kann."

Das scheint Row aus ihrer Starre zu lösen, denn sie schüttelt leicht den Kopf, bevor sie sich räuspert und meine Hand wegdrückt.

"Nein, das ist deiner. Ich habe was eigenes."

Ich beobachte sie, wie sie eine zweite Tüte aus ihrer Tasche zaubert und mit dieser dieses Mal vor meiner Nase herumwedelt. Allerdings achte ich eher auf das Lächeln, dass dabei ihre Lippen ziert.
Grinsend lehne ich mich zurück und unterdrücke ein Stöhnen, als mein misshandelter Körper aufschreit. Aber im Moment möchte ich mich nicht auf die Schmerzen konzentrieren, also schiebe ich es so weit wie möglich von mir weg.

"Ahh perfekt, umso mehr für mich. Und was hast du da Gutes?"

Auch Row öffnet die Tüte und zieht daraus ein Pappteller mit Kuchen darauf hervor. Und um genau zu sein ist es ein Lemon-Cheesecake, der mir das Wasser im Mund zusammenlaufen lässt. Ich habe den Verdacht vor mir ebenfalls einen Cheesecake-Liebhaber sitzen zu haben. Und zudem einen mit extrem guten Geschmack, denn es gibt nichts Göttlicheres als den Lemon-Cheesecake meiner Mutter.

"Das nächste Mal will ich den auch haben."

Meine Aussage lässt Row überrascht zu mir blicken und es braucht einen Moment, bis dieser Ausdruck sich in ein Lächeln verwandelt.

"Wer sagt denn, dass es ein nächstes Mal gibt?"

Ich grinse und nehme einen Bissen von meinem Muffin. Verdammt ist der gut.

"Ich."

Durch meinen vollen Mund klingt das Wort gedämpft, doch es bringt Rows Augen zum Funkeln.

"Wie war das nochmal mit den Manieren, die deine Mom dir beigebracht hat? Mit vollem Mund spricht man nicht."

Einen ihrer Zöpfe über die Schulter werfend greift Row nochmals in die Tüte und holt eine Plastikgabel hervor, um selbst einen Bissen von ihrem Kuchen zu nehmen.
Danach sitzen wir in einvernehmlichem Schweigen da und essen.
Als zwischendrin ein Student zu Row kommt und sie bei etwas um Hilfe fragt, packe ich mein Handy aus, um kurz drauf zu schauen. Es gibt einige Nachrichten im Gruppenchat meines Teams und ich muss ein Stöhnen unterdrücken. Bitte wurde nicht das Training verlängert. Wir sind heute eigentlich nur im Kraftraum, aber unser Trainer steht in letzter Zeit darauf uns zu quälen. Eigentlich weiß er aber auch wo die Grenzen sind und uns noch mehr abzuverlangen wird nur dafür sorgen, dass die Stimmung noch schlechter wird.

Aber als ich den Chat öffne, ist es tatsächlich auch gar nicht mein Trainer, der geschrieben hat. Stattdessen ist die Nachricht von Elijah.

Elijah: Teambuildingmaßnahme heute Abend um 21 Uhr im Irish Pub. Ich erwarte jeden dort!

Darunter haben die Jungs fleißig kommentiert. Abgefangen mit Lee und einem 'Aye aye Sir!' über Rick mit seiner ewig schlechten Laune und einem 'Seit wann darfst du mir vorschreiben, wie ich meine Abende verbringe? Mit euch stinkenden Affen muss ich mich schon viel zu oft abgeben'. Und zig Nachrichten darüber was für ein Muffel Rick ist. Aber ich weiß, dass er heute Abend auftauchen wird, genauso wie alle anderen auch. Denn wir sind ein Team, auch wenn es momentan nicht so gut auf dem Eis läuft. Und wer würde zu ein, zwei Bier schon nein sagen?

Mein Blick huscht zu Row, die neben mir versucht dem Kerl irgendwas zu erklären, was dieser aber anscheinend einfach nicht zu checken scheint.
Sie würde zu ein, zwei Bier nein sagen. Und das bringt mich auf eine Idee.

"Okay, das heißt ich kann das nicht hier machen?"

Mit einem Lächeln, das nichts weiter als eine Maskerade ist, nickt Row.

"Den Antrag musst du im Studienbüro stellen. Wir haben nichts mit der zentralen Lehrbuchverleihe zu tun. Das ist eine Förderung, die separat über das College läuft."

Als hätte Row Schuld daran, dass er nun wieder über den halben Campus hetzen muss, seufzt der Typ theatralisch und wirft ihr einen herablassenden Blick zu.

"Meine Güte, für was gibt es diesen Dreck eigentlich, wenn ich hier nicht Mal die Bücher bekomme, die ich brauche? Ist doch alles..."

