14.Kapitel
Zwei Tage später stehe ich wieder auf meinem Posten im Laden, als die Tür aufgeht und Forsters Tochter Emilia hereinkommt.
„Titus, Opa wartet schon auf dich", sagt sie über die Schulter und hält die Tür auf. Sie trägt einen cremefarbenen Mantel und hübsche Schuhe und macht den Eindruck, als hätte sie noch einen wichtigen Termin. Schnell komme ich um den Tresen herum und nehme ihr die Tür ab. „Sieh, Mummy kann die Tür schon nicht mehr halten", sagt sie nach draußen und lächelt mich dankbar an. „Aber ich muss noch warten, bis die Taube weggeflogen ist", höre ich eine helle Kinderstimme von draußen und sehe den kleinen Jungen, der auf dem Bürgersteig steht und eine Taube anschaut, die es sich auf einer Laterne bequem gemacht hat. Ich pfeife einmal laut durch die Zähne und die Taube flattert davon.
Der Junge dreht sich zu mir um und ich nicke ihm zu: „Na komm, deine Mummy wartet schon." Der Knirps sieht mich böse an, weil ich die Taube verscheucht habe und erinnert mich ein bisschen daran, wie Louis mich angesehen hat, wenn ich etwas gemacht habe, das ihm nicht gepasst hat. Mit kurzen Schritten stapft er an mir vorbei in den Laden.
„Danke", sagt Emilia lächelnd zu mir und ich schließe die Ladentür wieder. „Er kann sich von Tieren einfach nicht losreißen." Naja, er ist ja auch noch ein Kind und wenn er hier in London aufgewachsen ist, dann hat er vielleicht auch eher selten die Möglichkeit Tiere zu sehen.
„Ich hole dann mal Ihren Vater", sage ich und gehe hinter den Tresen. Emilia und der Kleine warten im Verkaufsraum. „Mr Forster, Ihre Tochter ist da", sage ich und klopfe an die Tür seines Büros. „Habe ich dir nicht klar gemacht, dass der Laden nie unbeaufsichtig sein darf?", blafft mich Forster an, als er aus seinem Büro kommt. „Ja, Sir, ich dachte allerdings, weil es ja Ihre Tochter...", fange ich an, unterbreche mich dann aber schnell selbst. Ich habe nicht zu denken, sondern auszuführen. Deswegen verziehe ich mich schnell wieder auf meinen Posten und sehe dabei zu, wie Forster vom Geschäftsmann zum liebenden Opa wird. Sein Enkel wirft sich in seine Arme und quietscht vor Freude, als er ihn durch die Luft wirbelt.
Wie lieb er mit dem Kind umgeht.
„Ich bin jetzt eine Woche nicht da", sagt Emilia und Forster nickt. „Er wird's gut bei mir haben, das weißt du doch, mein Schatz", versichert er ihr und sie lächelt: „Das weiß ich doch, Papa." Mr Forster verschwindet mit seinem Enkel wieder im Hinterzimmer und sie winkt ihnen lächelnd nach. Der Kleine scheint sich wirklich total auf die Zeit bei seinem Großvater zu freuen, denn es ist kein Abschiedsschmerz zu sehen. „Toll, dass er so einfach mit ihm mitgeht", sage ich leise und sie nickt: „Ja, das stimmt, da haben es andere Mütter schwerer, als ich. Aber Titus war schon immer sehr viel bei seinem Großvater, damit ich meiner Arbeit nachgehen kann. Er ist daran gewöhnt und liebt die Zeit bei ihm sehr."
