Minster. 19.12.

Selten war er so wütend gewesen. Das letzte Mal, hatte er so einen starken Hass gegenüber seiner selbst gefühlt, als er zu feige war Dumbledore zu töten. Inzwischen war er froh darüber, aber danach, in diesem Moment, hatte er sich dafür gehasst. Und er hatte sich gehasst, weil er zu schwach dafür war seinen Eltern zu widersprechen, als sie ihn auf ihre Seite riefen, vor Voldemort. Hass erfüllte ihn, als er zusah, wie seine Tante seine Mitschülerin folterte, obwohl er sie nie hatte leiden können.

Aber das übertraf alles.

Die Feigheit, die jemanden erfüllen musste, damit er seinen Partner schlug, erschien ihm unermesslich. Er verabscheute diesen Menschen so sehr, dass er keinen Vergleich dafür finden konnte. Am liebsten würde er ihm eigenhändig seine Finger brechen. Jeden einzeln. So wie er es mit Grangers Seele getan hatte.

Er hätte es tun können und beherrschte sich dennoch, umklammerte das Glas voller Whisky in seinem Büro, presste seine Kiefer so stark aufeinander, dass sie schmerzten. Seit Stunden saß er da und bewegte sich keinen Millimeter, aus Angst er würde in die Untersuchungshaft gehen und ihn umbringen, ganz ohne Magie.

An welchen Ort Potter seine Freundin gebracht hatte wusste er nicht und er sollte es vielleicht nicht wissen. Sonst würde er womöglich zu ihr gehen und sich komplett blamieren. Denn die Sorge, die ihn übermannte, während er sie suchte und sie nicht da war, steckte ihm noch immer in den Knochen. Früher oder später würde er sie sowieso abfangen und sich erkundigen – natürlich nur der Höflichkeit halber. In seinem Inneren wusste er es besser, traute sich aber nicht, es zu denken oder zuzulassen.

Zumindest noch nicht.

...

Zwei Tage waren inzwischen vergangen und Draco wurde zunehmend nervös. Ging es ihr gut? Wo war sie?

Er hatte ausreichend geschlafen, sich erholt, einen freien Tag genossen. Aber etwas quälte ihn unablässig, nämlich wie es ihr ging, aber er würde eher warten bis die Hölle zu gefröre, als Potter nach ihr zu fragen. Und immer wenn er kurz daran dachte ihn nicht zu fragen, tauchte er in seinem Büro auf. So wie jetzt.

„Hi, Malfoy.", der Angesprochene verschränkte die Hände vor sich auf dem Schreibtisch und sah seinen Besucher abwartend an. „Ähm...die Verhöre von Nott und Dow stehen noch aus und ich dachte du willst vielleicht helfen."

„Nott und wem?", verwirrt runzelte er seine Stirn.

„Der Andere der erst tot war und dann Nott in seinem Haus umlegen wollte."

„Oh. Der heißt Dow? Was für ein beschissener Name.", kurzzeitig entstand ein merkwürdiges Schweigen. Sie beide schienen ein Thema zu umschiffen.

„Weißt du nicht mehr? Das war einer der Namen, die Nott Senior genannt hat.", Draco fiel es wie Schuppen von den Augen: das hatte er ganz vergessen. Oder verdrängt.

„Ich helfe. Wann?"

„Gleich morgen früh um neun. Zuerst Dow und dann Nott.", Potter versteckte seine Hände in seinem Umhang. Er wirkte angespannt.

„Ich werde da sein. Sonst noch was?"

Der andere kratzte sich im Genick und seufzte. „Von meiner Seite aus nicht. Aber vielleicht willst du ja noch was?"

„Was bei Merlins Krückstock soll ich denn wollen?", Draco tat als wüsste er nicht wovon er sprach.

„Ich dachte du willst vielleicht wissen, wie es Hermine geht. Aber anscheinend nicht.", erklärte er achselzuckend. „Ich wusste du würdest dich nicht wirklich für sie interessieren.", Potter wandte sich zum Gehen, als er bereits eine Hand auf die Klinke gelegt hatte begann Draco erneut zu sprechen:

„Ich interessiere mich für sie. Ihr seid diejenigen, die mich damals beschimpft haben. Ich wusste nicht einmal, dass sie bereits mit Wood ging.", der Schwarzhaarige ließ seine Hand wieder fallen und drehte sich um.

„Gerade frage ich mich, warum du nicht mehr getan hast. Dann wäre das alles nicht passiert."

„Jetzt bin auch noch ich der Schuldige? Wirklich? Das, was da zwischen ihr und mir gewesen ist, das war noch gar nichts. Wir waren zusammen beim Ball und ... das ist auch schon alles. Wenn ich überhaupt die Idee von Gefühlen hatte, dann war es an dieser Stelle noch zu früh dafür, eine Szene zu machen.", Draco würde nicht den Sündenbock spielen. Es war ihre Entscheidung, er konnte nichts tun.

