1.Kapitel
Wenn ich mir meine eigene Geschichte erzählen würde, ich würde mir selbst nicht glauben. Es ist einfach alles viel zu absurd.
Ich bin in eine Villa eingestiegen, habe Bilder und den Neffen des Hausbesitzers mitgenommen und bin mit dem Jungen nach Berlin, Basel und Venedig geflüchtet und wurde auf dem Markusplatz in aller Öffentlichkeit von der Polizei mit Tasern niedergestreckt.
Vollkommen unglaublich, die Story, aber leider wahr, was mir das laute Wummern meines Herzens und das Pochen der Verletzungen meines Körpers überaus deutlich zu verstehen gibt.
Louis Rufe schallen mir noch in den Ohren, obwohl das Flugzeug laut genug sein sollte um das zu übertönen. Aber meine Erinnerung ist laut. Viel zu laut.
Die Handschellen haben mir die Haut wund gerieben und jede Bewegung damit tut weh. Ich könnte den Polizisten fragen, ob er sie abnimmt, aber ich denke nicht dass er das tun würde. Immerhin besteht ja Fluchtgefahr.
Als ob ich aus einem gerade startenden Flieger flüchten könnte!
Vorsichtig rutsche ich ein wenig hin und her um es mir wenigstens ein kleines bisschen bequemer zu machen, da huschen die Augen des Polizisten neben mir schon achtsam in meine Richtung. "Stillhalten", fährt er mich an und ich werfe ihm einen beleidigten Blick zu.
Vollidiot.
Kann man nicht verstehen, dass ich äußerst schlecht gelaunt und unruhig bin? Immerhin fliege ich geradewegs zurück nach England, wo nur eine Anklage und das Gefängnis auf mich wartet. Obwohl Louis sicherlich beteuern wird, dass ich ihn nicht entführt habe, bin ich mir sicher, dass sein Onkel alles daran setzen wird, um mich in den Knast zu kriegen. Immerhin habe ich seinem Neffen gezeigt, was Leben heißt und er wird in Zukunft sicherlich keinen Louis mehr Zuhause haben, der alles ungefragt einfach so hin nimmt. Nein, Louis hat vom Leben gekostet und wird es nicht hergeben wollen. Sein Onkel wird einige Probleme mit ihm bekommen da bin ich sicher. Zumindest hoffe ich, dass er so schnell nicht wieder einknickt und seinem Onkel Kontra gibt.
Das hat er auch verdient. Zwar habe ich den Mann nur kurz gesehen, bevor die Polizisten sich alle auf mich geworfen haben, und er war mir gar nicht mal so unsympathisch – trotzdem hat er Louis eingesperrt und das werde ich ihm nicht verzeihen.
Umso schlimmer finde ich es, dass Louis wieder bei ihm ist. Zwar weiß ich nicht sicher, ob meine Vermutung stimmt, allerdings glaube ich dass Louis nicht über sein eigenes Geld verfügen kann. Und ich glaube kaum, dass sein Onkel ihm eine eigene Wohnung finanzieren oder erlauben wird. Gerade, weil ich ihn mitgenommen habe, ist er ja nun in seiner Angst um Louis bestätigt worden. Hoffentlich wird jetzt nicht alles schlimmer.
Allerdings sollte ich mir gerade mehr Sorgen um mich, als um Louis machen. Der Gedanke und die Angst, was in Großbritannien alles auf mich zukommen wird, macht mich innerlich so unruhig, dass mein Herzschlag sich verdreifacht. Mir wird heiß und meine Handflächen sind feucht.
"Dürfte ich etwas zu trinken bekommen?", frage ich den Polizisten neben mir, der mich forschend ansieht, dann in meiner Frage jedoch nichts Verdächtiges feststellen kann und nickt. Eine Stewardess bringt mir Wasser in einem kleinen Becher und ich leere ihn in einem Zug. "Mehr gibt's nicht, sonst muss ich dich auf die Toilette lassen", teilt man mir grimmig mit und ich kneife die Lippen zusammen.
Na toll, kein Wasser und hier drin ist es richtig warm.