Der Junge fängt meinen Blick auf und verstummt, bevor er noch mehr von sich geben kann. Auch besser so für ihn. Ich stehe nicht sonderlich darauf, wenn man Leute dumm anmacht, die nur ihren Job machen. Mit vor der Brust verschränkten Armen ziehe ich herausfordernd eine Augenbraue hoch.

"Ähh...." Sich nervös am Kopf kratzend tritt der Kerl einen Schritt zurück und macht eine abwinkende Geste in Richtung Row. "Auch egal. Noch einen schönen Tag."

Mit einem letzten Blick zu mir, dreht er sich um und verschwindet aus der Tür. Ich schnaube. Weichei.
Als ich meine Konzentration wieder auf Row richte, betrachtet diese mich mit hochgezogenen Augenbrauen.

"Wow, Gray. Ich wusste gar nicht, dass du so böse schauen kannst. Normalerweise sehe ich dich immer nur Grinsen."

Und als müsste ich ihre Worte bestätigen, ziehe ich wieder einen Mundwinkel in die Höhe und entspanne mich ein bisschen.

"Bunny, das ist deine Gegenwart. Du bringst mich einfach immer zum Lächeln."

Ich sehe die Unsicherheit in ihren Augen aufblitzen, bevor sie sie gekonnt mit einem schnaubenden Lachen überspielt. "Ja klar."

Die Art, wie sie sich einfach wieder ihrem Kuchen zuwendet, ohne auf meine Worte einzugehen, sehe ich als Herausforderung. Und bevor sie sich mit der Gabel ein Stück abmachen kann, habe ich ihr das Plastikding auch schon aus der Hand geklaut.

"He was...?!"

Ohne auf ihren Ausruf einzugehen, nehme ich mir selbst ein Stück von den Kuchen und schiebe ihn mir in den Mund. Lecker, aber nicht so gut wie der von meiner Mom.

"Unterstellst du mir etwa zu lügen, Bunny?"

„Ich unterstelle dir vor allem meinen Kuchen zu klauen!"

Belustigt grinse ich, während sich Row mit den Händen in die Hüfte gestützt vor mir aufbaut. Bei ihrer Größe und der Latzhose sieht das echt putzig aus. Vor allem, da sie trotz ihrem wütenden Gesichtsausdruck nervös das Gewicht verlagert.

„Du lenkst vom Thema ab. Ich kann es nicht auf mir sitzen lassen, dass du mir nicht glaubst. Jetzt musst du heute Abend auf jeden Fall mitkommen."

Ich halte die Gabel aus ihrer Reichweite, als sie versucht danach zu greifen und grinse sie schelmisch an. Das lässt sie die Augen zusammenkneifen und anscheinend ist sie zu sehr auf ihre Gabel fixiert gewesen, um meine Worte richtig mitzubekommen, denn ihre Reaktion erfolgt erst mit Verzögerung.

„Heute Abend? Von was sprichst du überhaupt?"

Defensiv verschränkt sie die Arme. Aber davon lasse ich mich nicht mehr abschrecken. Ich weiß inzwischen wer sich hinter diesem massiven Verteidigungswall versteckt.

„Die Jungs treffen sich heute Abend im Irish. Und da du nun mal meine Stimmungsaufhellerin bist, musst du mitkommen und etwas Sonnenschein unter uns betrübte Eishockeyspieler bringen."

Wie beiläufig spreche ich, während ich die Gabel zwischen meinen Fingern kreisen lasse. Aber ich bemerke trotzdem, wie Row alle Scharten dicht macht.

„Ich bin keine Happy Pill und auch nicht das Bespaßungsprogramm."

Ich erkenne Rows Stimme kaum, so kalt und distanziert klingt sie und ich weiß genau, dass jetzt Fingerspitzengefühl gefragt ist. Wenn ich jetzt etwas Falsches sage, könnte ich alles zu Nichte machen. Und das will ich nicht. Nicht etwa, weil ich dann keinen Platz mehr zum Lernen habe, sondern weil es mir nicht gefällt, wie zurückgezogen Row lebt. Das tut auf Dauer doch nicht gut.
Also lächle ich, ganz ehrlich, ohne Spott oder Schalk.

„Nein, du bist eine Freundin, mit der ich gerne Zeit verbringe. Und nachdem du meine Einladung zur Pizza neulich schon ausgeschlagen hast, würde es mich freuen, wenn du dieses Mal die Einladung annimmst."

Und damit habe ich sie. Das weiß ich ganz genau, als ich sehe, wie sich ihr Mund vor Erstaunen leicht öffnet und sie zurückwankt. Aber es verwundert mich zu gleich, wie verständnislos ihr Blick ist. Als könne sie mir einfach nicht glauben. Vielleicht haben wir Eishockeyspieler unter den weiblichen Studenten nicht den besten Ruf, aber das erklärt auf keinen Fall, wie misstrauisch mich Row mustert.

