Shortbread. 06.12.

Dass er sich zu derartigen Handlangertätigkeiten niederließ empfand er als ein Wunder. Nie hätte er für einen Kollegen, mit dem er nicht befreundet war, einen Kaffee oder dergleichen besorgt. Schnell, er hatte Angst sie würde die Muggel allein aufsuchen, ging er zur Gemeinschaftsküche des Stockwerks und kochte frischen Kaffee. Der andere wäre zwar heiß, aber mehrere Stunden alt gewesen und das wäre ja wohl der Gipfel des Ekels gewesen, hätte er den getrunken. Er wartete neben der Apparatur an die Wand gelehnt, während ebenjene vor sich hin blubberte. Die Art auf die Zauberer Kaffee herstellten sah unnötig kompliziert aus, weshalb er immer wieder seine eigene Kaffeemaschine zu schätzen wusste. Interessiert öffnete er schließlich die verschiedenen Türen und fand eine Packung Shortbread, die einer ‚Sophie' gehörten, wenn er dem Zettel darauf Glauben schenken wollte. Er schrieb ‚Sorry, Notfall' auf die Rückseite und legte ihn an die Stelle, an der die Schachtel gestanden hatte.

Wenige Minuten später kehrte er zu Granger zurück, die wieder in ihre Ausgangsposition auf dem Sofa zurückgekehrt war.

„Hier, Kaffee und Shortbread.", unmotiviert warf er die Schachtel neben ihr auf den niedrigen Tisch, dann platzierte er die Tasse, die er mit einem Schwebezauber transportiert hatte, vor ihr.

„Malfoy, ich bin nicht betrunken, ich hatte nur zwei Gläser Wein.", murrte sie unzufrieden, nahm den Kaffee aber dennoch in ihre kalten Hände.

„Und du verträgst offensichtlich gar nichts, also trink und iss.", forderte er sie auf, setzte sich seinerseits auf einen ihrer Stühle und blätterte in der Fallakte, die er mitgebracht hatte. „Weißt du, das mit Goyle Senior hätten wir verhindern können."

„Naja, der Fall ist nicht weiter tragisch, deshalb...-"

„Nein, wirklich. Gregory ist bei mir gewesen und hat mich darum gebeten auf ihn zu achten.", beharrte er und sah sie an. Sie erwiderte den Blick neutral.

„Hast du ihm versprochen es würde nichts passieren, oder was?"

„Ich hab gar nichts verspochen!", empörte er sich über ihre Unterstellung. Sie rollte mit ihren Augen.

„Was hast du ihm gesagt?"

„Dass ich ein Auge auf ihn werfe. Er hat es wohl nicht leicht momentan.", entgegnete er. Ihr Gesichtsausdruck wurde, wenn es denn ging, noch unbeteiligter.

„Tut mir leid, wenn sich mein Mitleid mit ihm in Grenzen hält. Wir alle haben es nicht leicht.", sprach sie monoton. Sie trank etwas von ihrem Kaffee.

„Er versucht da raus zu kommen, Granger.", aus irgendeinem Grund wollte er sich für Goyle rechtfertigen, auch wenn er annahm, dass es ihn nicht in einem guten Licht erscheinen ließ.

„Ach wirklich? Na, wird auch Zeit.", ihr spöttischer Unterton entging ihm nicht.

„Granger, es ist schwer, da raus zu kommen. Wenn du dich mit den falschen Leuten einlässt, entkommst du nur durch deinen Tod.", er hoffte sie damit zur Besinnung zu bringen, aber sie zuckte lediglich ihre Achseln.

„Selbst schuld, wenn man sich auf diese Menschen einlässt."

Draco atmete tief durch und versuchte diese Bemerkungen nicht an sich ranzulassen. Immerhin war er auch Teil der Loge gewesen. Im Gegensatz zu Goyle hatte er aber den Absprung geschafft.