Nachdem ich dem Mann neben mir einen genau so bösen Blick zugeworfen habe, wie er mir, wende ich mich ab und blicke aus dem Fenster. Das geht nur mit einem Auge, denn das andere ist noch immer zugeschwollen. Die Haut an meinen Händen ist wund und auch in meinem Gesicht tun die Brandblasen weh. Man hat mir gestern in der U-Haft lediglich die Stellen etwas gekühlt, aber versorgt wurde ich nicht. Zumindest nicht sonderlich gut. Lediglich ein Pflaster habe ich bekommen.
Bei meinem letzten Flug saß Louis neben mir. Jetzt sitzt er in einem Privatjet und wird nach Hause geflogen, hat Platz ohne Ende und ich sitze hier, eingepfercht und mit Handschellen.
Allerdings glaube ich kaum, dass Louis freier ist, als ich im Moment. Seine Handschellen sieht man nur nicht, was nicht bedeutet, dass sie nicht da sind.
Die Wunde an meinem Hals, wo ich bei der Festnahme ziemlich grob angefasst und gekratzt wurde, brennt und ich hebe beide Hände, um vorsichtig auf das Pflaster zu klopfen. Vielleicht lässt das Prickeln ja dann nach. Es tut immer noch weh. Vom Sturz auf den Asphalt habe ich außerdem offene Stellen an den Händen und einen geschwollenen Wangenknochen. Ich bin ganz schön lädiert. Der Polizist zuckt zusammen, als ich mich bewege, entspannt sich dann aber schnell wieder.
Das würde ich auch gerne tun, aber ich bin viel zu unruhig dazu, was nicht verwunderlich ist. Immerhin fliege ich ins Ungewisse.
Nach zwei Stunden Flug landen wir in London und obwohl wir mittlerweile Frühsommer haben, regnet es. Ein feiner Sprühnebel hüllt die Landebahn ein und ich sehe alles verschwommen, als die Wassertropfen gegen die Scheibe klatschen.
Jetzt bin ich wieder auf britischem Boden.
Verdammt.
Bis alle Passagiere ausgestiegen sind, dauert es und ich muss warten, bis der Flieger leer ist, bevor wir uns erheben dürfen. Umständlich stehe ich auf, was mit gefesselten Händen nicht so leicht ist und wanke den Mittelgang entlang, die Hand des Beamten liegt die ganze Zeit auf meiner Schulter. Es ist unglaublich lästig.
Auf dem Rollfeld steht bereits ein Polizeiwagen und unter den Augen der gaffenden Passagiere, die noch dabei sind, in den Shuttlebus zu steigen, werde ich wie ein Schwerverbrecher ins Auto gesetzt. Ganz ehrlich das ist doch alles vollkommen übertrieben. Hätte ich nicht einfach den normalen Weg gehen können? Nein, man muss mich noch auf dem Rollfeld gut sichtbar abführen.
So gedemütigt habe ich mich schon lange nicht mehr gefühlt.
Zum Glück sind die Scheiben verdunkelt, so sehen mich die anderen Menschen immerhin nicht mehr, sobald die Türen geschlossen sind. Die Polizisten sagen kein Wort, während sie über das Gelände fahren und das Gelände dann durch ein Schiebetor verlassen. Noch immer prasselt der Regen herunter und wird langsam heftiger. Im Auto ist es richtig laut und ich lehne mich mit geschlossenen Augen in meinem Sitz zurück.
Louis müsste jetzt sicherlich auch schon angekommen sein. Ob ich ihn je wiedersehen werde? Mein Handy hat man mir abgenommen, ich kann also keinen Kontakt zu ihm aufnehmen. Dabei würde ich es gerne. Er hat keine Ahnung, wie es mir geht, immerhin hat er nur gesehen, wie man mich weggeschleppt hat, nachdem ich mich nicht mehr bewegen konnte.
Ob er sich Sorgen macht? Ich stelle mir vor, wie er seinen Onkel bekniet, zu erfahren, was mit mir ist. Vielleicht weint er sogar.
Vielleicht ist es ihm aber auch egal.
Nein, wieso sollte es das. Er hat mich gerne, das spüre ich. Und ich habe ihn auch gerne.
Endlich kann ich es zugeben, es mir eingestehen. Das war mir bisher nicht zu 100% klar, aber als ich gesehen habe, wie aufgelöst Louis war, wie er unter Tränen meinen Namen gerufen hat und versuchte, sich aus dem Griff der Polizisten zu befreien, da habe ich bemerkt, wie wichtig er mir ist.
