2.Kapitel
Mit einem Ruck wache ich auf.
In der Zelle ist es dunkel und ich sehe die Hand vor Augen kaum. Nur unter der Tür fällt ein schmaler Lichtstrahl hindurch, wie von einem Notausgangsschild. Das kann es aber nicht gewesen sein, was mich geweckt hat. Leise setze ich mich hin und lausche.
Schritte auf dem Flur. Leise und noch in einiger Entfernung, aber deutlich zu hören. Obwohl ich keine Uhr bei mir habe, bin ich sicher, dass es sehr spät, wenn nicht sogar mitten in der Nacht sein muss.
Will jemand zu mir? Oder ist das nur ein Security Mitarbeiter, der seine Runde läuft?
Meine Güte, ich bin ja wirklich schön vollkommen paranoid, wenn ich immer denke, dass Leute hinter mir her sind. Natürlich wird auch Scotland Yard einen Nachtdienst haben, der ab und zu Mal eine Runde durchs Gebäude läuft. Ich sollte mich dringend wieder einkriegen. Kopfschüttelnd, weil ich wieder zu kompliziert gedacht habe, lege ich mich wieder hin und genau in dem Moment wird meine Tür aufgeschlossen.
Die Person im Rahmen ist großgewachsen und trägt einen Anzug. Mehr kann ich im Gegenlicht nicht erkennen. Vorsichtig setze ich mich hin. Licht flackert auf und blendet mich unangenehm. "Wer sind Sie?", frage ich sofort und komme auf die Beine. Im Bett liegen zu bleiben wäre sicherlich zu meinem Nachteil, sollte man mich angreifen.
"Mein Name ist Menzies", antwortet der Mann und streckt mir die Hand hin, "ich bin vom MI5."
MI5? Wieso denn das? Ich habe lediglich einen Einbruch in eine Villa verübt? Was hat der Britische Sicherheitsdienst damit zu schaffen?
Meine Verwunderung scheint man mir anzusehen, denn Mr Menzies lässt die Hand wieder sinken, ohne dass ich sie geschüttelt habe. "Ich würde mich gerne mit Ihnen unterhalten, Mr Styles", sagt er und nickt zum einzigen Stuhl im Raum. "Darf ich mich setzen?"
Ich nicke knapp und mustere den Mann. Er ist hochgewachsen und hat eine gewisse Eleganz, wenn er sich bewegt. Sicher verkehrt er in den höchsten Kreisen, vielleicht sogar der Regierung. Einen Grund mehr, sich zu fragen, was der bei mir will.
"Ihnen stehen viele Fragezeichen ins Gesicht geschrieben", sagt er lächelnd und wendet sich mir zu. "Ja, das ist auch nicht verwunderlich, nehme ich an."
"Keineswegs, nein."
"Was wollen Sie hier und wieso kommen Sie mitten in der Nacht?", will ich wissen. Menzies antwortet leise, aber mit Nachdruck: "Es gibt Dinge, die selbst Scotland Yard nicht weiß und nicht wissen sollte. Sind Sie bereit, mir einige Fragen zu beantworten?"
"Das kommt auf die Fragen an...", gebe ich vorsichtig zurück und setze mich nun ebenfalls wieder auf mein Bett, allerdings auf die vorderste Kante.
"Sie kennen Mr Forster?"
Okay, damit habe ich nicht gerechnet. Was will der denn über meinen ehemaligen Chef wissen?
Langsam lehne ich mich zurück und verschränke die Arme vor der Brust: "Ja, wieso interessiert Sie das?", frage ich herausfordernd und gebe mein Bestes, mir die Unsicherheit nicht anmerken zu lassen. Alles, was ich jetzt sage, könnte mich in ziemliche Probleme katapultieren. Lügen wäre jetzt aber auch keine gute Idee.
Sowas nennt man wohl, Zwickmühle.
Wenn ich nur wüsste, worauf er hinaus will. Menzies nickt langsam und zieht eine Akte aus seiner Tasche, die er aufschlägt und mit einem Blick darauf langsam sagt: "Sie haben eine Zeit lang für ihn gearbeitet."
"Ja, wenige Wochen."
"Und Ihnen ist sicherlich aufgefallen, dass dieser Mann keinen legalen Geschäften nachgeht. Wir haben den Verdacht, dass er im großen Stil Geldwäsche betreibt und mit Kunst handelt. Bisher konnten ihm aber keine schwerwiegenden Delikte nachgewiesen werden. Wir vermuten, dass er Kontakte in ganz Europa hat."
Oh. Ganz Europa?
Dann hat der alte Mann doch eine deutlich größere Reichweite, als ich bisher gedacht habe.
„Das wussten Sie nicht, oder?", fragt Menzies und sieht von seiner Akte auf. Ich schüttele den Kopf. „Nein, das war mir nicht bekannt." Der Mann vom MI5 sieht mich forschend an und sagt dann: „Sie wurden gestern Nachmittag in Venedig festgenommen, in Begleitung des jungen Mr Tomlinson. Soweit ich weiß, wirft man Ihnen vor, den Jungen entführt zu haben."
Das kann ich nicht auf mir sitzen lassen und protestiere sofort, denn immerhin hatte ich bisher nicht die Chance mich dazu überhaupt zu äußern, dann nutze ich es jetzt aus. „Nein, ich habe ihn nicht entführt! Er ist freiwillig mitgekommen, weil sein Onkel ihn behütet, wie seinen Augapfel. Fragen Sie ihn doch!" Menzies sieht mich vollkommen ausdruckslos an und sagt dann locker: „Sie müssen sich überhaupt nicht so aufregen, ich habe lediglich gesagt, was man Ihnen vorwirft. Ich habe nicht gesagt, dass ich ihnen das vorwerfe oder die Anschuldigung glaube."