„Weil seine Frau es nicht mehr ertrug hat sie ihn verlassen, das macht es für ihn noch schlimmer. Verstehst du, ich möchte nur, dass du dich in ihn hineinversetzt. Er hat es über mehrere Jahre versucht und es nicht geschafft, weil sie ihn nicht gelassen haben und jetzt ist die letzte Person verschwunden, die ihn unterstützt hat. Abgesehen von Gregory natürlich."

„Ich kann das schon nachvollziehen. Es ist nicht einfach. Aber er muss mit den Konsequenzen seiner Handlungen leben. Nur weil du weißt, dass du eine scheiß-Person bist, macht dich das nicht zu einer Person, die weniger scheiße ist.", erklärte sie ruhig. Ohne etwas zu sagen stimmte er ihr innerlich zu. Dennoch konnte es Goyle Senior nur helfen, wenn er Abstand zu schwarzen Magiern hielt und straffrei blieb. „Bist du eigentlich verheiratet?", fragte sie und biss in das Gebäck, dass sie vorher ein paar Sekunden in den Kaffee getunkt hatte.

„Wieso interessiert dich das?", diese Frage irritierte ihn. Nicht nur, weil sie gerade über etwas ganz anderes sprachen, sondern auch, weil sie sich bisher nie über Privates unterhielten. Warum dann jetzt?

„Nein?", setzte sie herausfordernd nach. Draco dachte kurz darüber nach, was er sagen sollte, entschied sich jedoch seufzend für die Wahrheit.

„Nein."

„Du musst wissen, dass... es nicht so einfach ist, wie alle glauben. Man muss Kompromisse eingehen. Hat Streit. Dann kommt man von der Arbeit nachhause und der andere atmet zu laut, so wie er es in den Jahren davor getan hat und man hat die Schnauze voll davon. Aber man möchte es nicht versauen und schluckt es runter. Aber es ist nie weg und irgendwann...", ihre Augen wurden glasig. Das Shortbread, dass sie gerade in ihren Kaffee gehalten hatte war abgebrochen und würde sich nun in ihrer Tasse auflösen.

Offenbar erinnerte sie das Gespräch über die Ehe der Goyles an ihre eigene.

„Die Atmung deines Mannes nervt dich nicht wirklich, oder?", Draco studierte ihren Gesichtsausdruck. Ihre braunen Augen richteten sich auf ihn.

„Nein. Die Atmung steht für alle bescheuerten Kleinigkeiten dieser Welt, die einen nerven können.", fuhr sie ruhig fort, ignorierte den halben Keks in ihrer Tasse.

„Du bist mit Weasley verheiratet oder?", diese Frage brannte unter seinen Nägeln. Er konnte sich nicht vorstellen, dass dieser Dummbeutel dazu fähig war ihr Verletzungen zuzufügen.

„Nein."

„Wer ist es?", flüsterte er, er war sich nicht sicher, ob sie antworten würde.

„Wood."

Draco versteifte sich unter ihrer Antwort. Er wusste nicht, dass sie eine Beziehung eingegangen waren. Aber es ging ihn nichts an. Das alles war ein Problem, dem sie sich stellen musste. Niemand konnte jemanden dazu zwingen, eine Ehe zu beenden, wenn derjenige es nicht selbst wollte.

„Er schlägt dich.", das wiederum war keine Frage. Er wusste es.

„... nein.", gab sie zögerlich als Antwort, auf die nicht-Frage.

„Aber-"

„Draco, das ist meine Ehe.", knurrte sie ungehalten. Sie wollte nicht darüber sprechen. Und er sollte es nicht wissen. Sollte nicht wissen, wie sie versagt hatte. Das erklärte auch warum Wood ihn nicht direkt erkannt hatte, als Draco an jenem Abend an ihrer Wohnung klingelte. Nickend leerte er seine Tasse. Ihre war noch immer zur Hälfte gefüllt. Krümel schwammen an der Oberfläche.

„Sollen wir gehen?", kam es von ihr, die auf ihre Hände starrte.

„Bist du denn wieder nüchtern?", herausfordernd wartete er darauf, dass sie ihren Kopf hob. Sie tat es nicht und antwortete ihren Händen.