Ich hab mich verliebt. Und jetzt weiß ich auch, dass ich mir das nicht eingebildet habe. Das, was ich nicht wollte. Stockholm Syndrom mal anders. Der Entführer verliebt sich in das Opfer. Oh man, dass mir das passiert.
Seufzend lehne ich das Gesicht gegen die Scheibe und starre nach draußen.
Mittlerweile sind wir auf der Schnellstraße nach London und es wird Abend. Die Lichter der anderen Autos werden durch die Regentropfen verzerrt und ich kann nur an Louis denken.
Wir kommen gut durch und das Auto wird erst langsamer, als wir die Londoner Stadtgrenze passieren.
Ich liebe London. Diese Stadt ist unglaublich, aber heute fühle ich nichts, als die Häuser in Sicht kommen und ab und zu eine Telefonzelle oder U-Bahn Station auftaucht. In mir ist heute kein Platz für die Freude über das Heimkommen.
Der Wagen fährt die Whitehall entlang und biegt dann links ab. Das Gebäude kenne ich, hier befindet sich der Hauptsitz von Scotland Yard.
Scotland Yard. Mist, ich dachte es sei die normale Polizei, die in meinem Fall bearbeitet, aber ich habe kurzzeitig vergessen, dass Louis Onkel ja mit drin hängt und der wird sich nicht mit der normalen Polizei zufrieden geben.
Weil die Beamten schon Feierabend haben, wird mein Fall heute nicht mehr behandelt. Stattdessen werde ich abgeliefert, wie eine Postsendung und ein Polizist bringt mich in einen Nebentrakt. Hier ist es ruhig und die Lampen sind grell. Meinen Kopfschmerzen tut das nicht gut, im Gegenteil.
"Sie werden heute hier schlafen und morgen nimmt sich Ihnen ein Kollege an", teilt mir der Mann mit und ich nicke knapp. "Hat man die Verletzungen schon behandelt?", fragt er und nickt zu meinen Prellungen und dem Pflaster hin.
"Nur notdürftig."
"Gut, das reicht ja bis morgen", sagt er, schließt eine Zelle auf und löst dann die Handschellen. Mit schmerzenden Schultern lasse ich die Arme wieder sinken und gehe brav in die Zelle.
Sofort erfüllt mich Unbehagen. Das Wissen, dass sich diese Tür gleich schließen wird, macht mir Angst. Hier ist kein Fenster und auch in der Tür nur eine kleine Klappe. Ich werde komplett im Dunkeln sitzen.
Die Tür fällt zu und ein Schlüssel rasselt im Schloss. Das Licht geht aus und ich stehe da.
Wo ist was? Ich kenne doch diesen Raum noch gar nicht, wie soll ich mich denn jetzt orientieren? Vorsichtig taste ich mich durch die Zelle, bis ich das Bett finde, indem ich mir daran das Knie stoße, das mir jetzt auch noch weh tut.
Obwohl noch lange nicht Zeit zum Schlafen ist, lege ich mich hin. Was soll ich auch anderes machen?
Einige Momente liege ich da und lausche meinem Atem, dann passiert das, was im Dunkeln oft passiert. Die Gedanken kriechen daraus hervor. Wie gerne würde ich das Licht einschalten und sie verjagen aber ich kann nicht. Ich bin ihnen vollkommen ausgeliefert.
Kleine, wispernde Stimmen flüstern mir zu, dass man mir eine Entführung anhängen wird. Mr Tomlinson wird alles daran setzen um mich platt zu machen. Sicherlich hat er nur die besten Anwälte. Ich bin vollkommen hilflos.
Wie soll ich mich wehren?
.-.-.-.
Willkommen zu Teil 2.
Schön, dass ihr hergefunden habt und gleich miterlebt, wie Harry dorthin kommt, wo er hingehört (zumindest in Mr Tomlinsons Augen ist das Gefängnis mit Sicherheit der beste Platz für ihn)
Ich finde ja, er sollte dringend freigelassen werden und zu Louis dürfen. Was meint ihr?
Hat euch der Einstieg gefallen?
Liebe Grüße
PS: Wer möchte, darf mir auch gerne bei Instagram folgen. ♥️Da heiße ich l.c.pfeifer und ihr findet Infos zu den Updates und geplanten Werken.
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