„Gibt es denn keinen Vater zu ihm, der ab und zu auch mal aufpassen könnte?", frage ich leise, denn ich kann mir vorstellen, dass das ihren Alltag sicherlich auch etwas entzerren würde, wenn sie das Kind nicht ständig durch die ganze Stadt fahren müsste, um ihn abzugeben. „Doch, den gibt es. Aber er will von seinem Kind nichts wissen...er ist noch sehr jung, erst 25 und ich glaube, es hat ihn verwirrt, als ich sagte, dass ich schwanger bin." Ihr Blick wandert aus dem Fenster, sie wirkt kurz in Gedanken und sagt leise: „Manchmal ist man eben noch nicht bereit für ein Kind. Ich konnte ihn verstehen und habe ihm deswegen keine Vorschriften gemacht. Ich weiß ja, dass ich mich da voll und ganz auf meinen Vater verlassen kann." Sie lächelt matt, ihr Blick huscht dann nochmal kurz zum Perlenvorhang, hinter dem man den Kleinen lachen hören kann, dann verabschiedet sie sich von mir und geht.
Sie ist wirklich nett und ich kann nicht anders, als sie zu mögen. Irgendwie bin ich sicher, dass sie nichts von den Machenschaften ihres Vaters weiß und im Grunde einfach nur eine alleinerziehende Mutter ist.
Emilia ist keine zehn Minuten weg, als ein dunkelhaariger Kerl hereinkommt. „Hallo, wer bist du denn?", fragt er mich ganz direkt und hält mir die Hand hin. „Oh, ich bin Harry, ich arbeite hier", sage ich freundlich und schüttele ihm die Hand. „Ich bin Benny, freut mich sehr, dich kennenzulernen, Harry. Seit wann arbeitest du denn hier? Ich habe dich noch nie gesehen", erkundigt er sich und ich bin überrascht, dass er der erste ist, der mir hier recht freundlich entgegen kommt. „Och, ich bin noch nicht so lange...", fange ich an und will ihn gerade ein wenig aufklären, als Cornel auftaucht und mir ins Wort fällt: „...und weil er noch nicht lange hier ist, wird sich der Gute erst mal beweisen müssen. Also sei lieber nicht allzu nett zu ihm und erzähle ihm bloß keine Details. Bisher hat er sich noch nicht als besonders vertrauenswürdig erwiesen."
So gut ich kann, werfe ich Cornel einen bösen Blick zu und Benny nickt verstehend. „Achso, na das kann ich verstehen, dass er dann noch nicht so viel wissen darf", sagt er, mehr zu sich selbst und schiebt die Hände in die Hosentaschen.
Nicht so viel wissen, weil ich mich noch nicht beweisen konnte. Wie soll das denn bitte gehen, wenn man mir hier keine Chance gibt? Am Liebsten hätte ich das laut in mich hinein gegrummelt, doch ich lasse es bleiben.
Wie kann ich mich beweisen? Wie kann Foster erfahren, dass ich ihm loyal gegenüber bin?
Aus dem Büro höre ich das Kind laut lachen und mir kommt ein dunkler, aber sehr hilfreicher Gedanke.
Bevor ich diesen allerdings irgendwie wirklich zu Ende denken kann, kommt Fabio um die Ecke, geht auf die Eingangstür zu und schließt ab. Er dreht das „Geschlossen" Schild um und nickt mir zu: „Komm, wir haben eine Besprechung."
Eine Besprechung und ich darf dabei sein?
Verwundert folge ich ihm durch den Perlenvorhang und sehe gerade noch, wie der kleine Junge mit seinem Opa durch eine Hintertür verschwindet. Wie es aussieht, ist Forster bei der Besprechung wohl nicht dabei, was ich schade finde, denn ich wüsste gerne mal, wie er so arbeitet.
Im Hinterzimmer steht ein großer Tisch, auf dem ich vor kurzem noch die Bilder zusammen mit Fabio eingepackt habe. Jetzt stehen einige Stühle um den Tisch herum und wir setzen uns. Einzig Benny bleibt stehen und baut einen FlipChart auf, sodass wir alle gut sehen können. Er räuspert sich und Ruhe kehrt ein, sogar Cornel hält die Klappe.