Oh.
„Gut und was soll das heißen?", frage ich und wundere mich, wieso er mir das alles erzählt. Es ist mitten in der Nacht und ich bin müde, deswegen wüsste ich gerne, wieso der Mann hier in meiner Zelle sitzt und mich zu Forster befragt. „Das MI5 ist Forster schon lange auf den Fersen und versucht ihm die Geldwäsche nachzuweisen. Leider haben wir bisher keinen Erfolg gehabt und suchen nun neue Mittel und Wege, um dem Mann seine Machenschaften nachzuweisen." Ich ahne etwas, aber ich bin mir nicht ganz sicher, ob ich den Gedanken formen soll oder nicht. Womöglich wird er dann wahr. Also ziehe ich lediglich eine Augenbraue hoch, zucke allerdings sofort zusammen, denn diese Seite meines Gesichtes tut immer noch ziemlich weh. „Sie sollten damit dringend mal zu einem Arzt, das sollte behandelt werden", stellt Menzies fest.
„Ja, das werde ich machen, wenn ich morgen tagsüber mal Zeit dazu finde. Sie glauben ja gar nicht, was ich momentan für einen Stress habe", gebe ich sarkastisch zurück und betrachte wehmütig die Meerjungfrau, deren Bild durch die Widerhaken jetzt nicht mehr ganz so schön aussieht. Sie haben sich in ihren Fischschwanz gebohrt, was ironischerweise ganz gut passt. Es stört mich allerdings trotzdem. Immerhin war das Tattoo nicht billig und jetzt ist es verhunzt.
Menzies geht auf meinen Kommentar nicht ein und sagt stattdessen: „Sie können noch heute Nacht zu einem Arzt, wenn Sie mit mir kommen, Mr Styles."
„Wieso?
„Weil wir Sie brauchen. Das MI5 braucht jemanden, den es bei Forster einschleusen kann. Jemanden, der die Strukturen aufdeckt, uns Informationen zu den Hintermännern liefert und mit dessen Hilfe wir Forster endlich hochgehen lassen können. Jemanden, den Forster schon kennt. Oder zu kennen glaubt."
Was soll denn das jetzt? Bin ich da gerade in einen Spionage Thriller gerutscht?
„Gegen mich wird vermutlich eine Anklage wegen Einbruchs, Diebstahls und Entführung oder Freiheitsberaubung oder etwas dergleichen laufen. Wie soll ich da bitte für das MI5 arbeiten?", gebe ich zu bedenken, doch der Mann mir gegenüber schmunzelt nur und lehnt sich ganz entspannt zurück. Er scheint gewusst zu haben, dass ich das sage, denn seine Antwort wirkt, als hätte er sie sich schon vor Stunden zurecht gelegt. „Von diesen Vorwürfen werden Sie natürlich freigesprochen, oder zumindest nur auf Bewährung verurteilt. Das ist für uns keine große Sache. Es wir einen Prozess geben, doch dessen Ausgang ist schon jetzt beschlossene Sache. Sollten Sie einverstanden sein, für uns zu arbeiten. Hauptsächlich dient die Verhandlung Mr Tomlinsons Zufriedenheit und dem Bild in der Öffentlichkeit. Die Presse hat natürlich von dem Verschwinden des jungen Mr Tomlinson erfahren und will ein Ergebnis sehen. Das werden wir ihnen geben und die Sache ist erledigt."
Das wars? So einfach soll das gehen? Das glaube ich irgendwie nicht. Es kann nicht alles gewesen sein. Erwartungsvoll sehe ich Menzies an. „Mehr verrate ich Ihnen erst, wenn Sie sich entschieden haben."
Natürlich. Wäre ja auch zu schön gewesen.
„Bis wann muss ich mich entscheiden?", frage ich und er steht auf: „Ich muss das Gebäude in 20 Minuten verlassen. Entweder, Sie begleiten mich dann, oder eben nicht." Er nickt mir knapp zu, geht dann zur Tür und tritt hinaus auf den Flur. Sie fällt ins Schloss und ich starre sie eine ganze Weile an.
Undercover für das MI5 arbeiten und zur Belohnung straffrei davonkommen.
Nachdenklich sehe ich mich in der kargen Zelle um. Wenn ich ablehne, wird mir ein Prozess gemacht, der mit Sicherheit nicht gut für mich ausgeht und mich wieder in eine Zelle wie diese befördern könnte. Zwar wäre ich dort vor Forster sicher, aber sobald ich rauskomme, habe ich ihn wieder auf meinen Fersen. Ich bin sicher, dass kein Haftaufenthalt dieser Welt, den Mann davon abhalten wird, meine Schulden bei ihm einzufordern, egal, wie viele Jahre ich sitzen sollte.
Wenn ich mit dem Geheimdienst arbeiten würde und alles klappt, dann wäre ich sowohl meine Anklage, als auch Forster los.
Es ist zu verlockend. Ich kann es einfach nicht ablehnen.
„Mr Menzies?" Ich klopfe gegen die Tür. „Ich habe mich entschieden. Ich mach's!", sage ich laut und hoffe, dass es durch die Tür zu verstehen ist. Das Schloss wird geöffnet und der Mann reicht mir die Hand: „Willkommen beim MI5, Mr Styles. Kommen Sie mit."
.-.-.-.
Hm MI5 also. Was hättet ihr an Harrys Stelle gemacht? Ob diese Zusage eine gute Idee war? Und was haltet ihr von Mr Menzies? Ist er vertrauenswürdig?
Euere Rückmeldungen zum ersten Kapitel waren so toll, ich habe mich so sehr gefreut.
Liebe Grüße
Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top