„Dann frag mich doch wenigstens jetzt nach ihr! Es ist zwei Tage her, Malfoy.", aufgebracht warf er seine Arme in die Luft. „Mag sein, dass es nicht viel war. Aber hättest du das alles auf dich genommen, wenn es dich nicht sorgen würde? Du hast mich gerufen, als sie weg war, hast versucht sie zu überzeugen, ihn zu verlassen. Hast sogar Wood gedroht und jetzt fragst du nicht einmal, wie es ihr geht?"

„Woher weißt du das mit Wood?", misstrauisch lehnte er sich in seinem Stuhl zurück.

„Hat sie erzählt. Übrigens hat sie nach dir gefragt.", antwortete Potter beiläufig.

„Sie... Wirklich?", Draco konnte es nicht fassen, sie würde niemals nach ihm fragen. Warum sollte sie das tun?

„Du hast schon richtig gehört. Es gefällt mir überhaupt nicht, aber es ist nun mal so.", abweisend sah er ihn an. Dass es ihm nicht gefiel konnte Draco nicht leugnen.

„Und...wo ist sie im Moment?", seine Frage klang kleinlaut. Er wollte sie eigentlich nicht stellen, nicht zugeben, dass er sie sehen wollte.

„Bei Ginny und mir. Du kannst nach der Arbeit mitkommen, wenn du willst. Ich gehe 17 Uhr."

Das war ein nüchternes und ungewolltes Angebot, das wusste er. Aber wenn sie bei ihm war... er konnte es nicht ablehnen.

...

Sie trafen sich um 17 Uhr im Atrium. Missmutig bat Potter ihn darum ihm zu folgen und sie gingen zu einem der Kamine. „Die Adresse ist: The Leas 34, Minster. Okay?"

Draco verzog seinen Mund: „War ja klar, dass du am Wasser wohnst."

„Malfoy, du kannst auch einfach hierbleiben. Ich muss dich nicht zu ihr bringen.", moserte er. Ungeduldig trommelten seine Finger auf der Aktentasche herum, die er über seiner Schulter trug.

„Schon okay, ich bin still.", antwortete der Blonde genervt.

Der Schwarzhaarige rollte nur mit seinen Augen und verschwand als erster nachhause. Draco folgte ihm auf dem Fuße und fand sich schließlich im Wohnzimmer der Potters wieder. Es sah, seiner Meinung nach, ekelerregend normal aus. Hier und da ein paar weihnachtliche Nussknacker, dazu ein kleiner, leuchtender Weihnachtsstern im Fenster. Die Möbel waren im Landhausstil und hatten eine Urgemütlichkeit innewohnen, die er selten erlebt hatte. Durch die großen Fenster links von ihm konnte man vermutlich das Meer sehen, wenn es hell war.

„Komm schon. Hier lang.", damit holte Potter ihn wieder zurück in die Realität. Verstohlen sah er sich nach ihm um und durchquerte das Wohnzimmer. Die Tür führte in einen Flur, auf dessen gegenüberliegender Seite eine Treppe in das obere Stockwerk mündete. „Sie wohnt in unserem Gästezimmer.", erklärte er weiterhin.

Oben angekommen konnte Draco vier weiße Türen ausmachen, Potter ging zu der äußersten auf der rechten Seite und klopfte. „Ich hab Besuch dabei."

„Kommt rein!", rief jemand, der nicht Granger war. Auf einmal fühlte er sich ziemlich fehl am Platz und wurde nervös. Seine Finger fummelten an einem Knopf seines Umhangs rum. Potter öffnete die Tür und sie betraten ein gemütliches Schlafzimmer. Vor dem Fenster, auf der anderen Seite dessen, stand ein Himmelbett für zwei Personen. Darauf saßen Granger und Ginny Weasley, die beide zu ihnen blickten. Während Granger ein leichtes Lächeln auf den Lippen trug, wurde Weasleys Gesichtsausdruck neutral. Granger legte ein Buch, das sich auf ihrem Schoß befand auf den Nachttisch. Weasley erhob sich und warf noch einen Blick auf ihre Freundin.

„Ich geh dann kurz. Wenn irgendwas ist, schrei."

„Entschuldige, aber ich kann dich hören.", brummte Draco leicht beleidigt. Er erwartete nicht, dass sie ihn mochte, aber etwas Respekt konnte sie schon zeigen.

„Ich weiß.", fügte sie stur an und verließ an ihm vorbei das Zimmer. Potter sah ihn ebenfalls ein letztes Mal warnend an und folgte seiner Freundin. Draco beobachtete ihr Treiben, bis die Tür geschlossen war und er sich zögerlich zu Granger drehte. Sie saß auf der Bettkante und wartete anscheinend darauf, dass er etwas sagte.