„Wir haben einen neuen Auftrag bekommen", fängt Benny an, schreibt das Wort „Auftrag" in Großbuchstaben oben auf das Papier und heftet das Bild einer Chinesischen Vase daneben. „Unser Kunde will diese ganz bestimmte Vase und wir vermuten sie in der Villa des Managers Grimshaw." Er macht eine bedeutungsschwere Pause und lässt uns die Möglichkeit, ihm nickend zu verstehen zu geben, dass wir verstanden haben. „Grimshaw, ist das nicht der Typ, dem BBC Radio gehört?", fragt Kaye und verzieht fragend das Gesicht. „Ja und sein Sohn moderiert eine Morningshow im Radio", sage ich und Kaye sieht mich an, als hätte ich ihm gerade eine furchtbar wichtige Information gegeben. „Ja und sein Sohn ist eine Schwuchtel, genau wie du." Cornel sieht mich mit verschränkten Armen herausfordernd an, doch ich werde mich darauf jetzt nicht einlassen. Je mehr ich mich verteidige, desto mehr wird er darauf herumreiten. Diese Genugtuung werde ich ihm nicht geben, weshalb ich ihn nur kurz ansehe und dann wieder nach vorn schaue – nur um zu sehen, dass mich einige Männer irritiert anstarren.
„Beruhigt euch, ich bin nicht schwul, ich werde euch nicht anspringen", sagte ich beschwichtigend und es macht sich Erleichterung auf den Gesichtern breit. Wie es aussieht glaubt man mir und das erfüllt mich mit einer gewissen Zufriedenheit und am liebsten würde ich Cornel verächtlich ansehen.
Doch ich lasse es, denn ich habe keine Lust, den kürzeren zu ziehen.
„Diese Vase ist wohl im Besitz von Mr Grimshaw. Er hat sie vor einem Jahr bei einer Auktion erworben und unser Kunde konnte nicht mithalten. Deswegen möchte er sie nun auf anderem Wege in seinen Besitz bringen. Es ist also unsere Aufgabe, ihm diesen Wunsch zu erfüllen. Wer erklärt sich dazu bereit, die Observation zu übernehmen?" Gleichzeitig mit einem jungen, schmalen Kerl, hebe ich die Hand. „Lucas und Harry, wieso nicht", sagt Benny und schreibt unsere Namen auf. „Wir müssen wissen, wann das Haus leer steht, ob es Alarmanlagen, Hunde, Security oder Ähnliches gibt. Findet das heraus und gebt die Informationen an Cornel weiter. Außerdem muss Munro im Büro wissen, was es für eine Alarmanlage ist, damit er sie gegebenenfalls ausschalten kann."
Munro? Wer war das nochmal?
„Munro sitzt am PC und hackt sich immer in die Sicherheitssysteme", flüstert mir Lucas schnell zu und ich nicke dankbar. „Den Einbruch planen, wir dann, sobald wir wissen welche Grundlagen wir haben. Aber spätestens in einer Woche will der Kunde wissen, ob wir erfolgreich waren. Es stehen 60.000 Pfund auf der Rechnung, also strengt euch an, dass der Deal zustande kommt."
60.000 Pfund für eine Vase. Wahnsinn, was manche Leute bereit sind zu bezahlen, wenn sie etwas unbedingt haben wollen und ich habe das Gefühl, dass das noch ein kleiner Betrag ist. „Was sitzt ihr denn noch hier herum? Macht euch auf den Weg zur Villa und fangt an, auszuspähen", fordert uns Cornel auf. „Aber es ist schon Nachmittag", wage ich zu bemerken.
Sollten wir nicht am nächsten Tag anfangen?
„Wen schert das? Mich nicht und die anderen auch nicht. Entweder machst du mit, oder du kannst gehen..." Cornels Hand liegt locker auf der Pistole, die er am Gürtel trägt und ich schlucke. Na gut, dann wird das heute eben ein langer Tag.
.-.-.-.
So jetzt kennen wir auch Forsters Enkel.
Und Harry hat einen ersten Auftrag innerhalb der Gruppe. juhuuu:)
Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top