„Und was soll ich unter all den Jungs? Das ergibt doch gar keinen Sinn, Gray."

Sie wendet das Gesicht ab und ich muss mich davon abhalten, ihren Kopf wieder zu mir zu wenden. Mir gefällt es nicht, wie finster sie mit einem Mal dreinschaut.

„Du sollst einfach etwas Spaß haben. He, immerhin habe ich doch Karla versprochen, dich von deinen Büchern loszueisen."

Bei der Erwähnung von meinem Gespräch mit ihrer Chefin schnaubt Row nur ironisch und sieht kein bisschen überzeugter aus als zuvor. Also fahre ich andere Geschütze auf.

„Komm schon Bunny, dafür verspreche ich dir den Gray-Spezial-Kaffee jedes Mal mitzubringen. Bitte, bitte?"

Um ihre Aufmerksamkeit wieder auf mich zu lenken, zupfe ich an einem ihrer Zöpfe und tatsächlich fährt sie zu mir herum und schlägt meine Hand weg. Damit habe ich vielleicht noch gerechnet, was mich aber völlig unvorbereitet trifft, ist der Schmerz, der hinter ihrer Wut in ihren Augen steht.

„Ich bin kein Spielzeug, okay? Versuch mich nicht mit deinem Lächeln und einem Dackelblick zu etwas zu überreden, wenn du nicht wirklich etwas mit mir unternehmen willst. Keine Sorge, ich werde trotzdem weiterhin deine kleine Wärterin spielen und dafür sorgen, dass du dich auf deine Kurse konzentrierst. Dafür musst du mir kein Honig um das Maul schmieren."

Die Bitterkeit in ihrer Stimme lässt mich überrascht zurückfahren, aber ich fange mich schnell wieder. „Bunny..."

„Nicht Bunny. Row."

Damit lässt sich Row zurück in ihren Stuhl plumpsen und funkelt mich aus ihren Augen herausfordernd an. Aber das ist nur Tarnung, für all die Gefühle, die sich dahinter verstecken, so viel ist klar. Und das lässt Entschlossenheit in mir aufkommen. Ich stehe auf, nur um mich auf die Lehnen von Rows Stuhl zu stützen und mich so weit zu ihr hinunterzulehnen, bis unsere Gesichter auf Augenhöhe sind.

Row."

Ich sage ihren Namen mit Nachdruck und so nah bei ihr, spüre ich wie sie darunter leicht zusammenzuckt.

„Ich lade dich nicht ein, um dich irgendwie zu verarschen oder sonst was. So bin ich nicht oder habe ich dir bisher irgendeinen Grund gegeben, das von mir zu glauben?"

Ich mache eine kurze Pause, um ihr die Möglichkeit zu geben, etwas einzuwenden. Aber das tut sie nicht. Stattdessen wendet sie nur den Blick ab. Oder versucht es zumindest, aber ich lasse es nicht zu.

„Schau mich an. Ich will, dass du heute Abend mitkommst, weil es mir gefallen würde. Und ich weiß, dass du auch Spaß haben wirst. Also komm doch einfach mit und wenn ich falsch liege und irgendetwas passiert, dass mich als das Arschloch outet, von dem du anscheinend ausgehst, dass ich es bin, darfst du mir einen Tritt verpassen und musst mich nie wieder sehen."

Row lässt bei meinen ernst gemeinten Worten die verschränkten Arme fallen und ich kann erkennen, wie die Härte aus ihrem Blick verschwindet. Was zurückbleibt ist eine Verletzlichkeit, die mir kurz den Atem raubt. Mir ist zuvor noch nie aufgefallen, dass ihre braunen Augen um die Pupille von einem grünen Kranz durchzogen sind.

„Vertrau mir."

Ich kann aus der Art, wie sie die Lippen zusammenpresst und erneut den Blick schweifen lässt, erkennen, wie gerne sie das würde. Und wie viel Angst es ihr zugleich macht.

„Ich... Ich kann gar nicht. Ich habe kein Auto und abends fahren kaum noch Busse."

Sie windet sich unwohl auf dem Stuhl und ich verstehe das Signal und weiche einen Schritt zurück, um ihr wieder Platz zu geben.

„Kein Problem. Ich hole dich um viertel vor neun ab und bringe dich nach Hause, wann auch immer du willst. Hauptsache du kommst mit."

Row kneift die Augen zusammen, als könne sie selbst nicht glauben, was sie da im Inbegriff zu tun ist. Doch schlussendlich nickt sie zögerlich.

Gut gemacht Gray, das ist besser als Pizza essen ;)

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