„Hey.", war das, was ihm als erstes einfiel. Er fühle sich ziemlich unbeholfen. Wie sprach man mit Menschen, die so etwas durchlebten?

„Hallo.", antwortete sie. „Schön, dass du da bist."

„Mhmpf.", machte er. Er ging ein paar Schritte in ihre Richtung und blieb einen Meter vor ihr stehen. „Du hast nach mir gefragt?", versuchte er es schließlich. Sie zuckte ihre Achseln.

„Ich wollte mich bei dir bedanken."

„Wofür?", sie sollte sich nicht für diese Selbstverständlichkeit bedanken.

Sie senkte ihren Kopf und sammelte ein unsichtbares Haar von ihrem Bein: „Wären Harry und du nicht gewesen, würde es mir jetzt noch schlechter gehen."

„Hat er... du weißt schon.", betrübt erwiderte sie seinen Blick. Sie schüttelte ihren Kopf. „Und vorher?"

„Nein.", sie seufzte und stand von der Matratze auf.

„Wie geht's dir?", fragte er weiter. Das Gespräch wollte nicht richtig laufen, aber es störte ihn nicht. Er wollte sie nicht drängen.

„Geht so. Ich bin froh darüber hier zu sein.", murmelte sie. „Auf jeden Fall: vielen Dank."

„Du musst dich nicht bedanken.", er winkte ab und lehnte sich gegen den Bettpfosten zu seiner rechten. „Glaubst du ich lasse es zu, dass er dich weiterhin misshandelt? Es hätte auch noch schlimmer sein können, schließlich warst du plötzlich weg. Aber auch wenn es weniger schlimm gewesen wäre und du nur mit jemandem im Café gewesen wärst... ich hätte dich trotzdem gesucht. Denke ich."

„Draco, das war meine eigene Dummheit. Ich könnte mich selbst dafür schlagen.", ihr wässriger Blick wandte sich ab und sie wischte eine Träne aus ihrem Augenwinkel. „Es war so unglaublich dumm."

„Wie ist er denn an dich rangekommen? Ich hab doch die Tür gesichert.", lange hatte er bereits darüber nachgedacht. Sie war absolut sicher gewesen und er konnte sich keinen Reim darauf machen, es sei denn...

„Ich... bin gegangen. Zu ihm.", gab sie stockend zu, er verzog seinen Mund.

„Du kannst dich doch nicht freiwillig in diese Gefahr begeben haben! Bist du lebensmüde? Meine Güte, ich gebe alles, damit er dich in Ruhe lässt und dann machst du sowas?", er brauste auf, sein Puls stieg an, über diesen Leichtsinn, der sie zurück zu ihm getrieben hatte.

„Es tut mir leid!", schluchzend wischte sie über ihre Wangen. „Ich dachte e-er meint es die-ieses Mal ernst und... ich da-achte es wirklich... i-ich-"

Mitleidig besah er sie und war sauer über sich selbst, weil er sie so anging. Sie mied den Augenkontakt, aber er ging noch einen Schritt auf sie zu und nahm sie entgegen seiner Natur in den Arm, um sie zu trösten. Lange weinte sie in seinen Armen, ohne die Umarmung zu erwidern. Er strich mit einer Hand über ihren Rücken.

„Entschuldige. Ich kann mir vorstellen, dass du es wirklich glauben wolltest. Und ich hätte es dir auch gewünscht, wirklich."

Sie legte ihre Hände auf seine Brust, um ihn von sich wegzuschieben, damit sie ihn ansehen konnte. Wimperntusche verteilte sich unter ihren Augen.

„So selbstlos bist du? Was ist nur aus dir geworden.", leise lachte sie. Er senkte seine Arme und lächelte.

„Irgendwie musste dein Helfersyndrom ja auf mich abfärben."

„Wenigstens das hab ich geschafft. Aber bei Oliver hat es nicht funktioniert.", niedergeschlagen wanderten ihre Mundwinkel nach unten. „Man könnte meinen, er ist nur wegen mir so geworden."

„Erzähl doch nicht so einen Blödsinn. Warum solltest du daran schuld sein? Schließlich ist er doch der Wichser, der seine Frau schlägt.", unwillkürlich schlug seine Stimmung wieder in Ärger um, wenn sein Name auch nur erwähnt wurde.

„Schon. Aber eigentlich liegt es an mir. Zumindest hat er das immer gesagt."

„Was sollst du denn seiner Meinung nach getan haben?", herausfordernd verschränkte er die Arme vor der Brust. Keine Sache dieser Welt würde ihn dazu bringen seine Frau zu schlagen.

„Ich... kann keine Kinder bekommen."

...

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