„Ja. Lass uns gehen. Es sind fünf Personen auf der Liste."

Sie erhoben sich, zogen stumm ihre Mäntel an und apparierten zu den Koordinaten der ersten Wohnung, Granger hatte bereits alles Notwendige recherchiert. Leise schlichen sie durch den Gang, fanden das Schlafzimmer, veränderten die Erinnerung der ersten Person, die sich im Tiefschlaf befand.

Wieder vor der Haustür standen sie im Dunklen.

„Das war doch gar nicht so schlecht.", gab sie zu. „Wenn du mir bei den anderen auch so eine Hilfe bist, musst du wohl immer mein Partner sein.", scherzte sie und nahm die Desillusionierungszauber von ihnen.

„Ich glaube das wird nicht passieren.", murrte er. Draco musste sich darum bemühen sie nicht wieder runterzuziehen, wie er es all zu gern tat, aber sie hatte gerade einen mehr oder weniger positiven Moment und das wollte er nicht zerstören. Er wusste, wie sie sein konnte, wenn sie glücklich war. Abgesehen davon hatten sie noch vier weitere Namen auf ihrer Liste und wenn sie sauer auf ihn wäre, würde das die nächsten Stunden ziemlich unangenehm gestalten.

„Das war auch nur ein Scherz. Hab ganz vergessen, dass du ein Miesepeter bist.", säuerlich wandte sie sich ab und ging aus dem Vorgarten auf den Gehweg.

„Ich bin nicht immer ein Miesepeter.", brummte Draco und folge ihr. Wieder standen sie nebeneinander, dieses Mal unter einer Straßenlaterne.

„Stimmt. Aber meistens schon. Du solltest dein Abschlussball-Ich mal wieder mitbringen.", sie versuchte ihn zur guten Laune zu kitzeln, aber das konnte er nicht zulassen. Das letzte Mal, als sie das geschafft hatte, war er kurz danach am Boden zerstört gewesen.

„Granger, das willst du nicht. Zumindest nicht wirklich.", kommentierte er leise.

Sie seufzte und strich sich eine Strähne hinter ihr Ohr. „Du hast recht, dafür ist es zu spät. Lass uns zum Nächsten gehen."

...

Das Prozedere wiederholten sie bei allen Beteiligten. Einsteigen, verhindern gesehen zu werden, Personen eventuell mit einem Schlafzauber belegen und anschließend vergessen lassen. Spät, es war bereits vier Uhr morgens, kehrten sie ins Ministerium zurück.

„Ich bin begeistert, dass es ohne Zwischenfälle funktioniert hat.", gab er zu. „Geht das immer alles so einfach? Ich glaube ich muss es doch erwägen meine Abteilung zu wechseln."

„Witzbold. Nein, nicht immer, aber wir hatten wohl einfach Glück.", leise lachte sie. „Hier ist noch Shortbread. Willst du kurz bleiben?", hoffnungsvoll sah sie ihn an.

„Du willst nicht nachhause?", warum interessierte es ihn? Merlin nochmal, das war nicht seine Angelegenheit! Verbittert schüttelte sie ihren Kopf, legte ihren Mantel ab und kehrte zum Sofa zurück. Er tat es ihr gleich und setzte sich neben sie. Den Kamin vor ihrem Sitzplatz entzündete sie, darauf löschte sie alle anderen Lichter. Noch immer hatte er das unangenehme Gespräch im Hinterkopf. Die Erinnerungen waren tief in seinem Gedächtnis vergraben und es hatte sehr lang gedauert, sie an diesen Ort zu schaffen. Dass sie es so unverschämt ansprach machte ihn fassungslos und er fühlte sich deshalb ausgeliefert. Er hoffte nur, sie würde ihn nicht wieder darauf ansprechen.

Einvernehmlich schwiegen sie, rührten die Kekse nicht an. Irgendwann wurde er müde, genau wie sie und sie schliefen ein, einen respektvollen Abstand voneinander.

...


~*~

A.N.: Frohen Nikolaustag! (oder frohes Wochenende)

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